Zur Geschichte der Antifaschistischen Aktion

Im folgenden Text geht es um die Entstehung der Antifaschistischen Aktion von 1932. Um zu verstehen, wie es zur Gründung dieser Initiative kam, ist es notwendig, die geschichtliche Entwicklung zu betrachten, aus der diese Bewegung entstanden ist. Entscheidend für die Politik und organisatorische Gestaltung waren sowohl die Erfahrungen der Kampforganisationen kommunistischer als auch sozialdemokratischer ArbeiterInnen. Darüberhinaus spielten die Erfahrungen und Niederlagen der revolutionären Aufstände innerhalb des Deutschen Reiches und Weimar seit 1918 eine Rolle.
Im folgenden wird deshalb kurz dargestellt, welche Aufstände es gegeben hat, um dann zur Suche nach Fehlern und fortschrittlichen Ansätzen innerhalb der Antifaschistischen Aktion zu kommen. Um zu begreifen, welche Unzulänglichkeiten dazu führten, daß auch ein alles in allem positiv zu bewertender Ansatz linker Kräfte – wie die Antifaschistische Aktion – nicht vermochte, faschistische Tendenzen innerhalb der Weimarer Republik und letztlich den Faschismus umgreifend zu bekämpfen oder aufzuhalten, ist ein Verständnis des geschichtlichen Hintergrundes unabdingbar.

Der 9. November 1918

Der Krieg sollte nur wenige Wochen dauern, das jedenfalls war das Versprechen der deutschen kriegführenden Regierung beim Ausbruch des I. Weltkrieges im August 1914. Aus Monaten wurden Jahre, ohne daß ein Ende des Krieges abzusehen war. Massenhafter Tod und unvorstellbares Elend ließen die anfängliche nationale Kriegsbegeisterung schnell schwinden. Im besonderen die katastrophale Lebensmittelversorgung in Ballungsgebieten (Städten, Industrieregionen) und an der Front hatte die Bevölkerung und einen Teil der Soldaten mehr und mehr gegen den Krieg eingenommen.
Mit Kriegsbeginn wurde über jede deutsche Provinz der Belagerungszustand verhängt, zur Steigerung und Aufrechterhaltung der Produktion auch während des Krieges und zur Vermeidung von Streiks und Unruhen wurden Arbeitsschutzgesetze aufgehoben.
Die Militarisierung der Betriebe, die Einsetzung von Frauen in die der Rüstungsindustrie, die Überwachung und das Verbot mißliebiger Versammlungen, die Einberufung „aufgefallener Rädelsführer“ zum Militär, Sicherheitshaft und kriegsrechtlich schnelle Verurteilung linker Kräfte sowie eine scharfe Zensur über alle Publikationen, waren die wichtigsten Instrumente, die der Staatsgewalt im Krieg zusätzlich zur Verfügung standen, um die Kriegsproduktion ideologisch und ökonomisch aufrecht zu erhalten.

Vaterland statt Klassenkampf

Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hatte die zur Kriegsführung benötigten Kredite im August 1914 bewilligt (»Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich«) und trug während des Krieges mehrheitlich die obrigkeitsstaatliche Politik (Verzicht auf Lohnforderungen und Streikmaßnahmen, Zusammenarbeit mit Unternehmern und staatlichen Stellen).
Sie hatte innenpolitisch „Burgfrieden“ geschlossen mit den Nationalisten und Reaktionären und verzichtete bereitwillig auf eine grundlegende Konfrontation mit den ökonomisch und politisch Herrschenden. Die revisionistischen Positionen, die unterschwellig schon vor Beginn des I. Weltkrieges die Politik der Sozialdemokratie und Gewerkschaften bestimmt hatten, beherrschten nunmehr offen ihre Politik. Je länger der Krieg jedoch andauerte, desto brüchiger wurde der Burgfrieden. Die Militärdiktatur im Innern des Landes, wachsende Not und Elend, zunehmender Vertrauensverlust der Bevölkerung in die alten obrigkeitsstaatlichen Autoritäten und eine wachsende Opposition innerhalb der traditionellen ArbeiterInnenorganisationen SPD und Gewerkschaften, dazu eine wachsende antimilitaristisch geprägte Kriegsmüdigkeit verschärften die Spannungen im Gesellschaftsgefüge, vor allem zwischen den Klassen.
Vor diesem Hintergrund entstand eine politische oppositionelle Massenbewegung, die das Geschehen Ende 1918 entscheidend bestimmte.

Der 9. November – Revolution und „Dolchstoß“

Kam es im April 1917 schon zu einer Streikbewegung in der Rüstungsindustrie und bereits im August 1917 zu einer Meuterei in der deutschen Flotte, blieben all diese Aktionen trotzdem bis dahin zunächst erfolglos. Mit der Oktoberrevolution 1917 in Rußland, dem Sieg der RevolutionärInnen über das alte Zarenreich, bekamen die revolutionären Kräfte im Deutschen Reich einen entscheidenden Impuls. Als nach der gescheiterten deutschen Offensive vom Sommer 1918 die militärische Niederlage unübersehbar bevorstand, vollzog die monarchistisch-nationalistische „Obere Heeresleitung“ unter Generalfeldmarschall von Hindenburg und Ludendorff eine plötzliche Wende und forderte die Bildung einer parlamentarischen – auch von der SPD mitgetragenen – Reichsregierung als Voraussetzung für Waffenstillstandsverhandlungen. Mit diesem taktischen Schwenk wollten sich die reaktionären – mit ihrer Kriegspolitik gescheiterten – Militärs aus der Verantwortung für die Folgen des verlorengegangenen Krieges ziehen.
Zugleich wurde damit der Grundstein für die „Dolchstoßlegende“ gelegt, welche die Entstehung der Weimarer Republik mit dem Makel republikanischen Kapitulantentums verband. Für die reaktionären Kräfte war der I. Weltkrieg nur deshalb verloren gegangen, weil die verhaßten „Sozialisten und Demokraten den deutschen Soldaten den Dolch in den Rücken gerammt“ hatten. Als Kaiser Wilhelm II. die Gesetze zur Einführung einer Parlamentarischen Monarchie unterschrieb, meuterten in Wilhelmshaven bereits Mannschaften gegen die Marineleitung, die zur „Ehrenrettung“ der kaiserlichen Marine einen letzten und chancenlosen Flottenvorstoß unternehmen lassen wollte.
Die erschöpften und kriegsmüden Matrosen verstanden dies als Kampfansage auf „ihre friedenswillige“ Reichsregierung. Am 3. November 1918 erfolgte der Aufstand der Kieler Matrosen; Dockarbeiter schlossen sich dem Aufstand an und beschlossen den Generalstreik. Zwischen dem 4. und 9. November 1918 verbreitete sich der Aufstand über ganz Deutschland. In vielen Städten übernahmen spontan gewählte Arbeiter- und Soldatenräte die Kontrolle, so zum Beispiel in Lübeck, Hamburg, Bremen, Wilhelmshaven, Hannover, Köln und vielen anderen Städten. »Überall geschah wie auf stillschweigende Verabredung dasselbe: Die Soldaten der Garnisonen wählten Soldatenräte, die Arbeiter wählten Arbeiterräte, die Militärbehörden ergaben sich oder flohen. Die zivilen Behörden erkannten erschrocken und verschüchtert die neue Oberhoheit der Arbeiter- und Soldatenräte an. Das äußere Bild war überall dasselbe: Überall große Umzüge auf den Straßen, große Versammlungen auf den Marktplätzen (…). Überall wurden als erstes die politischen Gefangenen befreit, nach den Gefängnissen die Rathäuser, die Bahnhöfe, die Generalkommandos, manchmal auch Zeitungsredaktionen besetzt.« (Sebastian Haffner, Die Verratene Revolution, München 1969)
Der 9. November markiert das Ende des I.Weltkrieges; in der Nacht zum 10. November floh Kaiser Wilhelm II. über Belgien nach Holland. Im Zuge der Revolution wurden verschiedene politische und soziale Errungenschaften wie der 8-Stundentag oder allgemeine (und Frauen-)Wahlrecht erkämpft (zuvor 3-Klassen-Wahlrecht!).

Die Rolle der SPD

Die Rolle der SPD läßt sich nur aus ihrer traditionellen Position als Vertreterin der revolutionären ArbeiterInnenschaft verstehen.
Die Räte als (spontan entstandene) radikaldemokratische Basisorganisationen waren nicht unmittelbar sozialistische oder spartakistisch/ kommunistische Organisationen. Die Streikbewegung, die sich Arbeiter- und Soldatenräte als Führungs- und Organisationsgremien schufen, waren mehrheitlich SozialdemokratInnen und glaubten sich eins mit ihrer Parteiführung im Willen um eine grundlegende, revolutionäre Veränderung.
Das Bewußtsein breiter Schichten der ArbeiterInnen, die die Revolution mittrugen, war auf die SPD fixiert. Einer Partei, die alles andere als die Revolution im Sinn hatte und die sich im Kern auch schon ordnungsgemäß in das bürgerliche Parteienspektrum eingegliedert hatte. (Ebert, Vorsitzender der SPD zu Prinz Max von Baden am 6. November 1918: »Wenn der Kaiser abdankt, ist die soziale Revolution unvermeidlich. Ich aber will sie nicht, ja ich hasse sie wie die Sünde.«). Zwar stimmten die SozialdemokratInnen der staatsrechtlichen Stellung der Räte zu: »Die politische Macht liegt in den Händen der Arbeiter- und Soldatenräte der deutschen sozialistischen Republik. Ihre Aufgabe ist es, die Errungenschaften der Revolution zu behaupten und auszubauen, sowie die Gegenrevolution niederzuhalten.« Doch je mehr die Räte ihre Kompetenzen auszuüben versuchten, desto stärker propagierte die SPD die Nutzlosigkeit der Rätevertretungen, da es in Deutschland ja eine „revolutionäre Regierung“ gäbe. Sie war von Beginn an damit beschäftigt, im Bündnis mit den alten gesellschaftlichen Kräften (Militär, Junkertum, Verwaltung) die revolutionäre Bewegung „zurückzurollen“.
Auf dem Reichskongreß der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin im Zirkus Krone vom 16. bis 20. Dezember 1918 ging es um die Frage der Volksvertretung. Hier wurde die Entscheidung zwischen Rätesystem oder Nationalsversammlung (bürgerlicher Demokratie) durch die Arbeiter- und Soldatenräte gefällt, die zunächst mit dem „Rat der Volksbeauftragten“ der SPD und USPD ihr Vertrauen aussprachen, im trügerischen Glauben daran, daß ihren Forderungen nach Sozialisierung der Industrie, nach Ergreifung aller Maßnahmen zur Entwaffnung der konterrevolutionären Truppen, nach Errichtung einer Volkswehr anstelle der Reichswehr u.a. unverzüglich Folge geleistet würde.
Die Wahl der Nationalversammlung wurde auf den 19. Januar 1919 angesetzt. Damit hatten sich bereits tendenziell die rechten Führer der Sozialdemokratie durchgesetzt und noch im Jahre 1918 begann die blutige Niederschlagung revolutionärer Kräfte unter Führung der SPD, die mehr Opfer mit sich brachte als die Revolution selbst. (Angriff auf die Volksmarinedivision durch die Reichswehr in Berlin; 24. Dezember 1918).
Doch am gesteckten Ziel der SPD mit allen Mitteln, selbst gegen große Teile der ArbeiterInnen, eine Nationalversammlung durchzusetzen, kam es zum Bruch mit der USPD. Die SPD verfolgte ihr Ziel unter anderem bereits zu dieser Zeit in Bündnissen mit reaktionären Kräften in Militär und Wirtschaft.

Bewaffnete Aufstände

Freikorps

Oben bereits erwähnt ist die Tatsache, daß unter der Führung der SPD rechte Freikorpsverbände gegen aufständische Soldaten und streikende ArbeiterInnen eingesetzt wurden. »Bereits seit Ende November/ Anfang Dezember 1918 hatten kaiserliche Offiziere im Auftrag der OHL (oberste Heeresleitung, d.V.) in vielen Teilen Deutschlands der Reaktion ergebene Kräfte zu konterrevolutionären Formationen zusammengefaßt, denen sie die von 1912/13 bekannte und populäre Bezeichnung „Freikorps“ gaben. Die rekrutierten sich vorwiegend aus dem Offiziers- und Unteroffizierskorps der kaiserlichen Armee, aus Studentenkreisen, aus kleinbürgerlich-bäuerischen Elementen sowie aus Randschichten der werktätigen Klassen. Politisch-ideologisch standen die Freikorps auf dem Boden eines militanten Antikommunismus und Chauvinismus mit starken monarchistischen Tendenzen. Gliederung, Bewaffnung, Ausrüstung und Ausbildung entsprachen ihrem Bürgerkriegsauftrag. Die Kommandogewalt der Offiziere war in ihnen wieder völlig hergestellt. Gestützt auf Geldmittel des Reiches sowie auf beträchtliche finanzielle Zuschüsse von Konzernen und reaktionären Organisationen, konnten ihren Angehörigen einen hohen Sold zahlen.« (Dreetz/Geßner/Sperling, Bewaffnete Aufstände in Deutschland 1918-1923, Militärverlag der DDR, 1988).

Berlin 1919

Noch vor den Wahlen zur Nationalversammlung wurden Schritte seitens der politischen Führung eingeleitet, die auf die Bekämpfung revolutionärer Errungenschaften schließen ließen. So wurde der Berliner Polizeipräsident Emil Eichorn, der als linker Vertreter der USPD galt, von der SPD aus dem Amt entfernt und steckbrieflich gesucht. Dies war Anlaß und Ausgangspunkt für die bewaffneten Auseinandersetzungen im Berliner Zeitungsviertel.Waren es zunächst Demonstrationen für den Erhalt des fortschrittlichen Polizeipräsidenten Eichorn und für Volksbewaffnung gewesen, mündeten diese in dem Entschluß, notfalls bewaffnet gegen die Regierung vorzugehen und deren Absetzung zu fordern.
Ab dem 4. Januar bis zum 12. Januar 1919 kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen RevolutionärInnen und eingesetzten Freikorpsverbänden. Verhielt sich die Reichswehr in Berlin anfänglich weitestgehend neutral, ging die politische Führung der SPD mit Noske (offiziell „Befehlshaber der regierungstreuen Truppen in und um Berlin“) mit den Worten »Meinetwegen! einer muß der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht.«, in die Geschichte ein. Er erlies im Laufe der Kämpfe den Befehl, jedeN bewaffneteN ArbeiterIn zu erschießen. Ihren Höhepunkt und Ende fanden die Kämpfe in den Auseinandersetzungen um das „Vorwärts“-Verlags- und Druckhaus. (Die Zeitung „Vorwärts“ war das Organ der SPD).Die Tage der Kämpfe und die anschließenden Durchsuchungen nach Waffen, vor allem bei kommunistischen ArbeiterInnen kosteten mehreren hundert RevolutionärInnen das Leben. Im Zuge der Razzien und Festnahmen wurden am 15. Januar 1919 Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht durch konterrevolutionäre Truppen ermordet.
Unter dem Eindruck der blutigen Niederschlagung der revolutionären Soldaten und ArbeiterInnen fand am 19. Januar 1919 die Wahl zur Nationalversammlung statt. Als Sieger gingen die bürgerlichen Parteien der Mitte unter Führung der SPD (Ebert) hervor. Die am 1. Januar 1919 gegründete KPD beteiligte sich folgerichtig nicht an der Wahl zur Nationalversammlung, da sie für ein Rätesystem eintrat. So begann die Weimarer Republik auf dem Blut der RevolutionärInnen ihre Geschichte.

Frühjahr 1919

Auch die Folgezeit der revolutionären Erhebung vom 9. November 1918, das Frühjahr 1919, war dadurch gekennzeichnet, daß über das gesamte Deutsche Reich verteilt immer wieder Forderungen nach einer Räteregierung, einem sozialistischen System erhoben wurden. So kam es beispielsweise sowohl in Mitteldeutschland, um Halle als auch im Ruhrgebiet zu großen Massenstreiks, die die Wahl von Betriebs- und Arbeiter- und Soldatenräten forderten. Immer wieder wurden reaktionäre bewaffnete Freikorps und Reichswehr gegen die ArbeiterInnen eingesetzt. In Bremen und in München wurde der Versuch unternommen, eine Räteregierung zu errichten und durchzusetzen.
Überdauerte die Bremer Räterepublik lediglich knapp zwei Wochen – sie wurde bereits am 6. Februar 1919 niedergeschlagen – konnte in München die Räterepublik länger überleben (2 Phasen). Aber auch sie wurde nach einem Monat blutig niedergeschlagen und fand am 4. Mai 1919 ihr Ende. Beide Räterepubliken wurden auf Befehl aus Berlin von Reichswehrminister Noske (SPD) niedergeschlagen. Auch hier erging jeweils der Befehl, keine FührerInnen der Räte lebend entkommen zu lassen. »Von Januar bis Mai 1919, mit Ausläufern bis in den Hochsommer hinein, tobte in Deutschland ein blutiger Bürgerkrieg, der tausende von Todesopfern und unsägliche Bitterkeit (unter den revolutionären ArbeiterInnen, d. V.) hinterließ (…). Überall ging es nur um eins: um die Existenz der Arbeiter- und Soldatenräte und damit um die Legitimität der Revolution. Noskes „Städteeroberer“, General Maerker, hat das ganz offen ausgesprochen: „Im Kampf der Reichsregierung (unter Federführung der SPD, d.V.) handelte es sich ausschließlich um die Erhaltung der politischen Macht. Zu diesem rein politischen Zweck wurde die Truppe eingesetzt: als Machtmittel zur Festigung der inneren Politik. Die Schwäche der Regierung gestattete es aber nicht, das offen zu sagen. Sie fürchtete sich, Farbe zu bekennen, und zu erklären, daß die Freiwilligentruppe dazu diene, die Räteherrschaft zu beseitigen, wo sie noch bestand, denn darauf kam es letzten Endes an. Sie umging es, indem sie militärische Angelegenheiten zum Anlaß des Eingreifens machte. Mir lag dieses unaufrichtige Verhalten keineswegs. Ich hätte den Arbeiterführern gegenüber sicherer dagestanden, wenn ich offen hätte erklären können: Meine Anwesenheit bedeutet den Kampf gegen die von euch erstrebte Räteherrschaft und gegen die Gewaltherrschaft des bewaffneten Proletariats.“« (Sebastian Haffner, Die verratene Revolution, München 1969).
Die Niederschlagung der Münchener Räterepublik am 4. Mai 1919 steht als Ende der Novemberrevolution im Deutschen Reich. Hauptsächliche Ursachen für das Scheitern sind nicht nur in der militärischen Schwäche und der voneinander isoliert stattgefundenen Aufstände der RevolutionärInnen zu suchen. Politisch entscheidend war das Vertrauen des Gros der Basis in die Führung der SPD, die es immer wieder verstand in den Verhandlungen (basis)demokratisch aufzutreten, aber parallel in Wirtschaft, Politik und Militär längst mit den reaktionären Kräften ein Bündnis eingegangen war, um ihre machtpolitische Stellung als nun staatstragende Partei abzusichern.
Zwar hatte sich der Rätegedanke – in Anlehnung der Oktoberrevolution 1917 in Rußland -, der den politischen Ausdruck für die Errungenschaften der Revolution darstellte, gegen den rechten Flügel (Führer) der Sozialdemokratie nicht durchsetzen können, dennoch kam es noch bis Ende 1923 immer wieder zu Erhebungen und Bestrebungen revolutionärer Kräfte.

Der Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920

Rechtsreaktionäre Kräfte, bestehend aus Kreisen der Wirtschaft, adeligen Offizieren, sowie Vertretern aus dem deutschnationalen Parteienspektrum versuchten im März des Jahres 1920 einen Putsch, um eine Militärdiktatur zu erzwingen. Die ersten Putschvorbereitungen wurden von einflußreichen Kapitalisten maßgebend unterstützt, so z.B von Hugo Stinnes und Wolfgang Kapp, Gutsbesitzer, Direktor der ostpreußischen Generallandschaft (einer öffentlich rechtlichen Kreditanstalt).Er war desweiteren im Aufsichtsrat der Deutschen Bank und im Hauptvorstand der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) tätig und arbeitete Hand in Hand mit dem General der Infanterie,Walter Freiherr von Lüttwitz. »Von Reusch, Krupp, Hugenberg,Stinnes, der Deutschen Bank, der Commerzbank, der Dresdner Bank, der Nationalbank und ähnlichen Kreisen finanziert, von der deutschnationalen und volksparteilichen Führung unterstützt, schufen sie eine Dachorganisation der Verschwörer, die „Nationale Vereinigung“, mit Pabst, Ludendorff, Lüttwitz und dem als Ultrachauvinisten bekannten antikommunistischen Gutsbesitzer Kapp an der Spitze, (…). Bereits Mitte September 1919 erließ Lüttwitz, dem die republikanische Regierung (…) den höchsten Offiziersposten (Befehlshaber des Reichswehrgruppenkommandos I) überlassen hatte, einen „Vorbereitenden Befehl zur Unterdrückung größerer Unruhen“, der zum „rücksichtslosen Gebrauch der Machtmittel“ verpflichtete und durch „allgemeine Richtlinien für die Bekämpfung des Generalstreiks“ ergänzt wurde. Während die Reaktionäre im ganzen Lande einen wüsten Propagandafeldzug gegen die Regierung starteten, entwarfen die Staatsstreichler im engsten Kreise eine Notstandsverfassung, deren Inhalt sich in einem Satz zusammenfassen läßt: Wer nicht pariert, wird arretiert.
Die ultrachauvinistischen und verbissen antisowjetischen Verschwörer rechneten sich nicht zuletzt deshalb eine Chance für ihr „Unternehmen“ aus, weil sie die weltpolitische Situation für die Wiedererrichtung eines schwarzweißroten Reiches für günstig hielten.«(Wolfgang Ruge,Weimar – Republik auf Zeit, S. 51; das europäische buch; Literaturvertrieb GmbH Westberlin, (c) 1969 by Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin, DDR).
Am 13. März 1920 wurde der Putsch über Berlin ausgelöst. Kapp ernannte sich selbst zum Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten. Friedrich Ebert, damaliger Reichspräsident und fast alle Mitglieder der Regierung flohen erst nach Dresden und dann nach Stuttgart, weil bekannt geworden war, daß die Putschisten diese verhaften lassen wollten.

Generalstreik als Waffe gegen den Putsch

Zu dieser Zeit lebten etwa vier Millionen ArbeiterInnen im Ruhrgebiet. Viele waren im Bergarbeiterstreik von 1912, sowie in Streikkämpfen des I. Weltkrieges und an der Novemberrevolution 1918 beteiligt gewesen. Deshalb war es nicht verwunderlich, daß gerade diese Region an der Spitze des Kampfes gegen die rechten Putschisten stand. Der militärische Ausnahmezustand wurde per Verordnung über die Regierungsbezirke Arnsberg, Düsseldorf, Minden und Münster erlassen. Dagegen wuchs die Empörung zusehends. Die Vertreter der drei ArbeiterInnenparteien USPD, KPD,SPD verurteilten den Putsch und forderten geeint den Generalstreik, der am 14. März 1920 mit einem gemeinsamen Aufruf eingeleitet wurde.
Zwei Zielsetzungen charakterisierten die politischen Vorstellungen: Zum ersten die Erringung der politischen Macht auf der Grundlage des Rätesystems und zum zweiten die sofortige Sozialisierung vieler Betriebe. Es folgte der Generalstreik und Demonstrationen in Bochum, Duisburg, Essen, Hagen, Hamborn, Haspel, Unna und Wetter. Zur Verteidigung und Durchsetzung des Generalstreiks und der politischen Forderungen begannen sich die ArbeiterInnen zu bewaffnen. Sie schafften es innerhalb weniger Tage ca. 10000 Männer und erstmalig auch einen größeren Anteil von Frauenn, in bewaffneten Verbänden der Roten Ruhrarmee aufzustellen und ihre politische und militärische Führung sowie die Versorgung der Arbeiterformationen weitgehend zu sichern.
Ähnliche Volkswehren wie die Rote Ruhrarmee waren die erste Volksarmee Thüringens, die Rote Vulkanarmee in Stettin, die Rostocker ArbeiterInnenwehren und die Roten Garden in der Niederlausitz. In diesem, mehrere tausend ArbeiterInnen umfassenden Wehren, waren vorwiegend politisch organisierte ArbeiterInnen, die über militärische Erfahrung noch aus dem I.Weltkrieg verfügten. Sie entstanden auf Orts-, weniger auf Betriebsbasis. Mit dem Generalstreik war den Putschisten die ökonomische und politische Basis entzogen worden und der Putsch war somit gescheitert.
Nachdem die Putschisten abgesetzt waren, übernahm die SPD wieder die politische Führung. Die bewaffneten Ruhraufständischen weigerten sich jedoch mehrheitlich die Waffen abzugeben und ihre politischen Vorstellungen fanden in der Forderung nach einer Räteregierung ihren Ausdruck.
»Die drei sozialistischen Parteien des Industriegebietes, die heute morgen zu einer Konferenz hier vereinigt waren, stellten sich einmütig auf den Standpunkt, daß alle Kräfte eingesetzt werden müssen, um die Reaktion niederzuschlagen. (…) Wir verlangen sofortige Einstellung der Truppenbewegung, da wir sonst gezwungen sind, in berechtigter Abwehr zum Angriff zu schreiten, um zu verhindern, daß zusammengezogene reaktionäre Truppenkörper im Industriegebiet den weißem Schrecken einführen. (…).
Im Gegensatz zu allen anderen Behauptungen erklären wir, daß im Industriegebiet größte Ruhe und Ordnung herrscht und die Arbeit mit Ausnahme der unter Waffen stehenden Arbeiter voll aufgenommen wurde. Wir bitten sofortige Entscheidung zu treffen.« (Forderung der drei ArbeiterInnenparteien SPD, USPD und KPD des Industriegebietes an Reichspräsident Ebert nach Einstellung des Vormarsches gegenrevolutionärer Truppen, Hagen, 21. März 1920).
Wieder spielte die SPD die Rolle, die sie schon während der Aufstände im November 1918 gespielt hatte. Unter Zusicherung, die rechten Freikorpsverbände nicht gegen die RevolutionärInnen einzusetzen, wurden die ArbeiterInnen dazu gebracht, ihre Waffen abzuliefern (Bielefelder Abkommen). Ihr Versprechen hielt die SPD, nicht die rechts-reaktionären Freikorps marschierten in das Ruhrgebiet ein, sondern die Reichswehr rückte vor und metzelte die größtenteils entwaffneten ArbeiterInnen nieder. Allerdings waren die Freikorps kurzerhand in die Reichswehr als bezahlte Söldner eingegliedert worden. So marschierten die gleichen reaktionären Freikorpsler nicht mit dem Totenkopf am Helm, sondern mit der Legitimation zum Töten als Reichswehrler ein. Mehrere tausend ArbeiterInnen ließen bei diesem Verrat der SPD ihr Leben (sofortige Erschießungen, Folterungen durch die Truppen) und wurden zu Tausenden anschließend in die Gefängnisse geworfen. In einem Brief vom 2. April eines Mitgliedes des Freikorps der „Brigade Epp“ an nationalistische Krankenschwestern hieß es: »Gestern Vormittag (…) kam ich zu meiner Kompanie, und nachmittags um 1 Uhr machten wir den ersten Sturm. Wenn ich Euch alles schreiben würde, da würdet ihr sagen, das sind Lügen. Pardon gibt es überhaupt nicht. Selbst die Verwundeten erschießen wir noch. Die Begeisterung ist großartig, fast unglaublich. Unser Bataillon hat zwei Tote. Die Roten 200 bis 300.Alles, was und in die Hände kommt, wird mit dem Gewehrkolben zuerst abgefertigt und dann mit der Kugel. Ich dachte während des ganzen Gefechts an Station A. Das kommt nämlich daher, daß wir auch zwei Rote-Kreuz-Schwestern sofort erschossen haben, von denen jede eine Pistole bei sich trug. Mit Freuden schossen wir auf diese Schandbilder, und wie sie geweint und gebeten haben, wir sollten ihnen das Leben lassen. Nichts! Wer mit der Waffe angetroffen wird, der ist unser Gegner und muß dran glauben. Gegen die Franzosen waren wir im Feld viel humaner.« (W. Ruge, s.o., S. 71. Quelle: MA, Nr. R 4454, Bl. 1 ff.).
Während die RevolutionärInnen teilweise bestialisch hingerichtet und abgeschlachtet wurden, konnten die rechten Putschisten vor allem in den Prozessen damit rechnen, mit Samthandschuhen angefaßt zu werden. Von 705 amtlich bekanntgewordenen Straftaten der Rechten waren bis 1922 bereits 412 amnestiert, 176 Verfahren eingestellt, 109 durch Tod oder sonstige Gründe nicht weiter verfolgt, noch nicht erledigt 7 und bestraft sage und schreibe 1 Person. (Quelle: Walter Tolmein, Die Entstehung und Entwicklung der Weimarer Republik bis Eberts Tod, S. 110, Hannover 1973).

Fortschritt oder Reaktion 1921-1923

Nach dem Versuch der Rechten unter Führung von Kapp und Lüttwitz einen Putsch zu wagen und dem anschließenden Generalstreik und dessen blutiger Niederschlagung unter politischer Verantwortung der SPD waren große Teile der sich als revolutionär begreifenden Kräfte ermordet worden oder saßen in den Gefängnissen.Die Hoffnung der Errichtung einer Alternative – eines
Rätestaates – zur bürgerlichen Demokratie der Weimarer Republik unter der politischen Führung der bürgerlichen Parteien im Pakt mit dem reaktionären Militärwesen und unter der Dirigentenschaft des nationalistischen Großkapitals der Großindustrie war zu diesem Zeitpunkt faktisch geschwunden. Nicht nur psychologisch und politisch auch praktisch waren die revolutionären ArbeiterInnen weitestgehend entwaffnet.
Nichtsdestotrotz waren nicht alle revolutionären Vorstellungen innerhalb der Bevölkerung verlorengegangen. So gab es in der Weimarer Republik Gebiete, in denen fortschrittliche Kräfte hohe Stimmenanteile gewinnen konnten. Zwar erstarkten die rechten deutschnationalen Kräfte republikweit betrachtet immer mehr, jedoch hatten gerade in Industrieregionen die ArbeiterInnenparteien ein große AnhängerInnenschaft.

Mitteldeutscher Aufstand

Im damaligen Mitteldeutschland (Merseburg, Halle, Leuna, Mansfelder Land) waren größer Industriezweige ansässig, vor allem im Bereich der Chemie-, Metall-, und Bergbauindustrie. Die dort lebenden ArbeiterInnen waren nicht nur in der Novemberrevolution emanzipiert aufgetreten und hatten sich aktiv in die Kämpfe eingebracht, sondern auch während des Kapp-Lüttwitz-Putsches wurde der Generalstreik und Großdemonstrationen durch diese ArbeiterInnen maßgeblich vorangetrieben.Dieser Landstrich kann faktisch als Hochburg radikaler linker ArbeiterInnen betrachtet werden. Daraus ergab sich im Jahre 1921 eine folgenschwere Situation.
Bei den Wahlen zum Preußischen Landtag am 20. Januar 1921 erzielte die kommunistische Partei vergleichsweise hohe Stimmenanteile. Allein die Zahlen im Mansfelder Land machten deutlich, wie stark die Kommunistische Partei dort war:
Die VKPD (Vereinigte Kommunistische Partei – Zusammenschluß linker USPD und der KPD) erhielt 33374 Stimmen, die USPD 4311 Stimmen, die SPD 9920 Stimmen, die DDP 5892 Stimmen, die Zentrumspartei 2504 Stimmen, die DVP 10402 Stimmen und die DNVP 15483 Stimmen.
Die Zahlen zeigen nicht nur die Stärke der KommunistInnen, sondern verdeutlichen ebenfalls die immer stärker werdende  Polarisierung innerhalb der Gesellschaft, denn auch die Rechten hatten einen beträchtlichen Stimmenanteil zu verzeichnen. »Diese Situation ist für den sozialdemokratischen Oberpräsidenten (der Provinz Sachsen, d.V.) Otto Hörsing (später Führer des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, d.V.) Anlaß, eine Konferenz in Merseburg einzuberufen, an der Landräte, Oberbürgermeister, Führer der Schutzpolizei, die Direktoren des Leunawerkes, des Mansfelder Kupferschieferbergbaus, der Mitteldeutschen Braunkohlekonzerne und die Gutsbesitzer der Umgebung teilnehmen. Es wird beschlossen, gegen das Mitteldeutsche Industriegebiet eine Polizeiaktion zur Herstellung der Staatsautorität“ durchzuführen. (Weimarer Republik, Hrsg: vom Kunstamt Kreuzberg und dem Institut für Theaterwissenschaften der Universität Köln, ELEFANTENPRESS reg., S. 256).
Diese Polizeiaktion wurde vorbereitet durch eine ungeheuerliche Pressehetze gegen radikale ArbeiterInnen, dessen propagandistische Kernaussage darin bestand, zu behaupten, daß ein kommunistischer Putsch unmittelbar bevorstehe. Im März 1921 wurde diese Polizeiaktion durchgeführt. Das bedeutete Hausdurchsuchungen bei linken ArbeiterInnen, Verhaftungen sowie polizeiliche Kontrollen und Überwachung in den Betrieben.
Die Antwort großer Teile der ArbeiterInnen waren nicht nur Streiks und Betriebsbesetzungen. Es kam von Mitte März bis Ende März zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen sich bewaffnenden ArbeiterInnen und der Polizei (teilweise auch Reichswehr). Den Höhepunkt bildeten die Auseinandersetzungen um das Chemiewerk Leuna. Im Zusammenhang mit dem Mitteldeutschen Aufstand wurde der Name Max Hoelz bekannt. Dieser schaffte es innerhalb weniger Tage die größte Gruppe bewaffneter ArbeiterInnen um sich zu scharen (etwa 1000 Menschen). Max Hoelz schrieb in seiner Biographie „Vom Weißen Kreuz zur Roten Fahne“: »Der Aufstand der mitteldeutschen Arbeiter im März 1921 war die unmittelbare Folge der Provokation Hörsings, der nach dem Prinzip handelte „Der Angriff ist die beste Parade!“. Er wußte, daß die mitteldeutsche Arbeiterschaft ihren revolutionären Elan nicht eingebüßt hatte und daß die gärende Unruhe bald zu Entladungen führen mußte. Deshalb kam er zuvor, schickte – angeblich um Werksdiebstähle zu verhindern – seine bis an die Zähne bewaffneten Sipos (Sicherheitspolizei, d. V.) in die mitteldeutschen Betriebe und Bergwerke. Hörsing provozierte die unterernährten und ausgemergelten Arbeiter dadurch, daß er ihnen zumutete, unter Aufsicht der Polizei zu arbeiten.« Ende März hatte sich die militärische Polizeiübermacht durchgesetzt. Auch dieser Aufstand forderte wieder einen hohen Blutzoll und Verhaftungen. Mehrere hundert Tote und über 3000 Verhaftete waren zu verzeichnen.
Kritisch bleibt auf Seiten (der Führung) der Revolutionäre anzumerken, daß gerade aufgrund der seit 1918 immer wieder stattgefundenen bewaffneten Aufstände und des täglichen Streikkampfes innerhalb der KPD eine Diskussion um den Sinn von bewaffneten Aufständen im Gange war. Von einigen KommunistInnen wurde die gesellschaftliche Situation so analysiert, daß die Chance über bewaffnete Aufstände unmittelbar eine sozialistische Republik zu errichten, zu dieser Zeit nicht bestehen würde. Mitten in diese Diskussionen platzte die Provokation Hörsings. Auf drängen der Kommunistischen Internationale befürwortete die KPD den Provokationen Hörsings mit bewaffneten Aktionen zu begegnen. Hierbei muß kritisch gesehen werden, daß die Kommunistische Internationale die Situation die gesamten 20er Jahre teilweise noch in den 30ern in Deutschland grundsätzlich so bewertete, daß die Entwicklung der kapitalistischen Demokratie in der Zwangsläufigkeit des Sieges der revolutionären ArbeiterInnenschaft enden würde. D.h., zum einen wurde das Bewußtsein breiter ArbeiterInnenschichten als revolutionär beurteilt, zum anderen die Zeit als reif für den Umsturz der Republik. Das dies eine fatale Einschätzung war, kann heute rückblickend beurteilt werden.
»Die Delegierten der KI drängten die KPD-Führung, diese Provokation mit dem bewaffneten Aufstand zu beantworten.
Das Scheitern war total und seine Konsequenzen schwerwiegend. Von den 350000 Mitgliedern, die die Partei Ende 1920 zählte (nach ihrer Vereinigung mit der USPD), blieben im Sommer 1921 nur noch 180442 übrig.« (Aufstieg und Untergang der KPD, Kommunistische Politik zwischen 1918 und 1935, Broschüre der Ex-Nato-Gruppe, Frühjahr 1989).
Im Anschluß an den Mitteldeutschen Aufstand kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Teilen der KPD-Führung und der Kommunistischen Internationale.

Der Rathenaumord und die erste antifaschistische Einheitsfront

Am 24. Juni 1922 wurde der damalige deutsche Außenminister Walter Rathenau, Angehöriger der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) durch ein Mitglied der ultrarechten, militaristischen „Organisation Konsul“ ermordet. Anlaß und Ursache des Mordes an Rathenau war dessen Funktion als Außenminister und seine Rolle im Zustandekommen des sogenannten Rapallovertrages. Eines politisch-wirtschaftlichen Abkommens mit der Sowjetunion, welches deren staatliche Souveränität als erster sozialistischer Staat faktisch (international) anerkannte. Das wurde von den Rechten natürlich als Schlag ins Gesicht aufgefaßt; nicht nur, daß die „Novemberverbrecher“ der Monarchie 1918 ein Ende gesetzt hatten, jetzt begannen selbst bürgerliche Kreise mit dem „Bolschewismus zu paktieren“. »An sich war der Rathenaumord nichts ungewöhnliches, wenn man so will, denn Morde an Sozialisten und Pazifisten hatte es vorher en gros gegeben, ohne daß viel passierte. Gepaart nun auch mit faschistischen Akzenten, entsteht eine sehr breite Massenbewegung. Die Einheitsfrontaktionen, von der KPD damals durch Bündnisangebote eingeleitet, führen zu riesigen Demonstrationen in allen Großstädten. Mit dem wunderlichen Akzent, damals existierte neben der KPD noch die rechte USPD, und davon rechts die SPD, daß nicht nur die drei Arbeiterparteien, und zwar gemeinsam, sondern auch die Deutsche Demokratische Partei zu Aktionen aufrufen, und natürlich die freien Gewerkschaften, und natürlich nicht die christlichen Gewerkschaften. Das ist also eine ungeheuer starke antifaschistische Welle… Da bildet sich also so etwas wie antifaschistisches Bewußtsein, so auch terminologisch ausgedrückt. Aber mit dieser Terminologie ist die gedankliche Verbindung mit den italienischen Faschisten gemeint, die in dieser Zeit die Macht ergreifen.« (Wolfgang Abendroth; Antifaschismus oder Niederlagen beweisen nichts, als das wir wenige sind; Frankfurt 1983).
Zwar entwickelte sich seit der Machtergreifung der italienischen Faschisten im Jahre 1922 innerhalb der Kommunistischen Internationale eine Diskussion um die Gefahr des Faschismus auch in Deutschland, jedoch wurden die Ansätze der breiteren Einheitsfrontpolitik, wie zur Zeit des Rathenaumordes, schwerpunktmäßig nicht weiter verfolgt. Im Faschismus selbst wurde zu dieser Zeit keine konkret drohende Gefahr gesehen, außer für die spätere KPD oppositionelle Gruppe (um Thalheimer) spielte die Weiterentwicklung der Einheitsfrontpolitik bis zum Massenaufstieg der NSDAP ab 1928 keine zentrale Rolle.

1923

Das Jahr 1923 markiert den Abschluß der revolutionären Aufstände in Deutschland sowie der Versuche rechter und faschistischer Kräfte in der noch unsicheren Weimarer Republik an die Macht zu putschen. Wie unklar und unterschiedlich die Situation zu dieser Zeit war, dokumentieren die Ereignisse in diesem Jahr. Die durch den 1919 unterzeichneten „Versailler Vertrag“ auferlegten Reparationszahlungen sowie die Besetzung des Ruhrgebietes und Profitierung der Siegermächte vor allem vom Kohleabbau,
trafen in erster Linie die arbeitenden Bevölkerung. Zur Besetzung Anfang des Jahres 1923 war es deshalb gekommen, weil die deutsche Regierung große Teile der Reparationszahlungen eingestellt hatte. Die ohnehin labile wirtschaftliche Lage und die folgende Besetzung des Ruhrgebietes gab der amtierenden deutschen Regierung die Legitimation, eine Politik durchzuführen, die in der sogenannten Hyperinflation mündete.
»Tollhaus riesigster Proportionen nannte Stefan Zweig die Deutsche Inflation. Und in der Tat: Nie und nirgends in der Geschichte der Menschheit hat die Währung solche schwindelerregenden Sprünge gemacht wie 1923 in Deutschland. (…) Bettler wurden zu Multimilliardären und standen dennoch hungrig vor den kargen Schmalz- und Pferdewurstauslagen der Schaufenster. Arbeiter schleppten ihren Wochenverdienst, der früher in einer schmalen Lohntüte Platz hatte, in Rucksäcken und Wäschekörben nach Hause und konnten, wenn sie ihr Geld nicht gleich ausgaben, kaum soviel Kohlen kaufen, wie die Scheine wogen, die sie dafür zu entrichten hatten. Oft genug verdoppelten sich die Preise im Laufe von Stunden. Eine Summe, für die man morgens noch ein Pfund Fleisch erhalten hatte, reichte abends kaum noch für einen Kanten Brot. Für Ersparnisse, die Beamtenfrauen mühselig in Jahrzehnten zurückgelegt hatten, konnte man schließlich gerade noch einen Straßenbahnfahrschein lösen. (…).
Spekulanten und Wucherer ergaunerten sich Devisen, kauften für einen Pappenstiel ganze Fabriken und verjubelten astronomische Summen in den wie Pilze aus dem Boden schießenden Vergnügungslokalen. Das Tempo des Lebens überschlug sich in wahnsinniger Hektik. Der Amüsierrummel erreichte Ausmaße, denen gegenüber die panisch enthemmtem Gelage in den Pestjahren des Mittelalters wie schlichte Veranstaltungen gesitteter Gesangsvereine anmuteten. Während die Arbeitervorstädte – nun mehr und mehr zu Arbeislosenvorstädten werdend – im tristen und unheimlichen Dunkel lagen, weil den Haushalten sogar das Geld für einen kümmerlichen Kerzenstummel fehlte, während unzählige Angestellte, kleine Beamte und Rentenempfänger, verzweifelt das Ende allen Seins herbeisehnend, den Gashahn öffneten, solange sie noch den von den Stadtverwaltungen gelieferten todbringenden Hauch bezahlen konnten, schwelgten Halbweltgrößen und Parvenus hinter pompösen Vorhängen der Luxusbars in Perversitäten.« (W. Ruge, s.o., S.111/112).
Nicht nur die arbeitende Bevölkerung, auch große Teile des selbständigen Mittelstandes verarmte schlagartig. Diese katastrophale Situation veranlaßte viele Parteien links wie rechts (mit Ausnahme der NSDAP) zum passiven Widerstand gegen die Besatzung aufzurufen. Diesem folgten alle Teile der ArbeiterInnen.
Der gemeinsame Aufruf zum (passiven) Widerstand hatte nicht ausschließlich eine Stärkung des antifaschistischen Bewußtseins zur Folge, daß sich unter anderem im sogenannten „Antifaschistentag“ (initiiert von der KPD) am 29. Juli 1923 manifestierte. Vielmehr kam es gleichzeitig zu einer starken nationalistischen Welle in ganz Deutschland, in dem eben gegen die alliierte (französische) Besetzung des Ruhgebietes vorwiegend mit nationalistischen Parolen polemisiert wurde. Auch die KPD war nicht im Stande hier ein differenzierte Position zu Wege zu bringen. Im Gegenteil, selbst obere Funktionäre sprangen in fataler Weise auf den nationalistischen Zug auf, der damals durch das Land brauste. Das reichte in einzelnen Ortsverbänden zu gemeinsamen Plakaten von völkischen und kommunistischen Rednern, die zur Diskussion einluden. Erst an diesem Punkt griff die Führung der Partei – allerdings zu spät – ein. Bekanntestes Beispiel der verfehlten Politik bezüglich d er nationalen Frage, ist die Rede Karl Radeks auf der erweiterten Exekutive der KI am 20. Juni 1923 zum Tode Albert Leo Schlageters (faschistischer Söldner, der gegen die französische Besatzung des Ruhrgebietes Sabotageakte verübte und zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde):
»(…) Während der ganzen Rede der Genossin Zetkin über die Widersprüche des Faschismus schwirrte mir im Kopf der Name Schlageter herum und sein tragisches Geschick. Wir sollten seiner Gedenken, hier, wo wir politisch zum Faschismus Stellung nehmen. Die Geschicke dieses Märtyrers des deutschen Nationalismus sollen nicht verschwiegen, nicht mit einer abwertenden Phrase erledigt werden. Sie haben uns, sie haben dem deutschen Volke vieles zu sagen. Wir sind keine sentimentalen Romantiker, die an der Leiche die Feindschaft vergessen und wir sind keine Diplomaten die sagen: am Grabe Gutes reden oder Schweigen. Schlageter, der mutige Soldat der Konterrevolution, verdient es von uns, Soldaten der Revolution, männlich-ehrlich gewürdigt zu werden. (…) Vom Kampf sprechen die Genossen Schlageters an seinem Grabe. Den Kampf weiterzuführen, schwören sie. Der Kampf richtet sich gegen einen Feind, der bis an die Zähne bewaffnet ist, während Deutschland entwaffnet, während Deutschland zermürbt ist. Soll das Wort vom Kampfe keine Phrase sein, (…) so erfordert dieser Kampf die Erfüllung einer Reihe von Vorbedingungen. Er fordert von dem deutschen Volke, daß es bricht mit denen, die es nicht nur in die Niederlage hineingeführt haben, sondern diese Niederlage, die Wehrlosigkeit des deutschen Volkes verewigen, indem sie die Mehrheit des deutschen Volkes als den Feind behandeln. (…)
Die Sache des Volkes zur Sache der Nation gemacht, heißt die Sache der Nation zur Sache des Volkes. (…) Dies hat die Kommunistische Partei Deutschlands, dies hat die Kommunistische Internationale an dem Grabe Schlageters zu sagen. Sie hat nichts zu verhüllen, denn nur die volle Wahrheit ist imstande, sich den Weg zu den tief leidenden, innerlich zerrissenen, suchenden nationalen Massen Deutschlands zu bahnen.(…)«

Eine andere Seite

Auf der anderen Seite kam es noch in diesem Jahr im Osten Deutschlands (Thüringen) zu massiven Generalstreiks gegen die rechtsgerichtete Regierung unter Führung Cunos. »Das Kabinett Cuno steuerte brutal auf die schrittweise Verwirklichung eines von Stinnes entworfenen Planes zur Niederzwingung aller fortschrittlichen Kräfte und zur uneingeschränkten Restauration der Macht des deutschen Monopolkapitals zu. Dieser Plan sah u.a. vor, alle Arbeiter 10 bis 15 Jahre lang zu zwei unbezahlten täglichen Überstunden zu verpflichten, für die Dauer von 5 Jahren jegliche Streiks zu verbieten, die Akkumulation von Kapital mit allen Mitteln zu fördern und sämtliche seit Krieg und Novemberrevolution in Kraft getretenen Gesetze zu „überprüfen“. Die Realisierung eines solchen Programms, das sich der auf die Verfassung vereidigte Reichskanzler (Cuno, d.V.) zu eigen machte, hätte die völlige Liquidierung des in der republikanischen Gesetzgebung verankerten sozialen und politischen Fortschritts und damit faktisch das Ende der Weimarer Republik bedeutet.« (W. Ruge,s.o,S. 116/117)
Diese politische Situation mündete schließlich im Generalstreik, vor allem durchgeführt in Thüringen,Sachsen und Berlin, was die Absetzung Cunos bedeutete (Rücktritt am 12. August 1923). Das führte zur Bildung der Großen Koalition zwischen SPD und DVP. Unmittelbar machte dies wiederum den Weg für eine fortschrittliche Koalition zwischen SPD und KPD in Thüringen möglich, die bereits einen Monat später gebildet wurde. Vor diesem Hintergrund kam es im Oktober 1923 zum Hamburger Aufstand, der jedoch isoliert und allein durch die KPD geführt wurde und scheiterte. (Daran schloß sich ein vorübergehendes Verbot der KPD an.) Damit war auch die fortschrittliche Koalition in Thüringen faktisch aufgelöst und mit dem Einmarsch der Reichswehr in Thüringen (zuvor Ausnahmezustand in Sachsen und ebenfalls Einmarsch) mußten die kommunistischen Minister Thüringens Anfang November zurücktreten.
Während in Mitteldeutschland die linken fortschrittlichen Kräfte um die Frage der Macht rangen, stellte sich die Situation im Süden der Weimarer Republik gänzlich anders dar. War es schon im September in Bayern zu Unruhen durch rechte Kräfte gekommen (Ausnahmezustand), mündete dies am 9. November 1923 im „Marsch auf die Feldherrenhalle“ durch die Faschisten um Adolf Hitler und Generalfeldmarschall a. D. Ludendorff. Hierbei handelte es sich um den Versuch der Faschisten, zunächst in Bayern (München) die Macht zu erlangen, um dann mit dem „Marsch auf Berlin“ eine faschistische Diktatur nach dem Vorbild Mussolinis in Italien zu schaffen. (Dieser war im Oktober 1922 Ministerpräsident Italiens mit dem „Marsch auf Rom“ geworden). Bei dem mißlungenen Putschversuch der deutschen Faschisten in München kam es zu mehreren Toten (16 Faschisten und 3 Polizisten). Die NSDAP wurde vorübergehend verboten. Der anschließende Prozeß belohnte allerdings die Putschisten mit milden Urteilen und Hitler wurde zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt. Nach knapp einem Jahr wurde er bereits entlassen.Diese Zeit hatte er genutzt um „Mein Kampf“ zu verfassen.

Zeit der Konsolidierung

Nachdem die wirtschaftliche Talfahrt und die Inflation überwunden waren (Wiedereinsetzung der Zahlungen an die Siegermächte gemäß des Versailler Vertrages sowie gleichzeitiger Verzicht einiger Forderungen der Siegermächte; Dawes-Plan), setzte sich in Deutschland die konsolidierende Politik der SPD durch; sie arrangierte sich mit dem Großkapital, die Gräben der revolutionären ArbeiterInnenschaft wurden auf der einen Seite immer tiefer. Auf der anderen Seite bedeutete das für die SPD-treuen ArbeiterInnen, daß diese in der Tat kein Interesse mehr an einer grundlegenden Veränderung der Gesellschaft hatten. Es ging vielmehr darum, mit Hilfe der parlamentarischen Demokratie und der „ihrigen Regierung“ die kärglich erworbenen Privilegien zu erhalten.
Für die an den Aufständen Beteiligten war noch nicht vergessen, daß die SPD von 1918-23 mit ultrarechten Reichswehrverbänden und Freikorpstruppen zusammengearbeitet hatte. Die Gefängnisse waren voll mit abgeurteilten RevolutionärInnen. Emil Julius Gumbel analysierte 1922 in seinem Buch „Vier Jahre politischer Mord“ die Urteile der damaligen Rechtssprechung und kam zu der Erkenntnis, daß die von nationalen Bünden Begangenen Morde kaum geahndet worden waren, die wenigen von Linken begangenen Taten jedoch stets rigoros bestraft wurden. Dazu noch einmal Abendroth: »Bei den Linken wirkt in dieser Restaurationsphase der Republik, die immer deutlicher ihre Verknüpfungen mit dem monarchistischen Obrigkeitsstaat hervorhebt, stabilisierend der Bürgerkrieg nach, jetzt als Empfindungslage der Linken: der Bürgerkrieg zu Beginn der Republik und die Periode des unmittelbaren gemeinsamen Terrors der Rechten, der rechtesten Sozialdemokratie., Typ Noske, Typ Ebert, mit den Freikorps gegen die Arbeiterklasse… Aber es ist klar, was an den Empfindungen zurückbleibt und daß infolgedessen auch die Vertiefung der Spaltung in der ArbeiterInnenbewegung hängenbleibt und weshalb bei jedem schweren Rückschlag eine ultralinke Welle entsteht.«
Anstelle einer revolutionären Veränderung trat die Festigung der Weimarer Republik. Politisch war diese Phase bestimmt von der „Weimarer Koalition“, die sich aus den Parteien SPD, Zentrum und Deutsche Demokratische Partei (DDP) sowie der Deutsche Volkspartei (DVP) zusammensetzte. Stück für Stück wurden die sozialen und demokratischen Rechte, die Hunderttausende mit der Novemberrevolution 1918 erkämpft hatten, rückgängig gemacht. Die Verabschiedung eines Ermächtigungsgesetzes am 8. Dezember 1923 durch die Reichstagsmehrheit unter Wilhelm Marx (Zentrum) mit Zustimmung der SPD zur notwendigen Zweidrittelmehrheit, gab der Regierung die ersten Vollmachten für einen freien Weg, Maßnahmen zur Stabilisierung der kapitalistischen Wirtschaft zu ergreifen.
Innenpolitisch verschob sich das Kräfteverhältnis im Parlament (in den folgenden Wahlen im Laufe der 20er Jahre) immer weiter zugunsten der rechten und reaktionären Parteien. So stimmten bei den Reichstagswahlen am 4. Mai 1924 über 10 Millionen Wahlberechtigte (ca. 34%) für die rechtsbürgerlichen Parteien. Für die SPD stimmten 6 Millionen (20,5%). Die KommunistInnen erhielten 3.7 Millionen Stimmen (12,6%). Ausdruck der vollständigen Restauration der reaktionär-konservativen Kräfte innerhalb der Gesellschaft war die Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten nach dem Tode des rechten SPDlers Friedrich Ebert im Jahre 1925.

Politik der Kommunistischen Internationale

Als einzige relevante (Massen-)Partei unterstützte und organisierte die KPD, die vom 23. November 1923 bis zum 1. März 1924 in Folge des Hamburger Aufstandes vorübergehend verboten worden war, die politischen Forderungen der sich als revolutionär verstehenden ArbeiterInnen.
Trotz ihres eigenen Anspruchs revolutionäre Politik zu betreiben und sich die KPD selbst eng auf der Seite der RevolutionärInnen sah, sollte die Politik vor dem Hintergrund der Einbindung der KPD in die Kommunistische Internationale (KI) betrachtet werden. Vor allem die Motivation der Führung der KPD bestimmte Entscheidungen zu fordern, ist anhand der Beschlüsse der KI häufig abzuleiten.
Bei der Politik der KI in Bezug auf die Weimarer Republik muß die spezielle Rolle der deutschen Außenpolitik für die Sowjetunion gesehen werden. Grundsätzlich ist von Bedeutung, daß die Dominanz und der Vorbildcharakter, den die KPDSU innerhalb der KI hatte, die Beschlüsse der KI stark bestimmten. In diesem Zusammenhang kam die (zwangsläufige?) widersprüchliche Rolle der KPDSU bezüglich der Regierenden in der Weimarer Republik und der KPD als Opposition zum Tragen. Mit dem Vertrag von Rapallo hatte die Weimarer Koalition und damit Deutschland als erster (einziger) Staat die Souveränität der Sowjetunion als erstes sozialistisches Land anerkannt. Nicht nur das; ein ausgiebiger wirtschaftlicher Handel wurde besiegelt. Bekanntestes Beispiel für die Zusammenarbeit der beiden Staaten, was schon in jener Zeit Ende der 20er Jahre für Furore sorgte, waren die Abkommen der gegenseitigen Hilfestellungen innerhalb des Militärapparates. So wurden die Offiziere der sich als revolutionäre verstehenden Roten Armee der Sowjetunion in deutschen Kasernen durch jene Reichswehr ausgebildet, die gleichzeitig für die Unterdrückung der Opposition (u.a. der KPD) zuständig war. Im Gegenzug wurde sogar ein Teil der Militärproduktion Deutschlands in die Sowjetunion verlagert und ebenso der sowjetische Militärapparat durch deutsche Waffen bestückt.
Diese sollten für die Sowjetunion gleichzeitig zu militärischen Verteidigung gegen die imperialistischen Staaten, wie Deutschland und andere westliche Staaten dienen. So hatten die Beziehungen zum deutschen Staat, unter Führung der republikanischen Parteien (SPD, Zentrum, DVP) sowohl national als auch international für die bis dato relativ schwach entwickelte/ instabile Sowjetunion eine Schlüsselfunktion.
In den späten Analysen und Beschlüssen der KI bleibt der Eindruck nicht aus, daß die Führung der KPD teilweise auch dazu genutzt wurde, die Außenpolitik der Sowjetunion je nach Notwendigkeiten, innerhalb Deutschlands zu unterstützen bzw. praktisch umzusetzen.

„Abweichler“ und „Versöhnler“

Ebenfalls von Bedeutung für die Politik der KPD waren die Machtkämpfe innerhalb der KPDSU. Diese spiegelten sich zum Teil auch in der KPD wieder. Nach dem Tode Lenins 1924 setzte der Kampf um die Führung der kommunistischen Partei in der Sowjetunion ein, der zunächst von der Gruppe Stalin, Sinowjew, Bucharin gegen Trotzki und seine Anhänger geführt wurde. Später spalteten sich wiederum Sinowjew und Kamenjew von der Mehrheitsgruppe ab und bildeten einen Block mit Trotzki. Im Frühjahr 1928 gab es in der Mehrheit eine neue Fraktionierung. Der Kampf der engeren Gruppe um Stalin bereitete sich auf den Kampf gegen den Rest vor; selbst der jahrelang eng Vertraute Bucharin wurde dazu „abgesetzt“. Bei diesen Auseinandersetzungen innerhalb der KPDSU blieb die Wirkung auf die KI nicht aus, was sich aus der vorhin beschriebenen Vorbildfunktion der Sowjetunion ergab. Entsprechend fand auch innerhalb der KI (automatisch) eine Fraktionierung statt. So wurde im Februar 1928 ein Abkommen mit der Leitung der KPD (Thälmann, Neumann, Remmele) geschlossen, das den Kampf gegen „Versöhnler“ und „Sozialdemokraten“ auf die Tagesordnung setzte. Dieses Abkommen muß aber so verstanden werden, daß dies nicht nur die Politik in Bezug auf die Sozialdemokratie in Form der SPD meinte, sondern dieser Kampf gegen die „Versöhnler“ etc. auch als organisationsinterner Kampf zu verstehen war. Die Konsequenz dieser Linie war ein ultralinker Kurs. Woraus bestand dieser?

Analyse contra Einheitspolitik

Spätestens seit der Novemberrevolution bzw. der Niederschlagung der revolutionären Aufstände war es klar geworden, daß die einst geeinte stärkste ArbeiterInnenbewegung in Europa gespalten war. Trotz dieser Spaltung kam es immer wieder zur Zusammenarbeit. Diese Zusammenarbeit oder vielmehr die Hoffnung, daß die ArbeiterInnenbewegung wieder vereint werde, der Gedanke einer einheitlichen Front gegen die Klassenfeinde der Bourgeoisie und des Großkapitals, war immer wieder zentraler Punkt innerhalb der Politik der KPD. So kam es auf der einen Seite zu heftigen Abgrenzungen gegen die (Führung) der SPD auf der anderen Seite auch zu Einheitsfronten, als deren prägnantestes Beispiel der Generalstreik zur Bezwingung des Kapp-Putsches steht, aber auch die fortschrittliche Regierungskoalition in Thüringen 1923 war Ausdruck des einheitlichen Vorgehens gegen reaktionäre Entwicklungen in der Weimarer Republik.
Seit der Konsolidierungsphase ab 1924 wurde die Schaffung einheitlicher Aktionen, alle unterschiedlichen Parteien und Gruppen der ArbeiterInnenklasse, insbesondere die Gewerkschaften, als BündnispartnerInnen begrüßt. Damit ging der Versuch einher, innerhalb der jeweiligen Organisationen kommunistische Positionen durchzusetzen und vor allem die Basis zu radikalisieren. Demzugrunde lagen eben die Erfahrungen aus der erfolgreichen Abwehr des Kapp-Putsches und die Tatsache, daß seit Festigung der gesellschaftlichen Verhältnisse an eine bewaffnete Umwälzung nicht mehr zu denken war. So bestand eine Hauptaufgabe der Politik der KPD im erreichen und Verteidigen tagespolitischer Forderungen. Dies war lediglich in Zusammenhang mit anderen Kräften möglich und das wurde vor allem in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften verwirklicht.
Im Jahre 1928, mit der Zuspitzung der Lebensverhältnisse und der sichtbarwerdenden Krise der Weimarer Republik, wurde dieser Kurs der Politik grundsätzlich geändert: Im Reformismus, sprich in der Sozialdemokratie, wurde jetzt – neben den offen reaktionären und faschistischen Kräften – als ein Hauptfeind der ArbeiterInnenklasse ausgemacht, den es mit der gleichen Intensität zu bekämpfen galt, wie die rechten Kräfte. Die „Rechtspolitiker“ in den eigenen Reichen, also jene Leute, die noch Jahre zuvor (erfolgversprechende) Einheitsfrontpolitik betrieben hatten, wurden in der Konsequenz dieses Kursschwenkes aus zentralen Funktionen abgesetzt. Ziel war es in dieser Phase, nicht mit den „Sozialfaschisten“ – vor allem der SPD – zusammenzuarbeiten. Von dieser Politik versprach man sich, die Polarisierung der ArbeiterInnen auf die eigene Partei lenken zu können. Zu den folgerichtigen Konsequenzen zählte dann auch die Gründung der „Revolutionären Gewerkschaftsopposition“ (RGO), da es keinen gemeinsamen Kampf mit der SPD geben sollte, schon gar nicht in einer Organisation. Deutlich wird diese Änderung im Vergleich zweier Erklärungen Stalins. Die eine von 1925, in der
er sich noch eindeutig gegen sektiererische Politik wendet: »Diese Leute wollen die Gewerkschaften von außen attackieren, indem sie sie als feindliches Lager betrachten. Sie begreifen nicht, daß bei einer solchen Politik, die Arbeiter sie naturgemäß als Feinde betrachten werden (…) Sie begreifen nicht, daß eine solche Politik dem Eindringen der Kommunisten in die Millionenmassen der Arbeiter Abbruch tut, statt es zu erleichtern.« Sprach sich Stalin hier noch eindeutig für eine Taktik aus, die den Verbleib in den SPD-geführten Massenorganisationen favorisierte, erklärte er 1929: »Vollkommen denkbar wäre daher eine Situation, in der es notwendig werden kann, parallele Massenorganisationen der Arbeiter zu schaffen, entgegen dem Willen der sich an die Kapitalisten verkauften Bonzen (Gewerkschaftsfunktionäre, d.V.) (…) Es ist durchaus möglich, daß auch in Deutschland die Entwicklung in dieser Richtung verlaufen wird.«
Die Konsequenz dieser „sprunghaften“ Politik der KPD innerhalb weniger Jahre war nicht nur das „Absetzen“ und „Säubern“ der eigenen Reihen, sondern eine nicht mehr vermittelte und somit nachvollziehbare Linie der politischen Taktik der KPD. Die immer weitere Zersplitterung der ArbeiterInnenbewegung und deren ideologische Uneinigkeit sollte Ende der Weimarer Republik ein entscheidender Hemmschuh auf Seiten der sich als revolutionär verstehenden ArbeiterInnenschaft werden.

Die Sozialfaschismusthese

War das Erklären der „Sozialfaschisten“ als eine der vordringlich zu bekämpfenden Gefahren zum einen aus dem taktischen Kalkül der KPDSU zu erklären, so fußte zum anderen das Annehmen dieser These – auch bei der KPD-Basis – auf die Rolle der SPD. Diese war dadurch gekennzeichnet, nur wenige Jahre zuvor, revolutionäre Bestrebungen in rabiatester und blutiger Weise Hand in Hand mit den Rechten niedergeschlagen zu haben.
Doch die Sozialfaschismusthese umfaßte mehr als nur taktisches Kalkül, an sie schloß sich eine Analyse der Verhältnisse an, die aus heutiger Sicht als gravierende Fehleinschätzung der gesellschaftlichen Kräfte zu bewerten ist. Auf der einen Seite die Unterschätzung der sich entwickelnden faschistischen Massenbewegung und auf der anderen Seite das „Vertrauen“ in das vermeintlich materialistisch-historische Bewußtsein des größten Teils der deutschen ArbeiterInnenbewegung. So wurden Signale, die Vergleiche hätten zulassen können, wie beispielsweise des sich aufschwingenden Faschismus in Italien Anfang der 20er Jahre, nicht ausreichend wahrgenommen.
Dort war Mussolini ohne größeren Widerstand (ohne jene in Vergessenheit geraten zu lassen, die Widerstand leisteten) der ArbeiterInnen an die Macht gekommen. Lediglich die (zuvor erwähnte) Gruppe um August Thalheimer, die sich ab 1930 als KPD-O – später nur noch KPO (Kommunistische Partei-Opposition) – konstituierte, war bemüht, über das Charakterisieren der Reaktionären Kräfte hinaus, auch in der Gesellschaftsanalyse die soziale Zusammensetzung der faschistischen Massenbewegung und damit verbunden das Bewußtsein eines großen Teils der ArbeiterInnenbewegung und des Mittelstandes zu untersuchen. Jedoch muß hier gleich eingeschränkt werden, so differenziert und z.T. richtig die Analyse Thalheimers auch war, breitere Schichten konnte diese Auseinandersetzung mit dem aufkommenden Faschismus nicht erreichen. Mit dem Ausschluß Thalheimers aus der KPD war die Chance vertan, überhaupt noch größere Kreise zu erreichen.
»Thalheimer ging davon aus, daß in dem Maße, wie soziale Konflikte und ökonomischen Krisen die Erhaltung des gesellschaftlichen Gesamtsystems gefährden, die parlamentarische Demokratie funktionslos würde. Er schrieb: „Die Aushöhlung des bürgerlich-parlamentarischen Regimes erfolgt schrittweise. Und die Bourgeoisie ist dabei der Hauptagent. (…) Ihre Sache ist es, die Bedingungen zu schaffen, damit sozial ‚gerettet‘ und politisch vergewaltigt werden kann.“ Grundlage seiner Einschätzung ist die Ohnmacht der Arbeiterschaft und die arbeiterfeindliche Radikalisierung von Mittelschichten sowie die Unfähigkeit des Großbürgertums, mittels der traditionellen politischen Repräsentation der sozioökonomischen Desorganisation zu begegnen. Er kennzeichnete die wesentlichen Züge des Faschismus so: „Die ‚Verselbständigung der Exekutivgewalt‘, die politische Unterwerfung aller Massen, einschließlich der Bourgeoisie selbst, unter die faschistische Staatsmacht bei sozialer Herrschaft der Großbourgeoisie und der Grundbesitzer“«. (Albrecht Lein, Antifaschistische Aktion 1945 – Die „Stunde Null“ in Braunschweig, Göttinger politikwissenschaftliche Forschungen, Band II, 1978).
In der Einschätzung der Hauptgefahr legt die Faschismusanalyse der KPD andere Schwerpunkte. Dazu schreibt Lenin: »Demgegenüber sieht die KPD-Sozialfaschismusthese zwar auch die Hauptgefahr in den Zwischenschichten, aber vor allem in den Randschichten der Arbeiterschaft. Weil das Proletariat in der Offensive sei, müsse es die politische Hauptstütze in der Bourgeoisie in der Arbeiterschaft (SPD. d.V.) bekämpfen und zerschlagen. Dabei sei, kurz vor dem Sieg der Revolution, der sich mit sozialen Phrasen tarnende Faschismus, der Sozialfaschismus, gefährlicher als der bürgerliche Faschismus, der im übrigen nicht deutlich als eigene terroristische Herrschaftsform benannt wird. Denn im Grunde sei die Bourgeoisie nicht mehr fähig, dem Ansturm des Proletariats standzuhalten, sei also potentiell bereits geschlagen. Der Glaube an die Mechanik des Sieges gegenüber der gegnerischen Klasse und der Verzicht auf jegliche Bündnispolitik innerhalb de Arbeiterschaft wie auch anderen Klassen und Schichten sind m.E. die wesentlichen Fehler dieser Analyse.« Hätte sich um die Analyse dieser beiden Ansätze auch damals streiten lassen, so war die Ansicht der KPD, das Proletariat sei in der Offensive und die spätere Notverordnungspolitik der Weimarer Republik unterscheide sich nur noch in Nuancen vom Faschismus, doch grundfalsch. Mit dieser Analyse nahm sie den bürgerlichen Kreisen, die bereit gewesen wären, sich in eine breite anti-nationalsozialistische Front zu stellen, jegliche Möglichkeit der Zusammenarbeit mit revolutionären Kräften. Darüberhinaus verharmloste sie nicht nur die terroristische Qualität des Faschismus, auch nahm sie damit indirekt die Dringlichkeit der Abwehr des Faschismus nicht ernst genug. Aber all das bleibt fast nebensächlich, in Anbetracht der Tatsache, welche praktischen Konsequenzen vorübergehend aus dieser Analyse erfolgten. Selbst bis 1932 wurde sich seitens der KPD-Führung im widersprüchlichen Kurs in erster Linie von der SPD abgegrenzt. Da von der SPD als staatstragende Kraft nichts anderes zu erwarten war, als Ablehnung, beging die KPD-Führung den Fehler, sich mehr mit der Polemisierung gegen de SPD-Führung zu befassen als auf die weitestgehend von der Basis geforderten Einheitsaktionen einzugehen und diese Zusammenarbeit herauszustellen. Dies änderte sich erst mit der offiziellen Gründung der Antifaschistischen Aktion.

Antifaschistische Organisationen in der Weimarer Zeit

Im folgenden werden die verschiedenen (militanten) Organisationen (Wehrverbände) der linken Kräfte (SPD und KPD) dargestellt. Im letzten, ausführlichsten Teil sollen nochmals Fehler und unterschiedliche konstruktive Ansätze der Antifaschistischen Aktion beleuchtet werden.

Warum Wehrverbände?

Heute mutet es ein wenig befremdlich an, wenn in der Auseinandersetzung mit linker Geschichte Wehrverbände auftauchen. Diese werden heute fälschlicherweise oft als militaristische Schlägertrupps oder mit sonstigen Plattitüden abgetan. Aber auch die Tatsache linker Wehrverbände gehört zur Geschichte der revolutionären Bewegung. Gerade in Bezug auf die Entstehung der Antifaschistischen Aktion spielten diese Verbände eine zentrale Rolle.
Nach dem I. Weltkrieg stellte sich die Situation für einen großen Teil der männlichen Bevölkerung so dar, daß sie faktisch keine „Nutzen“ innerhalb der Gesellschaft hatten. Das soll heißen, daß viele Menschen mit sehr jungen Jahren 1914 „kriegsbegeistert in die Schlacht“ gezogen waren, sich auf linker Seite an der Revolution beteiligt hatten, jetzt aber, in sogenannten Friedenszeiten, weder einen Beruf gelernt noch sonstige Perspektiven vor Augen hatten. So war es auch für linke Kreise von Bedeutung, daß nicht ein überwiegender Teil der ehemaligen Kriegsteilnehmer in die rechten (Freikorps-)Verbände gingen, um dort ihre „Kenntnisse“ vom Krieg umzusetzen, sondern mit einer linken Perspektive von einer anderen Gesellschaft verbunden, ihre „Fähigkeiten“ einbringen sollten. Desweiteren stellten die objektiven politischen Bedingungen die Frage nach der Notwendigkeit einer militanten Verteidigung von ArbeiterInnenvierteln und politischen und sozialen Errungenschaften.
Zwar war im Versailler Vertrag festgelegt worden, daß die deutsche Reichswehr 100000 Mann nicht überschreiten durfte und desweiteren galt darüberhinaus – wie heute – ein Verbot nichtstaatlicher paramilitärischer Organisationen und Parteien (Gewaltmonopol des Staates), jedoch sah die Realität anders aus. Daß neben der regulären Reichswehr, die stark rechtsgerichtete sogenannte „Schwarze Reichswehr“ existierte sowie zahlreiche rechte/faschistische Wehrverbände, war in jener Zeit ein offenes Geheimnis. So existierte beispielsweise seit 1920 die SA (Sturmabteilung), seit 1925 die SS (Schutzstaffel), beides Unterorganisationen der NSDAP, der Stahlhelm, der Jungdeutsche Orden, der Wehrwolf, die Organisation Consul (für die Ermordung des Außenministers Rathenau verantwortlich) etc. Die Mitglieder dieser Organisationen rekrutierten sich zum größten Teil aus den ehemaligen Freikorps.
»Die Freikorps hatten 1919 eine Stärke von ca. 400000 Mann. Getragen von diesen Militärkreisen wurde schon 1918 ein politischer Geheimdienstapparat aufgebaut, der vor allem auf konterrevolutionäre Aktionen gegen die ArbeiterInnenbewegung ausgerichtet war. Der „politische Nachrichten- und Erkennungsdienst“ der vorläufigen Reichswehr war bereits 1919 wieder reorganisiert. Er fußte auf über ganz Deutschland verteilte örtliche Organe, den speziell eingerichteten Nachrichtenstellen (Nst) und später Abwehrstellen (Ast) bei den Wehrkreiskommandos, den Brigaden und sonstigen Einheiten der vorläufigen Reichswehr sowie der Freikorps. Dieser militärische Geheimdienst legte mit seinem weit verzweigten Spitzelnetz die Voraussetzungen für die Entwicklung der politischen Polizei in den ersten Jahren nach 1918. Aus dem Potential der Freikorps rekrutierte sich außerdem die entstehende Sicherheitspolizei (SiPo), die auf eine Stärke von 100000 Mann kam. Die politische Einstellung der SiPo wurde beim Kapp-Putsch 1920 offenkundig, als sie sich auf die Seite der reaktionären Kapp-Putschisten schlug.Aber nicht nur aus diesem Grund wurde die SiPo aufgelöst, sondern auf Befehl der Siegermächte (der Entente), die in der Sicherheitspolizei eine militärische Institution sahen.
Die SiPo wurde durch die neue Polizei ersetzt, die Schutzpolizei (SchuPo). Zwar war die SchuPo ein wenig veränderter Apparat, das Personal aber blieb das gleiche. Fast alle SiPo-Leute wurden zu SchuPos. Die Schutzpolizei bestand schließlich aus 150000 Mann, 85000 davon entfielen auf die preußische Polizei.
Diese Polizei war, allen Beteuerungen und Selbsttäuschungen der SPD zum Trotz, natürlich rechts. Schon die Ausbildungspläne spiegelten diese Ausrichtung wieder. Z.B. wurde in Planspielen grundsätzlich gegen kommunistische Umsturzversuche vorgegangen, Aktionen gegen rechte Gruppen kamen in den polizeilichen Planungen nicht vor. Die rechte/faschistische Gesinnung der Polizisten ließ sich aber auch direkter ablesen. So waren 90% der Beamten im reaktionären „Dillenburger Verband“ organisiert, öfter auch im „Stahlhelm“, einer paramilitärischen rechtsradikalen Organisation und ähnlichen Gruppierungen.« (Kein Vergeben – Kein Vergessen! Broschüre zur Demo am 17.11.1990 in Göttingen, Autonome Antifa (M), 1990).
Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund gründete die SPD, zusammen mit den anderen bürgerlich demokratischen Parteien, eine republikanische Garde als „Hüter der Republik“ das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Seine ideologische Ausrichtung, einerseits gegen die rechten Kräfte als Schützer der Republik aufzutreten und andererseits aber auch handfesten Anti-Kommunismus als Grundlage zu besitzen, war die Totalitarismusthese.
Die KPD hingegen gründete eine militante Organisation, deren Grundlage der Antiimperialismus bildete; den Roten Frontkämpferbund. Beide Organisationen spielten auf „soldatische Traditionen“ an.

SPD-nahe Organisationen

Das Reichbanner Schwarz-Rot-Gold

Auf Initiative des rechten SPD-Flügels wurde am 22. Februar 1924 das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold als „Bund republikanischer Kriegsteilnehmer“ in Magdeburg gegründet. Die Organisationen stand unter der Leitung von Friedrich Otto Hörsing (SPD), Oberpräsident der Provinz Sachsen und rechter Sozialdemokrat. Ideologisch war das Reichbanner abhängig von der SPD, obwohl alle Parteien der „Weimarer Koalition“ das Reichbanner stützten und dieses als „Hüter der Republik“ sahen.
Diese Parteien wirkten federführend im Interesse der Industriellen und der mit ihnen verbundenen SPD und wirkten demgemäß auch nicht im Sinne einer wirkungsvollen antifaschistischen und antimilitaristischen Arbeit.
»Nun wäre es voreilig zu vermuten, der Reichbanner sei in Braunschweig eine Art organisierte Linksfraktion in der SPD gewesen. Denn in seiner Bildungsarbeit bemühte sich der Reichsbanner die Geschichte der Rheinbundstaaten, um die Monarchie als antinational darzustellen und pflegte die Erinnerung an die Revolution von 1848, um nachzuweisen, daß die Weimarer Verfassung „kein willkürliches Revolutionsprodukt“ wäre, sondern „auf der Linie einer geschichtlichen Entwicklung“ läge. Man wollte „den Staat … zu einem wirklichen Heim für alle Bürger werden lassen“ und nahm den „reinen wahren Nationalismus“ für sich in Anspruch. Man wollte nur nicht „national um einer Herrenschicht“, sondern „national um des ganzen Volkes“ sein.Die Politik der Identifizierung mit der Nation und der Republik, die durch die Bildungsarbeit erreicht werden sollte, konnte für das Verhältnis von Mitgliedschaft und Führung nicht ohne Folgen bleiben und blieb es auch nicht, (…). Die Stärkung von Identifikationen mußte nämlich Hemmung
von Konflikt- und Kritikbereitschaft innerhalb der eigenen Organisation führen.« (Albrecht Lein, Antifaschistische Aktion 1945 – Die „Stunde Null“ in Braunschweig, S. 89, Göttinger Politikwissenschaftliche Forschungen; Hrsg.: Die Direktoren Pr. Dr. W. Euchner, Pr. Dr. P . Lösche, Pr. Dr. E. A. Roloff, (c) 1978.)
Die meisten der ca. 3 Millionen Mitglieder des Reichbanners waren zwar antimilitaristisch und antifaschistisch eingestellt, aber die Reichsbannerleitung, vor allem ihr Vorsitzender Hörsing, bekämpfte von Beginn an jeden Versuch von Reichsbannermitgliedern, mit KommunistInnen oder anderen konsequent linken Kräften zusammenzuarbeiten.

Die Eiserne Front

Mit dem Aufruf zum Zusammenschluß aller republikanischen Kräfte und deren einheitlichem Kampf gegen die Nationalsozialisten und für die Rettung der demokratischen Republik wurde im November 1931 die „Eiserne Front“ geschaffen. Sie sollte der neue Kampfbund vom Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB), den ArbeitersportlerInnen, dem allgemeinen freien Angestelltenbund (AfA), der Reichsbannerleitung und der SPD werden. Nachdem bei den Septemberwahlen 1930 die NSDAP große Stimmengewinne verzeichnen konnte (von 12 auf 107 Abgeordnetensitze) und sich im Oktober 1931 die nationalen/ faschistischen Kräfte (NSDAP, Stahlhelm, Deutschnationale Volkspartei (DNVP)) mit Teilen des Großkapitals und Medienimperien zur „Harzburger Front“ zusammengeschlossen hatten, hielt es das Reichsbanner für allerhöchste Zeit, einen antinazistischen Abwehrbund zu schaffen.
Ähnlich wie das 1924 gegründete Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, sollte auch die Eiserne Front eine überparteiliche Organisation werden. Allerdings entsprach ihre innere Struktur dem Status der beteiligten Verbände.
Die SPD-Führung übernahm die gesamtpolitische Führung, dem Reichsbanner wurde die technische Leitung übertragen und der ADGB stellte in Betrieben und Berufsgruppen sogenannte „Hammerschaften“ auf, mit denen Übergriffe von Faschisten abgewehrt werden sollten. Die Hoffnungen, es würden sich noch andere größere Bünde und Gewerkschaften anschließen, erfüllte sich allerdings nicht.Es gelang nicht, den Widerstand über sozialdemokratische Kräfte hinaus zu mobilisieren. Dies auch deshalb, weil es ein Verbot der Leitung gab, welches untersagte, daß kommunistisch Organisierte Mitglied werden durften. Kampfzeichen der Eisernen Front waren drei parallele Pfeile auf rotem Grund von oben links nach unten rechts. Sie sollten auf die Kampfprinzipien „Einigkeit, Aktivität, Disziplin“ hinweisen. Auf Plakaten der Eisernen Front wurde allerdings noch eine weitere politische Ausrichtung der drei Pfeile deutlich. Der obere zerschlägt ein Hakenkreuz, der mittlere eine Krone (Symbol der Monarchie und des Junkertums), der untere Hammer und Sichel, womit der antikommunistische Kurs auch offen als Programm vertreten wurde. Die Eiserne Front betitelte ihre Kämpfe als „Abwehrkämpfe“, so waren sie denn auch zum größten Teil eher Alibi der SPD, ein antifaschistisches Gesicht zu zeigen.
Carl von Ossietzky, linksliberaler Schriftsteller, brachte im Januar 1932 in der „Weltbühne“ die politische Schizophrenie der Eisernen Front auf den Punkt: »Ein neues Schlagwort soll jetzt, nach Beendigung des weihnachtlichen Burgfriedens, seine Wirkung erweisen. Die „Eiserne Front“ der Republikaner formiert sich. SPD, das Reichsbanner, Gewerkschaften verschiedener Richtung, republikanische Bünde, sie alle wollen sich zur Abwehr des Faschismus zusammenschließen. Die Front ist lang, daran ist kein Zweifel, wie tief sie geht, welches ihre ideellen Reserven sind, daß läßt sich noch nicht leicht abschätzen. Einige Abschnitte der Front, dort wo Arbeiter stehen, verdienen wohl wirklich eisern genannt zu werden, andre sind aus biegsamerem Stoff gemacht und einige nicht besser als Pfannkuchenteig. (…).
Es ist nicht leicht, zu einer Bewegung kritisch Stellung zu nehmen, der jedes gute Glück zu wünschen ist. Der Einzelne, der zur Aktivität gegen den Faschismus gewillt ist, darf nicht entmutigt werden. Aber gerade weil der einzelne Combattant so hoch einzuschätzen ist, deshalb muß deutlich ausgesprochen werden, daß das Schwächste an der Eisernen Front die Kommandohöhen sind.(…). Die Führerschicht, unter ganz anderen Verhältnissen gebildet und gereift, steht müde und weise vor einem Wirtschaftswirrwarr, der die gewohnten Klassengrenzen verwischt und die gelernte Marxfibel scheinbar ad absurdum führt. Herr Hilferding zum Beispiel konstatiert allgemeine Körperschwäche des Kapitalismus, folgert daraus aber nicht etwa die Notwendigkeit, den Patienten baldigst abzusägen, sondern fordert vielmehr die Arbeiter auf, ihn hochzupäppeln, damit sie wieder mehr verdienen. Hilferding ist gewiß ein Mann von starkem theoretischem Fundament und Befähigung zu weitem weltpolitischem Blick, aber so, ohne Ziel und ohne Feuer, gleicht er allzu sehr einem hochgebauten Leuchtturm, auf dem nur eine kleine Stearinkerze steht. Der Glaube an die geschichtsbildende Kraft des Proletariats ist dahin, die eigene Mutlosigkeit der Führerkaste wird auf die ganze Klasse projeziert.« Dem ist nichts hinzuzufügen.

KPD-nahe Organisationen

Proletarische Hundertschaften – Vorläufer des RFB

Die proletarischen Hundertschaften waren regional organisierte Arbeiterwehren und bestanden aus Mitgliedern (nur vereinzelt Frauen) des kommunistischen Ordnerdienstes, der u.a. zum Versammlungs- und Funktionärsschutz der KPD gegründet worden war. Die Hundertschaften waren militärisch ausgebildet und geschult. Obwohl Bewaffnung illegal war, verfügten zahlreiche Mitglieder der Hundertschaften über Waffen noch aus dem I. Weltkrieg oder den revolutionären Aufständen der vergangenen Jahre.
Im Mai 1923 gab es (laut des Parteibuches „Der bewaffnete Aufstand, aus dem Jahre 1928) dreihundert proletarische Hundertschaften, vor allem in Berlin, im Ruhrgebiet, in Sachsen und Thüringen mit insgesamt etwa 250000 Mitgliedern.Die proletarischen Hundertschaften wurden am 23. November 1923 – zusammen mit der KPD – , kurz nach dem „Hamburger Aufstand“, vom preußischen Innenminister Severing (SPD) verboten.

Die Gründung des Roten Frontkämpferbundes (RFB)

»Die Hoffnung auf den unmittelbar bevorstehenden Sieg der Revolution in Deutschland hatte die kommunistische Partei im Herbst 1923 zwar begraben müssen; das bedeutete jedoch keineswegs, daß sie damit auch das Instrument, daß ihr zu Erreichung dieses Ziels hatte dienen sollte, die proletarischen Hundertschaften, für untauglich erachtete. Sowohl in der Komintern-Diskussion über die „Lehren der deutschen Ereignisse“ des Oktober 1923 als auch in den Referaten,Anträgen und Resolutionen des IX. Parteitages im April 1924 wurde die Arbeit in den „Organen der Einheitsfront von unten“ – und zu ihnen zählten die Hundertschaften – als vordringlich bezeichnet.« (Kurt G.P. Schuster, Der Rote Frontkämpferbund 1924-1929, Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Band 55, Drost-Verlag, 1975).
Aufgrund der wachsenden Bedrohung der ArbeiterInnen und des Klein- und Mittelstandes durch die Wirtschaftspolitik der rechtsbürgerlichen Parteien und der direkten Angriffe von Seiten der rechtsradikalen Freikorps, beschloß die KPD die Gründung einer „proletarischen Wehr- und Schutzorganisation“. Ziel dieser Organisation, die zwar eine eigenständige Struktur besaß, aber politisch von der KPD bestimmt wurde, war zum einen der Schutz der ArbeiterInnen vor Überfällen von Faschisten und der Polizei. Zum anderen besaß die politische Massenarbeit einen enormen Stellenwert, denn die ArbeiterInnenklasse sollte »über die Methoden und Mittel des Imperialismus und die Hintergründe der in seinem Namen geführten Kriege aufgeklärt und somit ihr Klassenbewußtsein vertiefen«. (Selbstdarstellung des RFB)
Im Mai 1924 beschloß die Zentrale der KPD in Berlin, mit der Gründung der proletarischen Wehrorganisation „Roter Frontkämpferbund“ (RFB) in den Bezirken Thüringen und Halle-Merseburg zu beginnen (Anlaß bzw. Auslöser war der sogenannte „Blutsonntag von Halle“). In diesen Bezirken besaß die kommunistische Partei eine gefestigte Position und konnte auf den noch vorhandenen Strukturen der 1923 verbotenen „proletarischen Hundertschaften“, die in dieser Gegend sehr stark gewesen waren, aufbauen. Am 31. Juli 1924 fand im Volkspark zu Halle die Gründungsversammlung des RFB statt. Um der Gefahr eines erneuten Verbotes aus dem Wege zu gehen, wurde beschlossen, (zunächst) keine bekannten Parteifunktionäre in den Vordergrund treten zu lassen. In den folgenden Monaten wurden mehrere Unterorganisationen des RFB gegründet. Der Rote Jungsturm, die Rote Marine und der Rote Frauen- und Mädchenbund (RFMB).

Exkurs zu den Unterorganisationen des RFB

Roter Jungsturm (RJ)

Rote Jungfront. Neben den Soldaten richtete der RFB sein Hauptaugenmerk auf die ArbeiterInnenjugend. Sie kannte weder Krieg direkt, noch Militärdienst aus eigener Erfahrung und konnte deshalb von den romantisierenden nationalistischen Märchen über den heldenhaften Krieg stark beeinflußt werden. Um den Interessen von Jugendlichen besser und direkter Rechnung tragen zu können, wurde als Jugendorganisation des RFB am 22. August 1924 in Jena der Rote Jungsturm (RJ) gegründet, der im Januar 1925 in Rote Jungfront umbenannt wurde. Die RJ besaß eine eigenständige Organisationsstruktur und sollte Jugendliche im Alter von 16 bis 21 Jahren ansprechen. Schon eine Woche nach seiner Gründung in Thüringen hatte der RJ über 2000 Mitglieder.

Die Rote Marine

Eine weitere Unterorganisation des RFB war die Rote Marine (RM), deren erste Formation im September 1925 in Bremen gegründet wurde. Aufgrund der überschaubaren Größe der Reichsmarine war es für die Rote Marine nahezu unmöglich, Matrosen für den Bund zu gewinnen. Sie blieb auch deshalb mitgliedsschwach, weil die meisten kommunistisch orientierten Matrosen vor der Gründung der RM bereits dem RFB beigetreten waren, und eine Mitgliedschaft in beiden Organisationen untersagt war. Mitglieder der Roten Marine waren hauptsächlich ehemalige Matrosen oder Hafen- und Werftarbeiter. Die bedeutendste Abteilung des Bundes befand sich in Hamburg, wo es 1927 nach eigenen Angaben 400 Rote Matrosen gab. Weitere Sektionen bestanden in Königsberg, Lübeck, Unterweser und Kiel. Politisch war die Rote Marine der jeweiligen Gauführung untergeordnet und finanziell von der RFB-Bundesführung abhängig. Die Rote Marine hatte den gleichen organisatorischen Aufbau wie der RFB.

Der Rote Frauen- und Mädchenbund (RFMB)

Schon auf der I. Reichskonferenz des RFB stand die Bildung einer unabhängigen Rotfrontkämpferinnenorganisation auf der Tagesordnung, da die Rolle der Frauen im RFB von Anfang an nicht geklärt war. »Zunächst war keineswegs klar, welche Rolle der „revolutionären“ Frau in der Bewegung zugedacht war. Richtlinien und Satzungen gaben darüber keinen Aufschluß, aber die Kameradinnen waren von Anfang an mit dabei und wurden an einigen Orten sogar in Funktionärsstellen gewählt.“ (Kurt G.P. Schuster, s.o.) Nach kontroverser Diskussion setzte sich die Ansicht durch, daß eine eigenständige Frauenorganisation weit mehr Anziehungskraft auf Arbeiterinnen haben würde als der RFB. »Als die Bezirksleiter mit dem Projekt der Frauenabteilung vor ihre Bezirkskonferenz traten, scheinen sie doch auf einen weitverbreiteten Widerstand gestoßen zu sein. Das zeigt sich deutlich im Protokoll der II. Reichskonferenz, deren zweiter Verhandlungstag – neben der Abstimmung der Anträge – diesem Thema gewidmet war.« (Kurt G.P. Schuster, s.o.) Zudem gab es Anträge von einigen Bezirken, daß Frauen und Mädchen künftig nicht mehr an Aufmärschen und Veranstaltungen teilnehmen sollten, da sie „den Anstrengungen nicht gewachsen“ seien und die militärische Disziplin stören würden.
»Die anschließenden Diskussion erbrachte eine bunte Reihe von Argumenten unterschiedlicher Qualität und Provenienz (Herkunft, d.V.) für und wider die Loslösung vom Bunde: Die Rolle der Frau in der Pariser Kommune, die Tatsache, daß Rosa Luxemburg eine Frau war, die Verwendbarkeit der Frau im Sanitätsdienst, die durch den Einsatz von Frauen möglicherweise steigende Anziehungskraft des Bundes, die Tatsache, daß der Gegner (die rechts-reaktionären Bünde, d.V.) sich im Luisenbund ebenfalls eine Frauenabteilung geschaffen habe, wurden für den Verbleib der Frauen und Mädchen im RFB ins Feld geführt; dagegen sprach in den Augen der Delegierten die physiologische Unzulänglichkeit der Frau im „militärischen“ Dienst, die Störung des disziplinierten militärischen Auftretens, die Zersetzung der „Manneszucht“ durch die Mädchen, die „immer wieder erwiesene“ geringe politische und auch nervliche Standhaftigkeit der Frau.« (Kurt G.P. Schuster, s.o.)
Die Reichskonferenz beschloß, »die bestehenden Frauen- und Mädchenabteilungen obligatorisch vom RFB loszulösen und die Erfassung und Sammlung der Frauen im Roten Frauenbund durchzuführen«. Die Bundesleitung wurde beauftragt, die Initiative zur Gründung des neuen Bundes zu ergreifen. »Nicht erwähnt worden war in der Diskussion ein Argument, das in den Überlegungen der Zentrale der KPD angeblich eine Rolle gespielt haben soll. Clara Zetkin hat danach die Ansicht vertreten, daß bei der Angliederung der Frauen an den RFB die Werbekraft auf das weibliche Publikum zu gering sei und daß – um den „Radius“ der ansprechbaren Frauen zu erweitern – die organisatorische Selbständigkeit der Frauenorganisation wünschenswert wäre.«(Kurt G.P. Schuster, s.o.)
Da es zunächst nur bei diesem Appell blieb, legte Martha Grünert, Delegierte auf der II. Reichskonferenz 1925 und sehr engagiert in der Frage der Frauenorganisation, bei der Bundesleitung in Berlin folgenden Entwurf vor: »Die Frauenliga hat die Aufgabe, den Kampf für soziale Verbesserungen wie Mutterschutz, Kinderhilfe, Schulpflege usw. zu führen; für Abschaffung der [[section]]128 und [[section]]219 einzutreten, (…) in enger Verbindung mit dem RFB.« Der KPD gingen die politischen Ambitionen dieses Entwurfs jedoch entschieden zu weit. Der Bund solle nicht zu einem Parteiersatz werden. Gerade politisch brisante Themen wie Mutterschutz oder Abschaffung des Abtreibungsparagraphen 218 beanspruchte die KPD für sich. So wurde auf der am 29. November 1925 einberufenen Reichskonferenz des „provisorischen Komitees des Roten Frauenbundes“ der Rote Frauen- und Mädchenbund (RFMB) gegründet, dessen Satzung bis auf den Paragraphen 3 mit der des RFB identisch war.
Der Vorschlag von Martha Grünert, der sich in konkreten Forderungen zum „Zweck des Bundes“ (Satzungsparagraph 3) äußerte, wurde durch allgemeine und verschwommenere Formulierungen ersetzt. Somit war klar, daß der RFMB, wie schon der RFB als „Vorschule der Partei“ zu verstehen sein sollte. Die Auseinandersetzungen um den Zweck des Bundes gingen jedoch darüber hinaus.
»Dabei wurde von den Frauen die Quadratur des Kreises erwartet: Sie sollten keine „militärische Organisation“ sein, aber eine „Kampforganisation proletarischer Frauen“.Sie sollten kein „kleinbürgerlicher“ Verein sein, aber „Methoden anwenden, wie sie bisher nur mit Erfolg von bürgerlichen Vereinen gebraucht wurden“. Sie durften nicht „den proletarischen Charakter“ ihrer Veranstaltungen verwischen, aber sollten die „Tatsache beachten“, daß Frauen „ein starkes Unterhaltungs- und Bildungsbedürfnis haben“. Für die Gründungsversammlung sollte ein „freundliches“ Lokal gesucht werden!« (Kurt G.P. Schuster, s.o.)
Als Vorsitzende wurde Clara Zetkin gewählt, die diesen Posten jedoch von Anfang an nur formalbesetzte und ihre Hauptaufgabe in der KPD-Zentrale sah. Eigentliche Vorsitzende und organisatorischer Kopf war Helene Overlach, aus der Ortsgruppe Hamburg/ Wasserkante. Nach eigenen Angaben gehörten dem Roten Frauen- und Mädchenbund zum Zeitpunkt seiner ersten Reichskonferenz im November 1926 ca. 25000 Frauen an. Das Mindestalter wurde auf 16 Jahre festgelegt. Ähnlich wie die Rote Jungfront beim RFB wurde auch beim RFMB eine Jugendorganisation, die sogenannten „Mädelgruppen“ eingerichtet. In Ihnen sollten Mädchen von 14 bis 18 Jahren zusammengefaßt werden. Frauen, die Mitglied beim RFMB wurden, leisteten, ähnlich wie die Männer beim RFB, einen Fahneneid, der „im Zeichen des Blutes“ einen „heiligen Schwur bis zum Tod“ ausdrücken sollte. Die Meldungen und Berichte über den RFMB waren, selbst in KPD- und RFB-Publikationen, mehr als dürftig.
Zur II. RFMB- Reichskonferenz vom 10. Februar 1928, die bei Berlin stattfand, gab es beispielsweise nur eine kurze Notiz in der „Roten Fahne“, dem Zentralorgan der KPD. Dagegen wurde über Konferenzen des RFB seitenweise berichtet, Reden und Diskussionsbeiträge sogar häufig im Wortlaut abgedruckt. Nachdem der preußische Innenminister Severing von der SPD am 3. Mai 1929 den Roten Frontkämpferbund und seine Unterorganisationen, die Rote Jungfront und die Rote Marine verboten hatte, konnte der von diesem Verbot nicht betroffene RFMB noch am 17. August 1929 legal seine III. Reichskonferenz nach Erfurt einberufen.
Durch die politischen Verbote kam diesem Treffen verständlicherweise eine besondere Bedeutung zu. Helene Overlach, 2. Vorsitzende des RFMB, rief alle Proletarierinnen dazu auf, »Soldaten für die Revolution« zu werden und die legalen Nachfolgeorganisationen des RFB, wie die Antifaschistischen Jungen Garden, zu unterstützen und ihnen beizutreten. Nachdem Helene Overlach im Jahre 1930 bei einer Demonstration schwer verletzt wurde und danach zur Schulung in die Sowjetunion ging, finden sich keine Berichte oder Dokumentationen über die Tätigkeit des RFMB mehr. Nach wie vor bleibt ungeklärt, welchen gesellschaftlichen und innerparteilichen Stellenwert der RFMB tatsächlich hatte. Selbst die Publikationen der KPD und des RFB, wie bereits erwähnt, geben wenig Aufschluß über die tatsächliche Bedeutung und liefern auch ein verzerrtes Bild dieser Frauenorganisation. Festzuhalten bleibt, daß die in Ansätzen bekannten und dargestellten Auseinandersetzungen um die Gründung des RFMB als eigenständige oder eingegliederte Organisation, anschaulich dokumentieren, welches – aus heutiger Sicht – zum Teil rückständiges Frauenbild, auch auf linker Seite als „Norm“ galt.
Es dokumentiert ebenfalls, daß zwar eine Auseinandersetzung um die Funktion und Wirkungsweise des [[section]]218 oder die Bedeutung des Mutterschutzes stattgefunden hatte, jedoch eine tiefergehende (marxistische) Auseinandersetzung um die gesellschaftliche Trennung von Reproduktions- und Produktionsarbeit im Kapitalismus und der daraus resultierenden Frauenrolle nicht realisiert worden ist. So fehlt folglich auch eine breitere Auseinandersetzung um die Funktion der Kleinfamilie für den aufkommenden Faschismus. Nicht nur beim RFMB, RFB und KPD, sondern in der gesamten linken/proletarischen Bewegung spielten diese Fragen eine untergeordnete Rolle.

Einheitsfrontbestrebungen anhand der Fürstenenteignungskampagne

In der ersten Hälfte des Jahres 1926 stand für den RFB der »Kampf für die Fürstenenteignung“ im Vordergrund. Die Fürsten – deren Vermögen und Besitztümer 1918 zwar beschlagnahmt aber nicht enteignet worden waren – forderten von der Regierung insgesamt etwa 2,5 Milliarden Reichsmark Entschädigung. Allein für die Hohenzollern zahlte der Staat jährlich 600000 Reichsmark.
Beginn der Kampagne war der von der KPD am 25. November 1925 eingebrachte Gesetzentwurf, der die entschädigungslose Enteignung der ehemaligen Fürstentümer forderte. Da der Entwurf erwartungsgemäß abgelehnt wurde, strebte die KPD einen Volksentscheid an. Zu dessen Durchführung war zunächst ein Volksbegehren erforderlich, die dem sich am 17. März 1926 rund12,5 Millionen Wahlberechtigte für den Volksentscheid aussprachen. Das waren weit mehr als die erforderlichen 10%; der Volksentscheid wurde für den 20. Juni 1926 angesetzt. Von der KPD wurde die Kampagne als großer Erfolg in der Frage der Einheitsfront gewertet. Große Teile der mittelständischen Bevölkerungsschicht, die konkret von der Inflation um ihre Ersparnisse gebracht worden waren und im allgemeinen mit der fortschreitenden Monopolisierung des Kapitals (immer mehr Großbetriebe, immer weniger Mittelständische- und Kleinbetriebe) betroffen waren, votierten dementsprechend für die Enteignung. Deshalb – schon allein aus wahltaktischen Gründen – beteiligte sich die SPD nach anfänglichem Zögern an der Kampagne. Die Führung des Reichsbanners untersagte ihren Mitgliedern zwar die Zusammenarbeit mit KommunistInnen, sprach sich aber für die Kampagne aus. Allein in Thüringen bildeten sich – trotz der Anweisung der Reichsbannerführung – über 30 Einheitsfront-Komitees, denen KommunistInnen, SozialdemokratInnen, Rotfrontkämpfer, Gewerkschafts- und Reichsbannermitglieder angehörten. »Wer den Fürsten nur einen Pfennig gibt, bezahlt die Maschinengewehre der Monarchisten«, hieß es auf einer Kundgebung der Roten Jungfront, der Jugendorganisation des RFB, am 3. Februar 1926 in Berlin/Wedding. In Berlin nahmen am 27. Januar 1926 rund 150000 Menschen an einer Demonstration für die Fürstenenteignung teil.
Trotz der breiten Mobilisierung und Größe der Kampagne fehlten am 20. Juni 4,5 Millionen Stimmen. 15,5 Millionen Stimmen waren mit ihrer „Ja“-Stimme für die entschädigungslose Enteignung der Fürsten eingetreten. Das waren mehr, als Hindenburg bei seiner Wahl zum Reichspräsidenten, nach dem Tode Eberts, 1925 bekommen hatte. Auch wenn die Kampagne ihr Ziel nicht erreicht hatte, wurde sie von der KPD ausschließlich als Niederlage gewertet. Ein Teilerfolg war beispielsweise, daß ein beachtlicher Zuwachs an Mitgliedern zu verzeichnen war. Die Kampagne war zugleich Teil des antimilitaristischen Kampfes, denn die Kron- und Erbprinzen besaßen teilweise Führungspositionen in den militaristischen Verbänden. Beispielsweise waren die Hohenzollernprinzen August Wilhelm und Eitel Friedrich hohe Führer im Stahlhelm und später in der SA. Erbprinz Josias von Waldeck- Pyrmont gehörte zum Jungdeutschen Orden, war SS-Führer und später KZ-Kommandeur.

Bilder der Straßen

Angesichts der Gefahr, die der RFB durch die jederzeit von Polizei oder militaristischen Verbänden erfolgenden Überfälle ausgesetzt war, traf der Bund bei seinem öffentlichen Auftreten Sicherungsmaßnahmen. Auch die Erfahrungen aus den Niederschlagungen der revolutionären Aufstände sowie den anschließenden Verfolgungen waren Hintergrund dafür, daß alle größeren Demonstrationen durch einen Beobachtungs- und Meldedienst gesichert wurden, der den Zug unmittelbar und in den Nebenstraßen begleitete. Außerdem marschierten besondere Sicherungsgruppen hinter der Fahne im Zuge und am Ende des Zuges. Bei gegebenen Anlässen begleiteten diese Sicherungsgruppen die Demonstrationen auch in Reihen am Straßenrand. Diese Maßnahmen dienten dem Schutz vor Zusammenstößen und dem Eindringen von Spitzeln und Provokateuren in Demonstrationen. Desweiteren verfolgte das disziplinierte Auftreten den Zweck, bei der Bevölkerung und der Polizei als politisch starke und handlungsfähige Bewegung bzw. Organisation aufzutreten.
Massenaufmärsche und Paraden hatten in jener Zeit große agitatorische Bedeutung, was bei der Betrachtung aus heutiger Sicht, von erheblicher Bedeutung sein sollte. Es gab damals weder Fernsehen – das Kino steckte in den Kinderschuhen – noch war das Radio ein Massenmedium. So muß sich vor Augen geführt werden, daß eine „Doppelöffentlichkeit“ (Medienwirklichkeit und Realität) wie in der heutigen Gesellschaft, nicht existent war. Das politische Leben spielte sich vor allem auf der Straße ab. Hier gab es authentische Bilder und Informationen, hier konnte sich ein Bild von der Überzeugungskraft der jeweiligen politischen Organisation gemacht werden. So
erhöhten Demonstrationen die politische Ausstrahlungskraft, wirkten entsprechend auf die eigenen Mitglieder und waren, neben Streiks, das wichtigste politische Mittel, zur Durchsetzung politischer Forderungen.Die Paraden rechter, reaktionärer Verbände, allen voran der Stahlhelm, hatten die Atmosphäre in vielen deutschen Städten seit Ende 1923 bestimmt.
Dieses Bild veränderte sich schon kurz nach der Gründung des Reichbanners Schwarz-Rot-Gold und des RFB. Das Auftreten der gut organisierten und disziplinierten Rotfrontkämpferabteilungen, die zumeist von Spielmannszügen oder Schalmeienkapellen angeführt wurden, veränderte die Stimmung innerhalb der ArbeiterInneschaft, mobilisierte, gab politisches Bewußtsein (zurück) und demonstrierte die eigene Stärke. Der Gesang revolutionärer Marsch- und Kampflieder spielte dabei eine besondere Rolle. Nicht allein als Mittel, das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Disziplin innerhalb der einzelnen Kolonnen zu stärken, vielmehr wirkten die Texte aufklärend, werbend und mobilisierend nach außen. In der ersten Zeit des RFB wurden, neben bekannten ArbeiterInnenliedern, besonders jene Lieder gesungen, die in den Kämpfen der Novemberrevolution 1918 entstanden waren. Die Texte berichteten in einfachen Worten von den Kämpfen, Opfern und Erlebnissen jener Tage.

Das Ende von Weimar

Der Beginn der Weltwirtschaftskrise

Als unmittelbare Folge der 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise verschärften sich die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen vor allem für die Lohnabhängigen auch in Deutschland. Produktionsstillegungen, zahlungsunfähige Banken, leere Kassen bei den Sozialversicherungen, sprunghaft ansteigende Massenarbeitslosigkeit, gar Hunger und Elend verstärkten auch die politischen Gegensätze. Auseinandersetzungen zwischen ArbeiterInnenorganisationen und den inzwischen erstarkten faschistischen Verbänden der NSDAP, vor allem der SA, nahmen mehr und mehr zu und forderten die ersten Opfer.
Innerhalb des Parlaments versuchte die „Weimarer Koalition“ durch Klüngeleien mit der Großindustrie ihre Macht zu erhalten, was immer auch bedeutete, soziale Rechte der ArbeiterInnen einzuschränken bzw. abzuschaffen. Politische Auseinandersetzungen fanden ihren Ausdruck vor allem in den Kämpfen auf der Straße, insbesondere die ArbeiterInnenviertel wurden häufig Zielscheibe faschistischer und polizeilicher Provokationen bzw. Terrors.
In dieser äußerst angespannten Situation versuchten die bürgerlichen Regierungsparteien das verstärkte Auftreten des RFB mit verschiedenen Verboten von Demonstrationen zu behindern. Offiziell sollten die Verbote „links und rechts“ treffen. Am 13. Dezember 1928 erließ der Berliner Polizeipräsident Zörgiebel ein „allgemeines Demonstrationsverbot“ über Berlin, welches im März 1929 auf das ganze Reich ausgeweitet wurde. Außerdem wurden im März 1929 alle Polizeibehörden Preußens angewiesen, »mit allen zu Gebote stehenden Mitteln« gegen die »radikalen Organisationen« vorzugehen.
Einer Information des Stahlhelmbundvorstandes ist jedoch zu entnehmen, daß die Anweisung des sozialdemokratischen Innenministers allein gegen RFB, KPD und radikale linke Kräfte gerichtet war: »Von sonst gut unterrichteter Seite höre ich, daß der vor einigen Tagen veröffentlichte Erlaß des Preußischen Innenministers „gegen die Verbände“ auf die Kommunisten gemünzt sei und das man die leicht erkennbare Spitze gegen die Rechtsverbände nur angewandt habe, um von dem eigentlich verfolgten Zweck abzulenken. Wie die letzten Betriebsrätewahlen deutlich gezeigt hätten, liefen die Sozialdemokraten und freien Gewerkschaften Gefahr, von den Kommunisten an die Wand gequetscht zu werden; deshalb müßten diese jetzt einen Schlag gegen die Kommunisten unternehmen, zumal die Haupterfolge der kommunistischen Partei gerade in Gebieten errungen würden, die bisher sozialdemokratischer Domäne gewesen seien,…«.
Der Berliner Polizeipräsident Karl Zörgiebel (SPD) hielt das Demonstrationsverbot auch für den 1. Mai 1929 aufrecht.
Die KPD und etwa 200000 Menschen widersetzten sich dem Verbot und demonstrierten trotzdem in Berlin. Als die Polizei mit massiver Gewalt gegen die Demonstration vorging und in die Menge schoß, kam es zu schweren Auseinandersetzungen, die sich zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen entwickelten. Polizisten wurden entwaffnet und auf die Polizei zurückgeschossen sowie Barrikaden errichtet. Vor allem in den Stadtteilen von Neukölln und Wedding zogen sich die Kämpfe bis zu drei Tagen hin. Offiziell kamen 30 ArbeiterInnen ums Leben (laut Bericht eines Zeitzeugen, 42 Tote). Diese Tage in Berlin gingen unter dem Begriff des „Blutmai ’29“ in die Geschichte ein. Der RFB und seine Unterorganisationen wurden in diesem Zusammenhang am 3. Mai 1929 verboten.

Die parlamentarische Demokratie auf dem Weg zum Nationalsozialismus

Zwar gab es Anfang der dreißiger Jahre einen konjunkturellen wirtschaftlichen Aufschwung in der Weimarer Republik, jedoch hielt die politische Krise an und verschärfte sich zusehends, um
schließlich im Sommer 1932 ihren Höhepunkt zu erreichen. Im Juni 1932 waren im Deutschland 7,5 Millionen Menschen arbeitslos, d.h. jeder Zweite. Der Einfluß der Großindustrie auf das Parlament hatte in der Weise Ausmaße angenommen, daß diese nunmehr direkt und offen in politische Entscheidungen Einfluß nahmen bzw. forderten. Im Mai 1932 wurde das Kabinett Brüning, eine Koalition der SPD mit dem Zentrum und der Deutschen Demokratischen Partei endgültig gestürzt, da sie ihre Aufgabe erfüllt hatten. Hintergrund für den Zeitpunkt war die Tatsache, daß explizit die IG-Farben durch die Rücksichtnahme der Zentrumspolitiker auf die christlichen Gewerkschaften ihr monopolitisches Wirtschaftsprogramm behindert sahen.
Die Politik Brünings seit der Zeit von 1930 (der SPDler Marx war durch Artikel 48 als Reichskanzler abgesetzt worden und das Parlament damit als politische Instanz außer Kraft gesetzt) bis Frühjahr 1932 zeichnete sich dadurch aus, daß die Vorstellungen der Großindustrie zur Überwindung der Wirtschaftskrise parlamentarisch durchgeführt wurden: Durch inflationäre Maßnahmen konnten die Industriebetriebe ihre Schulden in Pfenningbeträgen zurückzahlen, Kartellabsprachen oder Korruption wurden nicht strafrechtlich verfolgt. All diese Maßnahmen gingen einher mit einem massiven Abbau gewerkschaftlicher Rechte und sozialer Absicherungen.
Hauptlast trugen dabei die Lohnabhängigen und Teile des Kleinbürgertums, denen durch Brünings Notverordnungspolitik die Existenzgrundlage entzogen wurde, da finanziell die Großindustrie und Banken „saniert“ werden sollten, die Monopolisierung vorangetrieben wurde und Kleinbetriebe massenhaft eingingen.
Brüning selbst kam zu der Einsicht, daß »die gesamte Schwerindustrie kein anderes Mittel für ihre eigene Rettung sah, als immer weiter Löhne zu senken bzw. einen gewaltsamen Umschwung mit nachfolgender Inflation durch starke finanzielle Unterstützung der NSDAP herbeizuführen.« Zum Nachfolger Brünings wurde am 1. Juni 1932 Franz von Papen per Notverordnung Hindenburgs ernannt. Papen unterhielt enge Beziehungen zur rheinischen Schwerindustrie. Er war ein Vertrauensmann der Reichswehr und Anhänger ultrareaktionärer und scharf antikommunistischer Theorien. So war es dann auch Papen, der, trotz des massiven Aufschwungs der Faschisten – namentlich der NSDAP und SA – das kurzfristige Verbot der SA vom 13. April 1932 am 14. Juni wieder aufhob (u.a. eine Reaktion auf vermehrte Arbeitsschutzeinheiten) und in der Begründung der Papen-Regierung hieß es schließlich, er sei »der Überzeugung (…), daß das Staatsschiff nicht gegen, sondern nur mit der Welle der nationalsozialistischen Bewegung in den Hafen gebracht werden müßte.«
Hintergrund einer solchen Äußerung Papens war die Tatsache, daß sich mit der Zuspitzung der gesellschaftlichen Verhältnisse seit 1928 große Teile des Monopolkapitals bereits zu diesem Zeitpunkt für die Variante des Faschismus zur Aufrechterhaltung und Absicherung ihrer Profite entschieden hatten (bereits ab 1925/26). Spätestens seit dieser Zeit flossen große Geldsummen in den Aufbau der nationalsozialistischen Bewegung, speziell in die NSDAP, die vor allem Hitler durch geschickte Verhandlungen für die Partei losmachte.
Ein Phänomen dabei war, daß die NSDAP den politischen Spagat zwischen offener Befürwortung des nationalen Kapitals und gleichzeitiger Ablehnung des internationalen Kapitals schaffte. Die Breite der nationalsozialistischen Bewegung wurde weniger durch offenes prokapitalistisches Auftreten erreicht als vielmehr über die Linie der SA, die mit nationalrevolutionären (vermeintlich antikapitalistischen) Parolen vor allem das mit Existenzangst behaftete Kleinbürgertum an sich band und sogar ein Einsickern in Schichten der Lohnabhängigen erreichen konnte. Nichtsdestotrotz bildeten diesen beiden vermeintlichen Flügel keinen Widerspruch. Während Hitler und Konsorten das Geld für den Aufbau einer Massenpartei in enger politischer Zusammenarbeit mit seinen Geldgebern anhäufte, sorgten nationalrevolutionäre Parolen für Vorbereitung der immer weiter entstehenden Massenbewegung.
Auf den Punkt brachte die politische Situation des offenen Zusammenarbeitens rechter/faschistischer Kräfte mit geldstarken Großindustriellen und einflußreichen Medienfürsten die Gründung der „Harzburger Front“. Diese, am 11./12. Oktober 1932 in Bad Harzburg ins Leben gerufene Vereinigung, war ein Zusammenschluß der NSDAP, des Stahlhelms, der DNVP sowie verschiedener Großindustrieller und des Mediengiganten Hugenberg.

Die hinhaltende SPD

Mit der Auflösung des Reichstages am 4. Juni 1932 hatte sich die Präsidialdiktatur nun ganz hochoffiziell durchgesetzt.
Die SPD, allen voran der Preußische Innenminister Severing, empfahlen immer noch, die Tolerierungspolitik fortzusetzen, anstatt diesem erneuten offenen Rechtsruck entgegenzutreten. Sie beschränkte sich darauf, eine Verfassungsanfrage zu stellen, ob der Rechtsmäßigkeit der Einsetzung Papens. Damit war auch die SPD ihrer Funktion als vermeintliche Opposition endgültig beraubt, sie besaß nun nicht mal mehr parlamentarischen Einfluß. So wurde ihre fatale Tolerierungspolitik damit bestätigt, daß sie – ganz legal und auf verfassungsgemäßem Wege – entmachtet worden war.
Sie hatte – mit dem Verzicht auf andere Widerstandsmittel (Streiks, Demonstrationen etc.) ihre eigene Entmachtung toleriert. Trotz parlamentarischer Bemühungen der KPD, zusammen mit Zentrum und der SPD das Eintreten der NSDAP in die Regierung zu verhindern, näherten sich die Papen-Regierung und die NSDAP immer mehr an.
Obwohl schon Brüning viele Verordnungen erlassen hatte, die die soziale Absicherung der Lohnabhängigen immer mehr ausgehöhlt hatten, setzte Papen die Politik der Notverordnungen unbeirrt und rabiat weiter fort. Soziale Rechte der ArbeiterInnen wie das Tariflohnsystem oder Arbeitslosenversicherung sollten gänzlich abgeschafft werden.

Der Preußenschlag

Zur Bedeutung Preußens

Preußen war der größte deutsche Teilstaat. Im Zentrum Mitteleuropas gelegen war er sowohl in der industriellen wie in der agrarischen Produktion führend. Durch diese Ausgangsbedingungen und die eigene Geschichte hatte Preußen innerhalb Deutschlands eine dominante Stellung. »Wer Preußen hat, hat Deutschland«, lautete ein geflügeltes Sprichwort rechter Kreise zu dieser Zeit.
In ihren Grundzügen vom Kaiserreich übernommen überließ die bundesstaatliche Struktur der Weimarer Republik wesentliche Kompetenzen den Ländern und nicht dem Reich, vor allem die Innen-, Justiz- und Kulturpolitik. Deshalb bestand kein unmittelbarer Einfluß der Reichsregierung auf die preußische Polizei, die allgemeine Verwaltung und die Justiz. Gerade die preußische Polizei galt als mustergültige Institution, die politische Gesinnung der einfachen Polizisten war eher der SPD zugeneigt, während die Offizierskorps noch aus alten Armeestrukturen stammten.
Ministerpräsident Otto Braun würde mit seiner Polizei nicht den Weg freimachen für eine offene Machtübertragung auf die Faschisten, so die allgemeine Ansicht damals. Das gleiche wurde von Verwaltung und Justiz behauptet, die trotz der allgemeinen Bekämpfung des kommunistischen Widerstands als relativ demokratisch galt.
Berlin als Hauptstadt des Reichs und des Landes Preußen war unter diesen Voraussetzungen den Propagandisten eines Rechtsputsches ein Dorn im Auge, vor allem dadurch, daß Berlin auch Hauptstadt der ArbeiterInnenbewegung war. Hier hatten die politischen Zentralen der SPD, der sozialdemokratischen Gewerkschaften und der KPD ihren Sitz. Auch hierauf war es zurückzuführen, daß die beiden ArbeiterInnenparteien bei den letzten Reichstagswahlen 1930 in Berlin 1,5 Stimmen erhalten hatte, fast viermal soviel wie die NSDAP. Darüberhinaus war der Stimmanteil der KPD in Berlin genauso hoch wie der der SPD, hier nahm sie der SPD viele Stimmen ab. Für die politische Rechte war die Machtübernahme der Stadt wegen ihrer vielfältigen Funktionen und zugleich auch wegen ihres im Gegensatz zu anderen Regionen des Reiches ausgeprägten linken Widerstandes gegen rechts von größter Bedeutung. So war die Machtübernahme der Verwaltung und der Polizei in Berlin für die reaktionären Kräfte notwendig. Dies konnte aber nur mit außerparlamentarischen Mitteln durchgesetzt werden. Nachdem Ministerpräsident Brüning (Zentrum) nun abgesetzt war, schien der Weg für die Entmachtung der SPD-Regierung freigemacht.
Am 20. Juli 1932 enthob Hindenburg Otto Braun als Ministerpräsident von seinem Amt und übergab von Papen die kommissarische Führung Preußens. (In Preußen wurde kurze zeit später SA und SS – noch vor der Machtübertragung auf die Faschisten – im Januar 1933 als Hilfepolizei eingesetzt.)

Das Zögern wird zur Ohnmacht

Der Innenminister des Reiches, Carl Severing (SPD), sicherte von Papen Tage zuvor zu, nichts gegen einen Entmachtung der preußischen Regierung (SPD!) unternehmen zu werden. Am 16. Juli 1932 erklärte der sozialdemokratische Parteivorstand, er wolle »bei allem, was kommen möge, die Rechtsgrundlage der Verfassung nicht verlassen.« Dies war der Wink mit dem Zaunpfahl für von Papen, die SPD in Preußen aus den Angeln zu heben. Am 18. Juli 1932 erließ die Papen-Regierung ein Demonstrationsverbot, die Kontrolle der Straßen und Flughäfen wurden vorbereitet, die Telefone der KPD und der RGO abgehört. Da die Absetzung der preußischen Regierung rechtskräftig ganz verfassungstreu von Statten gegangen war, beschränkte sich die SPD darauf, zu erklären: »der Vorgang sei nicht rechtlich, man werde das Gericht zur Klärung anrufen.« Zu groß war ihre Angst, daß ein Generalstreik – zuvor als Angebot der KPD formuliert – gegen den Rechtsputsch in Preußen ihnen wie schon 1920 aus den Händen gleiten könnte und zu groß der blinde Glaube in die parlamentarischen „Spielregeln“. So verlief der empörte Protest – auch großer Teile der ArbeiterInnenbewegung – im Sande.
Mit dem Putsch war der parlamentarische Protest gegen die Präsidialdiktatur vollends gebrochen und nutzlos geworden. Die Reichsregierung konnte sich nun sicher sein, daß auch Reichs- und Landesebene rechte und reaktionäre Politiker alle wichtigen Positionen inne hatten oder in absehbarer Zukunft haben würden. Als dann der Stimmzuwachs der NSDAP bei der Reichstagswahl am 31. Juli 1932 ihren Zenit erreicht hatte – diese mehr Stimmen als SPD und KPD zusammen erhalten hatte – wurde die Politik der Reichsregierung unter von Papen bis zur Machtübertragung am 30. Januar 1933 ohne nennenswerten parlamentarischen Widerstand fortgesetzt, auch wenn die Novemberwahlen 1932 deutlich machte, daß die NSDAP hohe Stimmverluste zu verzeichnen hatte. Die Weichen wurden bereits gestellt und der Zug rollte schon auf dem rechten Gleis.
Obwohl auf Antrag der KPD mit einem Mißtrauensvotum der Reichstag erneut aufgelöst wurde, und die NSDAP bei den darauffolgenden Wahlen am 6. November 1932 große Stimmeinbrüche hinnehmen muß und wieder hinter SPD und KPD zurückfiel, gelang es den ArbeiterInnenparteien dennoch nicht, die Politik der Reichsregierung zu ändern, da diese als Präsidialkabinett regiert und der Reichstag ja bereits entmachtet war (Artikel 48). Realistische Änderungen wären nur noch im Zusammenspiel mit außerparlamentarischen Aktionen möglich gewesen (Generalstreik).
Zur Charakterisierung der Rolle der bürgerlichen Parteien bezüglich der Machtübertragung schreibt August Tahlheimer (KPO) seinerzeit treffend: »Die Rolle der bürgerlich-demokratischen Parteien,einschließlich der Sozialdemokratie, bei der Vorbereitung des Faschismus besteht nicht darin, daß sie selber in Elemente der faschistischen Partei verwandeln, sondern darin, daß sie den Parlamentarismus und sich selber diskreditieren und dadurch die Entstehung einer faschistischen Partei begünstigen, die das Urteil vollstreckt, das sie über sich selber fällen.« (August Tahlheimer, „Über den Faschismus“, ……) Die ersten offiziellen Verhandlungen mit Hitler auf höchster parlamentarischer Ebene begannen am 13. August 1932.
Die Politik (im Parlament) wurde von einer kleinen Gruppe Männer aus ultrarechten Parteien gemacht, die mit einer geschickten personellen Machtkonstellation Reichswehr, Polizei und große Teile der Schwerindustrie und der Presse hinter sich hatte und regieren konnte. Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 vollzog sich schleichend über das Kabinett Schleichers und erfolgte im Rahmen des Machtkalküls der herrschenden national-reaktionären Kräfte.

Zurück zum Antifaschismus

Der Kampfbund gegen den Faschismus (KGF)

Mit dem Verbot des RFB 1929 war der KPD die Möglichkeit genommen, die Politik der Straße weiter fortzuführen. Dies war vor allem deshalb von Bedeutung, da die faschistische Bewegung stark angewachsen war und die SA bereits zu dieser Zeit zum offenen Terror gegen Funktionäre und ArbeiterInnenvierteln übergegangen war. Desweiteren war die politische Aktion der Demonstration zu jener Zeit das einzige Element der Politik, welches der KPD noch als zuverlässiges Mittel zu Verfügung stand.
Als unmittelbare Reaktion auf die Reichstagswahl am 14.September 1930, auf die ersten parlamentarischen Erfolge der NSDAP (Stimmenzuwachs von 12 auf 107 Sitze) zu verbuchen hatte, wurde am 28. September 1930 der „Kampfbund gegen den Faschismus“ (KGF) als »als überparteiliche proletarische Massenorganisation zum Kampf gegen den Faschismus in all seinen Erscheinungsformen, insbesondere gegen den Nationalsozialismus« ins Leben gerufen. Der KGF baute größtenteils auf den organisatorischen Strukturen des ab 1929 illegal weitergeführten RFB auf. Trotz der überwiegend abgrenzenden Politik der KPD-Leitung (seit 1928 offizielle Linie) war der KGF der weitergehende Versuch die Zusammenarbeit in der Basis der ArbeiterInnenschaft unter dem Vorzeichen der „Einheitsfront von unten“. Der KGF war vor allem eine praktische Initiative zur Organisierung der ArbeiterInnen in den betrieben, Stempelbüros, Stadtvierteln und Häuserblocks. Diese schon zu dieser Zeit organisationsübergreifenden „Selbstschutzstaffeln“ bildeten später die Grundlage für den „Roten Massenselbstschutz“ innerhalb der Antifaschistischen Aktion.
Es gab einen gleitenden Übergang von KGF zur Antifaschistischen Aktion. Diese beiden Organisationen existierten nicht konkurrierend zueinander. Dort, wo Ortsgruppen des KGF bereits vorhanden waren gingen diese zumeist geschlossen in die Antifaschistische Aktion über oder agierten weiter unter ihrem Namen, jedoch war dann eine Gründung einer Ortsgruppe der Antifaschistischen Aktion überflüssig.

Die Antifaschistische Aktion

Der Zeitpunkt des Entstehens der Antifaschistischen Aktion als organisatorisch-inhaltliches Konzept, das die politischen Einheitsfrontbestrebungen auf den Punkt brachte, war erst gegeben, als sich die deutsche Führung der KP entschloß – unabhängig von der KI – in der Praxis von der „Sozialfaschismusthese“ abzurücken.Diese von der Basis und politischen Geschehnissen geforderte Kursänderung fand ihren Ausdruck in der Sitzung des Zentralkomitees der KPD am 23. Mai 1932: Der Teil der Leitung der KPD, der bisher am heftigsten die KI-Beschlüsse vertreten hatten (die die Zusammenarbeit mit „Sozialfaschisten“ ablehnten), – die Gruppe um Neumann/Remmele – wurde aus dem Präsidium gewählt. Desweiteren wurde beschlossen, fortan zusammen mit allen vom Terror der Faschisten betroffenen die Einheit aller AntifaschistInnen zu suchen. Dies war zwar auch in den Jahren zuvor mit der Einheitsfront „von unten“ propagiert worden, jedoch „schoß“ die KPD (mittels der „Roten Fahne“) immer wieder verbal gegen die Führung der SPD.
Am nächsten Tag, den 24. Mai 1932, überfiel im Reichstag die Fraktion der NSDAP die Abgeordneten der KPD, was diese zum Anlaß nahmen, öffentlich die Antifaschistische Aktion auszurufen: »Die Antifaschistische Aktion muß durch den organisierten roten Massenselbstschutz in breitester Einheitsfront den Mordterror des Hitlerfaschismus brechen.« und an anderer Stelle wurde erklärt: »Nehmt in allen Betrieben, auf allen Stempelstellen, in allen Gewerkschaften und Massenorganisationen, nehmt in Stadt und Land unverzüglich Stellung zu den neuesten Ereignissen. Entschiedet euch für die Teilnahme an der Antifaschistischen Aktion der kämpfenden roten Einheitsfront.«
Ernst Schneller wurde beauftragt unverzüglich Vorbereitungen zur offiziellen Bildung der Antifaschistischen Aktion zu treffen. Programmatisch erklärte die Antifaschistische Aktion, sie wolle eine Einheitsfront der ArbeiterInnen der SPD, der christlich organisierten ArbeiterInnen, der gewerkschaftlich Organisierten und Unorganisierten,  des Reichsbanners, der Beamten, BäuerInnen, HandwerkerInnen und Intellektuellen sein. Ziel sei es, eine gemeinsame praktische antifaschistische Politik zu entwickeln.
Viele begriffen diese Signal der KPD als Erleichterung, nach den Jahren der Abgrenzung nun wieder die Einheitsfront der ArbeiterInnen zu suchen. Der Aufruf zur Antifaschistischen Aktion wurde an vielen Orten praktisch umgesetzt. Die Führung der SPD und des Reichsbanners sah der Gründung der Antifaschistischen Aktion mit Skepsis entgegen; sie verboten ihren Mitgliedern die Teilnahme an der Antifaschistischen Aktion.
Am 28. Juni 1932 untersagte ein Rundschreiben des Parteivorstandes der SPD an die Bezirksleitungen ausdrücklich alle Verhandlungen von SozialdemokratInnen mit KommunistInnen. Gegen Mitglieder, die diese Anordnung nicht befolgten, ging die SPD mit organisatorischen Maßregeln bis hin zum Ausschluß. Wie nun sah die Praxis der Antifaschistischen Aktion aus? Noch im Mai entstanden in vielen Betrieben Ausschüsse, in denen sozialdemokratische GewerkschafterInnen zusammen mit KPD-Mitgliedern arbeiteten. Sie organisierten nun nach Jahren der Trennung wieder gemeinsam den Kampf gegen den Terror der Nazis, der inzwischen auch in den Fabriken zugenommen hatte. Antifaschistische Kundgebungen wurden abgehalten, in denen sich die Belegschaften gegen den stärker werdenden Faschismus aussprachen. Vor allem in den weit von Berlin entfernten Gebieten, in denen die Fraktionierung der vergangenen Jahre nicht so eine große Rolle gespielt hatte, entstand mit der Antifaschistischen Aktion binnen kürzester Zeit eine relativ kraftvolle Bewegung. Da verschiedene Einheitsfrontkomitees in Deutschland entstanden waren, wurde durch Kongresse und Konferenzen versucht, diese Kräfte zusätzlich zu bündeln. Am 10. Juli 1932 fand in Berlin der gesamtdeutsche Kongreß der Antifaschistischen Aktion statt. Er war Auftakt der Antifaschistischen Kampfwoche der Antifaschistischen Aktion vom 10. Juli bis 17. Juli 1932. Clara Zetkin eröffnete diesen Kongreß mit einem Begrüßungsschreiben, indem sie erklärte: »Diese Einheitsfront muß über die Gesamtheit des Proletariats hinausreichen und auch die Angestellten, Handwerker, Kleingewerbetreibenden, kleinen Bauern und nicht zuletzt auch die Intellektuellen aller Schichten erfassen.«
Der Aufruf zur Antifaschistischen Aktion hatte auch viele KleinbäuerInnen in den östlichen Gebieten zu Komitees zusammengeschlossen.Trotz des gerade hier starken Einflusses der reaktionär- faschistischen Junker gelang es, breitere Aktionen gegen die Angriffe der Nazis zu organisieren. Aber vor allem in den ArbeiterInnenvierteln der Großstädte fand die Antifaschistische Aktion Zuspruch – hier, wo die Auswirkungen der Wirtschaftskrise am deutlichsten sichtbar wurden, in immer mehr Arbeitslosen und zunehmender Verarmung.

Roter Massenselbstschutz

Über den „Roten Massenselbstschutz“ gibt es sehr wenige Quellen. Diese Formulierung findet sich jedoch in zahlreichen Aufrufen jener Zeit, vor allem bezüglich verschiedenster Abwehraktionen im Zusammenhang mit der Antifaschistischen Aktion. Hierbei kann nicht von einer Organisation gesprochen werden. Es handelt sich vielmehr – ebenso wie bei der Antifaschistischen Aktion – um ein organisatorisches Konzept, daß sich aus der politischen Notwendigkeit in Betrieben, Stempelbüros und vor allem den Stadtvierteln entwickelt hatte. Sowohl militante (Abwehr-)Aktionen des KGF als auch der Antifaschistischen Aktion wurden als „Roter Massenselbstschutz“ bezeichnet.
»Der Rote Massenselbstschutz ist Teil der Antifaschistischen Aktion der Millionenbewegung der kämpfenden roten Einheitsfront.
Der Rote Massenselbstschutz ist keine Organisation, auch kein Verein, sondern eine überparteiliche Zusammenfassung aller antifaschistischen Arbeiter und Werktätigen.
…Er kämpft für die Reinigung der Betriebe von Nazizellen, sowie für den Aufbau von Selbstschutzstaffeln aller Arbeiter in allen Betrieben und auf allen Stempelstellen.
Der Rote Massenselbstschutz kämpft gegen den faschistischen Terror auf der Straße, gegen SA.-Lokale, SA.-Heime, SA.-Stützpunkte, für den Schutz der Wohnungen und Lokale der Arbeiter, des Arbeitereigentums, der Arbeiterpresse und der Konsumgenossenschaften. Der Rote Massenselbstschutz organisiert einen ständige Aufklärungsarbeit unter den Angestellten und dem werktätigen Mittelstand, vor allem unter den kleinen Geschäftsleuten: er führt aber einen rücksichtslosen Kampf gegen diejenigen faschistischen Geschäftsleute, die Träger und Stützpunkte der Naziagitation sind.

Wie wird der Rote Massenselbstschutz mobilisiert?

Die Massenselbstschutzstaffeln werden durch die Staffelleitungen alarmiert und unterstellen sich während der Durchführung der ihnen gestellten Aufgaben in freier Disziplin den Anweisungen des Führers, der vom Vorsitzenden der Staffelleitung für die Durchführung der betreffenden Arbeit bestimmt worden ist.« (Richtlinien für den RMSS, Hamburg 11. Juli 1932. Analog in „Roter Massenselbstschutz, marschiert mit“. Verantwortlich: Ernst Schneller).

Auseinandersetzungen

Strategie der SA – als ihr Verbot am 14. Juni 1932 aufgehoben wurde – war es zunehmend, an jenen Orten, an denen die ArbeiterInnenschaft besonders verwurzelt war, durch gezielte Provokationen massiv aufzutreten. Überfälle auf Kneipen und Gaststätten der KPD, des Reichsbammers oder der SPD gehörten ebenso dazu wie Demonstrationen durch traditionelle ArbeiterInnenviertel. Hier zeigte sich die Stärke der Einheitsfrontkomitees, die den Schutz ihrer Viertel, ihrer Betriebe, ihrer kulturellen Stätten organisierten. Im Ruhrgebiet wurden mehrmals die Parteihäuser der SPD und der KPD gemeinsam gegen Überfälle geschützt. Ab Mitte Juni war es der SA in vielen Vierteln des Ruhrgebietes nicht mehr möglich, offen aufzutreten, da sie gemeinsam von Reichsbannermitgliedern, christlichen und unorganisierten und kommunistischen ArbeiterInnen vertrieben wurden. Am 13. Juli 1932 schafften es in Wuppertal/Eberfeld mehrere zehntausend Menschen einen Auftritt Hitlers und eine Demonstration der SA nach einer Kundgebung der Antifaschistischen Aktion zu verhindern. Am 17. Juli 1932 versuchten 11000 SA-Mitglieder aus ganz Norddeutschland in Altona einen Aufmarsch durchzuführen. Die Faschisten wurden blutig zurückgeschlagen, trotz der Bemühungen der Polizei, die Demonstration durchzusetzen. Insgesamt läßt sich vergleichend feststellen, daß die Eskalationsstufe der Auseinandersetzungen zwischen Faschisten und AntifaschistInnen um einiges höher lag alles heutzutage. So gehörte es in der Zeit von 1932/33 zum Alltag, daß bei Zusammenstößen Tote auf der Strecke blieben. Allein in der 2. Hälfte des Junis 1932 waren 17 tote (linke) ArbeiterInnen zu verzeichnen, im Juli waren es bereits 86. Allein der 10. Juli 1932 (Beginn der Antifaschistischen Kampfwoche) forderte 17 tote AntifaschistInnen, 10 tödlich Verletzte und 181 zum Teil Schwerverletzte.
Das Auftreten der Faschisten konnte in der Öffentlichkeit zu einem beträchtlichen Teil zurückgedrängt werden, deutlich wurde, daß ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung Widerstand gegen den faschistischen Terror zu leisten bereit war. Dies konnte aber nicht im Sinne der, auf Zusammenarbeit mit den Nazis, angewiesenen Papen-Regierung sein. Diese verfügte am 9. August 1932 die Notverordnung gegen „politische Gewalttaten“, mit der schon vor der Machtübertragung auf die Faschisten und dem offenen Terror gegen linke Oppositionelle viele AntifaschistInnen abgeurteilt wurden. So gab es zwischen dem 17. August 1932 und dem 30. Januar 1933 2297 Verfahren, die oft mit langjährigen Haftstrafen endeten. Gegen diese Sondergerichtsverfahren gab es keinerlei Rechtsmittel. In diesen Verfahren Verurteilte waren die ersten, die später in den nationalsozialistischen Konzentrationslager landeten.

Verschiedene Ansätze

Innerhalb der Antifaschistischen Aktion lassen sich rückblickend zwei Hauptströmungen ausmachen. Diese dokumentieren augenscheinlich die unterschiedliche Wirklichkeit der Basis auf der einen Seite und der Führung auf der anderen Seite. Programmatisch vertraten die InitiatorInnen der Führung der KPD als Verhinderungskonzept des Faschismus, den Generalstreik im Augenblick der Machtergreifung durchzuführen. Immer wieder wurde in den Analysen und den Publikationen auf die Erfahrungen des Kapp-Putsches hingewiesen.Dieser hätte bewiesen, welche „Wucht die geschlossene Arbeiterklasse“ entwickeln könne. Daß diese Vorstellung nicht gänzlich falsch war, bewies in der Tat das historische Ereignis wie der Kapp-Putsch und der anschließende Ruhraufstand. Jedoch wurden die politisch objektiven Veränderungen und Gegebenheiten der gespaltenen Situation der ArbeiterInnenschaft im Jahre 1932 weitestgehend ausgeblendet.
Tatsache war zum einen, daß die Basis dem Einheitsfrontaufruf bzw. dem Generalstreik hätte folgen müssen. Das schien aber bei der gespaltenen ArbeiterInnenschaft unwahrscheinlich. Zum einen aus der Rolle der SPD erklärend, die – bis weit in das Jahr 1934 hinein – jegliche offiziellen Angebote der KPD ablehnte, gemeinsame Aktionen, welcher Art auch immer, durchzuführen. So konnte einE kommunistisch OrganisierteR – selbst wenn er/sie gewollt hätte – den SPD-nahen Organisationen nicht beitreten. Das galt sowohl für den Reichbanner als auch der Eisernen Front. Zum anderen war es ebenfalls unumstößliche Realität, daß die sich als revolutionär verstehenden ArbeiterInnen, die zum allergrößten Teil in kommunistischen Organisationen organisiert waren, die ersten waren, die aus den Betrieben gefeuert wurden. So waren am Ende der Weimarer Republik lediglich ca. 15% der kommunistisch organisierten ArbeiterInnen mit Arbeit versorgt. D.h. logischerweise, daß deren Einfluß in den Betrieben und Fabriken vergleichsweise gering war. Eine Verankerung an den Arbeitsstätten wäre aber Grundvoraussetzung gewesen, um überhaupt – propagandistisch und praktisch – auf einen Generalstreik hinzuwirken und diesen auch durchzusetzen. So wirkungsvoll und richtig ein Generalstreik auch war – vielleicht die einzige Möglichkeit zu dieser Zeit, die Faschisten im Regen stehen zu lassen – so unwahrscheinlich war dessen faktische Durchsetzung, weil es jeglicher Grundlage entbehrte.
Hinzu kam die – bis 1932 – unklare Position der Führung der KPD, wie denn nun Einheitsfront herzustellen sei: von“unten“ gegen „oben“? Zwar bot am 20. Juni 1932 die KPD den demokratischen Parteien SPD und Zentrum an, auf eine eigene Kandidatur zu verzichten und die SPD/Zentrumskandidaten für die kommende Reichstagswahl zu stützen, noch an politische Forderungen gebunden, jedoch reagierte die SPD nicht bzw. lehnte letztlich ab. Selbst als die KPD ihr Angebot am 22. Juni 1932 wiederholte – diesmal ohne jegliche politische Forderungen, lehnte die SPD ab.
»Am 20. Juni 1932 erklärte die KPD ihre Bereitschaft, auf eigene Kandidaten zu verzichten und für ein ausschließlich aus Vertretern der SPD und Zentrum bestehendes Landtagspräsidium (Preußischer Landtag, d.V.) zu stimmen, wenn diese beiden Fraktionen sich verpflichten, Anträge der KPD auf Herstellung der Versammlungs-, Demonstrations- und Pressefreiheit, Freigabe des Rundfunks auch für die revolutionäre Arbeiterbewegung und Nichtdurchführung der Papennotverordnung vom 14. Juni zu unterstützen.« (Die Antifaschistische Aktion – Dokumentation und Chronik, Mai 1932 Januar 1933, S. 24, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Herausgeber: Heinz Karl und Erika Kücklich; Dietz-Verlag, Berlin 1965).
Die Antwort der SPD beschränkte sich nicht nur auf das Ablehnen der KPD-Angebote, eine weiterreichende folgenschwere Entscheidung war der Erlaß der SPD-Führung an die eigenen Reihen am 28. Juni 1932, keine Abwehrausschüsse mit KommunistInnen bilden zu dürfen. Das war ein Schlag ins Gesicht der realen Verhältnisse, da sich gerade an der Basis, unabhängig von Parteizugehörigkeit, der Einheitsfrontgedanke zu dieser Zeit zum Teil schon in praktische Ansätze verwandelt hatte. »Die rechten Führer der Sozialdemokratie mußten (…) den Bankrott ihrer Ideologie und Politik erleben. (…) Der Parteivorsitzende Otto Wels ging in seinem Antikommunismus beispielsweise so weit, daß er die Kommunisten mit den Faschisten gleichsetzte, beide als Kräfte bezeichnete, die die bürgerlich-parlamentarische Republik zu vernichten trachteten. Das erleichterte es den imperialistischen Kräften, die Spaltung der Arbeiterklasse aufrechtzuerhalten, und war die entscheidende Ursache dafür, daß der Machtantritt der Faschisten nicht verhindert werden konnte. Klassenbewußte Sozialdemokraten und Gewerkschafter traten immer wieder gegen die Politik der Klassenzusammenarbeit ihrer Führungen auf, beriefen sich auf die revolutionäre Vergangenheit der Sozialdemokratie.Sie blieben jedoch in der Minderheit und konnten die Politik der SPD insgesamt nicht beeinflussen.«
(Heinz Kühnrich, Die KPD im Kampf gegen die faschistische Diktatur 1933-1945, S. 16; (c) Dietz-Verlag Berlin 1983.)
Selbst nach dem „Preußenschlag“ war die SPD nicht gewillt, auch nur ansatzweise von ihrer Position abzurücken. In der KPD hingegen hatte sich im Laufe des Jahres nach jahrelangen internen Konflikten selbst in der Führung (gegen die KomIntern) die Einsicht durchgesetzt, daß der Faschismus nur in der Einheit der ArbeiterInnenbewegung zu stoppen sei. Ja sogar mit den zuvor als „Sozialfaschisten“ bezeichneten Führungspersönlichkeiten der SPD wurde nun offiziell die Einheit gesucht. Aber die SPD verharrte wie ein Kaninchen, das darauf wartete, von der Schlange des Faschismus verschlungen zu werden.
Wie widersprüchlich die Politik bezüglich der Einheitsfront von „unten“ oder von „oben“ seitens der KPD dastand, macht eine Kritik Leo Trotzkis aus jener Zeit deutlich: »(…) Am Abend des 20. Juli (Preußenschlag, d.V.) faßte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei folgenden Beschluß: „Die Kommunistische Partei richtet vor der proletarischen Öffentlichkeit an die SPD, an den ADGB und an den Afa-Bund (Allgemeiner freier Angestelltenbund, d.V.) die Frage, ob sie bereit sind, gemeinsam mit der Kommunistischen Partei den Generalstreik für die proletarischen Forderungen durchzuführen.“ Diesen so wichtigen und unerwarteten Beschluß veröffentlichte das Zentralkomitee in seinem Rundschreiben vom 26. Juli ohne jeglichen Kommentar. Kann man ein vernichtenderes Urteil über seine bisherige Politik fällen? Noch tags zuvor war es für sozialfaschistisch und konterrevolutionär erklärt worden, sich mit dem Vorschlag gemeinsamer Aktionen an die reformistische Führung zu wenden.Wegen dieser Frage hatte man Kommunisten ausgeschlossen,(…). Wie konnte dieses Zentralkomitee am Abend des 20. Juli mit einem Male das anbeten, was es tags zuvor verbrannt hatte? Und in welch traurige Lage hat die Bürokratie die Partei gebracht, wenn es das Zentralkomitee wagen durfte, mit seinem überraschenden Beschluß vor sie hinzutreten, ohne sich zu erklären oder zu rechtfertigen!
Solche Wendepunkte sind der Prüfstein einer Politik. Faktisch hat das Zentralkomitee der deutschen Kommunistischen Partei am Abend des 20. Juli der ganzen Welt dargetan: „Unsere bisherige Politik war untauglich.“ Ein zwar unfreiwilliges, aber völlig richtiges Geständnis. Zum Unglück konnte auch der Antrag vom 20. Juli, der die vorangegangene Politik umstieß, auf gar keinen Fall ein positives Ergebnis haben. Ein Appell an die Führungsspitze kann – ganz unabhängig von ihrer heutigen Antwort – nur dann revolutionäre Bedeutung haben, wenn er zuvor von unten vorbereitet wurde, d.h. wenn er sich auf allgemeine Politik stützt. Doch die stalinistische Bürokratie sagt den sozialdemokratischen Arbeitern tagaus tagein: „Wir Kommunisten lehnen mit den SPD-Führern jede Gemeinschaft ab.“ (…). Der unvorbereitete, unerwartete, unmotivierte Antrag vom 20. Juli war nur dazu geeignet, die kommunistische Leitung bloßzustellen, indem er ihre Inkonsequenz, ihren Leichtsinn, ihre Neigung zur Panik und zu abenteuerlichen Sprüngen deutlich machte.« (Leo Trotzki, Der einzige Weg, September 1932. Abdruck nach: drs., Schriften über Deutschland, Hrsg. von Helmut Dahmer, Band I, Frankfurt/M 1971; Quelle: Schafft Einheit gegen den Faschismus,S. 132/133, Ein Lesebuch, (c) by LitPol Verlagsgesellschaft/Berlin, 1985).
Dieser deutlichen Kritik ist nichts hinzuzufügen. Es dokumentiert die politisch verfahrene Situation der KPD zu jener Zeit. Daß sie in der Sackgasse steckte, hatte sie nicht nur den Verhältnissen zuzuschreiben, sondern ebenfalls ihrer seit 1928 betriebenen, kurzsichtigen Politik. Daß sich eine Strömung, wie die Einheitskomitees, dennoch auch zur offiziellen Konzeption der Antifaschistischen Aktion durchsetzen konnte, ergab sich aus den gesellschaftlichen Notwendigkeiten. Die Einheitsfrontpolitik war ja nichts grundsätzlich neues. Die Basis, deren Druck – bzw. die praktizierte Einheitsfront – auch die Führungen der beiden großen ArbeiterInnenparteien zu spüren bekamen, stellte faktisch die eingangs erwähnte zweite Strömung innerhalb der Antifaschistischen Aktion dar.

Der „Rote Massenselbstschutz“ als militantes Konzept der Antifaschistischen Aktion war schon vor deren offizieller Ausrufung praktiziert worden. Und zwar nicht in erster Linie in den Betrieben, sondern dort, wo die Menschen dringend auf die Zusammenarbeit angewiesen waren. In Stempelbüros und in den Wohnvierteln, sowie auf Großkundgebungen war die Antifaschistische Aktion greifbar. Diese Aktionen – in erster Linie Abwehr von Faschisten und Polizei – organisatorisch in den Einheitskomitees zusammengefaßt, bildeten die eigentliche Grundlage der Antifaschistischen Aktion. Hier waren ArbeiterInnen, Arbeitslose, Jugendliche, kleine Gewerbetreibende, Leute der unteren Mittelschicht, Frauen wie Männer organisiert. Über eine speziell gesonderte Organisierung von Frauen in eigenen Gruppen ist der Antifaschistischen Aktion oder auch des KGF ist wenig bekannt. Es ist lediglich bekannt, daß sich der Rote Massenselbstschutz, die Antifaschistische Aktion und der KGF in Staffeln organisierte. So gab es Frauen- und Jugendstaffeln. Von einer konsequenten getrennt-geschlechtlichen Organisierung – wie beispielsweise beim RFB/RFMB – kann aber nicht durchgehend gesprochen werden.

Fazit

War der Kampfbund gegen den Faschismus der erste zaghafte Schritt hin zu einer antifaschistischen Organisation, die sich nicht auf ausschließlich kommunistisch organisierte ArbeiterInnen, setzten sich die Einheitsfrontbestrebungen erst über den praktizierten „Roten Massenselbstschutz“ durch. Mit dem Reichseinheitskongreß vom 10. Juli hatte sich auch in der Führung der Kommunistischen Partei die Einheitsfrontpolitik in Form der Antifaschistischen Aktion durchgesetzt. Dies drückte sich auch in der Art der Organisierung und dem äußeren Erscheinungsbild aus. So hatte der KGF beispielsweise noch eine Art Uniform (Schwarzes Hemd, dunkle Hose und Lederriemen), ähnlich der des RFB und Mitgliedsausweise. Mit dem „Roten Massenselbstschutz“ (und der Antifaschistischen Aktion) wurden Uniformen und Mitgliedsausweise fallengelassen. Das Emblem des „Roten Massenselbstschutz“ glich dem des KGF sehr stark. (Rechte Faust mit Roter Fahne und Namen darin). Die Antifaschistische Aktion vermochte in ihrer Zeit kurz vor der Machtübertragung an die Faschisten ein Kraft zu entwickeln. Dies drückte sich durch praktische Solidarität aus, das ein Vordringen der Nazis behinderte, daß diese teilweise bis weit in die dreißiger Jahre hinein aus einzelnen ArbeiterInnenvierteln und wenigen Betrieben herausgedrängt wurden. Auch die breite Streikwelle im November 1932 war ein Ergebnis einheitlichen Handelns. Infolgedessen kam es zu starken Einbußen der NSDAP bei den Novemberwahlen; dies trotz der Tatsache, daß die SPD und KPD parlamentarisch geköpft und die kommunistischen Organisation darüberhinaus bereits zu dieser Zeit einem unglaublichen rechten Terror durch Faschisten und Polizei ausgesetzt waren. Für die KPD war es faktisch unmöglich ihren Wahlkampf entsprechend zu führen. Die Antifaschistische Aktion war jedoch bei weitem nicht in der Lage den Sprung in den deutschen Faschismus zu verhindern. Zu groß waren die politischen Gegensätze und Feindschaften der traditionellen ArbeiterInnenparteien, zu tief die Gräben in der ArbeiterInnenbewegung, als daß dieser letzte Versuch einer breiten Einheitsfront gegen Rechts hätte noch greifen können. Das, was beispielsweise in Frankreich drei Jahre später in Form der Volksfront den Faschismus verhinderte, wurde in Deutschland bereits im Keim erstickt. Gerade aber der Versuch der Einheitsfront gegen Rechts, durch den „Roten Massenselbstschutz“ die Spaltung der ArbeiterInnenbewegung zu überwinden, zeigte dennoch, welches Potential im Grunde zum Widerstand in der ArbeiterInnenklasse vorhanden war.
Mit der Machtübertragung auf die Faschisten am 30. Januar 1933 begann die systematische Vernichtung linker Kultur, der linken Organisationen und Parteien. Auf eine illegale Arbeit als Massenorganisation hatte sich weder die KPD noch die ihr nahestehenden Organisationen vorbereitet. Lediglich die Funktionäre waren auf eine kurze Zeit der Illegalität vorbereitet. Diese mangelnde Vorbereitung war nicht nur eine Frage der Zeit gewesen, sondern lag vor allem auch in der zum Teil fehlerhaften Analyse des Faschismus und nicht zuletzt an der völlig fehlerhaften Einschätzung breiter Schichten der Lohnabhängigen bzw. der ArbeiterInnenklasse, der mehr revolutionäres Bewußtsein und Kampfkraft zugeschrieben wurde, als sie in der Tat besaß. Es muß jedoch angemerkt werden, daß die Machtübertragung nicht ohne weiteres von statten ging. So wurden beispielsweise noch nach der Machtübertragung, allein zwischen dem 30. Juni bis 2. Juli 1934 83 SA-Nazis durch Revolutionäre liquidiert. Dies ist deshalb wichtig anzumerken, weil in der Vergangenheit allzuoft pauschale Aussagen über den Zusammenbruch der ArbeiterInnenbewegung gemacht wurden. Daß die Gründe für den Aufstieg des Faschismus nicht nur in organisatorischer und militärischer Schwäche der ArbeiterInnenbewegung zu suchen sind, dürfte hinlänglich bekannt sein. Deshalb soll zum Abschluß nocheinmal versucht werden, Fehler auf Seiten der Linken auszuleuchten.

Einige Gründe des Scheiterns des antifaschistischen Widerstands

Daß sich der deutsche Faschismus konstituieren konnte, lag nicht mehr in der Einflußnahme der Initiative der Antifaschistischen Aktion. Diese erlange als Konzept der Einheitsfront zu spät Einfluß auf die kommunistische bzw. die ArbeiterInnenbewegung allgemein. Die Ursachen für das Aufschwingen des Faschismus lag in der Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft, also der Weimarer Republik begründet. Die Ursachen sind aber nicht nur national zu suchen. Die Entstehung einer faschistischen Herrschaftsform ist nur aus der Entwicklungsphase des imperialistischen Kräfteverhältnisses weltweit zu erklären. Aber eine Charakterisierung des Faschismus als eine Herrschaftsform des Kapitalismus soll hier nicht Gegenstand des Textes werden.
Ausdruck der (dynamischen) Entwicklung ist die Tatsache, daß nach den revolutionären Aufständen 1918 die SPD sich von einer systemoppositionellen zu einer staatstragenden Partei (Kraft) entwickelte. Noch während der revolutionären Aufstände schlug die SPD den Weg der Zusammenarbeit mit den ehemals staatstragenden Kräften aus Militär und Großindustrie ein. Mit der (wirtschaftlichen) Krise der Weimarer Republik und der damit verbundenen inneren politischen Krise begannen Kreise des Großkapitals bereits Mitte der 20er Jahre mit dem systematischen Aufbau der NSDAP.
»Die um die sogenannte Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) mit Adolf Hitler an der Spitze gruppierten Kräfte konnten in dieser Zeit rasch an Einfluß gewinnen und andere reaktionäre und faschistische Kräfte überflügeln, weil sie diese Stimmung ausnutzten und es ihnen gelang, mit ihrem raffinierten Gemisch von nationaler und sozialer Demagogie viele Menschen zu beeindrucken, besonders aus den kleinbürgerlichen Schichten. Um die Massen zu verwirren, mißbrauchten sie schamlos in der Arbeiterbewegung lebendige Traditionen und Begriffe. Sie eigneten sich die rote Fahne an, gaben ihre Partei als „national“, als „sozialistisch“ und als „Arbeiterpartei“ aus. Die Faschisten versprachen allen alles: den Werktätigen, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen und einen „nationalen Sozialismus“ zu errichten, den Bauern, die „Zinsknechtschaft“, den Mittelständlern, die Macht der „Plutokraten“ und der Warenhauskonzerne zu brechen, den Militärs, ein wehrhaftes und starkes Deutschland zu schaffen. Den Monopolen sicherten sie zu, „Ruhe und Ordnung“ herzustellen und den Kommunismus zu vernichten. Mit ihren verlogenen Phrasen und demagogischen Losungen lenkten die Nazis von der Ursache des Elends, der Politik des Finanzkapitals, und damit von den wahren Schuldigen ab.« (Heinz Kühnrich, Die KPD im Kampf gegen die faschistische Diktatur 1933-1945, S. 10; (c) Dietz-Verlag Berlin 1983.)
Damit entschied sich, vor allem das Großkapital, für das nationalsozialistische Herrschaftsmodell zur Sicherung ihrer imperialistischen Politik. Die traditionelle ArbeiterInnenbewegung, die sich in den revolutionären Aufständen nicht durchsetzen konnte, führte in den 20er Jahren fast ausschließlich massenorientierte Abwehrkämpfe.Aufgrund dieser Situation liegt die Frage im Raum, ob die Möglichkeit bestanden hätte, sozialistische fortschrittliche Gesellschaftsmodelle zu entwickeln und damit die Wurzeln des (Faschismus) Nationalsozialismus hätte von vorneherein eintrocknen können.
Innerhalb der KPD, die sich seit 1925 stark an der Politik der Kommunistischen Internationale orientierte und teilweise von ihr bestimmt wurde, stellte sich die Initiative der Einheitsfront gegen Rechts und der späteren Antifaschistischen Aktion als fortschrittliche Strömung dar. Auch wenn das Umschwenken der Leitung der KPD weg von der „Sozialfaschismusthese“, war im Sommer 1932 von der KomIntern (Knorin, Leiter der KomIntern zu dieser Zeit) kritisiert und getadelt worden war, als zu spät erwies, so stellte es sich in der Praxis, vor allem an der Basis, als sinnvoller Kampf gegen den Terror der Nazis (und der Polizei) dar.
Als auf Initiative der KPD im Mai 1932 die Antifaschistische Aktion ausgerufen wurde, waren grundsätzliche Bedingungen zur Errichtung der faschistischen Diktatur schon vollzogen worden. Nach dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 erkannte die Großindustrie sehr schnell, daß die bürgerliche parlamentarische Demokratie als Herrschaftsmodell nicht mehr in der Lage war, die Rezession zu überwinden. So wurde schon 1930 mit der Einsetzung der Präsidialdiktatur Brünings nach [[section]]48 praktisch das Parlament außer Kraft gesetzt und besaß faktisch seit dieser Zeit keine Machtbefugnisse mehr. Die herrschenden Kapitalkreise bestimmten fortan offen und direkt die Politik der Reichsregierung und versuchte in der Folgezeit mit verschiedenen Machtkonstellationen die ArbeiterInnenbewegung und die Demokratie als Staatsform als potentielle Widerstandskräfte auszuschalten. Vor diesem Hintergrund konnte sich der Nationalsozialismus durchsetzen, was 1933 zur Machtübertragung auf die Faschisten führte.
Teile der KPD charakterisierten schon ab 1929 die Zustände in Deutschland als faschistisch. In dieser Logik gab es keine qualitative Steigerung dessen mehr, was beispielsweise an Terror gegen jegliche Opposition im Faschismus wütete. So wurde der sich ausbreitende Terror der Nazis als quantitative Steigerung hin zu einer neuen Qualität unterschätzt.
Die tiefere Ursache liegt hier in der fehlerhaften Analyse der gesellschaftliche Verhältnisse, vor allem der Einschätzung der eigenen Kräfte (ArbeiterInnenbewegung).

Die „Sozialfaschismusthese“ brachte die fehlerhafte Stoßrichutng der aus der Analyse abgeleiteten Politik auf den Punkt. Da die SPD jene Politik der Regierung Brüning tolerierte – in den Ländern oft selbst die Polizei gegen die ArbeiterInnen einsetzen ließ – wurde als insgesamt „sozialfaschistisch“ bezeichnet. Hier fehlte die Einschätzung, daß der Nationalsozialismus andere Dimensionen beispielsweise der Repression und des Terrors beinhalten werde, als der autoritäre Staat von 1930. Damit wurde auch die eigene
politische Linie der KPD zahnlos, da durch diese Analyse der Faschismus letztlich verharmlost wurde. Was sollte außerdem durch einen Generalstreik verhindert werden, was – laut Analyse – schon existierte. Damit war ein konkreter Zeitpunkt zum Ausrufen eines Generalstreiks relativ beliebig geworden.
Durch die mit aller Radikalität durchgesetzte Abgrenzung zu großen Teilen der SPD und ihren Gewerkschaften, war es fast unmöglich, in der kurzen Zeit der Existenz der Antifaschistischen Aktion, zu einer umfassenden Zusammenarbeit zu kommen, zumal ja noch die grundsätzlich ablehnende Position der SPD im Raum stand. Diese festere Zusammenarbeit hätte eben nicht nur eine erfolgreiche Zurückdängung der Nazis von der Straße bedeutet, sondern die Voraussetzung, um den Faschismus überhaupt aufhalten zu können. Durch die ablehnende Haltung de SPD Führung, die sich der Orientierung ihrer AnhängerInnenschaft sich er war, bedurfte es großer Anstrengung seitens der KPD die Idee und die Ziele der Antifaschistischen Aktion zu vermitteln.
Erst im Jahre 1935, als die Trageweite des Faschismus in Deutschland allmählich deutlich wurde, kam es zu offiziellen Zusammenarbeit von KPD und SPD, die zum größten Teil nur noch aus dem Ausland operierte. Der Staschuß für die spätere Volksfront war eine Massendemonstration in Paris 1934 gewesen, wo es zu Verbrüderungsszenen zwischen SozialdemokratInnen und KommunistInnen auf der Straße kam, als sie gemeinsam einen Aufmarsch der französischen faschistischen Bewegung verhinderten.

Anmerkungen zu inhaltlichen Schwächen

Die KPD deckte zwar den Klassencharakter des Faschismus auf, und damit eine Waffe zur Herrschaftssicherung gegen die ArbeiterInnenbewegung war, »sie analysierte jedoch nicht nicht hinreichend die Motive und Bewußtseinsstrukturen, die die Massen zum Faschismus führten, sondern faßte diese Massenbewegungen unmittelbar als bloßes Instrument des Großkapitals auf, das von diesen Kräften geschaffen, finanziert und nach ihrem Willen eingesetzt wurde. Dies verweist auf große Defizite der KPD in der Erfassung des komplizierten Zusammenhangs zwischen ökonomischer Macht und Massenbewußtsein, zwischen herrschender Klasse und politischer Bewegung.« (Reinhard Kühnl, Der Faschismus,Heilbronn 1988).
Grundsätzlich war die Faschismusanalyse der KPD vor allem ökonomisch orientiert. Fatal daran war die Statik, die im obigen Zitat angerissen ist. Den Faschismus ausschließlich als »die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ (13. Plenum der EKKI) zu charakterisieren, geht von einer Statik der Herrschaft aus, die massenpsychologische Aspekte zu sehr außer Acht läßt. Ein wesentliches Element faschistischer Herrschaft, ist die Massenzustimmung. Dies ist beispielsweise ein qualitatives Kriterium zur Unterscheidung von Diktaturen/autoritärer Regime und der Herrschaftsform des Faschismus.
Anhand zweier Punkte der damaligen linken Politik soll aufgezeigt werden, wie es möglich war, für Faschisten anzuknüpfen und das spätere „Einverständnis“ faschistischer Politik auch im überwiegenden Teil der ArbeiterInnenbewegung zu erlangen. Im Rückblick auf die Geschichte der linken (Massen-)Organisationen deutlich, welches Problem eine umgreifende Umerziehung bzw. Veränderung des Bewußtseins größerer Bevölkerungsteils innerhalb des kapitalistischen Systems mit sich bringt. Zwar waren auch die linken Organisationen – im Vergleich zu heute – Massen organisiert, aber im Gegenteil zu den rechten Organisationen, die lediglich vorhandene Gesellschaftsstrukturen aufgreifen und anders akzentuieren (zuspitzen) mußten, sah sich die KPD mit grundlegenderen Schwierigkeiten konfrontiert. Einerseits sollte der „Staus Quo“ der mit der Novemberrevolution erkämpften sozialen Errungenschaften verteidigt werden, andererseits hätte das Bewußtsein der eingebundenen Massen mit linken Ideen weiterentwickelt werden müssen. Dies ist innerhalb der Massenorganisationen fast ausschließlich bezüglich ökonomischer gesellschaftsanalytischer Aspekte durchgeführt worden. Das Infragestellen der Rolle der Frau bzw. der Kleinfamilie als eine soziale Ausdrucksform bürgerlicher Herrschaft und damit auch Keimzelle sozialer Modelle des Faschismus innerhalb der linken Organisationen spielten in der KPD eine untergeordnete Rolle. Gerade die Auseinandersetzungen um die Gründung des RFMB dokumentieren dies augenscheinlich. Ein zweiter Punkt war die
nationale Frage, auf die ebenfalls keine fortschrittliche Antwort gefunden wurde. Im Gegenteil. Das teilweise opportunistische Anbiedern an reaktionäre Positionen zeigte sich nicht nur in der Auseinandersetzung um den faschistischen Söldner Schlageter im Jahre 1923. Auch die Tatsache, daß nationalrevolutionäre Positionen der nationalsozialistischen Bewegung mit ihren antikapitalistisch/antisemitischen Phrasen unterschied sich im Einzelfall so manches Mal nicht von denen einiger KPD-Kreise. Vor allem über die nationalen, antikapitalistisch daherkommenden Phrasen der Faschisten fand eine Einbindung, neben der kleinbürgerlicher Kreise, eines Teils der ArbeiterInnenbewegung in die nationalsozialistische Bewegung statt.

Letzte Worte

Wie bereits erwähnt begann ab 1933 (Reichstagsbrand, 27. Februar 1933) die systematische Auslöschung fortschrittlicher Kräfte in Deutschland. Waren die Nationalsozialisten Anfang der dreißiger Jahre mit Hilfe des Großkapitals, gestützt auf die verängstigten kleinbürgerlichen Mittelschichten, an die Macht gelangt, war die Massenzustimmung der ArbeiterInnenbewegung anfänglich nicht auf der Seite der Faschisten. Lediglich die nationalrevolutionäre Strömung garantierte ein Mindestmaß an Anbindung an die traditionelle ArbeiterInnenschaft. Nachdem die (klassenbewußten) ArbeiterInnenschichten bis 1934 vorwiegend durch Terror (mund)tot gemacht worden waren, war die linke Bewegung mit der Zerschlagung ihrer Organisationen und damit der Opposition, jeglicher Möglichkeit beraubt, Einfluß auf die Geschehnisse im „III. Reich“ zu nehmen.
Mit der tausendfachen Ermordung und Folterung und Inhaftierung der ideologischen Köpfe der revolutionären Bewegung, war es den Nationalsozialisten mittels ihres Propaganda und Überwachungsapparates möglich, auch die größten Teile der ArbeiterInnenschaft hinter sich zu bringen. So erklärt sich unter anderem auch die völlige Auslöschung der nationalrevolutionären („antikapitalistischen“) Strömung innerhalb der NSDAP ab 1934. (Röhm-Putsch). Diese Strömung in Form der SA hätte die zukünftig offen chauvinistisch imperialistische Großmachtspolitik der NSDAP unter Hitlers Führung, gegebenenfalls behindert, da die Nationalrevolutionären vor allem das nationale Kapital stärken wollten und mit der internationalen Verflechtung des „Finanzjudentums“ – wie sie es bezeichneten – nichts zu tun haben wollten. So hatte diese Strömung bereits 1934 ihre anfängliche Funktion des Terrors gegen Linke bei gleichzeitiger Einbindung ehemaliger Linker über ihren vermeintlichen „Antikapitalismus“ erfüllt. Sie war überflüssig geworden. Interne Machtkämpfe taten das ihrige dazu und die nationalrevolutionäre Führungsriege wurde durch die eigenen Parteikameraden vernichtet. Die SA wurde daraufhin noch weiter als Massenorganisation ausgebaut. An Stelle des offenen Terrors stand jetzt die von staatlicher Seite durchführte Militarisierung der Gesellschaft und damit die völlige Integrierung – sowohl praktisch als auch ideologisch – der Bevölkerung. So waren Mitte 1934 – einige Monate nach dem Röhm-Putsch – bereits 4,5 Millionen Männer in der SA organisiert.

Natürlich gab es Widerstand. Aber die differenzierte Aufarbeitung des Widerstands im Nationalsozialismus soll nicht Teil diese Textes sein. Abschließend bleibt zu sagen, daß die Antifaschistische Aktion weder offiziell verboten noch aufgelöst wurde. Sie wurde zerschlagen. Eine direkte Kontinuität den Faschismus und den Krieg hindurch als Gesamtströmung oder Organisation gab es nicht. Lediglich vereinzelte Ortsgruppen konnten es schaffen ihre Arbeit illegal weiterzuführen.
Viele deutsche AntifaschistInnen kamen in den Folterkellern der SA, SS und GeStaPo sowie in den Konzentrations- und Arbeitslagern ums Leben. Die noch entkamen gingen ins Exil oder beteiligten sich an den Internationalen Brigaden in Spanien und kämpften auf der Seite der Republik gegen Francos faschistische Truppen. Bezeichnend ist die Tatsache, daß der Anteil der ausländischen AntifaschistInnen im Spanischen Bürgerkrieg 1936-38 vor allem von italienischer und deutscher Seite am größten war.
Einige wenige AntifaschistInnen, die nicht dem Faschismus zu Opfer gefallen waren und auch noch die parteiinternen stalinistischen Säuberungen jener Zeit überlebten, beteiligten sich an den unmittelbar am Ende des II. Weltkrieges entstandenen Antifaschistischen Komitees in Deutschland.

Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem imperialistischen System!

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