Identitäre Bewegung versucht Ulmer Pride zu stören

Am Samstag 27.08.2022 versuchte die extrem rechte Identitäre Bewegung (IB), eine Pride Demonstration in Ulm zu stören. Es kam zu Beschimpfungen und Drohgesten gegenüber Teilnehmer:innen der Pride. Mindestens 18 Personen waren beteiligt. Die enttarnten IB Räumlichkeiten in der Karlstraße 56 waren wieder Ausgangspunkt der extrem rechten Gruppe.

Vortreffen in den Räumen der Identitären Bewegung in der Karlstraße 56. Ganz links Maximilian Förster

Ablauf

Vor Beginn der Pride sammelten sich an den im Mai 2022 enttarnten Räumlichkeiten der Identitären Bewegung (IB) in der Karlstraße 56 mehrere Personen. Darunter waren bereits bekannte IBler und der IB nahestehende Personen. Nacheinander trafen diese in kleineren Gruppen ein und verließen ihn später einzeln Richtung Olgastraße/Frauenstraße.

Mehrere dieser Personen kommen nicht aus Ulm oder Umgebung, was eine überregionale Mobilisierung zeigt.

Eine Aufgabenteilung war deutlich zu beobachten:

  • Einige Personen versuchten sich als Teilnehmer der Pride zu tarnen. Zwei reihten sich gegen 15:00 in die Demonstration ein.
  • Mehrere Personen liefen aufgeteilt alleine oder in Kleingruppen vor, hinter oder parallel zu dem Demonstrationszug in Nebenstraßen. Zum Teil verliefen sie sich, was wahrscheinlich an fehlender Ortskenntnis lag.
  • Mehrere Personen waren für Bilder und Videos zuständig. Wie z.B. eine Person, die bereits bei mehreren Aktionen der IB als Fotograf tätig war und auch hier mit Kameratasche gesichtet wurde. Ebenfalls zu sehen war der Versuch von Marcel Patzke (AfD Neu-Ulm und JA Schwaben) in der Frauenstraße die Demonstration abzufilmen.

Die Pride Demonstration wurde nach dem Einbiegen von der Frauenstraße in die Olgastraße angehalten. Laut Angaben der Polizei wurden auf Höhe der Tankstelle an der Kreuzung Olgastraße/Keplerstraße Personen weggeschickt. Ab diesem Zeitpunkt konnte von allen IB’lern hektisches Telefonieren beobachtet werden. Es liegt nahe, dass an dieser Kreuzung eine Aktion der Identitären verhindert wurde.

 

Übergriffe

Das Mitglied der IB Ortsgruppe Ulm Nicolas Brickenstein, der in der Vergangenheit mehrfach Kundgebungen störte (30. November 2021, 08. März 2022), folgte dem Demonstrationzug mit zwei weiteren Personen. Auf der Höhe des Sportsohns in der Hirschstraße beschimpfte er Personen außerhalb des Demonstrationszuges und versuchte sie einzuschüchtern. Dabei ging er aggressiv auf die Personen zu, wurde jedoch durch seine Begleiter körperlich zurückgehalten.

Nicolas Brickenstein (in der Mitte) mit zwei anderen Personen vor dem Sportsohn kurz vor dem Übergriff

Am Abend kurz nach 20:00 wurden am Rand des Münsterplatzes mehrere vermummte Personen gesichtet. Sie versuchten Personen beim Abbau der Pride einzuschüchtern. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten anderen Personen der IB weg, ob ein Zusammenhang besteht ist aktuell unklar.

Die drei vermummten Person in der Platzgasse

 

Beteiligte Personen

Wir freuen uns über jeden Hinweis zu den abgebildeten Personen. Kontaktmöglichkeiten findet ihr hier.

Wir konnten mindestens 18 beteiligte Personen feststellen. Einige sind bekannte Mitglieder der Identitären Bewegung aus Ulm und Umgebung. Andere Personen ordnen wir anderen Ortsgruppen der Identitären Bewegung Schwaben zu, wie Stuttgart oder Pforzheim.

Michael Seibold war kurz danach bei einer Aktion der IB in Norddeutschland beteiligt.

Mehr zu ihm findet sich in Veröffentlichungen aus Stuttgart zum Beispiel in dieser PDF „Querdenken 711 und seine rechten Akteure“ oder in einem Artikel einer Antifa-Kampagne zu einer Querdenken Demonstration am 03.04.2021 in Stuttgart

Abgesehen von Mitgliedern der Identitären Bewegung war mit Maximilian Förster eine Person aus dem SSV Ulm Hooliganumfeld und mit Marcel Patzke eine Person der lokalen AfD anwesend. Förster war beim Vortreffen in der Karlstraße 56. Er störte gemeinsam mit Brickenstein bereits am 08. März eine feministische Demonstration. Marcel Patzke störte gemeinsam mit Brickenstein am 30.11.2021 eine linke Kundgebung.

Fazit

Obwohl um die 18 Identitäre oder nahestehende Personen an diesem Tag anwesend waren, kam es zu keiner konzertierten Aktion, bzw. waren diese nie als größere Gruppe präsent. Im Laufe der Pride kam es zu versuchten Einschüchterungen durch die extrem Rechten. Das genaue Ausmaß ist aktuell unklar, es ist möglich, dass es mehr Übergriffe gab.

Es gibt starke Anhaltspunkte dafür, dass eine größere Aktion geplant war und scheiterte:

  • Überregionale Mobilisierung
  • Vorabtreffen in den Räumen der Karlstr. 56
  • Platzierung von Beobachtern in der Demo
  • Hektische Koordinationsversuche per Telefon nachdem Stoppen der Demonstration durch die Polizei

Ideologische Einordnung – völkisch und antifeministisch

Anmerkung: Die Zitate in diesem Textteil sind Originale aus Veröffentlichungen der IB

Das die Identitäre Bewegung gegen Pride Demonstrationen vorgeht ist keine Überrasschung. Beispiele für Aktionen dafür finden sich seit Jahren in anderen Städten wie u.a. 2021 in Tübingen oder 2022 in Wien.

In ihrer ideologischen Weltauffassung wird durch queere und feministische Inhalte und Personen die „traditionelle Familie“ angegriffen. Der Angriff auf die Familie ist eine Bedrohung für das deutsche Volk, da es ohne „traditionelle Familie“ dieses nicht mehr bestehen kann. Die „traditionelle Familie“ wird von der IB auschließlich aus „Mutter, Vater und Kindern“ definiert. Allein die Existenz von Personen und Lebensformen abseits dieser „traditionellen Familie“ wird von der IB als Angriff gedeutet. Daher sind Aktionen gegen gegen Personen und Veranstaltungen aus Ihrer Weltsicht gerechtfertigt als eine Art Verteidigung gegen eine angebliche Gefahr für die deutsche Familie / das deutsche Volk.

Außerdem wird versucht Brücken zu anderen Ideologischen Kernelementen der Identitären Bewegung zu bauen. Mit Schlagwörtern wie „Globohomo“ oder Sätzen wie „Nein zu diesen Regenbogendemos! Ja zu unserer Kultur! “ wird vermittelt, dass die Existenz anderer Formen der Sexualität und Beziehung fremd, nicht deutsch oder sogar importiert ist.

Egal ob Multikulturalität, Queerness, Globalisierung oder seit neustem Gaskriese. Die einfache Antwort der Identitären Bewegung läuft wie so oft auf die gleiche extrem rechte Kernforderung hinaus: Sich Abschotten und alles was als fremd definiert wird Abschieben. Sie drücken es nur verblumter und indirekter aus u.a. mit der IB Wortschöpfung „Remigration“.