Die faschistischen „Grauen Wölfe“ in Frankfurt und die Grünen

Die Grünen Frankfurt haben Feyyaz Çetiner, einen bekennenden Anhänger der türkischen faschistischen Partei MHP (auch bekannt als „Graue Wölfe“/ Bozkurtlar), zu ihrem Beauftragten für die Arbeitsgemeinschaft „Freund*innen des jüdischen Lebens“ ernannt.

Die MHP ist offen antisemitisch und rassistisch, sie strebt eine Diktatur unter einem „Führer“ und ein ethnisch-homogenes, sunnitisches „großtürkisches Reich“ an und regiert derzeit gemeinsam mit der AKP. Zahlreiche Morde und Pogrome gegen Kurd*innen, Alevit*innen und andere Minderheiten gehen auf ihr Konto. Im syrischen Bürgerkrieg unterstützt die MHP islamistische Milizen, die der türkischen Regierung nahestehen, etwa mit Geld und Sachspenden. Nach Möglichkeit kämpfen „Graue Wölfe“ auch im türkischen Militär oder als paramilitärische Einheiten an ihrer Seite und beteiligen sich an Kriegsverbrechen, wie der Ermordung und Vertreibung von kurdischen und ezidischen Zivilist*innen, sowie weiteren Minderheiten, als Teil der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien/Rojava.

Dieses Vertrauen der Grünen in Çetiner ist umso verstörender, da seit Jahren – auch ihnen – seine politische Heimat bekannt ist. 2010 kandidierte der KfZ-Sachverständige und Tankstellenbetreiber aus Frankfurter Berg für die Liste „Multikulturelles Hilfsbereites Publikum“ (MHP) für die Wahl zur kommunalen Ausländervertretung (KAV). Auf der Liste kandidierten auch Mahmut Gayretli und Aygül Çolak aus dem Vorstand des Türkischen Kulturzentrums e.V. um den Vorsitzenden Kazim Erdoğan, ein Tarnverein der „Grauen Wölfe“, mit dem Ziel ein Zentrum der Bewegung im Industriegebiet von Griesheim zu schaffen. Auch Çetiner war Teil dieses Tarnvereins. Die Frankfurter Grünen Politikerin und heutige Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg, damals Integrationsdezernentin, weigerte sich die Kritik an der MHP-Wahlliste bei der KAV ernstzunehmen und sagte, dass solange Çetiner sich nicht rassistisch oder antidemokratisch in der Öffentlichkeit äußere, sie auch kein Problem damit habe.1http://www.aaeurop.com/?p=5658

Bei der Kommunalwahl (KW) 2012 trat Çetiner auf Platz 4 für die türkisch-nationalistische Partei „Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit“ (BIG) an, die als deutscher Ableger der AKP gilt und ein Sammelbecken für türkische Nationalisten ist. Immer wieder fallen VertreterInnen mit offenem Antisemitismus und Hass auf queere Menschen auf. Mit Haluk Yildiz sitzt der Parteivorsitzende von BIG seit der KW 2021 im Römer und hat hier eine gemeinsame Fraktion mit der extrem rechten Wahlliste „Bürger für Frankfurt“ um Matthias Mund gebildet.2https://www.fr.de/frankfurt/klein-zeitgemaess-11390455.html, https://www.fr.de/frankfurt/big-distanziert-sich-90471573.html

Frankfurt for Future

Seit 2021 tritt Çetiner mit der Wahlliste „Frankfurt for Future“ an und ist weiterhin in der KAV vertreten für den Ortsbeirat 10. Der Faschist Çetiner gehört dem Präsidium der KAV an. Bei „Frankfurt for Future“ handelt es sich um eine Tarnliste, die bewusst mit einem an die Umweltbewegung erinnernden Namen (s. Fridays for Future etc.) spielt, um das Ziel der Mehrung des türkisch-nationalistischen Einflusses in Frankfurt zu verbergen. Eine politische Linie oder Ziele werden auf deren Seite nicht kommuniziert, die Wahlliste dient aber vor allem dem Zweck, Çetiner eine seriöse Fassade zu geben. Im Wesentlichen geht es ihm um den Ausbau seiner Kontakte und z.B. durch den Besuch des KZ-Sachsenhausen oder eine Führung durch die Frankfurter Synagoge mit der KAV sich von Vorwürfen des Antisemitismus zu immunisieren. Getreu dem Motto: Wer ein Bild mit Jüdinnen und Juden aufnimmt, kann kein Antisemit sein.

Frankfurt ist neben den Großstädten Köln und Berlin ein wichtiges Zentrum für faschistische und islamistische türkische Parteien, Organisationen, Fußballvereine und Unternehmen. Häufig treten sie nicht mit ihren Positionen offen auf, um weniger politische und soziale Folgen für ihre faschistische Agitation, die primär innerhalb der türkischsprachigen Gemeinden in Deutschland stattfindet, fürchten zu müssen. Sie profitieren dabei erheblich davon, dass sie keinerlei politische oder strafrechtliche Verfolgung in Deutschland fürchten müssen. Frankreich hat vor wenigen Jahren Organisationen der „Grauen Wölfe“ endlich verboten.

Graue Wölfe in Deutschland

Die „Grauen Wölfe“ werden in Deutschland primär durch zwei Dachorganisationen vertreten, die ADÜTDF und ATIB. Der Hauptsitz der „Almanya Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyon“ (Föderation der Türkisch- Demokratischen İdealistenvereine in Deutschland e.V/ ADÜTDF) für Deutschland befindet sich in der Friesstr. 2 in Frankfurt-Enkheim. Hier betreiben sie auch das Unternehmen ATF GmbH, über die beispielsweise nationalistische Reisen in die Türkei zum „Grabdenkmal des Führers Alparslan Türkeş“ (erster Vorsitzender der MHP) in der Hauptstadt Ankara gebucht werden können. In Offenbach gibt es zudem die Moschee „Sadik Ahmet Camii“ in der Geleitstr. 81-83 als Treffpunkt. Hier finden Vorträge zu nationalistischen „Märtyrern“ und faschistischen Vorbildern sowie Flohmärkte statt. Zudem ist hier der Tarnverein „Türkisch Deutscher Freundschaftsverein“ ansässig.

Finanziert wird die ADÜTDF durch Mitgliedsbeiträge und Spenden von Unternehmen aus der Region. Hierzu zählen zum Beispiel Medina Helal Steakhouse (Frankfurt), ÇiğköfteM+ (Offenbach), Getriebe Service Sur (Frankfurt/ Heusenstamm), DEKLA Concept Lohnsteuerhilfeverein e.V. (Offenbach), Ülker Concept (Offenbach), Tansas Supermärkte (Frankfurt/ Offenbach), Tunc Trans (Hainburg), Unser Bäcker (Offenbach), Fischmarkt Mare Azzurro (Offenbach) und viele weitere.

Die „Avrupa Türk-İslam Birliği“ (Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e. V./ ATIB) betreibt die Moschee „Mevlana Camii“ in der Zuckschwerdtstraße 1 in Höchst. ATİB ist Teil des konservativ bis faschistischen sunnitischen Lobbyverbands „Zentralrat der Muslime“ (ZMD). Derzeit vertrtritt Özlem Başöz die Interessen von ATİB im Vorstand des ZMD. Die ZMD stellt sich entsprechend in der Öffentlichkeit immer strikt gegen jegliche Beobachtung von ATİB durch Geheimdienste oder Strafverfolgungsbehörden. Obwohl faschistische Verbände wie ATİB aufgrund ihrer Mitgliederstärke tragende Säulen des ZMD sind, werden dessen VertreterInnen von Politiker*innen und Medienhäusern immer wieder als vermeintlich seriöser, an einer „liberalen Demokratie“ interessierter Verband dargestellt und als Gesprächspartner eingeladen.3https://www.zentralrat.de/32787.php, https://zentralrat.de/files/zmd/vorstand/Vita%20%C3%96zlem%20Bas%C3%B6z.pdf

Widerstand gegen türkische FaschistInnen

Obwohl Frankfurt ein wichtiges Zentrum für türkische FaschistInnen ist, regt sich kaum Widerstand in der Stadtgesellschaft dagegen. Ob Parteien, städtische Vertreter*innen oder linke Szene: alle lassen diejenigen im Stich, die jeden Tag auf der Straße, bei der Arbeit, in der Schule, beim Sport, im Club oder sonstwo von „Grauen Wölfen“ beleidigt und angegriffen werden. Insbesondere Menschen, die einer ethnischen und religiösen Minderheiten in der Türkei (und nun in Deutschland) angehören, spüren ihren Hass, egal ob Kurd*innen, Armenier*innen, Alevit*innen, Aramäer*innen, Jüdinnen und Juden und viele mehr. Die weitgehende (rassistische) Ignoranz und das große Schweigen demgegenüber muss endlich aufhören.

Derzeit reisen AKP und MHP PolitikerInnen durch DITIB, ADÜTDF und ATİB Moscheen und Zentren in Deutschland, um für ihre islamistisch-nationalistisches Bündnis bei den diesjährigen Wahlen in der Türkei zu werben. Dabei fordern sie durchaus auch gerne die „Vernichtung der Kurden“ und von den in Ungnade Gefallenen AnhängerInnen der reaktionären „Gülen-Bewegung“.4https://www.fr.de/politik/akp-abgeordneter-moschee-graue-woelfe-neuss-hetze-gewalt-erdogan-tuerkei-92028541.html

Alle Zentren, Moscheen (sie sind nicht nur religiöse, sondern vor allem politische Organisationsräume) und UnterstützerInnen der Türk Federasyon und ATİB sind legitime Ziele für antifaschistische Proteste und Interventionen.

Für ein konsequentes Verbot aller Organisationen der „Grauen Wölfe“ in Deutschland!
Kein Spielraum für FaschistInnen in Frankfurt!

Hinweis: Dieser Text ist eine Einsendung, die auf der Infoplattform www.antifa-frankfurt.org veröffentlicht wurde.

Update von Antifa-Frankfurt.org am 17.1:
Die Frankfurter Grünen haben eine Stellungnahme geschrieben in der sie und Feyyaz Çetiner seine Tätigkeiten in der Vergangenheit als Jugendsünden bezeichnen und ihn als „Aussteiger“ der rechten Grauen Wölfe bezeichnen. Das ist zu begrüßen, es freut uns wenn Menschen aus ihren Fehlern lernen. Unserer Ansicht nach sollten sich sogenannte „Aussteiger“, insbesondere wenn sie im öffentlichen Leben stehen, öffentlich und glaubhaft von ihren vormaligen Ansichten distanzieren. Dies ließe sich beispielsweise durch offensives Problematisieren der ADÜTDF und ATİB Zentralen in Bergen Enkheim und Griesheim durch die Grünen und Çetiner vollziehen. Anders als es die Grünen schreiben, handelt es sich um keine „Fake News“ (wissentliche Falschdarstellung), sondern um die Widergabe der bisher öffentlich einsehbaren Quellen. Wenn Herr Çetiner sich von seinen Jugendsünden befreien möchte, veröffentlichen wir gerne in Kürze das offensive Eintreten der Frankfurter Grünen für verfolgte Minderheiten in der Türkei und gegen FaschistInnen jeder Farbe in Frankfurt. Derzeit ist da allerdings eher mehr als Geschmäckle dabei, wenn missliebige Personen bei den Grünen aufgrund ihrer kurdischen Hintergrundes wieder ausgeladen werden. Im Übrigen handelt es sich bei dem Artikel klar erkennbar um eine Zusendung.


Empfehlung der Redaktion zum Thema Graue Wölfe:

Interview von Radio Blau mit dem Journalisten und Historiker Nick Brauns aus dem Jahr 2012 zur Entstehung und den Hintergründen der ultranationalistischen Gruppierung. Explizit geht er auf die Geschichte der Grauen Wölfen in der BRD und die Verstickungen bzw. Zusammenarbeit mit deutschen Organisationen & Parteien ein.