Nur harmlose Sammler

Geheimdienst hebt Waffenlager extrem rechter Biker aus. Angeblich keine politischen Absichten

Bevor sich die Beamten in den Sommerurlaub begeben, ist der österreichische Geheimdienst hochaktiv. Diesmal gelang der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) ein Schlag gegen die rechte Bikerszene. Bei den Neonazis wurden Waffen und Nazidevotionalien gefunden. Die DSN betont allerdings, es gebe »keine Hinweise auf Anschlagspläne«. Während Österreich überlegt, ob es bei den Neonazis »politische Motive« geben könnte, werden Rufe nach flächendeckender Überwachung der Bürger lauter.

Die 13 Hausdurchsuchungen hatten bereits am Montag stattgefunden. In Ober- und Niederösterreich wurden zehn Personen verhaftet, sechs von ihnen befinden sich in Untersuchungshaft. Sie sind Mitglied des Bikerklubs Bandidos. Die Ermittlungen hätten sich über ein Jahr gezogen, wie die DSN auf einer Pressekonferenz am Donnerstag mitteilte. Bei den Verhafteten handelt es sich um Männer zwischen 35 und 50 Jahren. Einige sollen Mitglieder der 2013 verbotenen Neonazigruppe »Objekt 21« gewesen sein. Der DSN vermutet, »Objekt 21« verwende die Bandidos als Tarnorganisation für fortgesetzte Aktivitäten.

Sichergestellt wurden Waffen im Wert von mehr als 1,5 Millionen Euro. Darunter befinden sich Hunderte Schusswaffen, Langwaffen, Maschinengewehre, mehrere vollautomatische Schusswaffen von Steyr-Mannlicher, sieben »AK 47«, weiteres Kriegsmaterial und 10.000 Schuss Munition. Hinzu kommen die Devotionalien und große Mengen Drogen und Bargeld. Auf den vom Geheimdienst veröffentlichten Aufnahmen sind mehrere NSDAP-Fahnen zu sehen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ORF sprach von einem »Festsaal voller Waffen«.

DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner sagte am Donnerstag: »Wir beobachten in den letzten Jahren zunehmend Waffenfunde bei Rechtsextremen – teilweise auch zu Sammlerzwecken.« Dieses Arsenal sei jedoch »zur Austragung etwaiger Bandenkonflikte« aufgebaut worden. Wie die DSN zu dieser Annahme kommt, ist unklar, vor allem, da erst vor wenigen Wochen bekanntgeworden war, dass ein burgenländischer ­Neonazi einen Sprengstoffanschlag auf das von der Kommunistischen Partei ­Österreichs organisierte Volksstimme-Fest 2021 in Wien geplant hatte. Eine politische Motivation der Neonazis könne die DSN nicht erkennen. Es wurde aber betont, dass die sichergestellten Datenträger erst ausgewertet werden müssen. Klar sei dennoch jetzt schon, dass es keine Hinweise auf Pläne für einen »Putsch oder Anschlag« gebe.

In eine ähnliche Richtung gingen Äußerungen des Innenministers Gerhard Karner: »War es nur Teil von Waffenhandel? War es nur das Sammeln von NS-Devotionalien?« fragte er am Donnerstag in einem Interview. Ganz anders hatte es vergangene Woche geklungen, als drei Jugendliche muslimischen Glaubens verhaftet worden waren. Ohne Belege und ohne Sicherstellung von Schusswaffen wurde ihnen ein Anschlagsplan auf die »Regenbogenparade« in Wien vorgeworfen. Die DSN bezog sich einzig auf Chatprotokolle eines »außereuropäischen Nachrichtendienstes«, deren Existenz aber bis heute nicht bestätigt werden konnte.

Die extreme Rechte werde dagegen bewusst entpolitisiert wahrgenommen, sagte Bernhard Weidinger vom »Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands« (DÖW) im ORF-Interview: »In der Öffentlichkeit wird es immer wieder als Sammelei dargestellt.« In den vergangenen vier Jahren hat es 37 Waffenfunde bei Neonazis gegeben: »Es ist mir abwegig, dass es keine politischen Motive hinter den Funden gibt, vor allem da alle in Verbindung mit NS-Devotionalien vorkommen«, so Weidinger.

Während Österreich über die Sammelleidenschaft von Neonazis spricht, fahren Geheimdienst, Polizei und Innenministerium fort, Forderungen nach der Einführung eines Bundestrojaners zur flächendeckenden Überwachung von Messengerdiensten zu erheben. Wie vergangene Woche beim angeblichen Anschlagsplan auf die Pride-Parade war dies auch am Donnerstag das Hauptthema auf der Presse­konferenz der DSN.

Für einen Bandenkrieg etwas viel Waffen – und das politische Statement ist nicht zu übersehen (Wien, 29.6.2023)