Österreich: Auf Wanderung durch das Lepena-Tal berichtet Nachkomme vom antifaschistischen Widerstandskampf der Partisanin Helena »Jelka« Kuchar
Das Lepena-Tal in der Gemeinde Železna Kapla ist bis heute mehrheitlich von Kärntner Slowenen bewohnt. Obwohl Artikel 7 des Staatsvertrags den Schutz und die Förderung der slowenischen Minderheit ausdrücklich garantiert, führten rassistische Sprach- und Beschäftigungspolitiken zur weitgehenden Assimilation. In den Schluchten zwischen den Bergen haben Sprache und Kultur überdauert – bis heute schwebt ein widerständiger Geist über diesen Feldern. Hier bewirtschaftet Zdravko Haderlap seinen Vinklhof. Nach Jahren in Berlin kehrte er 2001 an seinen Herkunftsort zurück. Er lädt mit alpinen Spaziergängen auch dazu ein, sich Schritt für Schritt einer Vergangenheit anzunähern, die auch seine Familie betrifft: Die antifaschistische Widerstandskämpferin Helena »Jelka« Kuchar war die Schwester seines Vaters. »Wenn wir schon nicht sprechen dürfen, dann tanzen wir«, pflegte die 1906 in der Lepena geborene Antifaschistin zu ihrem Neffen zu sagen. Sie brachte ihn nicht nur dazu, die »Quetschn« – ein diatonisches Akkordeon – zu spielen, sondern regte auch die Auseinandersetzung mit der kärntnerslowenischen Familiengeschichte an.
Während des Nazifaschismus trug sie den Partisanennamen »Jelka«. Bis heute ist sie für ihre »drei roten Pfiffe« bekannt, die als Erkennungszeichen unter Eingeweihten fungierten. Der gleichnamige Song der Popgruppe »Die Schmetterlinge« thematisiert den Mut und die Entschlossenheit, mit der die spätere Aktivistin der Österreichischen Freiheitsfront (OF) sich zeitlebens der faschistischen Bedrohung entgegenstellte. In der offiziellen Historie firmiert ihr Beitrag zur Befreiung von den Nazis als Marginalie. Das nationale Geschichtsbild ist bis heute vom »Opfermythos« bestimmt: Der »Anschluss« Österreichs an das »Dritte Reich« wird demnach als Folge einer »militärischen Bedrohung von außen« dargestellt, die in Reaktion auf den »verräterischen Terror einer nazifaschistischen Minderheit« erfolgte – so jedenfalls heißt es in der Österreichischen Unabhängigkeitserklärung von 1945. Die rhetorische Konstruktion suggeriert, dass es nicht möglich gewesen wäre, sich aktiv gegen diesen Terror zur Wehr zu setzen. Angehörige der slowenischen Minderheit, von denen viele über gute Verbindungen nach Jugoslawien verfügten, sahen dies anders: Infolge der weit über die Landesgrenzen hinausgehenden Allianzen war der kärntnerslowenische Widerstand besonders wirkmächtig.
Jelkas Geschichte ist in mehrfacher Hinsicht eine besondere – und auch aus diesem Grund hört Zdravko Haderlap nicht auf, sie zu erzählen. Als Frau aus einer kinderreichen Familie musste sie früh »ausheiraten«. Als Magd wurde sie zur allzeit verfügbaren Arbeitskraft. Unter den Partisanen baute Jelka ein Nachrichtennetz auf und erlebte nach ihrer Verhaftung im Februar 1944 Demütigung und Folter. Als Frau, die aktiv im Widerstand kämpfte, stellt Jelka bis heute dominante Geschlechterbilder in Frage. Für sich selbst hat sie jedoch nie das Image der edlen Heldin in Anspruch genommen. Die schriftliche Überlieferung ihrer Geschichte ist ein unverzichtbares Zeitdokument und entstand im mündlichen Austausch mit anderen, wechselseitiges Vertrauen wurde zum Erzählanlass.
Als eine Gruppe der Kooperative Longo-maï 1977 in das Lepena-Tal kam, lehrte Helena die Neuankömmlingen vieles – allem voran aber den Umgang mit Bienenvölkern. Den landwirtschaftlich noch unerfahrenen Kommunarden Thomas Busch und Brigitta Windhab erzählte sie während der Arbeit ihre Geschichte. Das 1984 erstmals veröffentlichte Buch »Jelka: Aus dem Leben einer Kärntner Partisanin« ist keine klassische Autobiographie. Es basiert auf Tonbandaufnahmen – und brach mit dem männlichen Partisanenmythos. Der Vorsitz des Verbandes der Kärntner Partisanen wirkte einer Veröffentlichung vorerst entgegen und kritisierte, dass das Buch nicht als erstes in Slowenisch erscheinen sollte. Im Vorfeld verlangte er die Zustimmung jugoslawischer Mitkämpfer. Kurz nach der Neuauflage des Buches im darauf folgenden Jahr erlitt Helena Kuchar einen Schlaganfall und verstarb wenige Monate später. Über den Wipfeln der Lepena ist bis heute keine Ruh’. Wer auf den Berghängen des Tals die Finger in den Mund steckt und pfeift, kann sich sicher sein, dass ein Echo zurückkommen wird.
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