Phänomen „Active Club“: Von Männern, die gern Wölfe wären

Der Active Club ist ein Phänomen aus den USA, das vor allem durch den Neonazi Robert Rundo bekannt gemacht wurde und in der Zwischenzeit auch nach Europa übergeschwappt ist. Es besteht darin, Kampfsportgruppen zu gründen und den gemeinsamen Sport als ein niedrigschwelliges Angebot zu nutzen, um junge Menschen für faschistische Politik zu begeistern. Man trainiert zusammen, schafft so eine kleine Gemeinschaft, die als Basis bzw. Umfeld für weitere Aktivität und Organisierung dient. In Deutschland hat vor allem der Neonazi Patrick Schröder das Konzept verbreitet, u.a. durch seinen Artikel Ausweg „Active Club“, der großteils von Robert Rundos Podcast abgekupfert ist.

Dabei ist das Phänomen Kampfsport zu treiben für Rechte keinesfalls neu. Neu ist, den Sport als das zentrale zu sehen, worum sich alles dreht, und die Sportgruppe als Anlaufstelle für weitere Aktivität zu nutzen. Dabei muss man unterscheiden zwischen Active Clubs, die sich komplett neu gründen – bei solchen bleibt es dann oft beim Logo und dem Telegramkanal – , und solchen, die an bereits bestehende Strukturen wie JN oder IB anknüpfen. Vor allem für letztere bietet sich das Konzept an.

Ähnlich scheint es im europäischen Ausland zu sein. Eine Recherche aus Schweden bestätigt, dass die dortigen Active Clubs schlicht Rebrandings sind, mit denen alte Faschisten neu durchstarten wollen, indem sie an den internationalen Hype anknüpfen. Das scheint zumindest in Sachen Reichweite aufzugehen. Das Phänomen ist in aller Munde, und bürgerliche Experten warnen vor Nazis, die sich jetzt auf den Straßenkampf vorbereiten und sehr gefährlich sind. Doch stimmt das?

Neonazi, »Werwolf« und Kampfsportler
Im Juli 2024 gab Pascal Wengenroth an, 26 Jahre alt zu sein. Derzeit soll er in Neu-Anspach im Hochtaunuskreis wohnen. Er ist Kampfsportler und betreibt regelmäßig Krafttraining. Noch im Oktober 2024 arbeitete und trainierte er in der Kampfsportschule Level Change MMA Gym in Oberursel, für die er auch in der Vergangenheit als Kämpfer in Wettbewerben antrat. Neben Jiu-Jitsu betreibt er Grappling, einen Kampfsport, der Techniken aus Ringen, Jiu-Jitsu und anderen Kampfsportarten verbindet. Mindestens bis Frühjahr 2024 arbeitete er als Versicherungskaufmann in einer Versicherungsagentur in Friedberg (Wetteraukreis).

Auf seinen Social-Media-Profilen versucht Wengenroth sich als modebewusster und sportlicher junger Mann darzustellen. Doch schon seine Tattoos und Kleidungsmotive zeigen unzweifelhaft seine politische Gesinnung. Auf seiner Brust findet sich eine handgroße Tätowierung der sogenannten »Schwarzen Sonne«. Als von der SS genutztes Symbol dient es heute in der Neonaziszene als Ersatz für das Hakenkreuz, darf im Gegensatz dazu aber straffrei gezeigt werden. Ein weiteres Foto zeigt ihn mit einem Aufnäher der Misanthropic Division, einem internationalen, in der Hauptsache virtuellen Neonazi-Netzwerk, das viele Bezüge zu rechtsterroristischen Aktivitäten aufweist.

In seiner Selbstdarstellung ästhetisiert er in pathetisch-schwülstiger Weise Kampf und Körperkraft. Seine Silhouette, die ihn in martialischer Pose zeigt, hat er zu seinem »Markenzeichen« gemacht. Dazu schrieb er im Juni 2024 auf Twitter: »Kampfsport! Du! Jetzt! Nur die wiederbelebte Stärke des Deutschen Mannes lässt uns im gesellschaftlichen Wettkampf siegen und negative Stigmata über uns zerschmettern. Kein Deutscher soll sein Blut damit entehren als solch geborener schwach und wehrlos zu sein. Kämpft!«.

Pascal Wengenroth 2022 in seinem Gym. Auf seinen Beinen sind Tätowierungen einer Elhaz- und einer umgekehrten Elhaz-Rune zu sehen. Sie wurden während des Nationalsozialismus als Lebens- bzw. Todesrune gedeutet und breit verwendet, u.a. vom »Hauptamt für Volksgesundheit«, das der NSDAP unterstellt war. Quelle: Instagram

Seine neonazistische Identität und Ideologie verknüpft Wengenroth darüber hinaus mit Bezügen zum Germanentum und zu Lykanthropie. Auf Instagram nennt er sich »lykanthrop«. Damit spielt er auf einen Mythos an, demzufolge einige Menschen die Fähigkeit hätten, sich in (Wer-)Wölfe zu verwandeln. In Wengenroths Instagram-Stories findet sich folgerichtig auch der Verweis auf das Buch »Der Wehrwolf – Eine Bauernchronik« von Hermann Löns. Der Roman erlangte in der Zeit des Nationalsozialismus Bekanntheit und sollte junge Männer nach Ende des zweiten Weltkriegs zum Kampf im Untergrund gegen die Alliierten bewegen.

In der Beschreibung seines Twitter-Accounts bezeichnete sich Wengenroth bis zur Veröffentlichung des SWR als einen »Reingermanen«. Er tritt dort unter dem Namen »Holmgangr« auf. Der »Holmgang« war im vorchristlichen Skandinavien ein rituelles Duell zweier Kontrahenten zur Streitschlichtung. Im Juli 2023 veröffentlichte er als »Holmgangr« ein 27-seitiges E-Book mit dem Titel »Projekt Lykanthropie«. Dies nennt er einen »Anleitfaden für eigenständige, zielorientierte Körperzucht mit Zukunft«, inklusive Ernährungs- und Trainingsplänen.

Wengenroth und die Neonazipartei Der III. Weg
Am 22. Januar 2024 postete Wengenroth auf Twitter Bilder, die ihn auf einer verschneiten Waldlichtung zeigen, darunter der Text »Der Heilungsberg wurde erklommen«. Wenige Tage später schrieb die neonazistische Partei Der Dritte Weg auf ihrer Website über eine Wanderung »überwiegend junger Aktivisten vom Stützpunkt Westerwald/Taunus unterhalb des großen Feldberg«. Dort sei man den »Spuren unserer indogermanischen Ahnen wie der Kelten, später der Germanen, sowie der imperialistischen Römer« gefolgt und habe Gedanken und Kontakte ausgetauscht. Auf dem Foto zu diesem Aktionsbericht posieren 13 Männer teils in Military-, teils in Wanderkleidung auf ebenjener Waldlichtung. Mittendrin steht Pascal Wengenroth. Er ist trotz Unkenntlichmachung seines Gesichts leicht zu identifizieren, da ihn die Fotos, die er kurz zuvor selbst veröffentlichte, in derselben Kleidung am selben Ort zeigen.

Trotz Unkenntlichmachung ist Pascal Wengenroth (Bild rechts, 4.v.r.) als Teilnehmer der Wanderung der »Aktivisten vom Stützpunkt Westerwald/Taunus« der Partei Der III. Weg zu identifizieren. Die Bilder, die er kurz zuvor veröffentlichte, zeigen ihn in der selben Kleidung auf der selben Waldlichtung. Quelle: Twitter, Telegram

Am 16. September 2024 schrieb Wengenroth auf Twitter, dass er kein Mitglied von Der III. Weg sei. Doch seine Anbindung an die Partei, die einen militanten und ideologisch unverfälschten Neonazismus vertritt, wird anhand weiterer Beispiele offensichtlich. Im Dezember 2023 schrieb er auf Twitter: »›Nationalrevolutionär‹ ist halt ein vom 3. Weg geprägtes Wort, welches auch wie andere Begrifflichkeiten verwendet wird um nicht direkt den öffentlichen ›Nazi‹ zu machen«. Danach führte er aus: »Bei uns zumindest werden Alkoholiker prinzipiell nicht akzeptiert, nicht mal als normale Unterstützer«. Lesenden vermittelt sich der Eindruck, dass mit »uns« nur Der III. Weg gemeint sein kann. Auch finden sich auffällige Überschneidungen in den Postings zwischen den Social-Media-Accounts von »Holmgangr«, des »Active Club Taunus« und Der III. Weg –Westerwald/Taunus, die darauf deuten, dass Wengenroth für alle drei Accounts verantwortlich sein könnte.

Das Foto des keltischen Grabkreuzes wurde aus Anlass des Datums der Sommersonnenwende auf den Telegram-Kanälen von »Holmgangr«, des »Active Club Taunus« und Der III. Weg – Westerwald/ Taunus veröffentlicht. Quelle: Twitter, Telegram

Der »Active Club Taunus«
Der »Active Club Taunus« wird als regionaler Ableger eines internationalen Netzwerks neonazistischer KampfsportlerInnen präsentiert, die als »Active Clubs« auftreten. Doch stellt sich hier wie auch in einigen weiteren Fällen die Frage, ob manche dieser »Active Clubs« mehr sind als ein bloßes Label.

So ist im Fall des »Active Clubs Taunus« bislang davon auszugehen, dass er in erster Linie ein Telegramkanal bzw. das Social-Media-Projekt von Pascal Wengenroth ist. Unverkennbar tritt er als dessen Macher auf und es finden sich bisher keine Hinweise, dass er weitere Personen dafür gewinnen konnte bzw. mit diesen eine lokale Gruppe bildet.

Der inzwischen nicht mehr öffentliche Telegramkanal des »Active Club Taunus« ist ein Beispiel dafür, wie über Bilder falsche Eindrücke vermittelt werden (sollen). Mehrfach wurden dort Fotos geteilt, die eine Gruppe Hooligans in kämpferischer Pose zeigen. Mittendrin steht Wengenroth. Im Text zu einem dieser Fotos heißt es: »Das ist es, weshalb wir das hier in erster Linie machen. Nicht für Politik, Wanderungen oder coole Bilder, sondern für die Bildung einer stabilen Gemeinschaft und Vernetzung im Umkreis.« Es entsteht der Eindruck, dass es sich hierbei um den Personenkreis des »Active Club Taunus« handelt. Bei genauer Betrachtung erkennt man jedoch auf der Kleidung aller Personen das Stadtwappen von Paderborn in Ostwestfalen, 150 Kilometer Luftlinie vom Hochtaunuskreis entfernt.

Auch an anderen Beispielen wird die Mogelpackung deutlich. Zum Foto einer Gruppe von fünf Männern beim Kampfsport schreibt Wengenroth aka »Holmgangr« auf Twitter: »Heutiger Nutzertreff mit Besuchern aus fernen Teilen Deutschlands«. Im Kanal des »Active Club Taunus« stand beim gleichen Foto: »Neue Gesichter zum Kampfsport gebracht. Kommt gerne vorbei. Unsere Vernetzung ist hauptsächlich auf Sport fokussiert und mit dem Zweck, generell deutsche Bekanntschaften aufzubauen in näherem Umfeld«.

Ein Video von Mai 2024 treibt die Täuschung auf die Spitze. Es wurde im Telegramkanal »Active Club Germania« geteilt, der unter anderem vom bayerischen Neonazi Patrick Schröder betrieben werden dürfte und als zentrale Plattform der »Active Clubs« in Deutschland dient. Es zeigt Aufnahmen von Pascal Wengenroth beim Kampfsporttraining bzw. aktiven Kämpfen für sein bisheriges Gym, die größtenteils älter sind und in keinem Zusammenhang mit dem »Active Club Taunus« stehen. Ergänzt werden diese durch die Bilder der Paderborner Hooligan-Gruppe sowie der Wandergruppe des III. Wegs. In reißerischer Manier wurde das Video als »krasses Material« der »Kameraden im Taunus« von »internationalem Format« beworben.

Bild links: Pascal Wengenroth (4.v.l.) mit dem Stadtwappen von Paderborn auf der Brust. Auf dem Foto im Telegram-Kanal des »Active Club Taunus« (Mitte) und im Twitter-Profil vom »Holmgangr« (rechts) ist Pascal Wengenroth die Person rechts. Quelle: Telegram, Twitter

Die Rolle der Medien und ein »Extremismus-Experte«
Die martialische Selbstdarstellung wurde in der medialen Berichterstattung von SWR und Tagesschau unhinterfragt übernommen. Das Dilemma vieler Medien hierbei ist, dass sie sich gezwungen sehen, etwas Neues und Aufregendes zu bieten, um Lesende zu erreichen. Je spektakulärer die mitgelieferten Bilder sind, umso mehr Klicks werden im virtuellen Raum generiert. Ähnliches ließ sich bereits bei der Berichterstattung über die Identitäre Bewegung beobachten.

Als Experte zum Thema »Active Clubs« kommt in den Berichten von SWR und Tagesschau Alexander Ritzmann zu Wort, ein Mitarbeiter der Organisation Counter Extremism Project (CEP). Auf ihn stieß der SWR vermutlich, da dieser seit Juli 2024 über YouTube einen Online-Vortrag mit dem Titel »Active Clubs – Die neue rechtsextreme Strategie in Deutschland« verbreitet. Die »neue Strategie« sieht Ritzmann in der Selbstdarstellung der »Active Clubs« als jung, smart und sportlich – man wolle dort »keine Leute mit Hakenkreuz-Tattoos an sichtbaren Körperstellen und keine, die in Militäruniformen rumlaufen« und bedrohlich seien. Doch diese Strategie ist nicht neu. Seit vielen Jahren schon versuchen Teile der Neonaziszene, ihre Kampfsportaktivitäten nach außen als »ganz normalen« Sport darzustellen. Auch behauptet Ritzmann, dass »online ausschließlich genutzt [werde], um zu bewerben, um Geld zu verdienen und natürlich dann um Leute vom online ins offline ins Training zu bringen. Und wer das nicht macht, der kann nicht Mitglied von Active Clubs sein.« Diese Aussage ist zu bezweifeln.

Nach Ritzmann bestanden im Juli 2024 neun »Active Clubs« in Deutschland, die diese Strategie tatsächlich umsetzten. Zu diesen zählt er den »Active Club Taunus« – doch der ist im Wesentlichen ein Ein-Personen-Projekt, das zu keiner Zeit Dynamik erkennen ließ.

Am Anfang seines Vortrags verweist Ritzmann darauf, dass Eigendarstellungen der »Active Clubs« oft gestellt und KI-generiert seien. Doch in der Folge zeigt er ein Foto nach dem anderen, auf denen sich (angebliche) Kämpfer der »Active Clubs« möglichst martialisch und bedrohlich in Pose setzen. Fast alle dieser Fotos hat er den Kanälen der »Active Clubs« entnommen.

Schließlich wirft der »Extremismus-Experte« die Frage auf, ob die »Active Clubs« »Kopien von Antifa-Strategien« seien. Eine Erklärung hierfür bleibt er freilich schuldig, denn welche Antifagruppe hat sich jemals als harmlose Sportgruppe präsentiert, um Mitstreiter*innen im Kampf gegen Rechts zu gewinnen? Am Ende stellt Ritzmann gar eine Verbindung der »Active Clubs« zu den Hammerskins her. Schließlich seien an der Gründung von »Active Clubs« in anderen Ländern Hammerskins beteiligt gewesen – und »vielleicht auch in Deutschland und das wäre dann vielleicht sogar eine Nachfolgeaktivität«. Weiter führt er aus: »Man könnte sich überlegen, dass die Active Clubs der Versuch sind, junge, kampfbereite Männer in das Netzwerk [der Hammerskins, d.A.] reinzubringen«. Die Hammerskins, deren deutsche Sektion im Jahr 2023 vom Bundesministerium des Innern verboten wurde, verstehen sich als eine verschworene Bruderschaft. Sie nehmen nur handverlesene Personen auf und scheuen das Licht der Öffentlichkeit. Nie haben die Hammerskins in Deutschland Social-Media-Plattformen zur Rekrutierung genutzt. So bleibt die von Ritzmann gezeichnete Verbindung der »Active Clubs« zu den Hammerskins letztlich eine nicht fundierte, effekthaschende Spekulation.

Der Podcast »Letz Hetz«
Auf Twitter erreicht Pascal Wengenroth als »Holmgangr« fast 2.500 Follower. Seine Bekanntheit in Social Media dürfte eine wesentliche Anschubhilfe für sein zweites Projekt gewesen sein, das in medialen Berichterstattung über ihn bislang nicht zur Sprache kam: Der Online-Podcast »Letz Hetz«, den er im April 2024 zusammen mit zwei weiteren Twitternutzern startete. »Letz Hetz« umfasst inzwischen über 15 Folgen und verzeichnet mehr als 20.000 Aufrufe.

Die beiden anderen Beteiligten sind der Bodybuilder und Fitnesscoach Felix Wolf, der sich auf Twitter »Wolf des Nordens« nennt und dort etwa 18.500 Follower hat, sowie Dennis Braun, der es als »Λrminiusdd« auf mehr als 7.000 Follower bringt. Felix Wolf lebt in Oldenburg und zeigt in seinen Online-Aktivitäten starke Nähe zur AfD. Dennis Braun wuchs in Mühldorf am Inn (Oberbayern) auf. Er ist dem aktivistischen Kern der Identitären Bewegung Bayern zuzurechnen, tritt aber auch auf Veranstaltungen der AfD in Erscheinung.

Links: Dennis Braun bei einer Demonstration der Identitären Bewegung am 20. Juli 2024 in Wien. Rechts: Der Bodybuilder Felix Wolf. © Dokunetzwerk Rhein-Main, Quelle: Instagram

In der ersten Folge ihres Podcasts beschreiben die drei Macher ihre Vorstellungen und Ziele. Laut ihrer Aussage möchten sie »in Zukunft die Lücke der politischen, aber nicht polit-fokussierten Unterhaltung« füllen. Der Anspruch bleibt mehr Wunsch als Realität, denn es geht im Podcast von Anfang an ausschließlich um Politik. Folge 10 leitet man entsprechend anders ein und nennt sich nun »Podcast für richtig heftige Hetze«.

Die Inhalte des Podcasts sind nicht neu oder überraschend. Bereits in der ersten Folge geht es um einen vermeintlichen »Bevölkerungsaustausch« in Deutschland und die daher angeblich notwendige »Remigration«. Wengenroth stellt zwar klar, dass man keinen großen Rassenkrieg anstrebe, da dies »dystopischer Quatsch« sei, doch Felix Wolf bescheinigt sich in der fünften Folge eine »deutsche Identität«, die er aufgrund seiner »familiären Blutlinie« habe und Dennis Braun kritisiert in der darauffolgenden Folge die AfD, da diese nicht »das System an sich angreife«. In Folge 7 beklagt man dann »Schuldkultereien« und »Volksverhetzungspraragraphen«.

Wenig verwunderlich ist bei solchen Inhalten, dass schon der Top-Kommentar unter der ersten Folge des Podcasts bei YouTube von Frank Franz, bis vor Kurzem Vorsitzender der Partei Die Heimat (ehemals NPD), stammt. Dieser schreibt: »Gute Sache. Viel Erfolg für das Projekt«.

Bereits in der zweiten Folge wird deutlich, dass das Podcast-Projekt finanzielle Unterstützung erhält. Gegen Ende der Folge bewirbt Wengenroth überschwänglich die rechte Modemarke Thor Steinar. Er sagt, er sei »ein persönlicher und großer Freund« der »neuen Frühjahrs- und Sommerkollektion« der Marke, deren »Kleidung wirklich aus hochwertigem Stoff gefertigt« sei und die »einen guten Schnitt« habe. »Wenn rechte Leute guten Geschmack« hätten, seien diese mit dieser Marke unterwegs. Tatsächlich aber gibt es kein Foto von einem der Podcast-Macher, auf dem diese Thor-Steinar-Kleidung tragen. In dem sich elitär gebenden neonazistischen Milieu, in dem sich die drei bewegen, ist die Marke aufgrund ihrer als stumpf empfundenen Ästhetik verpönt. Dass es sich bei der Thor-Steinar-Lobhudelei um bezahltes Sponsoring handelt, wird später auch daran klar, dass im Video zum Podcast ein Thor Steinar-Werbespot eingeblendet wird. Die fünfte Folge des Podcasts beginnt gar mit einem Werbespot der Marke und der Aussage »präsentiert von Thor Steinar«.

Unterstützt wurde der Podcast auch von Simon André Kaupert, dem Vorsitzender des Filmkunstkollektiv e.V. , einem Verein aus dem Umfeld der Identitären Bewegung, der als eine Art PR-Agentur von der Szene für die Szene agiert. Er produzierte beispielsweise eine Dokumentation über Björn Höcke, die kurz vor der Landtagswahl in Thüringen veröffentlicht wurde. In Folge 8 des »Letz Hetz«-Podcasts im Juli 2024 berichtet Felix Wolf zu Beginn, dass Kaupert allen drei Podcastmachern kostenlos und ohne Aufforderung neues Equipment zur Verfügung gestellt habe.

Die Beispiele belegen, dass sich Strukturen der extremen Rechten in den vergangenen Jahren deutlich professionalisiert haben und finanzstärker geworden sind. Noch vor wenigen Jahren waren derartige Unterstützungsleistungen für ein Freizeitprojekt kaum vorstellbar. Doch auch der hohe Bekanntheits- und Vernetzungsgrad der Podcastmacher über Twitter tragen sicher hierzu bei.

Ende Juli 2024 trat Kay Gottschalk als erster Gast im Podcast auf. Erst einen Monat zuvor war er als stellvertretender Bundessprecher in den Vorstand der AfD gewählt worden. Im Anschluss an seine Bewerbungsrede sagte er damals sinngemäß, dass sich die Partei ihr Vorfeld selbst aussuche und dieses nicht »definiere, dass es automatisch unser Vorfeld ist«. Von dieser Aussage fühlten sich AkteurInnen des extrem rechten Lagers, die für die AfD eintreten, brüskiert. Gottschalk geriet unter Rechtfertigungsdruck und stand daraufhin Ende Juli im »Letz Hetz«-Podcast Rede und Antwort. Titel der Sendung war: »Was ist das Vorfeld?«. Hörbar beeindruckt vom professionellen Auftreten des geschulten Politikers Gottschalk hielt sich die Kritik der Moderatoren Wolf und Wengenroth an dessen Aussagen allerdings in Grenzen. Trotzdem belegt das Beispiel den Einfluss des sogenannten Vorfeldes. Dass Gottschalk sich wenige Wochen nach einem Parteitag, der allgemein als Erfolg des AfD-Etablissements gegenüber vermeintlich radikaleren AkteurInnen gewertet wurde, mehr als eine Stunde lang vor dem Neonazi Pascal Wengenroth im Podcast erklärt, war noch vor einiger Zeit undenkbar.

Bisher unter dem Radar
Pascal Wengenroth gelang es bislang, sich »unter dem Radar« antifaschistischer Aufmerksamkeit zu bewegen. Einigen Personen in seinem sportlichen und beruflichen Umfeld dürfte dessen politische Aktivitäten jedoch schon seit längerem bekannt (gewesen) sein.

Tatsächlich stellt ein Neonazi in der Versicherungsbranche durchaus ein Problem dar, hat er dort doch in der Regel Zugriff auf hochsensible persönliche Daten von Kund*innen.

Bei seinem Kampfsportverein Level Change MMA Gym in Oberursel findet man nur wenige Fotos von Wengenroth. Auf den Vereinsseiten wird er nicht namentlich erwähnt, obwohl er lange Zeit zum Stamm des Vereins gehörte und bis vor kurzer Zeit regelmäßig an der Rezeption stand. Der Verein samt seiner Trainer*innen ist politisch unverdächtig. Sicherlich wäre die Hälfte der Mitarbeitenden des Vereins von den Remigrations-Fantasien des Sportkameraden Wengenroth betroffen. Auf Nachfrage gibt sich das Gym dennoch wortkarg. Man distanziere sich von »rechtsradikalem Gedankengut« und Wengenroth sei niemals durch »politische Äußerungen« aufgefallen.

Eine Auswahl der »sportlichen Angebote«, die Pascal Wengenroth anderen Personen auf Twitter unterbreitet.

Jedoch: Wenn Wengenroth gemäß seines Pseudonyms »Holmgangr« online Streit suchte und Leute zum Kampf aufforderte, dann sollte dieser »bei mir im Ring« bzw. »bei mir im Studio« stattfinden, womit er offensichtlich das Level Change MMA Gym meint. Auch hatte er eine führende Rolle in der Organisation eines Kampfsportwettbewerbs, zu dem das Level Change MMA Gym am 25. August 2024 ins Taunabad in Oberursel einlud. Daran beteiligten sich knapp 40 Jugendliche und junge Erwachsene, Wengenroth trat dabei in Kleidung von Level Change auf. An diesem Tag betrieb er offensichtlich keine politische Propaganda. Dennoch ist es nicht zu verantworten, einen Neonazi, der beständig auf der Suche nach MitstreiterInnen für seine Kampfsportaktivitäten ist, mit der Organisation eines Kampfsport-Wettbewerbs für junge Menschen zu betrauen. Ein Problembewusstsein hierfür und eine deutlichere Distanzierung des Kampfsportstudios wären durchaus angebracht.

Pascal Wengenroth als Organisator eines Kampfsport-Wettbewerbs im Taunabad in Oberursel am 25. August 2024. Die Veranstaltung stand unter keinem politischen Label und unter den ca. 40 Teilnehmenden befanden sich augenscheinlich keine weiteren extremen Rechten. © Rhein-Main Rechtsaußen

Fazit: Noch ist es so, dass die Faschisten Schwierigkeiten zu haben scheinen, den Übergang zu schaffen von Kampfsportgruppe zu echter Politik. Die naheliegendste Möglichkeit wäre natürlich als Kampfsportgruppe das erlernte direkt in Form von Gewalt am politischen Gegner anzuwenden. Doch das ist gar nicht so einfach. Außerdem ist in der BRD die Repression für so ein Vorhaben noch sehr hoch. Das hat man an vergangenen Versuchen der Nazis gesehen, das Active Club-Modell anzuwenden, bevor es als solches bekannt wurde, wie Knockout 51 oder Adrenalin Braunschweig. Das heißt nicht, dass Kampfsport treiben und Gewalt als politisches Mittel unvereinbar wären. Der Dritte Weg macht gerade eindrucksvoll vor, wie weit man es treiben kann, ohne von der Repression allzu sehr eingeschränkt zu werden. Doch eine Kampfsportgruppe, die hauptsächlich Kampfsport betreibt, sich öffentlich präsentiert, und dann Gewalt als politisches Mittel ausübt, ist für die Behörden doch zu sehr ein gefundenes Fressen.

Wir sollten auf die Übertreibungen bürgerlicher „Extremismusexperten“ nicht hereinfallen. Active Clubs sind kein Gamechanger, sie erhöhen (bisher) keine Gefahr und keine Gewaltbereitschaft. Sie erhöhen für uns höchstens indirekt das Repressionsrisiko. Und wie sie sich in die allgemeine Entwicklung der faschistischen Bewegung in der BRD einfügen werden, bleibt abzuwarten. Schließlich hat sich hier einiges getan im vergangenen Jahr: Wie wird es mit dem Spektrum um DJV weitergehen? Wie kann das Potential der Anti-CSD-Demos vergangenen Sommer weiter genutzt werden, und wie können Active Clubs hier eine Rolle spielen? Das sind die Fragen, die faschistische Strategen gerade umtreiben dürften.

Auch wenn Active Clubs keine neue Bedrohungslage für uns darstellen, so erinnern sie uns daran, was schon immer Realität war: der Umgang mit faschistischer Gewalt ist Teil von antifaschistischen Kampf, ob uns das gefällt oder nicht, und Nazis bereiten sich gezielt auf die Konfrontation vor. Das sollten wir also auch tun.