Rund um den 20. Juni 2023, dem 90. Todestag Clara Zetkins und dem 100. Jahrestag ihrer Faschismus-Analyse, hat das Aktionsbündnis „Kein Knoten für Zetkin“ zu kreativem Protest im Rahmen einer Aktionswoche aufgerufen. Zum Auftakt haben wir der Tübinger Wilhelmstraße, bei deren Namensgeber die zuständige Historiker-Kommission im Gegensatz zu Zetkin „keine konkreten Hinweise auf eine ethische Problemlage“ gefunden haben will, einen goldenen Knoten verliehen.
In Tübingen soll Clara Zetkin mit den Faschisten, gegen die sie bis zuletzt angekämpft hat, in eine Reihe gestellt werden: Es wird empfohlen, die Clara-Zetkin-Straße mit einem „Knoten“ aus dem 3D-Drucker als „kritikwürdig“ zu markieren – eine Markierung, die sonst ausschließlich Nazis, Kriegs- und Kolonialverbrecher verpasst bekommen! Bei zwei Straßen, die nach NSDAP-Mitgliedern benannt sind, empfiehlt die zuständige Historiker-Kommission hingegen, bereits angebrachte „Knoten“ kommentarlos wieder zu entfernen. Bei Namensgebern wie Bismarck, Ebert oder Wilhelm I. von Württemberg sieht sie laut ihrem Abschlussbericht gar „keine konkreten Hinweise auf eine ethische Problemlage“.
Clara Zetkin, der ersten Frau überhaupt, die in einem deutschen Parlament eine Rede gehalten hat – noch 1932 Alterspräsidentin des Reichstags – wird „Demokratiefeindlichkeit“ vorgeworfen. Außerdem soll sie laut der Kommission unter Leitung des Historikers Johannes Großmann in einem Prozess 1922 für Todesstrafen plädiert haben. Für ihre Behauptungen kann die Kommission keine Belege anführen. Kein Wunder: In Wahrheit hatte Zetkin sich nachweislich gegen die Vollstreckung von Todesurteilen eingesetzt.
Was bei Zetkin nur behauptet wird, trifft bei Wilhelm zu: Tübingens repräsentativste Straße ist nach einem König benannt, der Demokratie ablehnte – er wollte, wie er sagte, das Volk „vom periodischen Fieber der Wahlen befreien“ – und die Prügel- und Todesstrafe wieder einführte! Grund genug für uns, nachzuholen, was die Kommission versäumt hat, und dem alten Monarchen einen dicken Knoten zu verleihen – natürlich standesgemäß in Gold! Seit heute prangt er am Pfosten des Straßenschilds der Tübinger Wilhelmstraße vor dem Museum, in dessen oberen Räumen die Kommission im Februar ihren Abschlussbericht vorgestellt hat. Wir hoffen, dass die Herren Geschichts-Professoren und das zuständige Tübinger Kulturamt unsere kleine fachliche Korrektur ihrer Arbeit dankend anerkennen werden.
Gezeichnet: Tübinger Kommission zur Überprüfung der Kommission zur Überprüfung der Tübinger Straßennamen, Juni 2023.