Was in Mössingen passierte und was wir heute daraus lernen können
Am 28. Januar findet eine Demonstration unter dem Motto „90 Jahre Mössinger Generalstreik gegen Hitler und Krieg“ in Mössingen statt. Wir rufen dazu auf, sich an der Demo zu beteiligen und verweisen auf den Aufruf und Zugtreffpunkt des Offenen Treffen gegen Faschismus und Rassismus Tübingen und die Region.
Treffpunkt für die gemeinsame Zuganreise 13.15 Uhr – Haupteingang Tübingen Bahnhof
Demonstration „90 Jahre Mössinger Generalstreik“
Am 30./31. Januar jährt sich der Mössinger Generalstreik. 90 Jahre ist es her, dass den Faschist:innen in Deutschland die Macht übertragen wurde und sich am 30. Januar 1933 bei den Arbeiter:innen in Mössingen Widerstand dagegen regte. Ein guter Anlass, sich mit dem Faschismus und mit den Antifaschist:innen, die ihn bekämpft haben, auseinanderzusetzen. Denn Klassenkämpferischer antifaschistischer Widerstand spielt in der bürgerlichen Geschichtsschreibung keine Rolle. „Die Gewinner schreiben die Geschichte“ bedeutet nämlich auch, dass die herrschende Klasse im Kapitalismus versucht, revolutionäre Kämpfe unsichtbar zu machen. Für uns als Antifaschist:innen ist es deshalb ganz besonders wichtig, an Akte des Widerstands, wie den Mössinger Generalstreik, zu erinnen, aus ihnen zu lernen und uns in ihrer Tradition zu verstehen.
„Massenstreik! […] Entfacht Massenaktionen und Streiks gegen die faschistische Konterrevolution! Vorwärts in einheitlicher Front!“
So lautete der Aufruf der KPD (Bezirk-Württemberg) zum Massenstreik, der am Abend der Machtübertragung an die Faschist:innen auch das „rote Mössingen“ (eine Kleinstadt in der Nähe von Tübingen) erreichte. Dort hatte man bereits am Mittag mit den Planungen zum Streik begonnen und sich, dem Aufruf der örtlichen KPD folgend, in der Langgasshalle (die Turnhalle des Arbeiter:innenvereins) versammelt. Zwei Tage später begann der Streik. Während in den meisten Städten ähnliche Streiks bereits in den frühen Morgenstunden von der Polizei zerschlagen wurden, waren es in Mössingen zunächst die Arbeitslosen und Handwerker:innen, die erfolgreich streikten und später schlossen sich die Arbeiter:innen der Pausa-Werke an. Der Demonstrationszug zog dann mit bis zu 800 Streikenden durch Mössingen.
In keinem der umliegenden Orte fanden Streiks statt, weswegen sämtliche Polizeikräfte nach Mössingen geschickt wurden. Dieses Großaufgebot erreichte am Nachmittag des 31. Januar den kleinen Ort und die Demonstration wurde aufgelöst. Später standen über 100 Menschen wegen „Landfriedensbruchs“ und „Hochverrats“ vor Gericht und wurden teils zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. So scheiterte der mutige Versuch der Mössinger:innen, den Faschismus an der Macht noch zu verhindern.
Hinter dem Faschismus steht das Kapital…
… das ist nicht nur eine beliebte Demo-Parole, sondern entlarvt den Faschismus als brutalste und reaktionärste Form des Kapitalismus. Aber fangen wir von vorne an: Die kapitalistische Gesellschaft ist eine Klassengesellschaft, in der sich die Klasse der Kapitalist:innen und die der Arbeiter:innen gegenüberstehen. Im diesem System sind die Kapitalist:innen im Besitz der Produktionsmittel (Rohstoffe, Fabriken, Maschinen, Geld). Um überleben zu können, muss sich ein Großteil der Menschen in die Abhängigkeit der Kapitalist:innen begeben und für sie arbeiten. Das bedeutet: Der Kapitalismus zwingt uns dazu, unsere Arbeitskraft zu verkaufen. Das Ziel der kapitalistischen Produktion ist die möglichst große Ausbeutung der Arbeitskraft, also die möglichst große Produktion von Mehrwert. Einen Teil des Arbeitstages arbeiten wir deshalb umsonst für die Kapitalist:innen. Bspw. durch die Verlängerung des Arbeitstages. Denn eigentlich braucht es weniger Zeit , den Lohn zu erarbeiten, den wir zum Überleben brauchen, als unsere tatsächliche Arbeitszeit beträgt – z.B. fünf statt acht Stunden am Tag. Wir hören nach fünf Stunden ja aber nicht einfach auf, zu arbeiten (u.a., weil unser Vertrag uns dazu zwingt) – den übrigen Wert, der dabei entsteht, der Mehrwert, fließt direkt an unsere Chefs. Der Mehrwert ist also die Vergegenständlichung unbezahlter Arbeitszeit.
Machtübertragung! – nicht Machtübernahme.
Wenn der Kapitalismus in einer tiefen Krise steckt, bietet eine Machtübertragung an die Faschist:innen für die kapitalistischen Interessenfraktionen einen Weg, die Krise in ihrem Sinne zu „lösen“. Die Herrschenden gehen also ein Bündnis mit den Faschist:innen ein, um sich selbst zu retten. Denn die Hauptziele des Faschismus, kriegerische Expansion und die Zerschlagung der Arbeiter:innenbewegung, nutzen auch ihnen. Das hat die Geschichte z.B. in Deutschland oder auch in Italien gezeigt.
Es war also keine Machtübernahme der deutschen Faschist:innen – nein, die Macht wurde an die Faschist:innen übertragen. Und das sogar hoch offiziell von Reichspräsident Hindenburg, der Hitler zum Reichskanzler ernannte. Trotzdem wird bis heute die Geschichte der Machtübernahme erzählt und in der Wissenschaft dominieren die „Führertheorien“ als Erklärung des Faschismus. Beides eignet sich wunderbar dazu, ihn als Form der bürgerlichen Herrschaft zu verschleiern und die Mitschuld der Kapitalist:innenklasse reinzuwaschen.
Zerschlagung der Arbeiter:innenbewegung
Wenn der Kapitalismus in der Krise steckt, entsteht gleichzeitig Potenzial für eine revolutionäre Bewegung, die der Klassenherrschaft des Kapitals gefährlich werden kann. Der bürgerliche Staat schafft es nicht mehr, die Krise mit konventionellen Mitteln abzufedern und die aufkommende revolutionäre Bewegung durch die verfügbaren Repressionsapparate einzudämmen. Für Teile des Großkapitals wird der Faschismus durch seine neuen, aggressiven Möglichkeiten der Ausbeutung und Repression – historisch z.B. die Zerschlagung der Arbeiter:innenbewegung, die Ermordung von Kommunist:innen und das Verbot der Gewerkschaften – zu einer realen Option.
Kriegerische Expansion
Im Kapitalismus wird nicht demokratisch entschieden, was und wie viel produziert wird. Im Gegenteil: die Kapitalist:innen entscheiden, was für sie persönlich den meisten Profit einbringt. Da sie in Konkurrenz zueinander stehen, suchen sie immer neue Möglichkeiten und Wege, ihren Profit zu steigern. Tun sie das nicht, werden sie vom Markt verdrängt. Jedoch sind sowohl Rohstoffe als auch Absatzmärkte begrenzt und die Kapitalist:innen müssen sich immer neue Märkte suchen, auf denen sie ihre Waren loswerden können. Finden sie diese nicht, kommt es zu einer Überproduktionskrise, es wird also mehr produziert, als sie verkaufen können. Ein Weg, sich solche Märkte zu erschließen, sind imperialistische Kriege, wie z.B. der Zweite Weltkrieg und damit die Expansion nach Osten.
Dem Faschismus die Massenbasis entziehen!
Der Faschismus ist keine Militärdiktatur, sondern angewiesen auf die Unterstützung breiter Teile der Gesellschaft, vor allem die des Kleinbürgertums. Das Kleinbürgertum fürchtet sowohl den Monopolkapitalismus, der die kleinen Betriebe verdrängt, als auch die Kommunist:innen, die die Vergesellschaftung von Produktionsmitteln fordern. Die Faschist:innen greifen das auf und geben sich sowohl antikapitalistisch also auch antikommunistisch. Auch die Arbeiter:innen sollen überzeugt werden, in dem der Faschismus als System propagiert wird, das allen Klassen gleichermaßen Verbesserung bringt. Ihr berechtigter Frust über die Missstände im Kapitalismus wird mit pseudorevolutionärer Demagogie eingefangen und ihre Wut in systemkonforme Bahnen gelenkt (die der Herrschaft des Kapitals nicht gefährlich wird).
Neben einer schlagkräftigen antifaschistischen Bewegung, braucht es deshalb auch linke Perspektiven jenseits des Kapitalismus. Erst der revolutionäre Bruch mit dem Kapitalismus schafft es, die materielle Grundlage, aus der der Faschismus entsteht, abzuschaffen, Eine wirkliche klassenkämpferische Perspektive auf einen revolutionären Bruch trägt dazu bei, den Menschen eine Alternative zum bestehenden Elend aufzuzeigen und den Rechten den Nährboden zu entziehen. Da unser Spezialgebiet die Bekämpfung von Rechten ist, sehen wir unsere Aufgabe auch darin, revolutionären Gruppen den Rücken frei zu halten und Rechte aus sozialen Bewegungen zu drängen, wenn sie versuchen, sich darin breit zu machen.
Unter- und Fehleinschätzung der faschistischen Gefahr
In einigen Punkten wurde der Faschismus von der Kommunistischen Internationalen (KI) falsch interpretiert. Teilweise lässt sich das aber auch auf die Neuheit des Faschismus an der Macht als politisches Phänomen zurückführen.
Teil dieser Fehlinterpretation sind:
- Die Unterschätzung der realen Gefahr einer Machtübertragung an die Faschist:innen
- Die Fehleinschätzung über den faschistischen Repressionsapparat und deshalb die mangelhafte Vorbereitung auf die Illegalität
- Ein diffuser Faschismusbegriff, der alle reaktionären und autoritären Systeme in einen Topf warf und als Faschismus bezeichnete
- Die Sozialfaschismusmusthese, in der die Sozialdemokratie zur (Haupt)Stütze des Kapitalismus und somit auch des Faschismus wird
(An dieser Stelle wollen wir aber nicht unerwähnt lassen, dass Clara Zetkin bereits in ihrer Analyse aus dem Jahr 1923 neben der sozialen Funktion auch das spezifisch Neue des Faschismus sah)
Trotz teilweiser Fehlinterpretation wird auf Mössingen blickend deutlich, dass die KPD und die Arbeiter:innen die soziale Funktion des Faschismus erkannten. Auch war ihnen allen klar, dass man mit dem Faschismus geradeaus auf den nächsten Krieg zusteuerte, der die Lohnabhängige Klasse am meisten treffen würde. Genau deshalb wählten die Arbeiter:innen in Mössingen den politischen Streik, die Niederlegung ihrer Arbeit, als Mittel im Kampf dagegen.
Kasten:
Vorangegangene Beispiele, wie der Generalstreik gegen den Kapp-Putsch (1920) zeigen, dass eine massenhafte Arbeitsniederlegung die Kapitalist:innen dermaßen unter Druck setzt, dass sie faschistischen oder reaktionären Kräften Macht und Legitimation entziehen können. Im Jahr 1920 streikten überraschenderweise etwa 12 Millionen Menschen gegen den Putsch von Rechts – er ist damit der größte Streik in der deutschen Geschichte und rief weit über die Arbeiter:innen hinaus, bis ins Bürgertum, Solidarität hervor. Schnell bildeten sich Aktionsausschüsse und Vollzugsräte, sogar bewaffnete Arbeiter:innenformationen organisierten sich, um mögliche Aktivitäten der Putschisten klein zuhalten.
Durch Streik können wir also nicht nur besser Arbeitsbedingungen und mehr Lohn erkämpfen, sondern auch unsere politische Interessen.
Aus der Geschichte lernen
Die gesellschaftliche Situation zur Zeit des Mössinger Generalstreiks und heute unterscheiden sich zwar in vielerlei Hinsicht: Wir befinden uns nicht kurz nach einem Weltkrieg, die Produktivkräfte haben sich weiterentwickelt und das politische System hat sich zu dem der Weimarer Republik verändert. Aber wir sehen auch Gemeinsamkeiten: wir befinden uns in einer kapitalistischen Krise mit enormen Steigerungen der Lebensmittel,- Energie- und Spritpreise. Das trifft vor allem die Arbeiter:innenklasse mit voller Wucht, während die Konzerne versuchen daraus Profit zu schlagen. Die faschistische Bewegung ist am Erstarken und mit der AfD ist eine (noch nur) in Teilen faschistische Partei mit einer festen Stammwähler:innenschaft in fast allen Landtagen und im Bundestag vertreten.
Wie vor 90 Jahren leben wir im Kapitalismus, in dem sich durch die Ausbeutung der Arbeiter:innen ein kleiner Teil der Gesellschaft, die Kapitalist:innen, bereichert. Genau dieses System hat den Faschismus, mit all seinen Grausamkeiten, hervorgebracht. Weil der Faschismus im Kapitalismus immer einer Option für den Machterhalt der Kapitalist:innen ist, endete der Kampf gegen den Faschismus nicht 1945.
Deshalb kämpfen wir auch heute gegen Faschist:innen aller Couleur, aber unter ganz anderen Bedingungen: Die faschistische Bewegung ist anders aufgestellt, die staatliche Repression hat sich verändert und die Situation der linken revolutionären Bewegung ist nicht mit der von damals vergleichbar. Die Gewerkschaften fahren einen sozialpartnerschaftlichen Kurs, anders wie bspw. in Mössingen 1933, gibt es keine klassischen Arbeiter:innenvereine, ganz zu Schweigen von einer schlagkräftigen kommunistischen Partei, kurzum: die radikale Linke ist gesellschaftlich nicht gerade auf dem Vormarsch.
Alle zusammen gegen den Faschismus – Einheitsfront statt Sozialfaschismusthese
Was die Arbeiter:innen in Mössingen einte, war, dass sie aufgrund ihrer Klassenzugehörigkeit kein Interesse am Faschismus hatten und ihn deshalb in letzter Sekunde verhindern wollten. Der Vorsitzende der KPD Mössingen, der auch Mitglied der Antifaschistischen Aktion war, rief am Abend vor dem Streik zu einer offenen Versammlung auf. Zu der kamen längst nicht nur Kommunist:innen, sondern auch Sozialdemokrat:innen und parteilose Mitglieder der Antifaschistischen Aktion. Wenn auch nur für kurze Zeit, konnte dort zu diesem Anlass der tiefe Graben zwischen SPD und KPD überbrückt werden.
Auch heute müssen wir alle, die kein objektives Interesse am Faschismus haben, für die antifaschistische Bewegung gewinnen. Aus dem Zusammenspiel verschiedener Kräfte kann eine langfristige Zusammenarbeit entstehen, die auf gegenseitiges Vertrauen baut und gemeinsame politische Standpunkte im antifaschistischen Abwehrkampf hervorbringt. Genau diese Einheitsfront wurde in Mössingen, zumindest kurzzeitig, erschaffen.
Was es also braucht, sind eine Ansprechbarkeit und offene Angebote, bei denen alle, die gegen Rechts aktiv werden wollen, ohne große Hürden mitmachen können. Außerdem müssen wir Teil kontinuierlich arbeitender Bündnisse sein, durch die sich weitere Teile der Gesellschaft dem Kampf gegen Rechts anschließen können. Bündnisse helfen auch, Zersplitterung, Spaltungsversuchen und gesellschaftlicher Isolation linker und antifaschistischer Kräfte entgegenzuwirken.
In der Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, Vereinen und Gruppen, die sich gegen Rechts engagieren, wollen wir die Arbeit gegen Rechte und Faschist:innen mit der sozialen Frage verbinden. (Denn bei aller Kritik an der sozialpartnerschaftlichen Strategie der deutschen Gewerkschaften sind sie wichtige Bündnispartner:innen im Kampf gegen den Faschismus.) Wir wollen auch im Bündnis mit anderen darüber sprechen, warum die Rechten zu welcher Zeit erstarken, wer davon profitiert und mit welchen Mitteln wir sie bekämpfen können. Es ist dabei wichtig, rote Haltelinien zu definieren, hinter die wir nicht zurückfallen, wir brauchen also klare Positionen, die wir nicht wahllos für Kompromisse aufgeben oder verwässern. Lasst uns deshalb offen mit unseren Bündnispartner:innen diskutieren und ringen, lasst uns solidarisch streiten, aber auch zusammenstehen, wenn es Hart auf Hart kommt.
Lokale Verankerung…
Auch der Verankerung und der personellen Stärke der KPD ist es zu verdanken, dass Arbeiter:innen, unabhängig ihrer Parteimitgliedschaft, am 30. Januar 1933 Schulter an Schulter auf die Straße gingen. Die Erkenntnis, dass die Arbeit in regionalen Bündnissen und gemeinsam mit lokalen antifaschistischen Kräften elementar für einen nachhaltigen antifaschistischen Kampf sind, ist ein wichtiger Anspruch an unsere Praxis trotz und wegen unserer überregionalen Organisierung in der Antifaschistischen Aktion Süd.
…und überregionale Organisierung : Die Antifaschistische Aktion aufbauen!
Im antifaschistischen Teilbereich ist eine kontinuierliche Arbeit unverzichtbar – lokal und überregional- denn, um schnell handeln zu können, müssen wir die Rechten dauernd im Auge behalten, egal, wie stark oder schwach sie scheinen. Wir müssen einen Selbstschutz für uns und unsere Klasse aufbauen, der auf neue Entwicklungen der Rechten und auf ihre Angriffe vorbereitet ist. Und wir brauchen eine präzise Analyse des Faschismus an der Macht, der faschistischen Bewegung und dem System das beide hervorbringt.
Um all das zu organisieren, besteht, in Ergänzung zu Bündnissen und offenen Angeboten, auch die Notwendigkeit von geschlossenen antifaschistischen Gruppen und Organisationen. Um den Herausforderungen, vor denen die antifaschistische Bewegung steht gerecht zu werden, müssen die verschiedenen Ebenen antifaschistischer Politik (mit ihren besonderen Herausforderungen und Ansprüchen) aber ineinander greifen und sich solidarisch ergänzen.
Geschlossene Gruppen und Organisationen bieten dabei einen verbindlichen und nachhaltigen Rahmen, in dem wir uns vor Faschist:innen und staatlicher Repression besser schützen können. Dort können wir uns auf eine gemeinsame Analyse von Gesellschaft und Faschismus einigen, als Grundstein unserer gemeinsamen Arbeit. Wir können unsere Arbeit langfristig planen, in der Praxis austesten und dann weiterentwickeln. Neben der lokalen Praxis ermöglicht uns die überregionale Organisierung, Strategien zu verbessern, zu vereinheitlichen und auf langjährige Erfahrungen zurückzugreifen, ohne immer wieder von vorne anfangen zu müssen. In der Organisation können wir uns städteübergreifend unterstützen, gemeinsame Schwerpunkte setzen und auch mal Kapazitäten verlagern. Dabei geht es nicht nur um unsere konkrete Praxis als Antifas, sondern auch darum, einzuschätzen, wie sich die rechte Bewegung entwickelt, formiert und lokal verankert. So kann eine größere Schlagkraft entwickelt und eine räumliche Vereinzelung überwunden werden. Denn: Seit langem leidet die antifaschistische Bewegung unter ihrer mangelnden Organisierung, die sie an ebendieser Schlagkraft und an gesellschaftlicher Relevanz einbüßen lässt. Überregionale Organisation bietet dabei eine reale Perspektive, Gegenmacht auf der Straße aufzubauen – und zwar dort, wo es gerade notwendig ist.
Damals wie heute – antifaschistisch kämpfen!
Die Ausrufung der historischen Antifaschistischen Aktion von 1932 war ein richtiger Schritt, kam aber leider zu spät und konnte den Faschismus an der Macht nicht verhindern. Für uns heißt das aber nicht, dass wir den Kopf in den Sand stecken – im Gegenteil: Wir wollen an vergangene Ansätze und linke Bewegungen anknüpfen, die erfolgreichen Ideen übernehmen und aus den Fehlern lernen. So können wir versuchen, es besser zu machen und heutige politische Leerstellen füllen.
Mit der Gründung der Antifaschistischen Aktion Süd im Frühjahr 2022 sind wir einen Schritt in diese Richtung gegangen und haben gemeinsam folgenden Anspruch formuliert:
Wir wollen eine Antifaschistische Aktion schaffen, die öffentlich wahrnehmbar ist, weil sie mit einer Stimme spricht. Eine, die bundesweit organisiert und lokal verankert ist, die gesellschaftlich wirkmächtig ist, weil sie sich nicht in der eigenen Subkultur verliert und nicht nur in Städten existiert, sondern auch auf dem Land kämpft, und schließlich eine, die effektiv ist, weil sie mit einer geballten Faust zuschlägt und die in ihrer Mitgliederstruktur unsere Klasse widerspiegelt.“
An diesem Punkt sind wir zwar noch lange nicht. Wir kämpfen aber mit einer klaren Vision im Kopf für eben diese Organisation, die wir für zwingend notwendig im Kampf gegen den Faschismus halten.
– Sinngemäß übernommen aus der Gründungserklärung der Antifaschistschen Aktion Süd.
Jahrestage wie der des Mössinger Generalstreiks zeigen uns, dass wir in einer Tradition stehen – in einer Tradition des Kampfs gegen Rechte und Faschist:innen, des Kampfs gegen Ausbeutung, für eine gerechte Welt und die befreite Gesellschaft. Lasst uns also weiterhin kontinuierlich gegen Rechte und Faschist:innen kämpfen. Macht mit und werdet aktiv, damit wir diesen Kampf gewinnen!
Antifaschistische Aktion Tübingen, Januar 2023