Heimat-Kader reicht die Hand

Brandenburg: Frühere NPD verkündet gemeinsame Fraktionen mit AfD. Ausschlussverfahren droht

Für die Linkspartei ist die Sache klar: Anti-AfD-Plakat in Senftenberg (28.2.2021)

In Brandenburg ziehen AfD und Neonazis offenbar nun auch in Kommunalparlamenten an einem Strang. Die Partei »Die Heimat« (ehemals NPD) werde im Süden des ostdeutschen Bundeslandes erstmals gemeinsame Fraktionen mit der AfD bilden, wie die Neonazipartei am Montag abend mitteilte. Im Kreistag von Oberspreewald-Lausitz soll das Projekt »Heimat und Zukunft« heißen und im rund 14.000 Einwohner zählenden Lauchhammer werde künftig die Fraktion »AfDplus« die Stadtverordnetenversammlung »bereichern«. In Lauchhammer soll demnach der AfD-Stadtverordnete Bernd Dietrich das Ruder in der Hand haben. Die Kreistagsfraktion dürfte damit vom langjährigen NPD-Kader Thomas Gürtler angeführt werden. Dieser hoffe, dass künftig in Sachsen die seperatistisch-faschistischen »Freien Sachsen« ebenfalls »ins Boot geholt werden« und »weitere gemeinsame Fraktionen entstehen können«.

Tatsächlich soll keineswegs die gesamte AfD-Mannschaft zur neuen Fraktion fusionieren. Lediglich die beiden AfD-Kommunalpolitiker Bernd Dietrich und Peter Gröbe erklärten sich zum Pakt mit Gürtler bereit. Dietrich, Gröbe und ein dritter AfD-Mann wollten zugleich die »AfDplus«-Fraktion bilden. Die drei will der Landesvorsitzende der AfD, René Springer, laut Mitteilung vom Dienstag nun ausschließen. Der Grund: Die »Heimat« steht auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD.

Springer werde entsprechend »wegen der vorsätzlichen Verletzung von Mitgliederpflichten und des erheblichen Verstoßes gegen die Grundsätze der Partei« ein Parteiausschlussverfahren gegen die drei Mitglieder »anstreben«. Geplant sei auch, juristische Schritte gegen die angekündigte Fraktion »AfDplus« einzuleiten. Diese habe nicht das Recht, »AfD« im Namen zu tragen. Zur Motivation der betreffenden Nochparteimitglieder, sich mit der umbenannten NPD einzulassen, erklärte der AfD-Landeschef, dass die Mandatsträger »sicher nicht aus politischer Überzeugung, sondern aus einer gewissen Überforderung mit dem errungenen Mandat« agiert hätten.

Aus der Kommunalwahl vom 9. Juni war die AfD im Kreis Oberspreewald-Lausitz als stärkste Kraft hervorgegangen. Bei einer Wahlbeteiligung von 63,9 Prozent hatte sie 53.217 Stimmen (31,8 Prozent) erhalten. Auf die »Heimat«-Partei entfielen nur 2.833 Stimmen (1,7 Prozent). Die CDU kam auf 29.406 Stimmen (17,6 Prozent), die SPD auf 28.583. Die Linkspartei wählten 12.614 Stimmberechtigte, was im Ergebnis 7,5 Prozent bedeutet. Die AfD ist somit im Kreistag mit 16 Sitzen vertreten, wie aus dem amtlichen Endergebnis hervorgeht. Die »Heimat« belegt einen der 50 Sitze. In Lauchhammer wiederum kam die AfD auf sechs Sitze, die »Heimat« ebenfalls auf einen.

Die AfD konnte somit ihr landesweites Kommunalwahlergebnis von 25,7 Prozent in diesem Landkreis noch übertreffen. CDU und SPD, die gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen die Landesregierung stellen, schnitten in Oberspreewald-Lausitz jeweils schlechter ab als in Brandenburg insgesamt.

Offiziell wurden laut Bundesagentur für Arbeit für den vergangenen Mai in dem Landkreis 3.961 Erwerbslose sowie 4.989 Unterbeschäftigte gezählt. Der mittlere Bruttostundenverdienst von Vollzeitbeschäftigten hatte in Oberspreewald-Lausitz zuletzt bei 16,50 Euro gelegen, wie aus einer Aufstellung des Statistischen Bundesamtes vom 8. Februar hervorgeht. Von den rund 108.000 Einwohnern waren demnach 39.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigt (Stand: April 2023).

Außerhalb der Parlamente hatte sich in Brandenburg bereits 2015 der Neonaziverein »Zukunft Heimat« gegründet. Er gilt als Scharnier zwischen der extrem rechten Szene und dem Landesverband der AfD. Hinter dem Label habe sich Nazigegnern zufolge allein in der Region rund um Cottbus »eine enorme rassistische Bewegung auf der Straße« gezeigt. Gürtler wiederum habe »als einziger Brandenburger NPD-Funktionär zu den Erstunterzeichnern der Gründungsproklamation des völkischen Flügels« gehört, wie das »Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus« mit Sitz in Potsdam in seinem »Wahlcheck 2021« berichtet hatte.

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