Seit 1933 ist der 1. Mai in Deutschland ein Feiertag – eingeführt von den Nazis, unter dem Titel “Tag der Nationalen Arbeit”. Der „Kampftag der Arbeiterbewegung“, der 1889 von der zweiten Internationalen ausgerufen wurde und der seitdem weltweit von der Arbeiter:innenbewegung begangen wird, sollte bewusst von den Faschist:innen mit ihrer pseudo-revolutionären Rhetorik vereinnahmt werden. Dabei haben die Fachist:innenen, als Bewegung und an der Macht, schon immer im Interesse des Kapitals und gegen die Arbeiter:innenbewegung agiert.
Wo ist denn da der große Unterschied?
Die Faschist:innen vertraten die Ideologie der „Volksgemeinschaft“. Darin wird der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeiter:innenklasse durch ein „deutsches Volk“, welches angeblich über den Klassen stehe und sich nur gegen Feinde „von außen“ wehren müsse, verschleiert. Da das Kapital aber nun mal über die Arbeiter:innenklasse herrschte und herrscht, wird die Unterdrückung und Ausbeutung der Arbeiter:innen durch diese Ideologie gefestigt, anstatt ihr etwas entgegen zu setzen.
Ich erkläre, dass fortan Kapital und Arbeit gleiche Rechte und Pflichten haben sollen, als Brüder in der faschistischen Familie.
Benito Mussolini, 1928
In dieser Ideologie gibt es keinen Anlass, die Arbeiter:innenklasse oder gar ihren Kampf um Emanzipation zu ehren, sondern nur die Arbeit als solche. Gerade diese „Ehrung“ der Arbeit anstelle der Emanzipation der Arbeiter:innen über die Verhältnisse, wurde aber als die Befreiung der Arbeiter:innen verkauft, um ihnen eine Perspektive zu bieten und sie für den Faschismus als nationalen vermeintlichen Sozialismus zu begeistern. Diese pseudorevolutionäre Rethorik, bzw. soziale Demagogie ist für den Faschismus unerlässlich, um Teile der Arbeiter:innenklasse für seine Massenbasis zu rekrutieren.
Der Kopfarbeiter muss einsehen, dass keiner das Recht hat, auf den anderen einfach hinab zu sehen, sich selbst als was Besseres zu dünken, sondern dass Kopf- und Handarbeiter einig sein müssen in einer einzigen Gemeinschaft.
Adolf Hitler in einer Rede am 1. Mai 1933
Die Fetischisierung der Arbeit hat im Kapitalismus den willkommenen Effekt, die Arbeitsmoral im Dienst des Profits der Kapitalist:innen zu heben und gleichzeitig den Widerstand der Arbeiter:innen gegen ihre Ausbeutung zu delegitimieren.
Zudem verstanden die Kommunist:innen und Sozialdemokrat:innen die Arbeiter:innenklasse als international, während die Nazis ja nur die deutsche Volksgemeinschaft im Widerspruch zum im Zweifelsfall feindlichen Ausland sahen. Deswegen auch die Bezeichnung als „Tag der nationalen Arbeit“, nicht etwa des Kampfes der internationalen Arbeiter:inneklasse. Damit wurden außerdem der imperialistische Krieg als Krisenlösung und Profitquelle im Interesse bestimmter Kapitalfraktionen gerechtfertigt.
(…) denn der Staat ist auch Organisation und Expansion nach außen hin (…). Auf diese kann sich der Staat mit der Natur des menschlichen Willens vergleichen, der in seiner Entwicklung keine Schranken kennt und sich dadurch verwirklicht, dass er seine eigene Unbegrenztheit erweist.
Benito Musolini in „Der Geist des Faschismus“, 1932
Dass der 1. Mai als Feiertag kein ehrliches Bekenntnis zu den Interessen der Arbeiter:innenklasse war lässt sich aber nicht nur an der Ideologie und Sprache der Faschist:innen erkennen, sondern auch an den praktischen Taten, die auf die symbolische Geste folgten.
Die Zerschlagung der Gewerkschaften
Das „Zugeständnis“ des 1. Mai als Feiertag war von vorne herein als Ablenkungsmanöver geplant, um die Arbeiter:innenklasse nicht nur ideologisch, sondern ganz praktisch ihrer Mittel zur Selbstbehauptung zu berauben und sie zu entmündigen.
„Keine deutsche Regierung wird die deutsche Arbeiterschaft und ihre Organisationen überwältigen können, weil sie ihren Geist nicht unterdrücken kann. Es wird auch dieser Regierung nicht gelingen.“
Bericht über die Sitzung des Bundesausschusses des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds (ADGB) in der „Gewerkschafts-Zeitung“ vom 4. Februar 1933
Vielleicht das wichtigste Werkzeug für die ökonomischen und politischen Tageskämpfe der Arbeiter:innen war und ist die Gewerkschaft. Von ihrem Wesen her links und ein Werkzeug, den Widerspruch zwischen Kapitalist:innen und Arbeiter:innen im Interesse der Arbeiter:innen auszutragen, konnte sie nicht in das Bild der Volksgemeinschaft passen. Und tatsächlich waren die Gewerkschaften eine nicht unerhebliche politische Macht in der Weimarer Republik, welche die Nazis noch nicht unter ihre Kontrolle hatten bringen können.
Den 1. Mai werden wir zu einer grandiosen Demonstration deutschen Volkswillens gestalten. Am 2. Mai werden dann die Gewerkschaftshäuser besetzt.
Joseph Goebbels am 17. April 1933 in seinem Tagebuch
Am 2. Mai 1933 um 10:00 wurden Gewerkschaftshäuser in ganz Deutschland von SA und SS gestürmt. Den Nazis missliebige Gewerkschaftsfunktionär:innen wurden in „Schutzhaft“ genommen. Das Eigentum der Gewerkschaften wurde konfisziert, Schriftgut beschlagnahmt und nicht selten verbrannt.
An ihre Stelle trat die „deutsche Arbeitsfront“, die Arbeiter:innen und Arbeitgeber:innen einen sollte. Streiks wurden verboten. Wer die Interessen der Arbeiter:innen, nicht etwa der Volksgemeinschaft, zu vertreten versuchte, galt als „gemeinschaftsuntauglich“ und wurde ausgeschlossen und im Zweifel verfolgt.
„Das Ziel der Deutschen Arbeitsfront ist die Bildung einer wirklichen Volks- und Leistungsgemeinschaft aller Deutschen. Sie hat dafür zu sorgen, dass jeder einzelne seinen Platz im wirtschaftlichen Leben der Nation in der geistigen und körperlichen Verfassung einnehmen kann, die ihn zur höchsten Leistung befähigt und damit den größten Nutzen für die Volksgemeinschaft gewährleistet“
Adolf Hitler in der „Verordnung über Wesen und Ziel der DAF“
Die Arbeitgeber:innenseite nahm hiervon keinen Schaden, oder wenigstens nicht die den Faschist:innen nächsten Teile davon. Im Gegenteil mussten sie keinerlei Widerstand mehr fürchten. Die Zerschlagung der Arbeiter:innenbewegung und all ihrer Organisationen, auch über die Gewerkschaften hinaus, verhinderte jeden Kampf um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen und rettete die Kapitalist:innen in der Krise vor einer drohenden Revolution. Bis heute tut sich die Bewegung schwer daran, sich von diesem Schlag zu erholen.
Die Schwerindustrie, Metallindustrie, natürlich die Waffenindustrie und viele weitere boomten. Sie waren weiterhin in privater Hand und produzierten Rekordprofite für die Kapitalist:innen, auch durch die Zwangsarbeit von Kriegsgefangenen und den Insassen der Konzentrationslager.
Die ersten Insassen der Konzentrationslager wurden politische Gegner:innen des Regimes. Unter ihnen viele Gewerkschafter:innen, die vor oder nach der Machtübertragung an die Nazis eine Politik im Sinne der Arbeiter:innenklasse und somit „volkszersetzenden Klassenkampf“ betrieben haben, indem sie beispielsweise die alten freien Gewerkschaften illegal weiter betrieben oder versuchten illegale Gewerkschaftsgruppen aufzubauen. Viele Gewerkschafter:innen waren bereits vorher über die Arbeit in der Gewerkschaft hinaus politisch organisiert und bildeten aus diesen Kontexten Widerstandsgruppen.
Auch heutzutage versuchen Faschist:innen, wie z.B. der „Dritte Weg“, oder „Die Rechte“ den 1. Mai zu vereinnahmen. Mit antikapitalistischer Rhetorik versuchen sie die Widersprüche, die viele Menschen mit dem Kapitalismus haben, einzufangen. Die Besitzverhältnisse, das Privateigentum an Produktionsmitteln, wird dabei nie im Grundsatz in Frage gestellt, stattdessen findet sich neben sozialer Demagogie rassistische Hetze und Feindschaft gegenüber den Organisationen der Arbeiter:innenbwegung. Auch deswegen ist es für uns als Antifaschist:innen wichtig, den 1. Mai als Kampftag unserer Klasse zu begehen und sollten sie sich zeigen, den Feinden unserer Klasse an diesem Tag die Straße zu nehmen.
Denn der „Tag der nationalen Arbeit“, den die Nazis zum Feiertag erklärten, von dem sich heute noch der „Tag der Arbeit“ ableitet, war nichts als ein Täuschungsmanöver. Was er einläutete war das Gegenteil dessen, wofür der lange zuvor ausgerufene 1. Mai als „Kampftag der Arbeiterbewegung“ steht.
Woher kommt der 1. Mai?
Auf dem „Internationalen Sozialistenkongress“, auch „zweite Internationale“ genannt (nach der „Internationalen Arbeiterassoziation“), wurde 1889 der 1. Mai als „Kampftag der Arbeiterbewegung“ ausgerufen. Anlass war das Gedenken an die Märtyrer des „Haymarket Riot“.
1886, beginnend am 1. Mai, war in den USA die Bewegung zur Einführung des acht-Stunden-Tages aufgeflammt. Hunderttausende Arbeiter:innen waren tagelang auf den Straßen, darunter mindestens 30.000 in Chicago. Am 3. Mai erschoss die Polizei bei der Auflösung einer Versammlung sechs Arbeiter, weitere wurden verletzt.
Für den Abend des 4. Mai wurde zu einer Demonstration auf dem Heumarkt aufgerufen, sowohl um gegen diese Polizeigewalt, als auch weiterhin für den acht-Stunden-Tag zu demonstrieren. Nach mehreren Reden rückte die Polizei an und befahl die Versammlung aufzulösen. Ein improvisierter Sprengsatz wurde der Polizei entgegen geschleudert, tötete einen Polizisten und verletzte mehrere. Es folgte ein Schusswechsel zwischen Polizei und Demonstrant:innen, bei dem mindestens sechs weitere Polizisten und vier Demonstranten starben, dutzende wurden auf beiden Seiten verletzt.
Es folgte eine mediale Kampagne gegen die Gewerkschaftsbewegung. Die meisten Betriebe nahmen wieder die Arbeit auf, mit zehn oder mehr Arbeitsstunden. Die Polizei unterstellte, die Bombe und die Ausschreitungen seien Teil einer gezielten Verschwörung von Anarchist:innen gewesen.
Obwohl nur bei einem Anarchisten Bomben und Bombenbau-Materialien gefunden wurden, und kein Zusammenhang zu den anderen hergestellt werden konnte, wurden scheinbar wahllos andere Anarchisten, darunter Redakteure der „Arbeiter-Zeitung“, verhaftet.
Sieben wurden zum Tode verurteilt, einer zu 15 Jahren Haft. Zwei der Todesurteile wurden später, mutmaßlich aus Angst vor neuen Aufständen, in lebenslange Haftstrafen umgewandelt.
Einer der zum Tode Verurteilten, der Bombenbauer Louis Lingg, beging in seiner Zelle Suizid. Vier – George Engel, der Gründer der „Internationalen Assoziation der Arbeitenden Menschen“ („schwarze Internationale“) Albert Parsons und die Redakteure der „Arbeiter-Zeitung“ August Spies und Adolph Fischer – wurden gehängt. Sie sollen auf dem Weg zum Galgen noch die Marseillaise gesungen und sich auf dem Schafott noch zum Anarchismus bekannt haben.
Die zweite Internationale beschloss den „Kampftag der Arbeiterbewegung“ im Andenken an diese fünf Märtyrer und die weiteren mindestens zehn, die im Mai 1886 bei den Arbeitskämpfen in Chicago ihr Leben ließen.
Es war gerade der unversöhnlichen Widerspruch zwischen Arbeiter:innen und Kapitalist:innen, der im Mai 1886 in den USA eskalierte. Kein „Tag der nationalen Arbeit“ und kein „Tag der Arbeit“ hätte ohne diese Ereignisse und ohne diesen Widerspruch existiert und doch verleugnen diese Bezeichnungen bewusst diesen Widerspruch. Dies ist der Ursprung des 1. Mai, wie er auch in der BRD Feiertag geblieben ist. Wer nicht diese Geschichte der Arbeiter:innenbewegung als die eigene anerkennt, braucht den 1. Mai nicht zu feiern.
Der 1. Mai ist zur internationalen Tradition geworden. Als solcher ist er nicht nur ein Gedenktag für die Märtyrer von 1886, sondern der wichtigste Jahrestag der linken Bewegung. Er ist ein Tag an dem wir die Macht unserer Bewegung und unserer Klasse demonstrieren. Er ist ein Tag an dem wir die aktuellsten und die allgemeinsten Forderungen auf die Straße tragen. Er ist ein Tag an dem Akteur:innen verschiedener Kämpfe, aus verschiedenen Hintergründen, sich verbinden um gemeinsam die Front, die uns eint und die Linie die uns von den herrschenden Zuständen trennt aufzuzeigen. Im Zuge dessen ist der 1. Mai auch immer wieder ein Moment, in dem sich sonst meidende Strömungen in Kontakt und Kritik treten und sich somit Profile schärfen um bestenfalls neue gemeinsame Perspektiven und neue Einheit zu entwickeln.
Begehen wir den 1. Mai als das, was er ist. Als den Kampftag der Arbeiter:innenbewegung. Als die Wiederbestätigung der Unversöhnlichkeit unserer Interessen mit denen des Kapitals. Kein Führer und kein Vaterland kann diese Realität ändern.
Gegen das Konstrukt von Volk, Nation und Rasse! Für uns gibt’s nur eins – Klasse gegen Klasse!
1.Mai-Veranstaltungen in Süddeutschland
Augsburg
10:00 Gewerkschaftshaus – Antikapitalistische Beteiligung an der DGB-Demo
14:00 Königsplatz – Revolutionäre Demo
Nach der Demo: Die Ganze Bäckerei – 1. Mai Fest
Frankfurt
18:00 Willy-Brandt-Platz – Revolutionärer Erster Mai
Freiburg
10:30 Stühlinger Kirchplatz – Antikapitalistischer Block auf der DGB-Demo
Gießen
10:30 Kirchenplatz – Revolutionärer / Antikapitalistischer Block auf der DGB-Demo
Göttingen
10:30 Platz der Synagoge – Klassenkämpferischer Block auf der DGB-Demo
Herrenberg
10:00 Bahnhofsvorplatz – Anreise zur DGB-Demo in Sindelfingen
Ingelheim
13:30 Sebastian Münster-Platz – Gegendemo gegen rechten 1. Mai
Ingolstadt
10:00 am Brückenkopf – Beteiligung an der DGB-Demo
13:00 am Stadteiltreff im Piusviertel – Revolutionäre Kundgebung
Karlsruhe
10:45 Marktplatz – Klassenkämpferischer Block auf der DGB-Demo
14:30 Schlossplatz – Revolutionäre Demo
Landau
11.00 Platz vor der Roten Kaserne (Marktstraße) – Beteiligung an der DGB-Demo
Danach gemeinsame Anreise zur revolutionären 1. Mai Demo in Karlsruhe
Mannheim
10:00 Gewerkschaftshaus – Antikapitalistischer Block auf der DGB-Demo
München
9:30 Agentur für Arbeit – Klassenkämpferischer Block auf der DGB-Demo
13:00 Rindermarkt – Revolutionäre Demo
Nürnberg
11:30 Bauerngasse Ecke Gostenhofer Hauptstraße – Demonstration
14:30 Müllnerstraße – Straßenfest
Regensburg
13:00 Bahnhofsvorplatz – Demonstration
14:30 Donaumarkt – Straßenfest
Reutlingen
10:30 Bürgerpark: DGB-Demo
Schwenningen
12:30 Schwenningen Bahnhof – Demonstration
Stuttgart
10:00 Marienplatz – Antikapitalistischer Block auf der DGB-Demo
11:30 Schlossplatz – Revolutionäre 1. Mai-Demo
14:00 Linkes Zentrum Lilo Herrmann – Internationalistisches 1. Mai Fest
Tübingen
10:30 Uhr, Europaplatz: DGB-Demo + antikapitalistische Beteiligung
Waiblingen
10:00 Stihl Werk – Antikapitalistischer Block auf der DGB-Demo
Würzburg
11:45 Bahnhofsvorplatz – Anreise zum Protest gegen Tag der offenen Tür des „dritten Wegs“ in Schweinfurt