„Bürgerdialog“ in Tamm – Rassisten entpuppen sich!
Am 15. September fand in Tamm eine als „Bürgerdialog“ angekündigte Veranstaltung der Bürgerinitiative gegen den LEA-Neubau („BI GGLATA“) statt. Wir waren vor Ort und haben bei der Live-Übertragung auf den Marktplatz Flugblätter verteilt und sowohl dort, als auch mit Anwohner:innen, die bewusst nicht zu BI-Veranstaltungen gehen, Gespräche geführt. Außerdem waren wir im Saal und haben das knapp zweistündige, von der BI vorbereitete Bühnenprogramm und die anschließende etwa einstündige Fragerunde miterlebt und im Nachgang ausgewertet.
Daraus ist der folgende umfangreiche Einschätzungstext entstanden, der zu dem Schluss kommt: Die im Frühjahr noch breitere Palette an Argumenten gegen den LEA-Bau wird von der BI und den Menschen, die sich von ihr mobilisiseren lassen, mittlerweile nur noch halbherzig und vordergründig weiter bedient – Tenor des Bürgerdialogs war ein Blick auf geflüchtete Menschen als „Sicherheitsrisiko“ und damit rassistische Zuschreibungen!
Das hat konkret zwei langfristige Folgen: Erstens werden die Leidtragenden dieser rassistischen Politik am Ende die geflüchteten Menschen sein – die für all die Probleme rund um den LEA-Neubau mit Sicherheit am wenigsten können. Und zweitens stärkt diese Politik – ob gewollt oder nicht – rechte Kräfte, die ideologisch genau dafür gewappnet und mit einem entsprechenden Erfahrungsschatz ausgestattet sind.
Für uns als Antifaschist:innen der Region bedeutet das in praktischer Konsequenz, dem Treiben der „BI GGLTA“ nicht länger zuzuschauen, sondern: Ihren Rassismus zu demaskieren, öffentlichen Gegenwind zu organisieren und ihrer weiteren Hetze aktiv entgegenzutreten!
Hier findet ihr die Analyse auch im PDF-Format.
„Bürgerdialog“ in Tamm: Rassisten entpuppen sich!
Eine Einschätzungen zum „Bürgerdialog“ der Bürgerinitiative gegen den LEA-Bau zwischen Tamm und Asperg vom 15.09.23
Seit einigen Monaten wird in Tamm und Umgebung über den Bau einer Landeserstaufnahmestelle für Geflüchtete (LEA) diskutiert. Eine eigens gegründete Bürgerinitiative „Gemeinsam gegen LEA Tamm-Asperg“ (BI GGLTA) organisierte bereits verschiedene Protestformate.
Eine erste Einschätzung (https://aabstgt.wordpress.com/2023/05/22/einschatzung-zu-den-protesten-gegen-die-geplante-lea-in-tamm-asperg/) zur Lage vor Ort haben wir im Nachgang der zweiten BI-Veranstaltung im Mai 2023 getroffen. Seit der Veröffentlichung dieser Einschätzung hat sich in Tamm/Asperg und im Umfeld der Bürgerinitiative „GGLTA“ einiges getan. Mit diesem Text möchten wir unsere Einschätzung schärfen und in Teilen korrigieren. Anlass dazu bot vor allem ein von der BI veranstalteter „Bürgerdialog“, der am 15.09.23 im Bürgersaal Tamm stattgefunden hat.
Gleich vorweg: Bei dieser Veranstaltung handelte es sich weniger um einen Bürgerdialog im Sinne eines offenen Austauschs, sondern vielmehr um eine orchestrierte Propaganda-Veranstaltung der Bürgerinitiative „GGLTA“. Die im Frühjahr noch breitere Palette an Argumenten gegen den LEA-Bau wurde dabei nur noch halbherzig weiter bedient, Tenor war der Blick auf geflüchtete Menschen als „Sicherheitsrisiko“ – eine letztlich rassistische Zuschreibung.
1. Der Rahmen
Organisiert wurde der „Bürgerdialog“ nicht etwa von der Gemeinde Tamm, sondern ausschließlich von der „Bürgerinitiative GGLTA“, dem führenden Akteur des Widerstandes gegen die LEA-Pläne. Bei der ca. dreistündigen Veranstaltung im „Bürgersaal“ Tamm fanden sich ca. 200 Personen im Saal ein, eine ähnliche Menge verfolgten die Live-Übertragung auf dem Marktplatz.
Die Veranstaltung war dabei technisch gut organisiert. Die BI kann sich auf ein Technik-Team und hochwertige Ausrüstung verlassen. Zusätzlich wurde die Veranstaltung, wie bereits bei früheren Bürgerinitiativen-Events, von einer Sicherheitsfirma begleitet.
Das naturgemäß von den Organisator:innen zusammengestellte Podium des Abends dominierte die BI bereits zahlenmäßig. Es setzte sich wie folgt zusammen:
- Andreas Weiser als „Moderator“ von der Bürgerinitiative
- Peter Erdl als „Naturschutzbeauftragter“ von der Bürgerinitiative
- Holger Schnabel als „Baurechts-Experte“ von der Bürgerinitiative
- Thomas Frey zum „Konzept LEA“ von der Bürgerinitiative
- Mirjam Spiegel vom „AK Frauen“ der Bürgerinitiative
- Martin Bernhard, Bürgermeister von Tamm (parteilos)
- Christian Eiberger, Bürgermeister von Asperg (parteilos)
- Sonja Hanselmann-Jüttner, Gemeinderätin in Tamm (SPD)
- Günter Pfersich, Gemeinderat in Asperg (Freie Wähler)
Ein Platz blieb symbolisch leer, da Vertreter:innen der Landesregierung, insbesondere Ministerpräsident Kretschmann, trotz Einladung nicht erschienen waren.
Nicht nur was die reine Zahl an Vertreter:innen auf der Bühne betrifft, spielte die BI ihre Vorteile aus, auch „Moderator“ Andreas Weiser nahm eher die Rolle eines lenkenden Sprachrohrs der BI ein.
2. „Die Eröffnung des Abends“ – Ein Bürgerdialog entpuppt sich als Propagandaveranstaltung
Eröffnet wurde der „Bürgerdialog“ mit einem Video, das die bisherige Aktivität der BI durch einen Beitrag des SWR-Fernsehens präsentierte. Die Passage „Dies ist ein Protest aus der Mitte der Gesellschaft“ des Beitrags wurde von Moderator Andreas Weiser (BI) anschließend erneut aufgriffen, um die Bürgerinitiative als die vermeintliche „Mitte“ und „politisch neutral“ darzustellen. Dass die BI alles andere als politisch neutral ist, haben wir bereits im Zuge unserer ersten Einschätzung im Mai herausgestellt, machten diverse BI-Kundgebungen über Sommer deutlich und bestätigte sich auch im Laufe des Abends weiter.
Erstens erteilt die BI (zur Wahrung ihres Images) zwar offen rechten Akteur:innen, wie der AfD oder ihrer Jugendorganisation, eine Absage, interessiert sich aber nicht weiter für Menschen mit klar rechtsradikalen und teilweise verbotenen Tätowierungen oder mit Kleidung rechter Szenemarken auf ihren Kundgebungen und Festen. Und zweitens unterscheiden sich manche Reden der „BI GGLTA“ in Inhalt und Form kaum von denen rechter Politiker:innen.
Das zeigte sich auch beim Bürgerdialog am 15. September. Vordergründig sollte es um einen „neutralen Austausch von Argumenten“ und um die Beantwortung von Fragen rund um den LEA-Bau gehen. Tatsächlich reihte sich die Saal-Veranstaltung in bisherige Kundgebungen und war vor allem eine vorbereitete Stimmungsmache, nicht nur gegen die LEA-Pläne sondern an vielen Stellen auch gegen Geflüchtete per se.
Im Anschluss folgte die Vorstellung der oben bereits genannten Podiumsteilnehmer:innen. Die entsprechend hervorgehobenen Absagen von Ministerpräsident Kretschmann, dem Ludwigsburger OB Knecht und zwei Abgeordneten des Landtags wurden vom Publikum mit „Buh“-Rufen und anderweitigen Unmutsbekundungen beantwortet.
Als erstes gestattete sich die BI selber das Wort, um ihre Arbeit der letzten Monate vor- und herauszustellen: Aus den Kundgebungen und einem Sommerfest mit bis zu 1500 Teilnehmenden und aus einer Petition gegen den LEA-Bau mit knapp über 8000 Unterschriften „aus der Region“ leitete die BI ab, eine „Allgemeine Bürgervertretung“ zu sein. Die Gemeinden Tamm und Asperg alleine kommen auf ca. 25.000 Einwohner:innen. Selbst nach mehreren Monaten des Unterschriften-Sammelns lässt sich aus diesen Zahlen für uns kein allgemeiner Vertretungsanspruch erkennen.
3. „Die Interkommunale Gemeinderatsinitiative“
Die interkommunalen Gemeinderatsinitiative (IGI) besteht aus allen Gemeinderät:innen von Tamm und Asperg, die den Bau einer LEA auf dem Schanzacker tatsächlich geschlossen ablehnen. Die IGI war auf dem Podium in Form zweier Gemeinderät:innen vertreten und präsentierte ihre Forderungen an die Landesregierung, die sich inhaltlich allerdings von denen der Bürgerinitiative „GGLTA“ unterscheiden. So betont die IGI größtenteils ökologische Aspekte, wie den Erhalt des Schanzackers als unversiegelte Grünfläche, Frischluftschneise und Naherholungsgebiet, sowie den Wert als freie Blickachse auf den Hohen-Asperg. Aber auch Argumente zur Infrastruktur, z.B. eine zunehmende Verkehrsbelastung und erwartete hohe Kosten für neu zu schaffende Infrastruktur im Falle eines nahe gelegenen LEA-Standortes spielten eine Rolle. Nicht zuletzt äußerten die IGI-Vertreter:innen jedoch auch die Befürchtung fehlender Akzeptanz aus der Bevölkerung zur Aufnahme Geflüchteter.
So nachvollziehbar bzw. richtig die Kritik an der Bebauung des Schanzackers, am „System LEA“ und an einer (in Tamm/Asperg sehr greifbaren) Landespolitik über die Köpfe der Menschen hinweg ist, so wenig ist es die Austragung dieser auf dem Rücken von Geflüchteten!
Mit der engen Zusammenarbeit und aktiven Unterstützung der „Bürgerinitiative GGLTA“ bestärkt die IGI allerdings genau das und fördert letztlich rassistische Stimmungsmache.
Generell entsteht der Eindruck, dass sich die IGI und damit die Kommunalpolitik vor Ort durch die Arbeit der BI stark treiben lässt. Dadurch gewinnt die BI an politischem Einfluss und wird als „Bürgervertretung“ zusätzlich legitimiert.
Was bleibt: Am Ende hat die IGI kein Problem damit, auf der selben Bühne zu sitzen, von der rassistische Zuschreibungen geäußert werden und auf Veranstaltungen zu sprechen, die Angst schüren, Hetze betreiben und in deren Publikum Personen mit eindeutig rechter Symbolik zu sehen sind.
4. „Der AK-Frauen der BI“ – Instrumentalisierung von Gewalt an Frauen
Auf dem Podium war auch eine Vertreterin des neugegründeten „AK Frauen“ der Bürgerinitiative anwesend. Motiviert ist dieses neueste Projekt der BI aus ebenfalls rassistischen Zuschreibungen: Geflüchtete als potentielle Vergewaltiger und als Sicherheitsrisiko für Frauen – im angeblichen Gegensatz zu weißen, deutschen Männern.
Im O-Ton hört sich das wie folgt an: „Es ist kein Geheimnis, dass Männer anderer Kulturen das Bild der Frau für sich entsprechend definieren. Dieses Bild ist durch kulturelle Normen, Werte und Traditionen ihrer Herkunftsgesellschaft beeinflusst“.
Dadurch schreibt die Bürgerinitiative Geflüchteten nicht nur kollektive Eigenschaften zu, ihnen wird unterstellt ein rückständiges Frauenbild zu vertreten. Obendrein verkennt die BI dadurch, dass patriarchale Gewalt ganz unabhängig von Geflüchteten ein reales Problem ist – und dass die Täter im Übrigen häufig die eigenen Partner sind oder aus dem nahen persönlichen Umfeld kommen.
Mit der Instrumentalisierung von Gewalt gegen Frauen ist die BI GGLTA nicht alleine: In den letzten Jahren waren es vor allem rechte und faschistische Kräfte, wie die „Identitäre Bewegung“, die dieses Argumentationsmuster vollführten. Ein Beispiel sind die regelmäßigen rechten Aufmärsche im pfälzischen Kandel nach einem Femizid 2016.
Stand heute ist uns zwar kein Kontakt und keine Zusammenarbeit zwischen Bürgerinitiative und organisierten rechten Kräften bekannt, was die – jüngere – inhaltliche Stoßrichtung betrifft, gibt es aber diverse Überschneidungen.
Für eine weiterführende Analyse zu diesem Thema können wir den folgenden Text empfehlen: https://antifa-info.net/hintergrund/reaktionaeres-frauenbild/
5. „Die Flächennutzungs-Frage“ – Dramatisierung statt Fakten
Ein weiterer inhaltlicher Punkt während des Bürgerdialogs war die Frage der Flächennutzung bzw. der geplanten Bebauung. Dabei wurde kein Unterschied gemacht zwischen tatsächlichen Fakten und reiner Spekulation: Nachdem die BI einen möglichen Bebauungsplan des Schanzackers vom Land Baden-Württemberg vorstellte, folgten ohne konkrete Anhaltspunkte dafür zu haben aus der Luft gegriffene Mutmaßungen, z.B. über eine Verdopplung oder gar Verdreifachung der geplanten Bewohner:innenzahl – offensichtlich mit dem Ziel im Publikum Stimmung zu machen.
6. „Umweltschutz“ – Warum nicht, wenn es doch in die Agenda passt?
Die Bürgerinitiative versucht weiterhin – und so auch im Zuge des Bürgerdialogs – sich als Umweltschützer:innen darzustellen. Wie schon vergangene Veranstaltungen hat auch der Abend des 15. September erneut gezeigt, dass Umweltaspekte für die BI und die meisten der anwesenden Besucher:innen lediglich vorgeschobene Argumente sind, um die Ablehnung des LEA-Baus thematisch breiter zu legitimieren. So muss der „Steinkauz“ herhalten, um den eigenen Rassismus „grün“ zu waschen.
Bemerkenswert ist auch, dass das Thema zwar durch einen BI-„Umweltschutzexperten“ präsentiert wurde, im Verlauf der Veranstaltung und vor allem der anschließenden Fragerunde war davon allerdings nichts mehr zu hören und auch besagter „Umweltexperte“ driftete in seinen Beiträgen mehr in rassistische Zuschreibungen ab, als über Naturschutz zu sprechen!
7. „Kritik am LEA-Konzept“ – purer Etikettenschwindel
Der letzte inhaltliche Punkt des Vortrag-Teils war angekündigt als Auseinandersetzung mit dem ‚LEA-Konzept‘. Wer allerdings vermutet, dass die Kritik an der geplanten Bebauung des Schanzackers über Fremdenfeindlichkeit hinaus geht, wurde auch hier enttäuscht. Als ‚System LEA‘ werden nicht die schlechten Zustände für Geflüchtete innerhalb der Massen- und Massenabfertigungs-Unterkünfte kritisiert, sondern letztlich wieder mal die Existenz eben dieser Menschen an LEA-Standorten.
Es handelt sich hier also nicht wirklich um einen neuen inhaltlichen Punkt, sondern lediglich um ein Aufwärmen all der bereits hoch- und runter gebeteten sogenannten „Sicherheitsaspekte“.
8. „Offene Fragerunde zum Abschluss“ – die Maske fällt vollends!
Nach Abschluss des Infoblocks folgte noch das, was der Kern eines Bürgerdialogs ist: Eine offene Frage und Diskussionsrunde. Die meisten Fragen richteten sich an die beiden Bürgermeister von Tamm und Asperg, sicherlich aus dem Gedanken heraus, dass sie die meisten internen, nur auf Nachfrage zu erlangende Informationen rund um die Bebauung besitzen.
Beide Bürgermeister zeigten sich im Zuge ihrer Antworten auf verschiedene Fragen als Gehilfen der BI. Sie stellten sich politisch wohl sehr bewusst auf die Seite der gastgebenden Initiative und damit dezidiert gegen den Ludwigsburger OB Knecht und die Landesregierung. Unserer Auffassung nach versuchen sie so politischen und persönlichen Profit aus der aktuellen Dynamik rund um das Thema zu schlagen. Mit ihrem Handeln, nicht nur am Abend des 15. September, geben sie der BI allerdings weitere politische Legitimität und stärken ihren Einfluss, ohne ihre Positionen mutmaßlich vollständig zu teilen. Im Verlauf des Bürgerdialogs versuchten sie durchaus immer wieder, die Stimmung nicht zu weit entgleisen zu lassen bzw. wieder einzufangen – sicherlich aber vor allem, um ihr bürgerliches Gesicht zu wahren, denn aus politischer Überzeugung.
Im Ergebnis stellen sie sich defakto hinter die Bürgerinitiative und deren Rassismus.
Grundsätzlich ließen sich in der Fragerunde zwei inhaltliche Hauptschwerpunkte erkennen:
- Fragen zur Finanzierung
Bei diesen Fragen wurden sehr leichtfertig Zahlen und Fakten durch den Raum geworfen, ohne dass diese eine erkennbare reale Grundlage hätten. Sowohl die Fragenden, als auch der „Baurechtsexperte“ Holger Schnabel und in Teilen sogar die Bürgermeister spekulierten mit immer mehr erfundenen Zahlen oder Annahmen. Beispielsweise klang es zwischenzeitlich so, als müssten die Bürger:innen der Gemeinde alleine für die Kosten des Baus aufkommen – was so ernst genommen wurde, dass es empörendes Raunen und Buhrufe nach sich zog.
Davon abgesehen ging es auch hier weniger um die Kosten an sich. Vielmehr störten sich die fragenden Bürger:innen daran, dass sie für Menschen zahlen müssen, die „zu ihnen kommen“. Auch hinter den meisten dieser Fragen steht also eine rassistische Blickweise. - Fragen zur Sicherheitslage
Die meisten Fragen und Beiträge des Abends drehten sich um das Thema „Sicherheit“. Der Tenor ist hier sinngemäß: „Wo Geflüchtete auftauchen wird es unsicher und die Kriminalität steigt“ und „Die Fremden haben eine, mit unserer Lebensweise völlig unvereinbare Sicht- und Denkweise, besonderes wenn es um Frauen geht.“
Immer wieder wurden in Kommentaren oder anekdotenhaften Erzählungen rechte Narrative verwendet und der bis dato eher verdeckte Rassismus offen greifbar.
Im Zuge der Fragerunde heizte sich die Stimmung immer wieder stark auf. Durch das geschickte Einwirken der anwesenden Bürgermeister und Gemeinderäte blieb eine völlige Entgleisung des Abends allerdings aus.
Besonders auffällig war lediglich der Redebeitrag eines Mannes, der sich nicht nur rhetorisch von anderen Beiträgen aus dem Publikum abhob, sondern auch einen sehr bewussten Versuch der inhaltlichen Zuspitzung darstellte. Er sprach davon, einem „Kampf für seine Heimat zu führen“, dass es darum gehe „Deutschland vor dem drohenden Untergang zu schützen“ und dass „sich das Volk nicht länger weichkochen lassen dürfe“. Geschickt griff er soziale Fragen, wie das steigende Renteneintrittsalter, auf, um Geflüchtete und Deutsche gegeneinander auszuspielen. Auch griff er die Themensetzung der BI mit der Gründung des AK-Frauen und die „Sicherheitsfrage“ auf. Am Ende wurde er ganz praktisch, rief das Publikum – unter tosenden Beifall – zu zivilem Ungehorsam auf, und brachte als Idee für den Fall einer Bebauung eine Besetzung des Schanzackers ins Spiel.
Auch wenn der Beitrag bei den anwesenden Bürgermeistern sichtlich für Unbehagen sorgte, blieb er doch sowohl von ihnen, als auch von der BI-„Moderation“ unkommentiert stehen. Das zeigt, dass die BI entgegen dem mutmaßlichen Selbstbild durchaus als Nährboden und konkrete Plattform für rassistische und rechte Politik genutzt werden kann!
Positionen, die diesen rassistischen Narrativ widersprechen, sich solidarisch mit Geflüchteten zeigen oder eine klare Abgrenzung der Bürgerinitiative von Rechts fordern, wurden auf der Veranstaltung hingegen nicht akzeptiert, vom Publikum ausgebuht und von der „Moderation“ – als einzige Beiträge des kompletten Abends! – unterbrochen.
9. Fazit
Der Bürgerdialog hat offengelegt, dass Rassismus die Antriebskraft hinter der lokalen Bewegung gegen den LEA-Bau geworden ist oder schon immer war.
Wo anfangs noch nachvollziehbare Argumente, wie Flächenversiegelung, Frischluftschneisen und eine mangelnde Einbeziehung der Menschen vor Ort in Entscheidungsfindungen auf Landesebene, angeführt wurden, offenbart sich nun eine rassistische Sichtweise auf Geflüchtete als Kern der Sache.
Und in Bezug auf die „Bürgerinitiative GGLTA“, die als organisatorischer Kern dieser Bewegung fungiert, kommt zur im Kern rassistischen Motivation noch das aktive Moment des Schürens von Ängsten und Abwehrhaltungen.
Das hat konkret zwei langfristige Folgen: Erstens werden die Leidtragenden dieser Politik am Ende die geflüchteten Menschen sein – die für all die Probleme rund um den LEA-Neubau mit Sicherheit am wenigsten können. Und zweitens stärkt diese Politik – ob gewollt oder nicht – rechte Kräfte.
Da werden keine (halbherzigen) Distanzierung und kein „Ausladen“ der AfD von BI-Veranstaltungen etwas dran ändern: Rechte Parteien und Organisationen sind ideologisch genau dafür gewappnet und mit einem entsprechenden Erfahrungsschatz ausgestattet, weshalb sie immer von rassistischer Stimmung und rassistisch motivierten Bewegungen profitieren werden.
Für uns als Antifaschist:innen der Region bedeutet das in praktischer Konsequenz, dem Treiben der „BI GGLTA“ nicht länger zuzuschauen, sondern: Ihren Rassismus zu demaskieren und vor ihrer Politik zu warnen, sowie öffentlichen Gegenwind zu organisieren und ihrer weiteren Hetze aktiv entgegenzutreten!
Weder in Asperg, noch in Tamm – weder am 22. Oktober noch in Zukunft: NEIN zu Rassismus! Solidarität statt Spaltung!