Ultrarechter „Anarchokapitalist“ als Präsident

Bei der Stichwahl der Präsidentschaftswahl in Argentinien hat sich der ultrarechte Kandidat Milei durchgesetzt. Er will den Sozialstaat in Zeiten starker Wirtschaftskrise stark abbauen und „Ideen der Freiheit“ aufleben lassen. Den politischen Widerstand warnt er, gegen Gesetze zu verstoßen.

Am Sonntag den 19. November fand in Argentinien die Stichwahl um das Amt des Präsidenten statt. Der sich selbst als „Anarchokapitalist“ bezeichnende Kandidat Javier Milei des Wahlbündnisses “La Libertad Avanza” konnte die Wahl mit etwa 56% der Stimmen für sich entscheiden. Der ehemalige Wirtschaftsminister Sergio Massa kam damit auf etwa 44%, nachdem er sich im ersten Wahlgang noch mit knapp 37% an die Spitze setzen konnte.

Im ersten Wahlgang hatte die Kandidatin Patricia Bullrich des rechten Wahlbündnisses “Juntos por el Cambio” mit 23% den dritten Platz erreicht. Bei der Stichwahl konnte nun Milei mit diesen Stimmen rechnen. Der große Vorsprung Mileis von fast 12% überraschte viele aber trotzdem, da die Wahlumfragen deutlich knapper ausgefallen waren.

Der geschlagene Präsidentschaftskandidat Massa gratulierte seinem Konkurrenten zum Sieg, „denn die Mehrheit der Argentinier hat ihn gewählt“. Aus den USA kamen schnell Glückwünsche vom ehemaligen Präsidenten Donald Trump. Auch das Weiße Haus gratulierte zum Sieg: „Wir freuen uns auf den Ausbau unserer starken bilateralen Beziehungen, die auf unserem gemeinsamen Engagement für Menschenrechte, demokratische Werte und Transparenz beruhen.“

Nach der Verkündung der Wahlergebnisse erklärte Milei: “Heute endet das Modell des allgegenwärtigen Staates, das nur einigen wenigen zugute kommt, während die Mehrheit der Argentinier darunter litt. Heute umarmen wir wieder die Ideen der Freiheit.”

Die Ziele, mit denen er im Wahlkampf warb, waren unter anderem die Abschaffung der argentinischen Zentralbank und einiger Ministerien. Daneben sollen die Sozialausgaben drastisch gekürzt werden. Dies kommt in einer Zeit, in der die wirtschaftliche Lage für die Arbeiter:innen in Argentinien extrem zugespitzt ist. Im Oktober 2023 kletterte die Inflationsrate in Argentinien auf 142,7% gegenüber dem Vorjahresmonat. Etwa 40% der Argentinier:innen leben unterhalb der Armutsgrenze.

Wendung in der geostrategischen Ausrichtung?

Auch in der Außenpolitik will der neue Präsident einen anderen Kurs einschlagen. Im Frühjahr 2022 verstärkte Argentinien unter Präsident Alberto Fernandez noch seine Beziehungen zu Russland und China im Rahmen des „Belt and Road“-Projekts (auch bekannt als „Neue Seidenstraße“). Im August diesen Jahres war Argentinien dann in das Bündnis der sogenannten BRICS-Staaten aufgenommen worden. Das Bündnis – von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika angeführt – versucht, einen Gegenpol zu imperialistischen Zusammenschlüssen des Westens wie den G7 darzustellen.

Doch auch innerhalb der BRICS-Staaten gibt es widersprüchliche Interessen und Positionen. Während China und Russland deutlich offener als Gegner:innen des Westens auftreten, halten sich andere Staaten zurück, um sich weitere Türen offen zu halten. Im Falle Argentiniens spielt die Präsidentschaftswahl dabei eine wichtige Rolle. Milei will sich deutlich stärker an den Westen, besonders die USA anlehnen, unter anderem durch seine Forderung nach der Einführung des US-Dollars als gesetzliches Zahlungsmittel in Argentinien.

Wie geht es weiter?

Es bleibt abzuwarten, inwiefern der neue Präsident Milei seine verschiedenen Forderungen tatsächlich durchsetzen kann. Der Gesetzgebungsprozess läuft grundsätzlich über den Nationalkongress, der aus dem Senat und der Abgeordnetenkammer besteht. Ein Teil der beiden Kammern wurde im Oktober gewählt, wobei die beiden rechten Wahlbündnisse an Stärke gewinnen konnten. Das Wahlbündnis “Unión por la Patria” um den Präsidentschaftskandidaten Massa verlor dabei seine absolute Mehrheit.

Der Präsident stellt zwar nur die Spitze der Exekutive, also der ausführenden Organe dar. Allerdings gibt es für ihn die Möglichkeit, per Dekret eine gesetzgebende Rolle einzunehmen. Ein ähnliches System gibt es in den USA, in denen auch in den letzten Jahren Donald Trump und Joe Biden immer wieder versuchten, eigene Gesetze per Rechtsverordnungen am Kongress vorbei durchzusetzen.

Die linke Bewegung kündigte bereits Widerstand gegen die Politik des neuen Präsidenten an. So schrieb Poder Popular: „In diesen schwierigen Zeiten rufen wir zum Aktivismus auf, um die Organisation zu verdoppeln, die Reihen zu schließen und den Widerstand aufzubauen, der es uns ermöglicht, diese Zeit zu überstehen. Im Widerstand werden wir die Zukunft aufbauen, die wir verdienen.“

Doch Milei selbst äußerte sich bereits kurz nach der Wahl auch zu möglichen Protesten: „Wir wissen, dass es Leute geben wird, die Widerstand leisten werden, die dieses System aufrechterhalten wollen, das Privilegien für einige bietet, aber die Mehrheit verarmen lässt. Ich sage ihnen Folgendes: Alles, was im Gesetz steht, ist erlaubt – aber nichts, was außerhalb des Gesetzes steht.“


Perspektive – Zeitung für Solidarität und Widerstand” will den bürgerlichen Medien, die in ihrer vorgeblich „neutralen“ Berichterstattung immer den Status-Quo normalisieren und damit – mal bewusst und mal versehentlich – die Perspektive der Kapitalist:innen vertreten, eine Zeitung entgegenstellen, welche gezielt die Perspektive „der ArbeiterInnen, Angstellten, Frauen, Jugendlichen, Migranten und RentnerInnen“ und ihrer Widerstandskämpfe hervorhebt.

Die Genoss:innen schreiben immer wieder gut recherchierte Analysen, auch aber nicht nur über die extreme Rechte, also schaut auf jeden Fall mal vorbei!