Kundgebung, Bannerdrop, Straßenumbenennung: Erinnerung an Oury Jalloh

Im Februar letzten Jahres, über 18 Jahre nachdem Oury Jalloh rechtswidrig festgenommen und im Dessauer Polizeigewahrsam schwer misshandelt und verbrannt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Einstellung aller Ermittlungen in Sachsen-Anhalt nachvollziehbar und somit rechtens und verfassungskonform sei. Damit hat nun auch die höchste Instanz der deutschen Justiz den Mord und das Verbrennen eines Menschen durch Polizeibeamte – entgegen aller Fakten und Beweismittel – negiert und das Opfer selbst zum Täter gemacht.

Im Juli letzten Jahres reichte der Bruder von Oury Jalloh, Mamadou Saliou Diallo, mit Unterstützung der »Initiative in Gedenken an Oury Jalloh« Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ein.

Im Fall von Oury Jalloh gab es bis heute keine effektiven und angemessenen Untersuchungen der Todesumstände. Die Ermittlungen wurden einseitig geführt und schlossen eine Beteiligung Dritter kategorisch aus. Zentrale Fragen wurden nicht beantwortet. Wichtige Beweismittel wurden nicht sichergestellt, nicht hinreichend untersucht oder sogar vernichtet.

Wir fragen uns, warum dieser Fall gesellschaftlich so wenig Aufmerksamkeit erhält, denn spätestens seit der Selbstenttarnung des NSU oder der Aufdeckung rechter Netzwerke innerhalb der Polizei und Bundeswehr dürfte doch klar sein, dass diese Behörde ein eindeutiges Problem mit sich herumschleift. Kombiniert man diese „Einzelfälle“, so wird die Arbeit der Polizei kontinuierlich von rassistischen Denkmustern und Handlungen geprägt.

Wir als Offenes Antifa Treffen erachten eine Darstellung der Widersprüche des polizeilichen und politischen Skandals rund um den Mord an Oury Jalloh gerade aus heutiger Perspektive als wichtiger denn je. Das Erstarken der AfD ermutigt rechte Gewalttäter:innen immer öfter, ihre menschenverachtende Ideologie gegen Menschen, welche nicht in ihr Weltbild passen, in die Tat umzusetzen. In der heutigen Zeit sind also Vertuschungen durch staatliche Institutionen ohne entsprechende Gegenöffentlichkeit leichter durchzuführen.

Es liegt an uns allen, die Gesellschaft zu sensibilisieren, damit ein derart skandalöser Fall nicht wieder passiert und die Täter:innen überführt werden. Der Mordfall Oury Jalloh zeigt, dass Polizeigewalt über Jahre ungestraft bleibt und von Staatsanwält:innen und Richter:innen mit den absurdesten Thesen gedeckt werden. Ohne die Initviative Oury Jalloh wäre der Fall bereits 2008 in den Archiven der Ermittlungsbehörden verschwunden.

Gegen die Vertuschung von Polizeigewalt.

Gegen den Rassismus in Dessau und überall.

Dafür, dass die Justiz anerkennt: Oury Jalloh – das war Mord!

Veröffentlicht vom OAT Freiburg unter „300 Personen bei Kundgebung zum 19. Todestag von Oury Jalloh


Das OTFR Tübingen erinnerte ebenfalls mit Aktionen an den Mord an Oury Jalloh:

19 Jahre ist es her, dass Oury Jalloh am 07.01.2005 in einer Gefägniszelle in Dessau von deutschen Polizisten ermordet und – an Händen und Füßen gefesselt – verbrannt wurde.

Mit einem Bannerdrop in der Tübinger Innenstadt und einer Straßenumbenennung an der Steinlach erinnern und gedenken wir ihm heute. Der rassistische Mord an Oury Jalloh darf nicht in Vergessenheit geraten – egal, wie sehr Cops und Justiz ihn vertuschen wollen.

Was vor 19 Jahren in Dessau passiert ist, ist kein Einzelfall: Allein seit 1990 gab es in Deutschland fast 200 rassistisch motivierte Morde durch die Bullen – und das sind nur die Fälle, die dokumentiert sind. Dass in Mannheim nun erneut ein migrantischer Mann in einer psychischen Ausnahmesituation durch die Cops ermordet wurde, zeigt das nur wieder einmal allzu deutlich. Rassismus hat im kapitalistischen Staat System. Er dient dazu, unsere Klasse zu spalten, die herrschenden Verhältnisse aufrecht zu erhalten und die Überausbeutung von Migrant*innen und marginalisierten Gruppen zu gewährleisten – Rassismus ist also ein Spaltungs- und Unterdrückungsmechanismus.

Auf den Staat und seine Justiz und Sicherheitsbehörden können wir uns im Kampf gegen Rassismus nicht verlassen – im Gegenteil: Die Polizei als bewaffnete Staatsgewalt hat in erster Linie die Funktion, die bestehenden Herrschaftsverhältnisse und damit den kapitalistischen Staat und das Privateigentum zu schützen. Sie schützt also nicht die Menschen, sondern kapitalistische Interessen.

Da überrascht auch die Verhinderung jeglicher konsequenten Aufklärung der genauen Umstände des Mordes an Oury Jalloh durch Justiz und Polizei nicht: Seine Mörder*innen wurden noch heute nicht für ihre Tat belangt. Erst das unerbittliche Eintreten und der Kampf um Aufklärung durch die Angehörigen und Initiative „Break the Silence“ hat die Öffentlichkeit auf die gewaltsamen Umstände von Oury Jallohs Ermordung aufmerksam gemacht.

Als Antifaschist*innen ist es unsere Aufgabe, uns gegen Rassismus und rassistische Polizeigewalt zur Wehr zu setzen. Wir müssen antifaschistisch und antirassistisch aktiv werden – Seite an Seite mit von Rassismus Betroffenen.

Dafür braucht es auch eine inhaltliche Auseinandersetzung damit, was Rassismus überhaupt ist, welche Funktion er hat und wie Rassismus und Polizei im kapitalistischen System zusammen hängen. Dazu haben wir schon im Sommer eine Broschüre über rassistische Polizeigewalt veröffentlicht, die online abrufbar (Rassistische Polizeigewalt – Ein Überblick) oder im Linken Laden Trude Lutz ausgelegt ist.

Damals wie heute: Erinnern heißt kämpfen! Rassismus gemeinsam entgegentreten!

Die Broschüre „Rassistische Polizeigewalt“ des OTFRs findet ihr unter folgendem Link: https://otfr.noblogs.org/post/2023/05/25/4584/