Das Aushängeschild der Kommunistischen Partei. Vor 100 Jahren wurde der Rotfrontkämpferbund gegründet
Mit der Niederschlagung des Hamburger Aufstands und der Absetzung der Arbeiterregierungen in Thüringen und Sachsen 1923 endete die Periode der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland. Politisch hatte die deutsche Arbeiterbewegung eine schwere Niederlage zu verkraften. Hoffnungen, die 1918/1919 von der deutschen Bourgeoisie und den rechten Sozialdemokraten abgewürgte Novemberrevolution bald zum Abschluss zu bringen, hatten sich vorerst zerschlagen. Die KPD wurde verboten (bis März 1924), zahlreiche Mitglieder waren verhaftet oder mussten in den Untergrund gehen. Es regierte der Zentrumspolitiker Wilhelm Marx in einer Koalition mit der Deutschen Volkspartei (DVP) und der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) – allerdings bis Ende Februar 1924 unter einer Notstandsverordnung (bis 28. Februar 1924) des Reichspräsidenten Friedrich Ebert, mit der die Republik unter die vollziehende Gewalt des Generals Hans von Seeckt gestellt wurde. Die Bourgeoisie nutzte diese Gemengelage, um ihren politischen Sieg in einen ökonomischen Vorteil umzumünzen: Die Inflation von 1923 diente als Vorwand für eine aggressive Sparpolitik, die Arbeiter, Angestellte und kleine Gewerbetreibende weiter ins Elend trieb. Von seiten der SPD (bis einschließlich 1924 »Vereinigte Sozialdemokratische Partei Deutschlands«) und dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) kam es lediglich zu verbalradikalen Protesten gegen Marx’ Politik.
Auch nach Aufhebung des KPD-Verbots ebbten die Angriffe auf die Partei nicht ab, Mitglieder wurden verhaftet, Demonstrationen, Zeitungen und Veranstaltungen immer wieder verboten. Die Polizei ging mit äußerster Härte gegen die kommunistische Arbeiterbewegung vor. Flankiert wurde dieser staatliche Terror von paramilitärischen Verbänden, deren Bedeutung als Repressions- und Integrationsinstrumente für die reaktionärsten Teile der Monopolbourgeoisie wuchs. Repressionsinstrumente, weil diese Verbände immer wieder, von der Polizei oftmals toleriert, Kundgebungen und Versammlungen angriffen und gelegentlich mordeten. Integrationsinstrumente, weil diese Verbände sich aus proletarischen, bäuerlichen und kleinbürgerlichen Elementen zusammensetzen. Mit chauvinistischen, rassistischen, antisemitischen und antikommunistischen Parolen aufgehetzt, terrorisierten sie die Kommunisten im Namen derer, die ihre Löhne senkten und ihre Geschäfte und Höfe ruinierten.
Im Erstarken dieser paramilitärischen Verbände, deren Wurzeln oftmals in den Freikorps der Revolutionszeit lagen, spiegelte sich der Militarismus der Weimarer Republik. Der größte dieser Verbände war der »Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten« mit Hochburgen in den von den Junkern dominierten ostelbischen Gebieten. Er wurde geführt vom Fabrikanten und Hauptmann a. D. Franz Seldte und Oberstleutnant a. D. Theodor Duesterberg. Zum ideologischen Repertoire des bis zu 400.000 Mitglieder umfassenden »Stahlhelm« gehörten schon vor dem Erstarken der NSDAP: »Lebensraum im Osten«, die »Befreiung« Deutschlands von »Marxismus« und »den Juden« sowie Rassenwahn. In Mitteldeutschland terrorisierte der »Jungdeutsche Orden« mit seinen ca. 100.000 Mitgliedern die Arbeiterbewegung. Neben diesen beiden Verbänden existierten zahlreiche weitere: »Der Wehrwolf – Bund deutscher Männer und Frontkrieger«, »Bund Wiking«, »Tannenberg-Bund« etc. Zu ihrer Praxis zählten neben dem Terror vor allem die Organisation massenwirksamer Aufmärsche und auf die Jugend orientierte »Freizeitaktivitäten« wie Wehrsportübungen sowie die »Traditionspflege« im Namen der Weltkriegsveteranen.
Auf seiten der Arbeiterbewegung gründete sich am 22. Februar 1924 das »Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold« auf Initiative und unter Führung von Sozialdemokraten (mit einer anfänglichen, zunehmend aber nur noch formellen Beteiligung von DDP und Zentrum). Diese Massenorganisation, mit in ihrer Hochphase über zwei Millionen Mitgliedern, agierte in der Frage der Verteidigung der Arbeiterklasse nur ungenügend. Angeleitet von rechten sozialdemokratischen Funktionären, versuchte ihre Führung, jede Konfrontation mit dem Staat zu vermeiden, wobei dieser den Terror der militaristischen Verbände oft deckte oder tolerierte.
Wehr- und Schutzorganisation
Vor diesem Hintergrund wurde im Mai 1924 in der KPD erstmals auf zentraler Ebene die Gründung einer »Wehr- und Schutzorganisation« der Arbeiterbewegung diskutiert. Dabei konnte man auf die Erfahrungen mit den »Roten Hundertschaften« und weiteren lokalen Organisationen ähnlichen Charakters zurückgreifen. Die Gründung einer zentralen Organisation war aber nicht unumstritten. Dies hing auch mit dem ultralinken Kurs der Parteiführung unter Ruth Fischer zusammen. Gemäß der Orientierung der Kommunistischen Internationalen (KI) verfolgte die Partei zwar offiziell eine »Einheitsfrontpolitik« (von unten) – eine Durchsetzung dieser strategischen Orientierung erfolgte aber weder seitens der Parteiführung noch an der Basis der Partei. Infolgedessen wurde das Potential eines als Massenorganisation ausgelegten Frontkämpferverbandes (»Frontkämpfer« als damals gängige Bezeichnung für Veteranen des Weltkrieges) nicht erkannt. Man verstand einen solchen Zusammenschluss entweder als einen potentiellen militärischen Arm (eine Organisation innerhalb der Partei, die mit der Vorbereitung möglicher bewaffneter Auseinandersetzungen sowie antimilitaristischer Zersetzungsarbeit und Gegenspionage betraut war, existierte bereits), wie heute noch die meisten bürgerlichen Historiker, oder aber als »zweite Partei«, als eine Art Konkurrenz zur KPD.
Dessen ungeachtet wurde die Gründung des »Roten Frontkämpferbundes« (RFB) von der Zentrale beschlossen. Die »Pilotprojekte« sollten dabei in den mitgliederstarken Bezirksorganisationen Großthüringen und Halle-Merseburg angesiedelt sein. Hier waren zugleich die Hochburgen der ehemaligen »Roten Hundertschaften«. Am 5. Juli 1924 gründete sich die erste Ortsgruppe des RFB im Unterbezirk Hildburghausen in Südthüringen, kurze Zeit später die erste Bezirksleitung des RFB in Thüringen. Es folgten Gruppen im Bezirk Halle-Merseburg und im restlichen Deutschland, mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Mitteldeutschland. Am 18. Juli 1924 wurde in Halle (Saale) der Gesamtverband gegründet. Ende August bildete sich dann die Bundesleitung des RFB. Dazu gehörte auch eine Jugendabteilung. Seit Oktober erschien die RFB-Wochenzeitung Rote Front.
Zu Beginn kam es zu Konflikten zwischen dem RFB und der Zentrale der KPD und örtlichen Funktionären, die dem RFB aus oben genannten Gründen skeptisch gegenüberstanden. Mit der Wahl von Ernst Thälmann zum Vorsitzenden des RFB am 1. Februar 1925 und seiner Übernahme des Parteivorsitzes im September besserte sich dieses Verhältnis schrittweise. Bis zum Februar 1926 wuchs der RFB auf über 68.000 Mitglieder in 1.120 Ortsgruppen an; davon waren 45 Prozent in der KPD, 55 Prozent in Gewerkschaften organisiert. Gut ein Jahr später waren es bereits über 100.000 Mitglieder in 1.611 Ortsgruppen. Der Anteil der KPD-Mitglieder lag bei etwa 40 Prozent. Wenige Monate vor dem Verbot hatte der RFB etwa 150.000 Mitglieder.
Die organisatorische Entwicklung fand am 1. Mai 1929 (»Blutmai«) ein jähes Ende. Der sozialdemokratische Berliner Polizeipräsident Karl Zörgiebel verbot sämtliche Maidemonstrationen. Etwa 200.000 Arbeiterinnen und Arbeiter, unter ihnen auch zahlreiche RFB-Mitglieder, zogen dennoch durch Berlin. Die mit falschen Warnungen vor einem angeblichen Aufstand aufgehetzten Polizisten griffen die friedlichen und unbewaffneten Demonstrationszüge unter Schusswaffeneinsatz brutal an. Dabei starben 31 Arbeiter, fast 200 wurden verletzt, mehr als 1.000 verhaftet. Zur Untermauerung der Lüge vom angeblichen Umsturzversuch verbot am 3. Mai zunächst Preußen den RFB. Am 14. Mai zog die gesamte Republik nach. Trotz sofortiger und breiter Proteste, auch von seiten fortschrittlicher Intellektueller wie Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky und bis in die Reihen der Sozialdemokraten hinein, bestand das Verbot fort. In der Folge kam es in der ganzen Republik zu Durchsuchungen, Beschlagnahmungen und Verhaftungen.
Ungeachtet des Verbots setzte der RFB seine Tätigkeit im Untergrund fort. Parallel dazu suchte der RFB gemeinsam mit der KPD neue Formen der legalen Tätigkeit in Form von Organisationen wie dem »Kampfbund gegen den Faschismus«. Auch nach der Machtübertragung an die Faschisten stellte der RFB seine Arbeit nicht ein. Er beteiligte sich am opferreichen Widerstand gegen die Nazis, gemeinsam mit der KPD und zahlreichen Mitgliedern der SPD und des Reichsbanners. Auch kämpften zahlreiche RFB-Mitglieder in den Internationalen Brigaden in Spanien.
Keine zweite KPD
In der Darstellung bürgerlicher Historiker »schrumpft« der RFB meist zu einer »zweiten KPD« oder wird als bloßer Wurmfortsatz der Partei dargestellt. Dass dies nicht den Tatsachen entsprach, wird schon anhand des anfangs widersprüchlichen Verhältnisses zwischen KPD und RFB deutlich. Nicht nur, dass immer wieder Funktionäre und Mitglieder der KPD ihre Skepsis gegenüber dem RFB mit einer möglichen Konkurrenz mit der Partei begründeten. Auch in der Praxis kam es durchaus zu mechanischer Übertragung der KPD-Politik auf den RFB durch Funktionäre mit Doppelfunktion in der Partei. Es lohnt sich also, die Unterschiede beider Organisationen herauszustreichen.
Der RFB und seine Politik sind nicht ohne ein Verständnis der Massen- und Einheitsfrontpolitik der Kommunistischen Internationale zu verstehen. Mit den Spaltungen der Sozialdemokratie in den meisten europäischen Ländern in den Jahren rund um den Ersten Weltkrieg entstanden europaweit kommunistische Parteien. Sie waren orientiert am Marxismus und Leninismus und verfügten über kampferprobte Kader aus den revolutionären Phasen der Sozialdemokratie. Es mangelte ihnen aber, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, an Masseneinfluss und -verankerung. Zum einen hing dies mit den objektiven Bedingungen der postrevolutionären Nachkriegszeit zusammen: Die Arbeitermassen waren desillusioniert nach dem Scheitern der Ausweitung der Oktoberrevolution oder aber weitgehend integriert durch die vermeintlichen und tatsächlichen Errungenschaften bürgerlich-demokratischer Umwälzungen dieser Zeit.
Ein signifikanter Teil der Arbeiter war weiterhin in sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften organisiert. Zum anderen dominierte in den kommunistischen Parteien phasenweise eine ultralinke Haltung sowohl in Fragen des Herangehens an die Revolution als auch im Verhältnis zu den sozialdemokratisch orientieren Arbeitern. Es ist wichtig zu verstehen, dass dies nicht schlichtweg eine von »oben« durch führende Funktionäre hineingetragene Orientierung war. Nicht nur der Historiker und Politikwissenschaftler Wolfgang Abendroth, zugleich Zeitzeuge, betonte, dass dies auch unter den einfachen Mitgliedern eine weitverbreitete Haltung war, waren sie doch mit den Verbrechen der bürgerlichen Herrschaft gegenüber der Arbeiterbewegung im Anschluss an die Novemberrevolution unmittelbar konfrontiert; außerdem mit dem opportunistischen Agieren sozialdemokratischer Funktionäre, bis hin zu deren Beteiligung an Angriffen auf die Arbeiterschaft. Wenn sie den Weg zur organisierten Arbeiterbewegung erst in den Jahren um 1920 gefunden hatten, waren der bewaffnete Kampf und seine Vorformen oftmals die einzigen Mittel der politischen Auseinandersetzung, die sie kennengelernt hatten.
Das alles erschwerte die Entwicklung und Durchsetzung einer politischen Strategie und Taktik, die den Realitäten des Klassenkampfes nach dem Ersten Weltkrieg angemessen war: Nach einer Phase immer wieder aufkeimender revolutionärer Krisen stabilisierten sich die europäische Nachkriegsordnung. Nun war es nötig, von »Bewegungskrieg« in den langanhaltenden »Stellungskrieg« zu wechseln, wie Antonio Gramsci schrieb. Ziel musste es sein, den Einfluss der Kommunistischen Partei auszubauen, sowohl in Form der wachsenden Mitgliedschaft als auch bezüglich des mittelbaren Einflusses auf jene Arbeiter, Kleinbürger und Bauern, die entweder sozialdemokratisch oder gar nicht organisiert waren. Der dritte Weltkongress der Kommunistischen Internationale entwickelte im Sommer 1921 auf dieser Basis die Strategie der »Einheitsfrontpolitik«. Es galt nun in Teilkämpfen um Brot, Frieden usw. Einfluss auf die Volksmassen zu gewinnen und sie in Widerspruch sowohl zur bürgerlichen Ordnung als auch zur Haltung »ihrer« sozialdemokratischen Führer zu treiben. Dabei durften weder weltanschauliche Differenzen, auch wenn sie klar benannt werden mussten, noch die Frage der Organisation Hemmnisse für die Einbindung der Volksmassen sein.
Sammlung der Arbeiter
Der RFB war Ausdruck dieser Massen- und Einheitsfrontpolitik. In einem Brief der RFB-Bundesführung an die KPD-Bezirksleitung Frankfurt am Main hieß es entsprechend: »Die Aufgabe der Leitungen des RFB besteht vor allen Dingen in der Eroberung und Gewinnung der unorganisierten, mit uns sympathisierenden Arbeiter. Das aber hat gleichzeitig zur Voraussetzung, dass die Propaganda sowie die gesamte Tätigkeit der Leitungen immer von dem Gesichtspunkt aus betrieben wird, dass der RFB kein Ableger der Partei, sondern das Sammelbecken aller auf dem Boden des Klassenkampfes stehenden Arbeiter ist und wir auch deshalb an ihre oft kleinbürgerliche Ideologie anknüpfen müssen, um ihr Klassenbewusstsein in der von uns erstrebten Richtung gut zu entwickeln.«
Thälmann führte in einem Aufsatz für die Zeitschrift Die Internationale 1925 aus, dass der RFB seiner Zusammensetzung und Führung nach eine proletarische Organisation mit revolutionären Zielen sei. Seinen Bestrebungen nach sei er Teil der kommunistischen Gesamtbewegung, aber keine kommunistische Organisation. Wie ist das zu verstehen? Nach marxistisch-leninistischem Verständnis ist eine kommunistische Partei (KP) die Kampforganisation der gesamten Arbeiterklasse zwecks Durchführung der proletarischen Revolution. Daraus folgen in diesem Verständnis hohe Ansprüche einerseits an die Politik der gesamten Partei, andererseits an ihre Mitglieder, wenn auch natürlich unter Berücksichtigung ihrer individuellen Lage. Die Partei muss alle Felder des Klassenkampfes (politisch, ideologisch und ökonomisch) »bespielen« können, ihre Mitglieder allseitig entwickeln und alle Kampfformen (legale und illegale) beherrschen. Das alles macht die KP zu einer im leninistischen Sinne »avantgardistischen« Organisation. Eine Massenorganisation wie der RFB aber muss andere Anforderungen an seine Politik und damit auch seine Mitglieder erfüllen: »niedrigschwellig« in bezug auf die Mitkämpfer, die Agitations- und Propagandaarbeit und die ideologischen Schulungen (wobei mehrtägige Schulungen mit Arbeitsphasen bis in die Nacht auch zum Arsenal des RFB gehörten). Sie ist spezifischer im Sinne ihrer politischen Praxis, im Falle des RFB mit einem Schwerpunkt auf der antimilitaristischen Arbeit. Das alles sind zunächst qualitative Kriterien, keine quantitativen. So war die KPD beispielsweise 1927 gut 20.000 Mitglieder stärker als der RFB. Es drückt sich aber quantitativ in der vergleichsweise hohen Zahl von parteilosen Mitgliedern aus.
Das Verhältnis zur Partei war in der Theorie durch die anleitende Rolle der KPD gegenüber dem RFB bestimmt. »Anleitend« ist hier aber nicht misszuverstehen als ein administrativer Akt, sondern durch das organisierte Auftreten und Arbeiten der KPD-Mitglieder im RFB. So bildete die Partei Gruppen innerhalb des Verbandes um qua ideologischer Überzeugungsarbeit und praktischer Vorbildfunktion den RFB auf eine klassenkämpferische Linie hin zu orientieren. Dazu zählte auch die gezielte Verbreitung von KPD-Materialien und die Mitgliedergewinnung für die Partei. Trotz einer vielfachen Personalunion seiner Funktionäre bis hin zum Vorsitz durch Ernst Thälmann wurde der RFB nicht »fremdgesteuert«. In vielen Regionen gab es RFB-Gruppen ohne entsprechendes Parteipendant; in anderen waren KPD-Mitglieder in der Minderheit. Die eingangs erwähnte Skepsis von KPD-Mitgliedern gegenüber dem Verband schwächte sich nach dem Ende des ultralinken Kurses 1925 stark ab, Vorbehalte aber blieben.
Ziel des RFB war es, durch eine für breite Teile der Arbeiterklasse attraktive Organisations- und Politikgestaltung Massenwirksamkeit über die Partei hinaus zu erreichen. Aufmärsche, Ausflugsfahrten und Veranstaltungen wie die großen Pfingsttreffen strahlten aus. So stark, dass der RFB zum »Aushängeschild« der Partei wurde. Masseneinfluss um seiner selbst willen gehörte aber nicht zu den Zielen des RFB. Entsprechend wurden diesen Aktivitäten von einem vielseitigen Schulungsprogramm flankiert, an dem auch erfahrene Akteure der politischen Arbeiterbildung wie Hermann Duncker partizipierten. Diese ideologische Arbeit gewann alleine schon deshalb an Bedeutung, weil der RFB infolge seiner Ausrichtung stärker noch als die Partei mit kleinbürgerlichen, reformistischen und oftmals linksradikalen Politikvorstellungen konfrontiert war. Um auch in der Praxis mehr zu sein als nur ein reiner Propagandaverband, entwickelte der RFB Schritte zur konkreten Arbeit in den Betrieben seiner Mitglieder. Parallel zur Betriebsgruppenorientierung der KPD baute auch der RFB entsprechende Gruppen auf. Das stieß bei den Mitgliedern, ähnlich wie in der Partei, auf Widerstand, waren diese doch eine vor allem durch straßenwirksame Aktionen geprägte Politik gewohnt. So entwickelte sich die Betriebsgruppenarbeit nur langsam und legte ihren Fokus vor allem auf Betriebe der Rüstungs- und Chemieindustrie. Auch um »Konkurrenz« zur KPD, zumindest dem subjektiven Befinden einiger Parteifunktionäre nach, zu vermeiden.
Roter Militarismus?
Grundsätzlich stand die antimilitaristische Arbeit angesichts der wachsenden Kriegsgefahr im Fokus des RFB. Einerseits durch seine Rolle als »militärisch« organisierter Frontkämpferverband selbst. Vergleichbare Organisationen hatten schon vor der Gründung des RFB eine starke Wirkung auch auf Teile der Arbeiterklasse. Ihnen sollte durch den RFB vermittelt werden, dass militärisches Auftreten, militärische Organisation und soldatische Brauchtumspflege nicht allein Sache der Rechten seien. Im Gegenteil: Der RFB propagierte, dass das »wahre Erbe« der Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges eben nicht im Kriegsgeschrei der Militaristen oder in der vermeintlichen »Vaterlandsverteidigung« zu finden sei, sondern im Kampf gegen Aufrüstung – und in letzter Konsequenz im Kampf gegen den Imperialismus. Diese Haltung entsprang einer klassenmäßigen Positionierung zur Frage, was »Militarismus« sei und welche Haltung die Arbeiterklasse zu Fragen von Krieg und Frieden einnehmen sollte. Im Gegensatz zum bürgerlichen Pazifismus (ungeachtet seiner Qualitäten als Bündnispartner) und zum chauvinistischem Militarismus beantwortete der RFB sie aus einer Klassenperspektive heraus. Für ihn war Militarismus ein reaktionäres politisches System zur Unterdrückung der Volksmassen nach innen und zur Verwirklichung der Expansionspolitik der Herrschenden nach außen. Militärisches Auftreten dagegen konnte eine notwendige Form des Klassenkampfes sein, Kriege ein notwendiges Mittel zur Verteidigung der Errungenschaften des Volkes gegen reaktionäre Ordnungen. Militärische Disziplin aus innerer Überzeugung ihrer Notwendigkeit stand im Gegensatz zum »Kadavergehorsam«.
Andererseits führte der RFB gezielte antimilitaristische Agitation und Propaganda durch. Er wehrte militaristische Aufmärsche der Rechten ab; er erklärte in seinen Materialien den Arbeiterinnen und Arbeitern (erstere in einem gesonderten Frauenverband organisiert), welche kriegstreibenden Maßnahmen die Herrschenden als nächstes planten; er beteiligte sich an der Kampagne zur Fürstenenteignung, an Streiks und den Aufmärschen zum 1. Mai und organisierte große Antikriegsveranstaltungen.
Es muss betont werden, dass der RFB im Gegensatz zu manchen Darstellungen in bürgerlichen Geschichtswerken kein »bewaffneter Arm« der KPD war. Sicher, er war eine Wehr- und Schutzorganisation. Der RFB war beteiligt an der Absicherung von Arbeiterveranstaltungen, seine Mitglieder griffen notfalls auch zum Mittel der Gewalt. Er führte Wehrsport- und militärische Aufmarschübungen durch. Auch hielt er seine Mitglieder an, Arbeiterschützenvereinen beizutreten. Aber von einigen Ausnahmen abgesehen, bei denen Gruppen oder einzelne Mitglieder entgegen der Gesamtorientierung des Verbandes handelten und Waffen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit versteckt hielten, war der RFB keine bewaffnete Organisation. Sein Ziel war nicht der militärische Putsch. Den individuellen Terror gegen die Herrschenden, gegen Polizei oder den politischen Gegner lehnte er strikt ab. Selbst gegenüber den oftmals (halb-)proletarischen und kleinbürgerlichen Mitgliedern militaristischer Kriegsverbände lag die Überzeugungsarbeit im Fokus. Ganz im Sinne der Einheitsfront- und Massenpolitik sah der RFB den Feind nicht im fehlgeleiteten Arbeiter oder Kleinbürger, sondern in der herrschenden Ordnung.
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