Der Antifaschismus des Verfassungschutzes

Landesamt für Verfassungsschutz Niedersachsen unterscheidet mit PR-Kampagne zwischen »erlaubtem« und »gefährlichem« Antifaschismus

Den fortschreitenden reaktionären Staatsumbau in der BRD begleitet ein gewisses Unbehagen in Teilen der bürgerlichen Gesellschaft. Dieses gilt weniger der Entrechtung wehrloser Minderheiten – aktuell: Asylsuchende – oder der weiteren Ermächtigung der Exekutive, sondern der Abgrenzung zur offen auftretenden extremen Rechten sowie veritablen Faschisten. Vor diesem Hintergrund hat sich das Landesamt für Verfassungsschutz im derzeit SPD-geführten Niedersachsen an ideologischer Landschaftspflege versucht. Am Freitag betonte der Inlandsgeheimdienst auf dem Kurznachrichtendienst X, sich selbst als antifaschistische Behörde zu verstehen.

»Die Ablehnung von Faschismus und jeglicher Form von menschenfeindlicher Ideologie« sei in der sogenannten freiheitlichen demokratischen Grundordnung der BRD »verankert«. Deshalb sei »jede Person«, die dahintersteht »antifa(schistisch)«. Damit reagierte der Social-Media-Account des Landesamtes auf Kritik aus dem Publikum und vor allem auf Empörung aus dem rechten Lager über eine Serie von Beiträgen vom 14. Oktober. Diese diente offiziell dem Ziel, den Unterschied zwischen »nicht extremistischem« und »extremistischem« Antifaschismus zu erläutern.

Der demnach gefährliche Antifaschismus drücke sich in einem damit verbundenen Kampf gegen den Kapitalismus und den »demokratischen Rechtsstaat« aus. »Linksautonome« würden »im Namen der ›Antifa‹« Straftaten begehen gegen als faschistisch angesehene Personen oder Gruppen, heißt es in den Infografiken der Behörde. Der politische Gegner werde eingeschüchtert, zum Beispiel durch »Outing-Aktionen«. Verfassungsfeindlich werde »Antifa« sobald der Staat und dessen Institutionen »mit allen Mitteln, also auch mit gewaltsamen« bekämpft werde, um ihn durch eine »herrschaftsfreie Gesellschaft« zu ersetzen.

Das Label »Antifa« führt der amtliche X-Account auf die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und ihrem Aufruf zur »Antifaschistischen Aktion« gegen die NSDAP zurück. Tatsächlich hatte die KPD mit ihrem »Reichseinheitskongress« am 10. Juli 1932 in Berlin den Auftakt zu einer »Antifaschistischen Kampfwoche« veranstaltet. Am Kongress hatten rund 1.500 Anhänger der KPD, der SPD, der linkssozialistischen SAP, des Reichsbanners sowie auch Parteilose teilgenommen. Gemeinsam sollte der Kampf gegen die damals erstarkenden Nazis geführt werden. Im Saal hing das Banner mit den zwei roten Fahnen in der Mitte eines schwarzen Kreisbandes und dem Schriftzug »Antifaschistische Aktion«.

Worum es der Propagandakampagne des Landesamtes tatsächlich gehen dürfte, machte die Ankündigung vom 11. Oktober deutlich. Mit einer Variante des Internet-Memes namens »Dramatic Crossroads« bzw. »Two Paths« stellte der niedersächsische Verfassungsschutz-Account »Antifa«-Anhänger metaphorisch vor die Wahl: An einer Weggabelung führt ein Pfad – nach links – zum leuchtenden Märchenschloss, wo der »Demokratische Protest« verortet wird. Der rechte Pfad führt dagegen zu einem unter Gewitterwolken lauernden Spukschloss, wo »Autonome/Militante« verortet werden.

Der Zielgruppe des Verfassungsschutzes, das konservative und liberale Kleinbürgertum, sollen vermutlich Berührungsängste mit Demonstrationsteilnehmenden genommen werden, die auf »bunten« Protesten gegen rechts oder auf Kundgebungen gegen die AfD die »Antifa«-Fahne mit der roten und schwarzen Flagge im Logo schwenken. Sich als Inlandsgeheimdienst das Label »antifaschistisch« anzuheften ist insofern folgerichtig, als dass im bürgerlichen Diskurs der Begriff des Antifaschismus ohnehin bereits erfolgreich entkernt worden ist.


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