Die Universität Tübingen präsentiert eine ukrainische antikommunistische Ausstellung – faschistische Symbolik inklusive
Ukrainische Studenten »wollen sich nicht dem Feind preisgeben«, sondern »kämpfen«, »mit allen Mitteln«, sagte Andrij Budnyk am Montag abend bei der Vernissage der Ausstellung »The Price of Freedom« in der Universitätsbibliothek Tübingen. Das Projekt, dessen Kurator er ist und als dessen Partner das Auswärtige Amt der Bundesrepublik und das Ukrainische Institut in Berlin fungieren, ist dem 35. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer, dem 20. Jahrestag der »Orangenen Revolution« und dem zehnten Jahrestag des »Euromaidan« gewidmet. Jedes Volk müsse seinen »Preis für die Freiheit« zahlen – die Ukraine »jetzt gerade«.
Budnyk, Professor für Grafikdesign an der Nationalen Universität für Kultur und Kunst in Kiew, produzierte bereits in den frühen 1990er Jahren antikommunistische Plakate. 2014 gestaltete er den Aufruf zu einer Kunstauktion, deren Erlöse »direkt an die Front überwiesen« wurden. 2022 gründete er die Gruppe »Kreativer Widerstand«: 650 Personen, 1.000 Plakate, 100 Ausstellungen weltweit zählt er auf – nun auch »an einer der ältesten Universitäten Europas«.
Von der Gruppe, deren Ziel laut Ausstellungsbegleitheft ist, »patriotische Haltung« zu zeigen und ukrainische Soldaten »moralisch zu unterstützen«, werden 16 Plakate gezeigt. Auf einem von ihnen sind die ukrainischen Schriftsteller Taras Schewtschenko, Iwan Franko und Lessja Ukrajinka mit Gewehren und in modernen Militäruniformen abgebildet; über ihnen prangt der Schriftzug: »Slawa Ukrajini! Herojam Slawa!« Der Schlachtruf der OUN-Bandera-Faschisten – während der Sowjetzeit verboten – ist seit 2018 der offizielle Gruß der ukrainischen Armee. Im Mai 2022 fotografierten sich Mitglieder der Gruppe in Kiew vor diesem Plakat mit der rot-schwarzen Flagge der faschistischen Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) – die Bilder hat Budnyk bei Instagram hochgeladen.
Des weiteren werden 20 Arbeiten von Kiewer Grafikdesignstudenten präsentiert. Sie zeigen etwa Soldaten in kitschig-heldenhafter Pose, beispielsweise den unter seinem Kampfnamen »Da Vinci« bekannt gewordenen Kommandeur Dmitro Kotsiubailo vom »Rechten Sektor«. Auf dem Foto, das offensichtlich als Vorlage für das Plakat verwendet wurde, posiert er mit Gewehr vor einem Porträt des Hitlerkollaborateurs Stepan Bandera. Zwischen blau-gelben Fahnen ist auf diesem Plakat auch die rot-schwarze UPA-Flagge zu sehen, die der »Rechte Sektor« heute wieder nutzt.
Ein weiterer Druck zeigt vor schwarz-rot-goldenem Hintergrund eine Kakerlake mit Hammer und Sichel auf einem Zeitstrahl, der 1961, dem Jahr des Mauerbaus, beginnt und Ende der 1980er Jahre endet – sowie einen Springerstiefel, dessen Träger offenbar bereit ist, das Tier zu zertreten. Die DDR als Schädling? Schaben seien anpassungsfähig, nahezu »unmöglich auszurotten« – wie der Sozialismus, erklären die Organisatoren gegenüber junge Welt. »Wie Kakerlaken« habe die Sowjetunion »Schmutz und Krankheiten« verbreitet, behauptete die Künstlerin Renata Rakhimova. Da die russische Armee, »bewaffnet mit totalitärer Rhetorik«, immer weiter nach Westen vorrücke, werde »antikommunistische Propaganda immer notwendiger«.
Das Ukrainische Institut erklärt dazu lediglich, im Sinne der »künstlerischen Freiheit« greife man »nicht zensierend in Inhalte ein«. Auch das Auswärtige Amt äußert sich inhaltlich nicht. Auf Anfrage heißt es nur, man fördere das Ukrainische Institut 2024 zwar mit 200.000 Euro – die Plakatschau werde aber »vom Projektpartner eigenständig zusammen mit der Universität Tübingen umgesetzt«. Letztere zeigte – wie zahlreiche andere Hochschulen – mit »Unissued Diplomas« in diesem Jahr bereits eine Ausstellung, die den Soldaten Maxim Vasilishin ehrt, der Mitglied bei der 12. Spezialbrigade »Asow« und einer weiteren Militäreinheit mit faschistischen Bezügen (»Karpaten-Sitsch«) war. »The Price of Freedom« soll noch bis zum 22. Dezember frei zugänglich in der Tübinger Universitätsbibliothek zu sehen sein.