Vor 20 Jahren, am 7. Januar 2005, verbrannte der aus Sierra Leone geflüchtete Oury Jalloh in Zelle 5 des Polizeireviers Dessau bei lebendigem Leib, an Händen und Füßen auf einer schwer entflammbaren Sicherheitsmatratze fixiert. Oury Jalloh war die dritte Person, die im Gewahrsam der Dessauer Polizei ermordet wurde, und die zweite in dieser Zelle.
Am Tatort wurde kein Zündmittel gefunden. Ein Feuerzeug tauchte wenige Tage später im Labor des Landeskriminalamtes auf. Die polizeilichen Ermittler behaupteten, dass dieses Feuerzeug aus den Brandresten der Zelle 5 stamme und unter dem Leichnam von Oury Jalloh gelegen habe. Das Feuerzeug zeigte keinerlei Spuren von Kontakt zu Oury Jallohs Körper, seiner Kleidung oder der Matratze, auf der er fixiert war. Und dennoch: Die polizeiliche Ermittlungsausrichtung beschränkt sich auf die „Selbstentzündungsthese”. Es wird zu keinem Zeitpunkt in Richtung Mord ermittelt, der hinter der verschlossenen Tür von Zelle 5 des Polizeireviers Dessau stattfand.
Einem gewollten Vertuschen, das hinter verschlossenen Türen stattfindet, stellten wir im Landauer Stadtbild die konsequente Forderung nach Aufklärung entgegen. So haben wir an verschiedenen Orten Infobroschüren über den Mord an Oury Jalloh verteilt, die sich hinter vermeintlich verschlossenen Türen verborgen haben.
Erst der Blick hinter die Tür ermöglicht es uns, den Kampf um Aufklärung konsequent zu führen. Denn: Rassistische Polizeigewalt, wie im Falle Oury Jalloh, wird durch einen Sicherheitsapparat ermöglicht, der lügt, schweigt und selbst zu den Tätern zählt. Durch eine Politik, die bewusst die Augen verschließt, um den Sicherheitsapparat zu schützen. Und durch eine Justiz, die nicht die entscheidenden Fragen stellt, sondern entscheidende Verfahren einstellt.
Seit 1990 zählt die Initiative „Death in Custody“ 260 Todesfälle von Schwarzen Menschen, People of Color (PoC) und von Rassismus betroffenen Personen in Polizeigewahrsam und durch Polizeigewalt in Deutschland – allein 24 davon in den letzten zwei Jahren. Das sind keine Einzelfälle! Rassismus hat im kapitalistischen Staat System. Er dient dazu, die arbeitende Klasse zu spalten, die herrschenden Verhältnisse aufrecht zu erhalten und die Überausbeutung von Migrant:innen und marginalisierten Gruppen zu gewährleisten. Dass Menschen durch Rassismus sterben ist dabei die Spitze des Eisbergs eines Systems, das Menschen ihre Würde tagtäglich abspricht.
Auf den Staat, seine Justiz und Sicherheitsbehörden können wir uns im Kampf gegen Rassismus nicht verlassen – im Gegenteil. Sie spielen nach Regeln, die Menschen zum Foltern und Morden bemächtigen.
Wir fordern ein entschiedenes Vorgehen bei der Aufklärung von Todesfällen in Polizeigewahrsam, ohne uns in Illusionen zu verlieren, dass mit dieser oder jener Polizeireform alles gut sei. Wir müssen Perspektiven wagen, die dieses System überwinden wollen. Eine wirkliche Veränderung der Zustände kann nur in einer Überwindung des Kapitalismus liegen, weil Rassismus immer ein Teil dieses Systems ist – Teil eines Systems, in dem Migrant:innen ausgegrenzt und kriminalisiert werden, wo sie die schlecht bezahlte Arbeit verrichten sollen und an den EU-Außengrenzen sterben müssen.
Daher: Es ist unser aller Aufgabe anzuerkennen, dass Rassismus tief in unserer Gesellschaft verankert ist und wir uns Rassismus auf jeder Ebene entgegenstellen müssen. Lasst uns zusammen kämpfen! Gegen Polizeigewalt und Rassismus, gegen die alltägliche Ausbeutung, gegen das Verschweigen und Vergessen und für ein Leben in Würde und ohne Angst. Organisiert euch in offenen Treffen und tragt die Forderungen nach Aufklärung auf die Straßen.
No Justice, No Peace!
An dieser Stelle möchten wir auf die Initiative aus Dessau hinweisen: „Break the silence“ organisiert seit dem Mord an Oury 2005 die zentralen Gedenkveranstaltungen, informiert in Veranstaltungen zum Fall und gibt nicht auf im Kampf um Gerechtigkeit für Oury.
Schaut mal rein unter https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/