Auf Einladung der Rhein-Neckar-Zeitung wird am Dienstag, den 14.01.2025, LKA-Präsident Andreas Stenger im Heidelberger Theater darüber reden, wie schwer es die Polizei hat. Wir können das nicht unkommentiert lassen.
Am kommenden Dienstag, den 14.01.2025, wird Andreas Stenger, Präsident des baden-württembergischen Landeskriminalamts, mit der Rhein-Neckar-Zeitung bei deren Veranstaltung im historischen Theatersaal über „das herausfordernde Jahr der Polizei“ sprechen. Der Ankündigungstext deutet an, dass es vor allem darum gehen wird, darüber zu jammern, wie schwer es die Polizei hat. Einen Ausblick, wie das Gespräch verlaufen könnte, veranschaulicht ein Stream der CDU Heidelberg, in dem Stenger nach dem Mord an George Floyd durch einen US-amerikanischen Cop 2020 mit Alexander Föhr über das „aktuelle Thema Polizeigewalt und Rassismus“ sprach: Der ehemalige Bundesgrenzschützer Stenger stellt die Polizei als Freund und Helfer im Dienst für die Gesellschaft dar und beschwichtigt bei Kritik, indem er vorgibt, mensch nehme sich dieser an, aber gleichzeitig relativiert. Stenger leugnet, dass es strukturellen Rassismus bei der Polizei gäbe. Er bemüht den Evergreen der Ablenkungsstrategien von Polizeigewalt in Deutschland und redet viel über die Zustände in den USA. Wenn Stenger ablenkt, benennen wir es: Seit 1990 hat die Polizei in Deutschland mindestens 263 von Rassismus betroffene Menschen getötet. Hinzu kommen etliche weitere Menschen, unter ihnen viele mit psychischen Erkrankungen. Im letzten Jahr hat die Polizei mehr Menschen erschossen als in den letzten 25 Jahren. Allein die Polizei Mannheim hat seit 2022 drei Menschen mit psychischen Erkrankungen getötet, unter ihnen Ante P. und Ertekin Ö. – ohne ernstzunehmende Konsequenzen für die Täter. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) startete sogar eine Spendenaktion für den Cop, der Ante P. misshandelte.
Stenger behauptet, es gebe bei der Polizei „null Toleranz“ für Diskriminierung und Extremismus. Betroffene von Diskriminierung und Polizeigewalt könnten Anzeige erstatten und den Rechtsweg über alle Instanzen gehen. So sei alles fair. Die Realität sieht anders aus: Cops behindern Ermittlungen durch Korpsgeist und die Justiz gibt den Uniformierten einen Vertrauensvorschuss. So wurden in den letzten Jahren über 90 Prozent der Strafverfahren gegen Polizeigewalt eingestellt. 2021 wurde laut Staatsanwaltschaft nur in 2 Prozent der Fälle überhaupt Anklage erhoben. Sogar bei so absurden Lügenkonstrukten wie im Fall von Oury Jalloh, in dem die Polizei behauptet, er habe sich, gefesselt auf einer feuerfesten Matratze, die ohne Brandbeschleuniger unmöglich brennen kann, in einer Zelle in Dessau selbst angezündet, kommt es zu keiner Verurteilung. Als die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau 2017 verlautbaren ließ, dass sie die Beteiligung Dritter für wahrscheinlich halte, wurde ihr das Verfahren entzogen. Die Staatsanwaltschaft Halle übernahm und stellte das Verfahren ein. Und erst im Dezember 2024 wurde bekannt, dass ein Berliner Cop im Dienst bleiben darf, der gemeinsam mit zwei anderen Rechtsradikalen einen Mann aus Afghanistan verprügelte und seine anrückenden Kolleg*innen mit der Aussage beschwichtigte, „es seien keine deutschen Interessen betroffen“. Es wird deutlich: Die blaue Uniform ist ein Freifahrtschein. Oftmals stellen Cops sogar Gegenanzeige, sodass am Ende Betroffene Repression befürchten müssen. Deshalb: Go film the police!
Stenger behauptet, die deutsche Polizei sei eine „bürgerorientierte Polizei in der Mitte der Gesellschaft“. Dabei ist das Konstrukt „Mitte der Gesellschaft“ ein Trugbild, weil es suggeriert, es gehe um die politische Mitte zwischen Links und Rechts. Doch das ist falsch. Stattdessen ist in der „Mitte der Gesellschaft“, wer genug Kapital für Teilhabe hat und zu einem ausreichenden Grad angepasst an eine Norm ist, die durchaus reaktionär sein kann. So zählt sich auch Friedrich Merz, der zwei Flugzeuge besitzt, zum Mittelstand. Und für solche Menschen ist die Polizei da, nicht für Marginalisierte. Sie ist im Kapitalismus die Beschützerin des Kapitals. Dass sie nicht für Gerechtigkeit zuständig ist, erkennt mensch, wenn sie wieder einmal Rentner*innen nach 40 Jahren aus ihrer Wohnung in die Obdachlosigkeit räumt, um die Profitinteressen von Immobilienhaien zu schützen, oder Menschen ohne Obdach bei Minusgraden aus Einkaufszentren wirft, damit sich die Yuppies beim Shoppen wohl fühlen. Dabei sind die Motive der einzelnen Cops für ihre Berufswahl völlig egal. Es geht nicht ums Individuum, es geht um die Institution. Wer die ungerechten Gesetze ausführt, ist fürs Ergebnis irrelevant. Deshalb ist auch Stengers Argument, dass mittlerweile ein Drittel der Cops selbst einen Migrationshintergrund hat, hinfällig. Sie werden trotzdem rassistische Gesetze befolgen, abschieben und Grenzen schützen.
Linke, die für ein gutes Leben für alle kämpfen, stellen für das System eine Gefahr dar. Deswegen betonen Vertreter*innen der Polizei als Beschützer*innen des Systems stets, dass jeder Extremismus bekämpft werden müsse. Gemäß der Hufeisentheorie setzen sie Linke und Rechte gleich. Folgefalsch gibt es beim baden-württembergischen „Kompetenzzentrum gegen Extremismus“ (konex) seit 2020 auch ein Aussteiger*innenprogramm für „Linksextremist*innen“. Dass das Quatsch ist, zeigen die Erfahrungen mit dem ersten Aussteiger*innentelefon für Linke vor 14 Jahren: Dort habe es nach den ersten Jahren nur einen „Aussteiger“ gegeben, was darauf zurückzuführen ist, dass Linke nicht menschenfeindlich sind und nur Ausbeuter*innen und Unterdrücker*innen etwas von uns zu befürchten haben. Da unsere Wut das System bedroht, bekommen wir und unsere Genoss*innen es immer wieder mit staatlicher Repression zu tun. Die Abteilung der Polizei, die sich um politisch motivierte Kriminalität kümmert, ist der Staatsschutz. Dabei sind Staaten nichts Schützenswertes. Schützenswert sind der Igel oder der Otter. Sie sind bedroht durch ein System, das die Umwelt zerstört. Aber Staaten sind genau die Aggressoren, die jährlich, ob durch Kriege, Abschottung oder Umweltzerstörung, tausenden das Leben nehmen. Nicht umsonst lautet unsere Parole: No nation, no border, fight law and order!
Stenger begründet seine These, die deutsche Polizei sei integrer als die US-amerikanische, damit, dass die Ausbildung länger sei. Diese enthalte mittlerweile Inhalte wie interkulturelle Kompetenz. Interkulturalität ist ein Begriff aus den 1980er-Jahren, der seit vielen Jahren aus der Wissenschaft kritisiert wird, da er davon ausgeht, dass Kulturen homogene, klar voneinander abgegrenzte Gruppen bilden. Dabei sind Kulturen Konstrukte, die keineswegs trennscharf sind. So sind sich Arbeiter*innen weltweit ähnlicher als ein*e deutsche*r Arbeiter*in einem deutschen CEO. Außerdem wird der Begriff der Interkulturalität häufig mit einem Framing von Vielfalt als Bereicherung verbunden. Im Umkehrschluss würde das allerdings bedeuten, dass Migrant*innen in einem Staat nur eine Daseinsberechtigung haben, wenn sie ihm etwas bieten. Wir stellen uns gegen diese kapitalistische Verwertungslogik und gegen diesen Nützlichkeitsrassismus! Es ist sicher kein Zufall, dass die Polizei diesen Begriff nutzt und nicht zum Beispiel den der Rassismuskritik. Davon abgesehen kommt es darauf an, was die Cops in ihrer Ausbildung lernen und nicht, wie lange diese ist. Und wenn wir uns die Videos von der „Panther Challenge“ anschauen, einem Camp für Schüler*innen, auf dem die Polizei schon mit Jugendlichen übt, Linke zu verprügeln, lässt uns dies nichts Gutes vermuten.
Laut Stenger sei die Polizei in Konflikten nicht die Seite, von der Gewalt zuerst ausgehe. Wer ab und an auf linke Demos geht, weiß sicherlich aus eigener Erfahrung, dass das gelogen ist. Zuletzt erlebten wir das am 9. November 2024, als wir gegen den NS-verherrlichenden Nazi-Aufmarsch am Gedenktag für die Novemberprogrome 1938 in Karlsruhe-Durlach auf der Straße waren: Auf unsere Zugabreise vom Gegenprotest prügelten die Cops am Bahnsteig in Karlsruhe-Durlach so brutal ein, dass es mehrere Verletzte gab und es nur Zufall war, dass keine*r von uns ins Gleisbett gefallen ist. Zu jammern, dass es die Polizei schwer habe, während die Mehrheit der Menschen unter dem System leidet, das sie verteidigt, während die Polizei jährlich etliche Menschen verletzt und sogar tötet, ist ein Hohn. Wir lassen uns das nicht gefallen! Das Gespräch vor vier Jahren endete damit, dass Föhr (CDU Heidelberg) Stenger dankte, dass er „keine Kritik zulasse“.
Wir lassen nicht zu, dass Copaganda in unserer Stadt unkritisiert geschehen kann! No Justice! No Peace!