Am Donnerstag, den 13. Februar 2025, fuhr in München ein Auto in die Streikkundgebung der Gewerkschaften ver.di und GEW. Aktuelle Zahlen sprechen von knapp 40 Verletzten, davon 8 Schwerverletzen und hunderten Traumatisierten.
An dieser Stelle wollen wir unsere Solidarität und unser Mitgefühl mit allen verletzten und geschockten Kolleg:innen aussprechen. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, solche Erlebnisse kollektiv aufzufangen und zu verarbeiten.
Die erste Reaktion von verantwortlichen Politiker:innen war absehbar. Neben Lügen über den Aufenthaltsstatus und die vermeintliche kriminelle Vergangenheit des Täters, wurde die Tat direkt instrumentalisiert um die Migrationsdebatte noch weiter zu verschärfen. Der Vorfall wurde genutzt, um ihre eigene Agenda gegen Personen mit Migrationshintergrund weiter zu befeuern.
Unsere Aufgabe ist es, die Geschehnisse korrekt einzuordnen und sie in dem Diskurs aus einer linken Perspektive zu beleuchten. Inzwischen konnten einige Punkte aufgedeckt werden, auf die wir eingehen wollen.
Weil der Begriff des Islamismus sehr locker im Halfter der bürgerlichen Politik und Medien steckt, wollen wir ein paar Gedanken zum Charakter des Islamismus und einer antifaschistischen Positionierung festhalten.
Der Islamismus ist eine reaktionäre Idee, die unseren Ansätzen in allen Punkten widerspricht. Er hat faschistische Züge und mündet in einem unterdrückerischem System, welches die Freiheiten aller in ihm Lebenden stark beschränkt.
Islamistische Regime müssen wir als Antifaschist:innen genauso bekämpfen wie rechte und faschistische Tendenzen. Unsere kurdischen Genoss:innen in Rojava zeigen uns, wie eine konsequente Haltung und Praxis gegen Islamist:innen aussehen kann, wenn auch unter ganz anderen Rahmenbedingungen. Der Kampf gegen den IS in Syrien wird Hauptsächlich von Kurd:innen geführt, während die faschistisch geprägte Türkei, unterstützt durch die NATO, mit ihm zusammenarbeitet um die befreiten Gebiete wieder zu besetzen und die Revolution niederzuschlagen.
Ob es sich letztendlich wirklich um einen islamistischen Anschlag handelt, gilt jedoch abzuwarten. Wahllose Vermutungen, welche den Diskurs in Richtung Kriminalisierung aller Menschen muslimischen Glaubens schieben, sind weder konstruktiv noch hilfreich. Denn ja, Islamismus ist Reaktionär und entfaltet faschistische Tendenzen, doch dies ist kein Grund, Tätern, die nicht als weiße Europäer:innen erscheinen, den Generalverdacht des Islamismus zu unterstellen. Dies ist wiederum Ausdruck des zutiefst in bürgerlichen Kreisen verankerten Rassismus.
Die Nationalität des Täters war sehr schnell bekannt und die bayrischen Minister Söder und Herrmann traten noch am selben Tag vor die Livekameras und verbreiteten Lügen über den Aufenthaltsstatus und die Vorstrafen des Täter. Diese wurden zwar spät am Abend wieder revidiert, doch der Schaden war bereits angerichtet. Es wurde wiederholt in die Kerbe der massiv rassistischen Stimmungsmache geschlagen, die nach vergleichbaren Taten immer größer wird. Das ganze ist Ausdruck der immer weiter voranschreitenden Rechtsentwicklung.
Es war nicht das erste und wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass Rechte solche Ereignisse für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren. Das ist kein Versehen, kein Versprecher in der Wortwahl, das ist Kalkül, strategisch abgewogen und beabsichtigt.
Auch von der sozialdemokratischen Seite, prominent vertreten von Bundeskanzler Olaf Scholz, fielen die Reaktionen nicht besser aus. So sagte er „Dieser Täter kann nicht auf irgendeine Nachsicht rechnen. Er muss bestraft werden, und er muss das Land verlassen“. Diese Aussage kommt einer Forderung nach konsequenteren Abschiebungen gleich.
Konservativen und Rechten kommen solche Taten gerade zu zugute, denn sie können diese Ausschlachten um Profit für ihre eigene Sache zu schlagen und den gesellschaftlichen Diskurs noch weiter nach rechts zu drücken. Angst zu schüren vor „den Fremden“ und härtere Maßnahmen als Lösung anpreisen, sichert ihnen in krisenhaften Zeiten den Machterhalt.
Dass die Anschuldigungen auch in diesem Fall aus der Luft gegriffen waren, tut dabei nichts zur Sache. Vielmehr zeigt die harte Reaktion aller Politiker:innen ihr wahres Gesicht, wenn die Frage im Raum steht: „Wie gehen wir mit Migration um?“
Egal ob AfD, Union, SPD, Grüne, oder FDP, aus allen Richtungen wurden die Rufe laut, nach mehr, härteren und schnelleren Abschiebungen, härteren Grenzkontrollen (welche erst vor wenigen Tagen durch die Ampel-Regierung an allen deutschen Außengrenzen um ein weiteres halbes Jahr verlängert wurden) und ein noch weiter verschärfter Umgang mit mutmaßlich Straffällig gewordenen Migrant:innen.
Die Ironie an der Sache zeigt sich in der Aussage der Innenministerin Nancy Faeser, welche stolz über den X-Account des Bundesministeriums für Inneres und Heimat verkünden lässt: „Als einziger Staat in Europa schieben wir trotz der Taliban-Herrschaft wieder nach Afghanistan ab und werden das weiter tun“. Den Terrorismus im eigenen Land bekämpfen, aber Menschen in ein Land unter Terrorherrschaft abschieben scheint kein allzu schmerzhafter Widerspruch zu sein.
Doch diese Abschottungspolitik schützt weder vor rechtem noch vor islamistischen Terror, auch wenn dies immer so dargestellt wird. Was fehlt, ist eine politische Bekämpfung von Islamismus und Angebote für Geflüchtete um ihre erlittenen Traumata aufzuarbeiten, ihnen eine Perspektive zu bieten und sie nicht in Heime und Unterkünfte zusammen zu pferchen, mit dem Wissen, dass sie früher oder später doch wieder in ein Land, in dem meist der Tod oder Folter auf sie wartet, abgeschoben zu werden. Die meisten Menschen kommen nicht radikalisiert nach Deutschland, sondern radikalisieren sich erst hier, was eine Folge fehlender Perspektiven, Angebote und dem menschenfeindlichen Umgang mit Geflüchteten ist.
In einer „Krisengesellschaft“ braucht es Feinde um von den wahren Problemen abzulenken und Vorwände zu finden um schärfere Sicherheitsmaßnahmen einzuführen, welche nicht zuletzt zur präventiven Aufstandsbekämpfung genutzt werden können. Da ist es nur logisch, dass durch Berichterstattung bürgerlicher Medien und Stimmungsmache von rechts, die Anzahl an Anschlägen immer weiter zu wachsen scheint. Doch sind genau diese Anschläge auch Ausdruck dieser von Krisen gezeichneten Gesellschaft: Die Verhältnisse verschärfen sich immer weiter, Preise steigen, Löhne stagnieren. In vielen Teilen der Welt herrschen nach wie vor Krieg und kein Ende ist in Sicht. Die Klimakrise lässt immer mehr ihrer Auswirkungen spüren und eine Faschisierung der Gesellschaft schreitet immer weiter voran. Viele Menschen sehen keine positive Zukunft in dieser Situation, haben keine Perspektiven, wenden sich rechten oder islamistischen Anschauungen zuund greifen früher oder später zu Gewalt gegen Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, als ultimatives Mittel sich und ihren Überzeugungen Gehör zu verschaffen.. Das hier die sogenannten Rattenfänger eine große Rolle spielen, darf nicht vernachlässigt werden. Gerade junge Leute stoßen auf Social Media auf diese, ein Raum, in dem die Zuschauer:innen ungefiltert der Suggestion ausgeliefert sind und es keine kritische Betrachtung des Gesagten gibt. Wer das Gesagte nicht hinterfragt, geht ihnen all zu leicht auf den Leim, gerade wenn man seinen Platz in der Gesellschaft noch finden muss oder nach einer Lösung für seine persönlichen Krisen sucht.
Der Fehlschluss, dass rechte, islamistische oder andere autoritäre Weltanschauungen eine Veränderung der aktuellen Lage, zugunsten des eigenen Wohles erbringen würden, ist eben genau dies: ein Fehlschluss.
Doch ist es meist nicht nur dieser Fehlschluss, der die Menschen in ihre Hände treibt.
Von vermeintlich Fortschrittlichen Parteien über Konservative bis hin zu Faschist:innen ist sich niemand zu schade, jede Möglichkeit für ihre Zwecke auszuschlachten. Es geht ihnen nicht um Anteilnahme mit den Opfern und Betroffenen, sondern nur um Stimmungsmache und Diskursverschiebung nach Rechts um mehr und mehr Fuß und Anklang in der Gesellschaft zu fassen.
Wir dürfen nicht auf diese Hetze hereinfallen. In den nächsten Tagen werden Rechte immer wieder versuchen, den Vorfall für sich zu nutzen und auf die Straßen zu mobilisieren.
Dies gilt es zu verhindern. Ihre Lügen zu enttarnen und ihnen eine fundierte Kritik entgegenzusetzen. Ihre Aufmärsche zu blockieren und zu verhinden. Eigene Veranstaltungen organisieren, um sich der Vereinnahmung von Rechts entgegenzustellen und die Betroffenen sowie die Angehörigen in diesen Stunden nicht alleine zu lassen mit ihren Sorgen und Ängsten.
Einen ersten Schritt machten gestern Abend Genoss:innen aus München, die eine Kundgebung organisierten, welche von mehreren tausend Menschen besucht wurde. Durch die schnelle Reaktion konnte eine erste Vereinnahmung von Rechten weitestgehend unterbunden werden. In der öffentlichen Wahrnehmung konnte so ein Gegenbild zu den lauten Stimmen von Rechts geschaffen werden.
Diesen Erfolg müssen wir am Sonntag wiederholen, denn die AfD versucht die Tat aktiv für sich zu vereinnahmen und ruft zu einer Veranstaltung auf.
Wir rufen alle dazu auf, sich am Sonntag an der Demonstration des Antifaschistischen Stammtischs München zu beteiligen, und der AfD nicht den Raum für ihre Vereinnahmung zu lassen.
Die Veranstaltung beginnt um 10:30 Uhr am Königsplatz, Ecke Arcisstraße.
Unsere Solidarität und Mitgefühl für alle Betroffenen und eine schnelle Genesung den Verletzten.