Protest gegen den Auftritt des BAMF-Präsidenten Hans-Eckhard Sommer

starkes Zeichen für die Solidarität mit geflüchteten Menschen

50 solidarische Menschen haben sich am frühen Samstagmorgen auf dem Heidelberger Uniplatz eingefunden, um gegen den Auftritt des
Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Dr. Hans-Eckhard Sommer beim Heidelberger Symposium zu protestieren. Während die Teilnehmerinnen des Symposiums unmittelbar vor uns frühstückten, informierten wir sie mit einem Redebeitrag darüber, wer an diesem Tag beim Symposium auftreten wird. Im Anschluss setzten wir mit Parolen bis zum Beginn der Veranstaltung in der Neuen Uni ein starkes Zeichen für die Solidarität mit geflüchteten Menschen. Im Anschluss hielten wir mit Musik bei strahlender Sonne noch eine Stunde die Stellung, um Teilnehmerinnen des Symposiums, die ebenfalls „keinen Bock auf rassistische Kackscheiße haben“, eine alternative Möglichkeit zum gemeinsamen Chillen zu bieten. Dabei genossen wir veganes Frühstück, das uns solidarische Teilnehmer*innen des Symposiums vorbeigebracht hatten.

Wir protestierten gegen Dr. Sommers Auftritt, da dieser im März die Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl, einer der zentralen Lehren aus dem Nationalsozialismus, gefordert hatte und sein Amt missbraucht, um während den Koalitionsverhandlungen die Asyl- und Migrationspolitik nach rechts zu drücken. Bereits vor seiner Ernennung zum BAMF-Präsidenten war Sommer in Sachen Asyl- und Migrationspolitik bekannt als Hardliner, wie er sich auch selbst bezeichnete. Parallel zu unserer Kundgebung verteilten weitere Aktivist*innen vor dem Eingang des Veranstaltungssaals Flugblätter, die über die rechten Narrative, welche Sommer verbreitet, informierten.

Das Heidelberger Symposium hat sich im Vorfeld der Veranstaltung dagegen entschieden, Sommer auszuladen. Das Heidelberger Symposium hätte sich entscheiden können, Rassismus klar keine Bühne zu bieten. Stattdessen wurde das Format in Reaktion auf unsere Kritik umstrukturiert zu einem moderierten Dialog mit dem Rechtswissenschaftler Dr. Rainer Keil. Die Besetzung zeigt, dass ausschließlich unsere Kritik an Sommers Rechtsbrüchen gehört wurde, nicht aber am rassistischen Inhalt. Darauf hinzuweisen, dass Sommers Abschottungspropaganda nicht mit dem geltenden Recht vereinbar ist, ist wichtig, aber genügt nicht. Das geltende Recht wird an Europas Grenzen seit Jahren systematisch gebrochen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das geltende Asyl- und Migrationsrecht seit Jahren nach rechts geschoben wird und immer neue Grausamkeiten legalisiert werden. Das Recht ist kein Naturgesetz, sondern ein von den Herrschenden gesetzter Rahmen. Und dieser wird mit dem Rechtsruck immer beengender. Recht ist nicht gleich Ge-rechtigkeit. Und Typen wie Sommer sind der Grund, dass Recht und Gerechtigkeit auch immer weiter voneinander entfernt werden.

Sommers Aussagen beim Heidelberger Symposium

Sommer versuchte den Vorwurf des Amtsmissbrauchs direkt zu Beginn der Veranstaltung am Samstag mit einem Disclaimer auf billigste Art und Weise zu entkräften, indem er behauptete, er trete als Privatperson auf. Aber Amt und Amtsträger sind nicht zu trennen. Das Heidelberger Symposium hat ihn schließlich auch eingeladen, weil sie ihm auf Grund seines Amtes Kompetenz in dem Thema zuschreiben, wie aus der öffentlichen Stellungnahme des Symposiums hervorgeht.
„Menschenrechte und Demokratie sind für uns kein Thema kontroverser Verhandlungen“, behauptete das Heidelberger Symposium in seiner Stellungnahme. Doch schon die Eröffnungsfrage des Moderators Dr. Christian Rath – ob das individuelle Recht auf Asyl noch zeitgemäß sei – stellte diesen Anspruch infrage und reproduzierte Sommers Aussagen aus dem März, die eine Dienstaufsichtsbeschwerde von SeaWatch sowie Rücktrittsforderungen von Pro Asyl und weiteren Organisationen nach sich zog. Raths Anmerkung, alle Beiträge seien legitim, solange die „Humanität nicht aus dem Blick“ gerate, wirkt deplatziert, so haben wir als solidarische Menschen bereits seit längerem nicht den Eindruck, dass die Humanität bei der CDU/CSU, Sommers Partei, überhaupt irgendwo im Blick ist.

Sommer bezeichnet beim Heidelberger Symposium das Asylrecht als „Kriegsfolgenrecht“ und wiederholte, dass sowohl das Asylrecht im Grundgesetz als auch die Genfer Flüchtlingskonvention nicht mehr zeitgemäß seien. Beide Regelungen wurden nach dem zweiten Weltkrieg und dem Holocaust geschaffen, weil die Deutschen im Holocaust über 6 Millionen Jüd*innen, Sinti* und Roma*, behinderte Menschen, queere Menschen, politische Gegnerinnen und andere Menschen, die nicht in das Weltbild der Nazis passten, industriell ermordeten und viele der Verfolgten keine Möglichkeit zur Flucht vor dem Nazi-Regime hatten. Eine Flucht war, vor allem für Jüd*innen, nicht mehr möglich, nachdem viele Länder ihre Grenzen für die Verfolgten schlossen. Seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten stieg die Zahl der jüdischen Auswander*innen. Gleichzeitig ging die Bereitschaft anderer Länder, Jüdinnen aufzunehmen, stark zurück. In den 1930er-Jahren kam es vor Botschaften und Konsulaten zu langen Schlangen von Menschen, die auf ein Visum hofften, das die allermeisten von ihnen auf Grund von Einreisestopps nicht erhielten. Nazi-Deutschland raubte den Verfolgten ihr Vermögen, andere Staaten sahen die mittellosen Verfolgten in Folge als Belastung und nahmen ihre Ermordung in Kauf.
Auch heute halten Staaten wieder Konferenzen ab, bei denen sie sich einig sind, dass sie keine Geflüchteten aufnehmen wollen. Auch heute werden, oftmals beraubte, Flüchtende wieder als Belastung geframed und über ihr Recht auf Leben wird anhand ihrer ökonomischen Verwertbarkeit entschieden. Währenddessen erstarken die Nazis und ihr parlamentarischer Arm, die AfD, wieder. Dieses Jahr hat jede*r fünfte Deutsche Nazis gewählt. Zu behaupten, der „Kontext“ erlaube und gebiete es heute, das individuelle Recht auf Asyl abzuschaffen, ist an Geschichtsvergessenheit kaum zu übertreffen. Die Genfer Flüchtlingskonvention sollte als direkte Reaktion auf die deutsche Schreckensherrschaft und das Versagen der internationalen Staatengemeinschaft ein dauerhaftes Schutzinstrument sein, damit so etwas nie wieder passiert!

Sommer schürte in seiner Rede beim Heidelberger Symposium gezielt Ängste mit empirisch nicht belegbaren Flüchtenden-Zahlen. Er sprach vom „Zynismus des Asylrechts“, weil dieses vorwiegend jungen Männern Schutz gewähre, ungeachtet dessen, dass die Flucht, gerade weil es keine sicheren Fluchtwege gibt, so anstrengend, gefährlich und teuer ist, dass nur einzelne Familienmitglieder fliehen können. FLINTA*-Personen sind dabei weiteren spezifischen Gefahren ausgesetzt. Auf Grund von patriarchalen Strukturen in allen Staaten, die sie durchqueren, auch in Deutschland. Dass es nach der Flucht junger Männer dabei bleibt, dass sie alleine in Deutschland sind, liegt nicht daran, dass das Asylrecht nur ihnen Schutz gewährt, sondern dass Parteien wie unter anderem die CDU und die SPD den Familiennachzug seit Jahren aushöhlen und durch bürokratische Hürden verwehren und nun abschaffen wollen. Sommer forderte zudem ein „Primat der Politik“, das es herrschenden Politiker*innen ermöglichen soll, im Falle eines „Notstands“, geltendes Recht auszusetzen. Dies weckt angesichts der deutschen Geschichte dunkle Erinnerungen.
Aktuell rückläufige Zuwanderungszahlen begründete Sommer mit dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien. Binnen 24 Stunden nach dem Sturz Assads stoppte Sommer im vergangenen Jahr eigenmächtig die Abwicklung von Asylverfahren von Syrer*innen, ohne vorab detaillierte Informationen zur Lage in Syrien einzuholen oder islamistische HTS. In dieser Lage Syrien zum sicheren Land zu erklären, während ethnische und religiöse Minderheiten, FLINTA* und queere Menschen im islamistischen Weltbild keinen Platz haben, war glasklar nicht am Wohl der Menschen orientiert, sondern am Willen, dorthin wieder abschieben zu können.

Der Umgang des Symposiums mit Kritik und Protest

In der anschließenden Diskussion wurden kritische Kommentare aus dem Publikum vom Symposiumsteam eingeschränkt und unterbunden, indem Personen, die sich zu Wort gemeldet hatten, das Mikro entzogen wurde. Dies widerspricht der Darstellung des Symposiums in der Rhein-Neckar-Zeitung, wo dieses angibt, das Organisationsteam sei „zufrieden mit […] den kritischen Fragen“, sowie den vorab vom Symposium betonten Prinzipien der Diskurs- und Meinungsfreiheit.
Dr. Rainer Keil ordnete die Aussagen Sommers aus der juristischen Perspektive zwar kritisch ein und kritisierte Sommers unverhältnismäßige Katastrophenrhetorik, reproduzierte aber auch die Logik der ökonomischen Verwertbarkeit von Fluchtenden. Eine Betroffenenperspektive fehlte auf dem Podium gänzlich. Die RNZ berichtet, das Heidelberger Symposium habe sich dagegen entschieden, „einen reinen Contra-Redner, etwa von Pro Asyl oder der Seebrücke einzuladen“, da sie, so die Sprecher*innen des Symposiums, nicht wollten, „dass hier zwei Meinungsblöcke aufeinanderprallen“. Also: rassistische Abschottungspropaganda ja, aber ohne klare Gegenrede.
Während das Symposium in seiner Stellungnahme proklamiert, Menschenrechte „uneingeschrankt [zu] verteidigen“, wurde unser Einstehen dafür von ihnen jedoch als Bedrohung gesehen. Mensch habe sich auf „das Schlimmste vorbereitet“ und sich beim Anblick des, aus unserer Sicht absurden, Polizeiaufgebots „Gedanken [gemacht], ob das alles so klappen wird“. Uns irritiert vor allem, dass sich das Heidelberger Symposium in der RNZ im Umgang mit den Protesten positiv auf seine Durchführung eines Vortrags mit Thilo Sarrazin 2011 beruft.

Fazit

Was bleibt, ist ein exemplarisches Beispiel dafür, wie menschenfeindliche Positionen unter dem Deckmantel der „Debattenkultur“ in akademischen Räumen salonfähig gemacht werden. Ein Symposium, das angibt, sich der „kritischen Auseinandersetzung“ verpflichtet zu fühlen, aber Betroffenenperspektiven ausgrenzt, Proteststimmen einschränkt und grundlegende Säulen, die das Menschenrecht sichern sollen, wie das individuelle Asylrecht zur Debatte stellt, untergräbt die Grundlagen, auf die es sich selbst beruft. Wer den Diskurs so gestaltet, betreibt keine Aufklärung, sondern Rechtsruck.

Für uns ist klar: Flüchtende Menschen aufzunehmen oder in Verfolgung, Folter und Tod abzuweisen, ist keine „kontroverse Debatte“ und darf nicht zur Frage gestellt werden. Wir freuen uns, dass unsere Intervention durch Stellungnahme und Protest vor Ort Wellen geschlagen und Unruhe verursacht hat, denn wenn Rassismus eine Bühne geboten wird, darf es nicht ruhig bleiben. Wenn mensch das individuelle Asylrecht und seine Entstehungsgeschichte im post-nationalsozialistischen Kontext „umdenkt“, kann mensch nur zum Schluss kommen, dass die Gefahr hier die Rechten sind. Und diese gilt es aufzuhalten!

Ob CDU oder AfD, stoppt den Rechtsruck in der BRD! Hoch die internationale Solidarität!