„Heil Normannia! Heil Deutsches Reich!“
Oskar Atzingers Signaturstatement im Landtag Bayern
„Wir haben keinen Friedensvertrag. Ich bin Sozialpatriot. Und ich sehe mich als Verteidiger des christlichen Abendlandes gegen die Islamisierung, denn es gibt nur einen Islam, und der ist politisch. (…) Wer nicht sieht, dass der Bevölkerungsaustausch in vollem Gange ist, ist entweder blind oder blöd oder Erfüllungspolitiker der Besatzungsmacht. (…)“ – so lautet Oskar Atzingers Signatur-Statement, welches er so oder ähnlich ans Ende seiner Reden im Bayerischen Landtag anzuhängen pflegt.
Dort sitzt der AfD-Abgeordnete und ehem. Sprecher einer neonazistischen Passauer Schülerschaft ausgerechnet im Ausschuss für Bildung und Kultus. Doch sowohl solcherlei verschwörungsideologische, reichsbürgernahe und rechte Einlassungen wie auch seine Rolle in dem gut ein Dutzend Mitglieder umfassenden Männerbund aus extrem rechten politischen Aktivisten und Funktionären, scheinen Atzinger aus Sicht der Sicherheitsbehörden nicht für ein Amt mit so sensibler Thematik zu disqualifizieren. Seine Aussagen im Landtag sind von der Immunität der Mandatsträger gedeckt, seine Aktivitäten und Mitgliedschaft in der NS-nahen Burschenschaft werten Behörden wohl als irgendetwas zwischen folkloristischem Reenactment und bierseliger Privatangelegenheit. Zweitere Schutzbehauptung kann jedoch nur als lebensfern bis verharmlosend und die Realität verleugnend verstanden werden: Ist es doch expliziter und ausformulierter Anspruch von Burschenschaften, ihren Mitgliedern eine politische Erziehung angedeihen zu lassen und ihre Betätigung in gesellschaftspolitischen Feldern zu fördern. So steht es auch bis heute ganz klar auf der Website der seit 2007 (erneut) bestehenden pennalen Burschenschaft Normannia Winterberg zu Passau:
„Zweck der Verbindung ist die aktive Unterstützung der Volkstumsarbeit, Zusammenschluss der studierenden Jugend, körperliche und geistige Ertüchtigung der Bundesbrüder und gesellschaftliche Betätigung. Als schlagender Bund ist für uns das Fechten selbstverständlich. Es ist für uns ein wichtiger Aspekt der Persönlichkeitsbildung und wird eifrig betrieben. Wir richten uns nach der LPO (Linzer Paukordnung aus dem Jahre 2016). Wir sind eine pflichtschlagende Verbindung.“ – https://www.normannia-winterberg.de/ [Hervorhebungen durch uns]
Wie es um die politische Verortung des Bundes steht, daran lassen diverse Artikel auf der (alten) Website der Normannia Winterberg keinerlei Zweifel. Immer wieder bekennt man sich dort „stolz“ zur Wehrmacht, berichtet von einer Abordnung der Verbindung, die an Nazidemos in Dresden teilnahm oder betreibt wüste Geschichtsklitterung zu Gunsten des NS. Dass fast jedes einzelne Mitglied der eingeschworenen Verbindung eine aktive Historie (und/oder Gegenwart) in der extremen Rechten aufweist, der Großteil der Männer bereits als Funktionäre extrem rechter Parteien oder Aktivisten neonazistischer Organisationen auftraten, überrascht da wenig.

Alles Schnee von gestern? Keineswegs!
Wie aktuell die Verortung der Mitglieder und der Verbindung an sich in der extremen Rechten sind, belegt ein Event der Normannia Winterberg zu Passau Ende Mai 2025. Geladen hatte der neue Vorsitzende der „Altherrenschaft“ der Normannia Winterberg zur „Freiheitskneipe“. Dieses Amt ging wohl kürzlich an Thomas Girzick über. Girzick war noch zwei Jahre zuvor wegen Mitgliedschaft in der Holocaustleugnervereinigung „Europäische Aktion“ in Österreich zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.
Gekommen waren an diesem Abend sechs Normannen:
- Thomas Girzick (Europäische Aktion)
- Stephan Mühlberger (jetzt unter dem Namen seiner Ehefrau: Wanetschek) (lange NPD, jetzt neu CSU)
- Tobias Lipski (jetzt unter dem Namen seiner Ehefrau: Benecke. Anwesend mit Ehefrau & Couleurdame Sophie; zuvor aktiv bei: IB, JA, B! Markomannia Wien, jetzt Münchner B! Danubia, Aufnahme in AfD gescheitert)
- Kurt Haimerl (ex-REP, jetzt AfD Stadtrat)
- Harald Schröter (NPD)
- Christian Rössner (FPÖ, Team Strache)
Bilder zeigen die Runde in Couleur der Verbindung beim Zeremoniell der Kneipe. Gesungen wird aus dem „Normannia Liederbuch“. Das augenscheinlich selbst zusammengestellte Dokument enthält eine Sammlung von ca. 60 Liedern aus dem Bereich der Koporationen und dem Militär. Darunter finden sich klassische Burschenschaftslieder, das Farbenlied der Normannia Winterberg, Weihnachts- und Festtagslieder und solche, mit klarem politischen Einschlag.
Darunter:
„Wenn alle untreu werden“: Deutsches Volks- und Studentenlied, das auf einem politischen Gedicht von Max von Schenkendorf aus dem Jahre 1814 basiert und in verschiedenen Textfassungen existiert. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Lied in abgewandelter Form als „Treuelied“ von der Schutzstaffel (SS) verwendet. Im SS-Liederbuch war es nach dem Deutschlandlied und dem Horst-Wessel-Lied exponiert an dritter Stelle aufgeführt.
„Ein Heller und ein Batzen“: Deutsches Gedicht von Albert von Schlippenbach (1800–1886) aus den 1820er Jahren. Mit verschiedenen Melodien war es als Studentenlied und soldatisches Marschlied weit verbreitet. Im Zweiten Weltkrieg wurde es in den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten als Ausdruck von nationalsozialistischer Hybris wahrgenommen.
„Deutschlandlied“: Das Lied der Deutschen, auch Deutschlandlied genannt, wurde von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben am 26. August 1841 auf Helgoland gedichtet. Seine dritte Strophe ist der Text der deutschen Nationalhymne. Zur Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945) wurde nur die erste Strophe gesungen, auf die stets das Horst-Wessel-Lied folgte. Im Normannia Liederbuch finden sich alle drei Strophen, beginnend mit „Deutschland, Deutschland über alles, Über alles in der Welt, Wenn es stets zu Schutz und Trutze, Brüderlich zusammenhält, Von der Maas bis an die Memel, Von der Etsch bis an den Belt – ….“
„Heil dir im Siegerkranz“: Seit 1795 preußische Volkshymne und nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 Kaiserhymne. Sie erklang bei patriotischen Gelegenheiten mit Bezug zum Kaiser, wie Thronjubiläen und Geburts- und Todestagen, gewöhnlich aber auch zu Anlässen wie dem Sedantag und zu den Reichsgründungsfeiern.
„Wir sind des Geyers schwarzer Haufen“: Nach dem Ersten Weltkrieg entstandenes Fahrtenlied. Es behandelt und glorifiziert die Taten des Bauernführers Florian Geyer und seines Schwarzen Haufens, einer Odenwälder Bauernarmee während des Bauernkriegs 1525. Das Lied, entstanden im Umfeld der Bündischen Jugend, wurde von vielen unterschiedlichen Gruppierungen gesungen und mehrfach, etwa im Nationalsozialismus als politisches Kampflied instrumentalisiert und z.B. im Kampf gegen die katholische Kirche eingesetzt. Außerdem gehörte es zum offiziellen Liedgut der SS.
„Ein junges Volk steht auf“: Propagandalied der Hitlerjugend (HJ). Das von Werner Altendorf gedichtete Lied wurde 1935 erstmals veröffentlicht. Schnell fand es Eingang in das Liedgut der Hitlerjugend und der NSDAP, schon 1936 zählte es zu den Pflichtliedern der HJ. Bis 1940 wurde es in nahezu alle Schulliederbücher aufgenommen und fand auch Eingang in verschiedene Soldatenliederbücher. Bis in die Gegenwart wird es von der Rechtsextremen in Deutschland genutzt. Das Lied ist nach § 86a StGB verboten, da es als Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation (der Hitlerjugend), gilt. Das Verbreiten, öffentliche Zugänglichmachen und Verwenden des Liedes ist in Deutschland strafbar.
Verbotenes NS-Liedgut und Bekenntnisse zum Dritten Reich – normal bei der Normannia
Neben dem teils verbotenen Propagandalied der Hitlerjugend, welches bei den Kneipenabenden der „Normannia Winterberg zu Passau“ weit mehr als nur „Traditionsverbundenheit“ ausdrücken dürfte, finden sich im zeitgenössischen Liederbuch der Schülerverbindung auch weitere Bekenntnisse zum NS.
Besonders unmissverständlich und in seiner Interpretation keinen Raum lässt beispielsweise die letzte Seite des selbst gestalteten Normannia Winterberg Liederbuchs:
„Heil Normannia“ prangt dort als Schriftzug unter einem Bild des Panoramas der tschechischen Stadt Vimperk, hier bezeichnet mit dem deutsche Namen „Winterberg“ und darunter „Heil Deutsches Reich“. Dazu eine Karte des Deutschen Reiches, welche aus dem „Soldaten-Atlas; Reihe: Tornisterschrift des Oberkommandos der Wehrmacht 1941, Heft 39; Herausgeber: Oberkommando der Wehrmacht, Abteilung Inland“ stammen dürfte. Beim Deutschen Reich des 19. und 20. Jahrhunderts unterscheidet man allgemein mehrere Perioden: die Monarchie des Deutschen Kaiserreichs (1871–1918), die pluralistische, semipräsidentielle Demokratie der Weimarer Republik (1918/19–1933) und die Diktatur des NS-Staates in der Zeit des Nationalsozialismus (1933 bis 1945) – die Karte von 1941 ist wohl letzterem zuzuordnen.
Mit dem Wunsch „Heil Deutsches Reich“ bekennt sich die Normannia Winterberg klar zum Deutschland in seinen Grenzen von 1941, zum Staatsgebiet des Nationalsozialismus.
Die Normannia Winterberg als politische Ersatzstruktur ohne Parteibindung
Die pennale Burschenschaft Normannia Winterberg zu Passau wurde im Jahr 2007 von den beiden Passauer Immobilienmaklern Günther Resch und Stephan Mühlberger reaktiviert. Bereits seit 2005 hatten die beiden das „Nationale Forum Passau“ betrieben. Das „Nationale Forum“ hatte sich vorgenommen, „alle nationalen Kräfte (freie Kameradschaften aus Deutschland und Österreich, NPD, DVU, REP, DP usw.)“ zu bündeln und für die Bundestagswahlen „eine nationale Front“ zu schaffen. Im Internet ließ Resch das „Nationale Forum“ jedoch bereits unter einer NPD-Adresse erscheinen. Um das Jahr 2007 herum trat der Personenzusammenschluss hinter dem „Nationalen Forum Passau“ bereits als NPD auf und zu den Bezirkstags- und Landtagswahlen 2008 an. Das „Nationale Forum Passau“ bzw. als „Nationales Forum Passau“ organisierten Resch und Mühlberger beispielsweise jährliche „Reichsgründungsfeiern“, zu denen teils hochkarätige Neo- und Altnazis (wie z.B. Friedhelm Busse) geladen waren.
Wie es schließlich aus dem entsprechenden Personenkreis heraus zur (Wiederbe-)Gründung einer Burschenschaft kam, führte Stephan Mühlberger anlässlich eines Nachrufs auf den 2018 verstorbenen Günther Resch aus:
Im Jahre 2006 habe er mit Günther und Herta Resch anlässlich des 200. Todestages des Verlegers Johann Philipp Palm in Braunau am Inn erstmals an einem Festkommers von Korporierten teilgenommen. Die politischen Diskussionen sowie der militärische Habitus hätten ihn dermaßen begeistert, dass er Resch daraufhin auf die damals noch „vertagte“ (also inaktiv gestellte) Passauer Burschenschaft Normannia Winterberg hinwies. Gemeinsam beschlossen die beiden Männer, die sich bereits aus der parteilichen Zusammenarbeit für die NPD kannten, die Reaktivierung der Normannia Winterberg im September 2007. Mühlberger bezeichnete dies als „einschneidendes, für seinen Lebensweg veränderndes, Ereignis“, in dessen weiteren Verlauf er auch noch in die p.B! Saxonia Czernowiz zu München aufgenommen, wurde, welcher er bis heute als Alter Herr angehöre. „Unsere parteipolitische Aktivitäten wurden zugunsten der Burschenschaft auf ein Minimum beschränkt“, erläutert Mühlberger im Nachruf die Bedeutung der Burschenschaft auf dem Feld der politischen Betätigung für die extreme Rechte weiter.
Seine parteipolitischen Aktivitäten hängte Mühlberger jedoch erst wesentlich später an den Nagel. Noch beim ordentlichen Bundesparteitag der NPD im Jahr 2014 trat Mühlberger als Ersatzdelegierter des lediglich sieben Personen umfassenden NPD Kreisverbands Passau an. Wahr ist aber auch, dass Mühlbergers öffentliche Auftritte für die NPD in den Folgejahren gen null tendierten. Mühlbergers politisches Engagement fokussierte sich im Folgenden wohl vollständig auf den Aufbau und die Organisation der „Normannia Winterberg zu Passau“ als Sammelbecken extrem rechter Funktionäre und Aktivisten. Mit einigem Erfolg!
Dass die Aktivitäten unter dem harmlos wirkenden Deckmantel der pennalen Burschenschaft ähnlich effektiv wie die Parteiarbeit, aber öffentlich kaum zu problematisieren waren, war Mühlberger dabei vermutlich bewusst. Seine politische Einstellung und Zielrichtung jedenfalls änderten sich seit seiner Zeit als Vorsitzender der Passauer NPD keineswegs. Auch dies geht aus Mühlbergers Nachruf an den verstorbenen Günther Resch im August 2018 hervor:
Dort berichtet er, Günther Resch Ende 2004 anlässlich der Organisation von Parteiveranstaltungen in Passau kennen gelernt zu haben. Dabei habe Resch für den bis dato unerfahrenen Mühlberger als eine Art Mentor gewirkt. „Günther war der Ansicht, dies wurde auch zu meiner Einstellung bis zum heutigen Tage, das die politische Rechte, die Konservativen und die Patrioten sind dermaßen zersplittert, dass wir uns schlichtweg eine Ausgrenzungspolitik nicht weiter leisten könnten und somit war auch schon die Gangrichtung in unserer politischen Arbeit und auch in der Organisation dieser speziellen Veranstaltung aufgezeichnet. Erstens: keinerlei Abgrenzung und Ausschluss anderer Meinungen, aber eine granitene Härte gegenüber dem eigenen Standpunkt.“
Mit Stolz berichtet Mühlberger im Sommer 2018, dass diese Einstellung es ihnen damals ermöglicht habe, mehrere Veranstaltungen für die extreme Rechte mit so großem Erfolg zu organisieren, dass in dem seither mehr als einem vergangenen Jahrzehnt keine Veranstaltung des rechten Lagers hier noch anschließen konnte.
Eventveranstalter der extremen Rechten, dem es gelingt, Akteure der unterschiedlichen Strömungen des rechten Lagers über ihre inhaltlichen Differenzen hinweg zugunsten der gemeinsamen Sache an einen Tisch zu bringen – in dieser Rolle gefällt sich Mühlberger. Und das scheinbar auch heute noch.
Vor wenigen Wochen wurde in der niederbayerischen Presse bekannt, dass Stephan Mühlberger sich inzwischen – angelehnt an den Nachnamen seiner Ehefrau – Stephan Wanetschek nennt. Unter diesem Namen ist er seit 01.01.2025 vom Landesvorstand des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. (BBSB) als kommissarischer Bezirksgruppenleiter für den Bezirk Niederbayern eingesetzt. In diesem Ehrenamt leitet er die BBSB-Blickpunkt-Auge-Beratungsstelle Niederbayern in Plattling, hält monatlich niederbayernweit Veranstaltungen, kulturelle und Freizeitangebote, Beratungstage, Stammtische und Hausbesuche ab.

Andere Engagierte des BBSB waren wegen seines autoritären Führungsstils und etlicher „auffälliger“ Bemerkungen auf ihn aufmerksam geworden. Misstrauisch geworden, hätten diese den Werdegang Wanetscheks recherchiert und seien dabei auf seine Historie in der extremen Rechten aufmerksam geworden. Auch der Landesvorstand des BBSB wurde eingeschaltet. Der wiederum rehabilitierte Mühlberger / Wanetschek nach rund zwei Wochen und beließ ihn in Amt und Würden. Mit dem lapidaren Hinweis, Mühlberger / Wanetschek habe sich in einer Erklärung gegenüber dem Landesvorstand glaubhaft und deutlich von sämtlichen seiner früheren politischen Aktivitäten distanziert, soll die Sache nun vom Tisch sein. Wie sich diese vermeintliche Distanzierung mit Mühlbergers aktuellen, andauernden und fortlaufenden Aktivitäten in der und für die extreme Rechte und „das Deutsche Reich“ von 1941 verträgt, bleibt ungeklärt. Und Mühlbergers Faible für die Planung strömungsübergreifender Events um ein rechtes Lager – von CSU bis NPD – zu vereinen, damit unangetastet.
Auf der Seite der Kampagne „Völkische Verbindungen Kappen“ findet ihr ausführlichen Rechercheartikeln bis hin zu Dossiers über Burschenschaften und andere „elitäre“extreme Rechte.





