Wir setzen nicht auf die Justiz oder Verwaltungsakte

Bündnis mobilisiert Überzahl gegen rechten Fackelmarsch in Darmstadt mit nur 15 Teilnehmern.

Ein Gespräch mit Yannick Theis (aktiv im »Bündnis gegen rechts« in Darmstadt)

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof Kassel hat das Verbot der Stadt Darmstadt eines Fackelmarschs anlässlich der »Brandnacht« vom September 1944 aufgehoben. So konnten extrem rechte Akteure das Gedenken an die Opfer des Bombardements instrumentalisieren. Am Ende standen Donnerstag nacht aber nur 15 Rechte den bis zu 1.000 Demonstranten des lokalen »Bündnisses gegen rechts« gegenüber. Wurde also viel Lärm um nichts gemacht?

Darmstadt (rund 167.000 Einwohner, jW) hat keine organisierte rechte Szene im klassischen Sinn. Es gibt aber einen rechten Rand und knapp unter zehn Prozent AfD-Wähler. Unserem Bündnis war es mit großer Mobilisierung gelungen, dass sich viele nicht mehr trauten, offen mit geschichtsrevisionistischen Parolen in Erscheinung zu treten. Wir haben klargemacht, dass man mit solchen Ansichten doch besser zu Hause bleiben sollte, weil die in unserer Zivilgesellschaft keinen Platz haben. Dafür waren wir von 21 bis 2 Uhr auf der Straße. Die Polizei versuchte, die Rechten abzuschirmen, um deren Versammlung zu ermöglichen. Weil wir durchgängig blockierten, konnten diese 15 Personen nicht marschieren. Sie mussten unverrichteter Dinge abziehen.

Wie setzt sich diese Szene zusammen?

Anmelder war Thomas Bernt, der zunächst im »Querdenken«-Umfeld auftrat. Später, auch in diesem Jahr, meldete er unter dem Label »Gemeinsam für Deutschland« in Frankfurt am Main Versammlungen mit nationalistischen und rassistischen Tendenzen an. Die Anzahl der Teilnehmer hätte am Donnerstag wesentlich größer ausfallen können, hätten wir durch unsere Mobilisierung die Stadt nicht in Zugzwang gebracht. Deshalb sind wir durchaus stolz darauf, dass es bei uns so gut klappt.

Zu dieser Anti-AfD-Demonstration konnten etwa 10.000 Menschen in Darmstadt mobilisiert werden (29.1.2025), Foto: Daniel Kubirski/IMAGO

In einer Mitteilung warnte das Bündnis davor, dass die AfD mit diesen Akteuren gemeinsame Sache mache. Was wissen Sie darüber?

Dem »Bündnis gegen rechts Darmstadt« liegt ein Screenshot eines Facebook-Posts vor, der belegt, dass die AfD im Landkreis Darmstadt-Dieburg den rechten Aufmarsch öffentlich bewarb. Später ruderte sie zurück, damit habe man nichts zu tun. Es ist das uns bekannte Vorgehen, sich öffentlich bürgerlich und harmlos geben zu wollen. Man wirbt für solche Veranstaltungen, aber gerät das in die Kritik, löscht man das Ganze schnell wieder. Die Taktik der AfD: Immer wieder die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, gleichzeitig aber zu simulieren, salonfähig zu bleiben. Genau deshalb müssen wir dafür sorgen, dass es kein Vorbeikommen gibt und in jedem Fall mit lautem Gegenprotest gerechnet werden muss.

Worauf beziehen Sie sich, wenn Sie vom Geschichtsrevisionismus der AfD sprechen?

Die AfD stellt die Geschichte des Faschismus der Nazizeit immer wieder verharmlosend dar und stellt die Deutschen in die Opferposition. Man kennt das seit Alexander Gaulands Zitat, Hitler und die Nazis seien »nur ein Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte« gewesen. In Dresden trugen Neonazis Banner zum Jahrestag des 14. Februar 1945 mit der Aufschrift »Bombenholocaust der Alliierten«. Die AfD Darmstadt veröffentlichte in dem später gelöschten Beitrag ein Bild der zerstörten Stadt, ohne Hinweis auf den geschichtlichen Kontext.

Wie ist es zu erklären, dass das Engagement gegen rechts in Darmstadt gut funktioniert?

Wenn Rechte versuchen zu marschieren oder sich Raum zu nehmen, ist auf die Gegenwehr der Stadtgesellschaft Verlass. Wegen des Antrags von Friedrich Merz im Bundestag (vor der Bundestagswahl, jW) zur Begrenzung der Migration, den CDU und FDP nur gemeinsam mit der AfD durch die Abstimmung bringen konnten, hieß es: »Wir sind die Brandmauer.« 12.000 Menschen waren am 31. Januar auf der Straße. Im Bundestagswahlkampf in Darmstadt sagte Merz angesichts unserer Gegenproteste: Er könne gar nicht verstehen, warum die hessische Wissenschaftsstadt so links sei. Wir setzen hier nicht auf Verwaltungsakte, Verbote oder die Justiz. Wir wissen, wir müssen selbst aktiv werden.


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