Mittendrin statt nur dabei

Extrem rechte Hooligan- und Kampfsport-Netzwerke in der Pfalz

Zwar ist die „Hammerskin Nation“ (HSN) in Deutschland verboten, aber Veranstaltungen der neonazistischen Bruderschaft finden im europäischen Ausland weiterhin statt. Und das mit deutscher Beteiligung. Wirft man einen genauen Blick auf ein neonazistisches Kampfsport-Event in Frankreich im letzten Jahr, fallen dabei einige Akteure ins Auge, die sich unbesorgt in der Pfalz zwischen Kampfsport und Hooliganismus bürgerliche Existenzen aufgebaut haben.

Ein Sommertag in Frankreich. Es ist der 15. Juni 2024 und eine abgelegene Halle im Ort Combres-sous-les-Côtes bietet Neonazis ein angenehmes Ambiente für Treffen aller Art. Halle und Gelände dienen als Clubhaus der Lorraine Hammerskins, ein französisches Chapter der in Deutschland seit September 2023 verbotenen Organisation. Heute steht Kampfsport mit internationaler Beteiligung auf dem Programm, maßgeblich aus Deutschland. Klandestin organisiert bleibt der Day of Glory trotzdem nicht geheim. Die antifaschistische Rechercheplattform Exif veröffentlicht im Nachgang Fotos, die die gesamte Anreise dokumentieren. Fotos, für die sich die Gesellschaft – besonders aus der Pfalz – interessieren sollte.

Neonazis und Hooligans

Neben Akteuren aus der NS-Kampfsport-Szene wie dem Kampf der Nibelungen-Team und dessen Umfeld finden sich Neonazis aus verschiedenen Ländern und Organisationen wie den „Hammerskins“, der Partei Der Dritte Weg, dem Aktiv Klubb Sverige aus Schweden oder Blood & Honour – Zürichsee aus der Schweiz ein. Aufällig ist, dass mehrere Autos mit pfälzischen Kennzeichen vorfahren. Angekommen wird die einheitliche Oberbekleidung angelegt: First Class Limburgerhof (FCL), eine Althool-Gruppe aus der Westkurve des 1. FC Kaiserslautern (FCK). Torsten Staudacher, der gemeinsam mit seiner Frau Claudia Staudacher anreist, und Wolfgang Isselhard, stellvertretender Vorsitzender bei der Karneval- und Tanzsportgesellschaft Schlotte e.V. Schifferstadt, tragen Polo- und T-Shirts in Reichsfarben mit Gruppenlogo der Hooligan-Gruppe. Staudacher, seit den 2000er Jahren bekannt als umtriebiger Händler für Bekleidung und Merchandise der Szene, ist aktuell laut Impressum verantwortlich für den Knockout Versand mit Sitz in Hessen. Unter den anreisenden FCL-Mitgliedern ist auch Tim Walther, der seine Shorts stilecht in schwarz-weiß-rot passend ausgewählt hat. Walther, selbstständiger Brandsachverständiger in Landau/Pfalz, steht an diesem Tag auch als Kämpfer im Ring.

Europachef der „Hammerskins“, Malte Redeker aus Schifferstadt, betritt erst Stunden später in Begleitung seines langjährigen Weggefährten Benjamin Riedle die Szenerie, nachdem ein Fahrschulauto der Firma Hetzler aus Herxheim bei Landau vorgefahren ist. Das passende Kennzeichen mit dem Zifferncode 18 für Adolf Hitler verwundert in diesem Zusammenhang nicht. Fraglich bleibt dagegen, warum ein führender „Hammerskin“ mit einem Fahrschul- und Busunternehmen, das neben Fanbussen des 1. FC Kaiserslautern auch ÖPNV für den Verkehrsverbund-Rhein-Neckar fährt, anreist.

Kampfsport in Reichsfarben

Marcus Klimscha, bekannt von frühen Gruppenfotos der FCL, Althool der Rot-Front Kaiserslautern, Träger der Marke Thor Steinar, jemand der einen seiner Hunde „Rommel“ nennt, ist seit vielen Jahren Trainer der Kampfsportart Muay Thai. Sein eigener Verein Treverer Fighters organisierte für den 2. November 2024 die zweite „Palatina Fighting Championship“ im Bürgerhaus von Waldfischbach-Burgalben (Landkreis Südwestpfalz). Unter dem Namen „Nunquam Retrorsum“ (niemals zurück) postet Klimscha fleißig und regelmäßig Beiträge und Werbung für sein Gym. Darunter auch ein Video, in dem eine Person mit Shorts in Reichsfarben auffällt: Tim Walther. Im Hintergrund hängt dessen Werbebanner von Expertise Walther. Die Dogwhistle kommt bei der Zielgruppe an.

Zur „Palatina Fighting Championship“ kommt auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag und stellvertretende Landesvorsitzende seiner Partei in Rheinland-Pfalz Sebastian Münzenmaier. „Top Veranstaltung, Respekt an alle Kämpfer!“ postet er auf seinem offiziellen Partei-Profil über Instagram, im Hintergrund ein lächelnder Klimscha. Nicht das erste gemeinsame Foto der beiden. Sie posieren auch bei der Anreise zum DFB-Pokalfinale des 1. FC Kaiserslautern in Berlin am 28. Mai 2024 gemeinsam. Schon lange pflegt Münzenmaier Kontakte in die Hooligan-Szene des 1. FCK. 2018 wurde er wegen Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung verurteilt, weil er 2012 Hooligans aus Kaiserslautern half, Mainzer Fans zu überfallen.

Normalisierung

Aus der Lokalzeitung erfährt man, dass Walther als Boxer für die Treverer Fighters am 2. November in den Ring gestiegen ist. Offensichtlich wird dort seit Jahren unkritisch über Klimscha berichtet, ohne sich auf seinen Social Media-Kanälen umzuschauen. Nicht nur im Hinblick auf Kindertraining und Spendenaktionen ist diese öffentliche Normalisierung mehr als problematisch. Klimscha gibt außerdem Muay-Thay-Training im Silesias Fight Club in Kaiserslautern und unterhält nach eigener Aussage „sehr enge Verbindungen zu den Vikings Muay Thay“ in Marnheim (Donnersbergkreis). Der Verein machte 2023 ein Projekt zur Selbstverteidigung mit finanziellen Mitteln aus dem Programm „Integration durch Sport“ des Landessportbundes Rheinland-Pfalz. Laut Homepage verpflichten sich alle Übungsleiter „…alle fair zu behandeln sowie Diskriminierung jeglicher Art und antidemokratischem Gedankengut entschieden entgegenzuwirken“.

Käme man auf die Idee, die Mitgliedschaft der Treverer Fighters in einem Verband zu prüfen, landete man womöglich auf der Seite Muay Thai Verband Rheinland-Pfalz (MVRP) e. V. Der Verband organisierte sich 2022 neu und bietet Aus- und Weiterbildungen zum Trainer oder Ringrichter an und will die „olympische Sportart Muay Thay […] verbreiten“. Seit Januar 2023 hat der Verband einen neuen Vorsitzenden: Marcus Klimscha. In diesem Verband sind mehrere Vereine organisiert, die sich über ganz Rheinland-Pfalz verteilen.

Kampfsport mit extrem rechtem Support

Die Bienwaldhalle in Kandel ist am 12. April 2025 Schauplatz der Boxgala des Boxclub Kandel e.V. Trainer laut dessen Homepage: Tim Walther. Vor Ort deutet im Vorfeld nichts auf rechte Umtriebe hin. „Der Boxclub Kandel will bei seiner Gala keine Nummerngirls mehr sehen“, schreibt die Lokalzeitung Rheinpfalz in der Woche vor dem Event. Was sollten da auch die Kinder denken? Der Verein legt viel Wert auf Kinder- und Frauentraining.

Die Security am Eingang hat kein Einlasskonzept aufgebaut, sondern wirkt alleine schon durch ihre martialische Präsenz. Walther ist bei dem Event im Einsatz, im „TEAM-Shirt“ des Boxclubs. Er tritt weder als Kämpfer noch als Trainer bei der Gala in Erscheinung. Kurze Zeit später wird die Homepage aktualisiert und sein Name verschwindet von der offiziellen Trainerliste. Als Sponsor ist sein Firmenname Expertise Walther weiter präsent.

Treffpunkt Geburtstagsparty

First Class Limburgerhof feierte im Juni 2025 in Ludwigshafen-Maudach auf dem Vereinsgelände des TV 1898 Maudach e.V. ihr 40-jähriges Bestehen. Neben in die Jahre gekommenen Schwergewichten der Hooligan-Szene stehen jüngere, sportliche Männer. Gemeinsam mit Frauen und Kindern erfreut man sich an Grillgut, gutem Wetter und der Gemeinschaft. Jugendliche Vertreter der Szene tragen neben T-Shirts der FCL und Fan-Merch des 1. FC Kaiserslautern auch extrem rechte Marken wie Label23, Pride France oder Kampfgeist. Einige von ihnen waren schon Teilnehmer bei Wanderungen der Partei Der Dritte Weg, bei Demonstrationen der Identitären Bewegung oder Veranstaltungen der AfD. Bei FCL treffen sie nicht nur auf Staudacher & Co., sondern wieder einmal auch auf weitere langjährig Aktive der „Hammerskins“ wie Christian Lenz vom Chapter Westwall. Zu Gast ist auch Jan Zrzodelny, der nicht nur seit vielen Jahren zur FCL zählt, sondern eine lange Geschichte in der Neonazi-Szene in der Rhein-Neckar-Region aufweist. Der Kampfsportler und Geschäftsführer der A-Z Immobilien GmbH in Ludwigshafen trat mehrmals beim Kampf der Nibelungen in den Ring und bewegt sich seit Jahren in der Nähe von Malte Redeker und den „Hammerskins“.

Inkonsequenz gegenüber Neonazis?

Schon bei einer Feier der FCL im Sommer 2023 in Speyer nahmen verschiedene Mitglieder der kurze Zeit später „verbotenen Hammerskins“ teil und posierten Arm in Arm mit Zrzdolny und Walther. Das Chapter Westwall der HSN hat enge Verbindungen zu einer Reihe von Neonazis, die als gewalterfahrene Hooligans im Rhein-Neckar-Raum aufgefallen sind. Dazu zählen Hooligans vom SV Waldhof Mannheim, dem Karlsruher SC und dem 1. FC Kaiserslautern, namentlich der First Class Limburgerhof. Deren Eskapaden, die 2014 bei der Eskalation beim Aufmarsch der Hooligans gegen Salafisten (HOGESA) in Köln zwar ihren Höhe-, wenn auch nicht ihren Endpunkt fanden, haben nie zu erkennbaren und nachhaltigen Konsequenzen im Verein oder der Kurve geführt. Es ist nur konsequent, dass die Hooligans keine Distanz zu neonazistischen Gruppen wahren. Inzwischen haben auch andere extrem rechte Netzwerker das Potential in den Kurven im Rhein-Neckar-Raum erkannt (vgl. LOTTA #95, S. 33f.).

Diese Übersicht ist eine exemplarische Auswahl. Die extrem rechten Kampfsportevents finden kontinuierlich, wenn auch sporadisch statt. Es ist kein Zufall, dass eben dieses in Combres-sous-les-Côtes in den Blick geraten ist, sondern dem Rechercheportal Exif zu verdanken, das dieses dokumentiert hat. Das Beispiel veranschaulicht, wie diese Netzwerke im südlichen Rheinland-Pfalz seit Jahrzehnten bestehen. Zentrale Figuren konnten sich längst ins Private zurückziehen und andere, jüngere in ihrem Netzwerk positionieren.

Dabei hat gerade der Kampfsport viel zu verlieren. Kampfsportler*innen werden häufig im Grenzbereich zwischen Sportler*innen und gewalttätigen Schläger­*innen gesehen. Werte wie Fairness, gemeinsame Grenzerfahrungen und gegenseitiger Respekt, wenn jemand den Ring betritt, sind dabei wichtige Bestandteile. Gerade darum müssen solche Statements unverrückbare Grundlagen sein und dürfen nicht von Inkonsequenz gegenüber Neonazis touchiert werden. Treffen diese die Entscheidung, bei neonazistischen Events wie dem KdN oder dem Day of Glory in den Ring zu steigen, müssen sich ihnen damit die Türen kommerzieller Gyms verschließen. Eigentlich sollten solche Überlegungen keine Fragen von konsequentem Handeln von Betreiber*innen von Kampfsportgyms gegen Neonazis sein, sondern sich schon aus dem Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihren zum Teil minderjährigen Sportler*innen ableiten. Die Notwendigkeit, diesen Artikel zu schreiben, zeigt jedoch den traurigen Ist-Stand an.


LOTTA ist eine antifaschistische Zeitung mit Fokus auf NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen. Auf der Seite findet ihr regelmäßig Recherchen, Analysen und Einschätzungen; die vollständige, gedruckte Ausgabe erscheint vier Mal im Jahr. Der oben zitierte Artikel ist aus der aktuellen Ausgabe #99 (siehe links) – einige weitere Beiträge aus dieser findet ihr hier online.