Zum Tod von Roland Hägele

Am Puls des Protests

Roland Hägele verlieh dem politischen Streit in Stuttgart Gesichter. Am vergangenen Montag verstarb der Fotograf nach schwerer Krankheit im Alter von 66 Jahren.

Roland Hägele. Foto: Alfred Denzinger/beobachternews.de

Wer in Stuttgart schon mal auf einer Demo war, hatte gute Chancen, Roland Hägele vor die Linse zu laufen. Der Fotograf war nah dran am Puls des Protests. Egal, ob die Wahnsinnsmieten in der Landeshauptstadt viele Tausend auf die Straßen trieben oder ob die Linksradikalen vom Zentrum Lilo Hermann vor dem Verfassungsschutz warnten: Wenn etwas anstand, konnte man sich sicher sein, Roland Hägele ist dabei. Oft als einer der ersten.

Die Montagsdemos gegen Stuttgart 21 – in dieser Woche gab es die 680. Auflage – hat er schon ab der dritten begleitet. Das war am 26. Oktober 2009, weit bevor das Milliardengrab der Deutschen Bahn die halbe Stadt dazu brachte, mit Tröten und Transparenten loszuziehen. Hägele fotografierte nicht distanziert. Er war ein politischer Mensch, Mitglied der Linkspartei, bewegt von Tierschutz, Antifaschismus und sozialer Gerechtigkeit. Sein Geburtstag fiel zu seiner Freude auf den 1. Mai, sodass er ihn meist auf Demonstrationen zum Tag der Arbeit feierte.

Luigi Pantisano, Stadtrat in Stuttgart und nicht nur Parteifreund des Fotografen, sagt, es sei Hägele gewesen, der ihm und anderen Genoss:innen vor vielen Jahren klargemacht habe, wie wichtig es ist, dass politische Inhalte nicht nur irgendwo abstrakt herumstehen. Sondern dass sie auch Gesicht zeigen, für etwas einstehen. Hägele hat sie mit seiner Kamera eingefangen und unzählige gezeigt. Zuletzt auch das eigene Gesicht: mit Aufnahmen vom Krankenbett. Diesen März hat er seine Diagnose Magenkrebs öffentlich gemacht. Anfangs suchte er nach einer Lösung für seinen Hund Zeus, 58 Kilo schwer und laut Hägele „sehr eigen“. Er werde sich nicht mehr lange um ihn kümmern können. Das sorgte für Rückfragen. Später schrieb er in sozialen Medien, er komme aus dem Krankenhaus, und die Diagnose gebe wenig Grund zur Hoffnung. Aber „so lange ich noch kann, werde ich mit Zeus weiter unser Gassi gehen“.

Obwohl ihn die Behandlung belastete, blieb er im Einsatz. Einen Tag, nachdem er nach einer Chemotherapie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, stand er schon wieder auf der Straße: Am 29. Juli 2023, zum Christopher Street Day in Stuttgart, war er noch mit zwei Kameras um den Hals unterwegs, im weißen Shirt mit einem roten Antifa-Aufdruck. Es war seine letzte Großdemo. Am 16. Oktober ist der Lebensgefährte, Vater, Stiefvater, Opa, Schwiegervater, Bruder, Onkel und Freund „friedlich von uns gegangen“, schreiben ihm Nahestehende in Trauer. Eine Vertraute versichert am Telefon, dass eine gute Lösung für Zeus gefunden werden konnte.
Von Minh Schredle am 18.10.2023 für KONTEXT:Wochenzeitung

Das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart & Region veröffentlichte am 16.10.2023 folgenden Nachruf:

Uns hat heute die traurige Nachricht erreicht, dass unser Genosse Roland Hägele nach schwerer Krankheit verstorben ist.

Roland war in der linken Bewegung vor allem als Fotograf bekannt, der sich nie zu schade war das Demo-Geschehen solidarisch zu dokumentieren. Auch trotz fortgeschrittener Krankheit ließ er es sich nicht nehmen noch vor ein paar Wochen auf dem CSD zu fotografieren, und das mit klarem Bekenntnis zum Antifaschismus, wie auf dem Bild oben zu sehen ist.
Denn Roland war nicht nur Fotograf, sondern in erster Linie Antifaschist mit Leib und Seele!

Danke für deinen unermüdlichen Einsatz!
Wir werden dich vermissen!

Auch die Beobachternews-Redaktion trauert um ihren Kollegen:

Mit dem Stuttgarter Fotografen verlieren auch wir einen Freund

Mit Trauer und Bestürzung haben wir, das Team der Beobachter News, vom Tod unseres Freundes und Kollegen Roland Hägele erfahren.

Roland war konsequenter Antifaschist und leidenschaftlicher Fotograf – kaum eine Kundgebung oder Demonstration in Stuttgart kam ohne ihn aus. Mit seinen Kameras um den Hals und einem Lächeln auf den Lippen prägte und dokumentierte er über viele Jahre das Stuttgarter Stadtbild. Nun hat er den Kampf gegen den Krebs verloren. Mit ihm verlieren wir einen guten Freund.

Unsere Gedanken sind bei seinen Angehörigen, wir wünschen ihnen viel Kraft.
Farewell, Roland.