Urteil gegen Burschenschafter

Viereinhalb Jahre nach dem antisemitischen Angriff im Haus der Heidelberger Nazi-Burschenschaft Normannia (heute Cimbria) wurden die Urteile gegen zwei Tatbeteiligte nun rechtskräftig. Das ist ein weiterer Schlag für die faschistische Verbindung, die durch den Vorfall faktisch am Ende ist.

Gang durch drei Instanzen

Maximilian H. und Luis S., zum Tatzeitpunkt Mitglied der Burschenschaft Germania Köln beziehungsweise der Burschenschaft Normannia Heidelberg, waren wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung zu Freiheitsstrafen von je acht Monaten verurteilt worden. Die Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Das Gericht hatte es als erwiesen angesehen, dass die Angeklagten beim Stiftungsfest der Normannia einen anderen Verbindungsstudenten mit Gürteln auf die Beine, Gesäß und die Genitalien geschlagen hatten. Dabei hätten sie ihn antisemitisch beschimpft.

Nachdem drei der vier Angeklagten das Urteil des Heidelberger Amtsgerichts von Ende 2022 nicht akzeptieren wollten, kam es zum Berufungsprozess. Im September 2024 fand dieser vor dem Landgericht Heidelberg statt. Kurz vor Beginn der Verhandlungen zog einer der drei Angeklagten jedoch seine Berufung zurück und akzeptierte damit das Urteil von 2022. Gegen die beiden anderen wurde weiter verhandelt. Vor Gericht wurden die beiden Männer von den rechten Szene-Anwälten Max Bartusch, Andreas Schoemaker und Mattis Mayer vertreten, die alle einen burschenschaftlichen Hintergrund haben.

Auch das Urteil des Landgerichts wollten die beiden Angeklagten nicht akzeptieren. Sie legten das Rechtsmittel der Revision ein, mit der sich dann das Oberlandesgericht Karlsruhe befassen musste. Das Urteil zur antisemitischen Attacke vom August 2020 wurde diese Woche vom Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigt.

Eine Bewertung aus antifaschistischer Sicht

Für uns Antifaschist*innen ist es wenig erstaunlich, dass Burschenschafter antisemitische Schläger sind – schließlich machen wir durch Recherchen, Veröffentlichungen und Proteste seit Jahrzehnten auf die braunen Umtriebe im Verbindungsmilieu aufmerksam. Dass die „Causa Normannia“ aber medial so stark wahrgenommen wurde und mit Prozessen und sogar Verurteilungen gegen einige der Beteiligten endete, ist doch ungewöhnlich und aus antifaschistischer Sicht wichtig.

Dass es nach dem antisemitischen Angriff auf dem Haus der Normannia Ende August 2020 so starke überregionale Berichterstattung und vereinzelt sogar internationale Empörung gab, setzte die Burschenschaft Normannia enorm unter Druck. Der Skandal ermöglichte dann auch, tiefer in das faschistische Milieu einzutauchen und in der breiten Medienöffentlichkeit weitere rechte und NS-verherrlichende Aktivitäten ans Licht zu zerren, die bei der Normannia Standard sind. So griff die Presse erstmalig schon seit Jahren kursierende Fotos auf, die Mitglieder der Normannia in Uniform-Teilen mit dem Hitlergruß zeigen – was unter anderem einen „Alten Herren“ seine leitende Position bei der MVV kostete.

Im Gegensatz zu anderen rechten Vorfällen im Verbindungsmilieu wurden die staatlichen Repressionsorgane diesmal aktiver tätig und durchsuchten das Haus. Unter diesen Umständen war es der Normannia nicht möglich, den antisemitischen Vorfall als Kavaliersdelikt zu verbuchen: Um den Schaden zu begrenzen, lösten die „Alten Herren“ die Aktivitas kurzerhand auf. Damit wurde die Burschenschaft seither faktisch lahmgelegt, auch wenn sie inzwischen versucht, sich unter dem Namen „Cimbria“ neu zu formieren. Auch die „Alten Herren“ zerstritten sich in der Folge: Manchen war die Verurteilung der faschistischen Umtriebe in ihrer Verbindung zu lasch, weil sie um ihre Karriere fürchteten – andere empörten sich, dass der Vorstand sich überhaupt von den rechten Aktivitäten distanzierte, die für sie zu den Grundlagen gehören. Die Folge waren Massenaustritte der zahlungskräftigen „Alten Herren“ und damit eine weitere – auch finanzielle – Schwächung der Burschenschaft.

Die Verhandlungstage vor dem Amts- und Landgericht brachten für aufmerksame Prozessbeobachter*innen neue Erkenntnisse. Obwohl die Zeug*innen mauerten und sich an nichts erinnern wollten oder offensichtlich logen, gaben einige Aussagen und beschlagnahmte Beweismittel doch wichtige Einblicke in den rechten Alltag der Normannia und die Vernetzung mit anderen faschistischen Burschenschaften. Dadurch wurden viele Informationen bestätigt, die durch antifaschistische Recherche schon zuvor vermutet worden waren, beispielsweise die regelmäßigen Treffen der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ auf dem Haus der Normannia.

Über Jahrzehnte hinweg war die Burschenschaft Normannia die am offensichtlichsten faschistische Verbindung Heidelbergs gewesen. Die Aussage „Wenn du mal richtig rumhitlern willst, geh zur Normannia“ war in Verbindungskreisen ein geflügeltes Wort. Weil der antisemitische Vorfall im August 2020 einen so großen öffentlichen Skandal, hitzige interne Konflikte und die Gerichtsverfahren mit den jetzt rechtskräftigen Urteilen nach sich zog, liegt die Burschenschaft heute am Boden.

Es ist nun an uns Antifaschist*innen, dafür zu sorgen, dass es so bleibt! Wir müssen verhindern, dass die Nazis sich unter dem Label „Cimbria“ neu formieren. Und zugleich dürfen wir nicht die anderen rechten Verbindungen aus den Augen verlieren, die sich oberflächlich von der faschistischen Verbindung und dem antisemitischen Angriff distanziert haben, aber im Windschatten des Normannia-Skandals ihre braunen Netzwerke weiterspinnen.