Warum die Polizei uns im Weg steht
Wenn wir über das Herrschaftssystem, in dem wir leben, sprechen, sind viele Begriffe kompliziert und abstrakt. Dagegen ist das Knie eines Polizisten auf einem Nacken sehr konkret und verständlich. Die Polizei macht die Klassenherrschaft sichtbar, sei es durch prügelnde Beamt:innen auf Demos, das Durchsetzen von Zwangsräumungen oder rassistische Morde ohne Konsequenzen. Sie ist es, die als deutlichster Ausdruck eines ungerechten Systems auf der Straße eng neben uns läuft, uns aufhält, zurückdrängt und angreift. Antifaschismus richtet sich zwar nicht primär gegen die Polizei, doch wir stehen ihr nicht zufällig immer wieder gegenüber. Blinder Hass auf die Polizei ist zwar verständlich, doch als klassenbewusste Antifaschist:innen ist es unsere Aufgabe, im Kampf gegen rechte Strukturen die Rolle der Polizei in diesem System aufzuzeigen. Darum soll es in diesem Text gehen.
Die Rolle der Polizei
Um über die Rolle der Polizei zu reden, ist es sinnvoll, sich ihre Entstehungsgeschichte anzusehen: Als sich in Europa im Laufe der Industrialisierung im 18./19. Jahrhundert in vielen neu entstandenen Großstädten arme Arbeiter:innen sammelten und das Bürgertum in ihrer schieren Masse eine potentielle Gefahr für Herrschaft und Ordnung sah, wurden an vielen Orten eigene Behörden zur Niederhaltung des Proletariats geschaffen. Dass organisierte Arbeiter:innen die Macht hätten, die Fabriken zu übernehmen und zu kontrollieren, machte es aus Sicht der Herrschenden notwendig, die Eigentumsverhältnisse, die durch Gewalt entstanden waren, mit dauerhafter Gewalt weiterhin abzusichern. Das Personal der damals noch nicht einheitlichen Polizeien bestand in den meisten Fällen aus ehemaligen Soldaten.
Nachdem die Polizei im Kampf gegen die Arbeiter:innenbewegung – nicht zuletzt durch Massaker wie den Berliner Blutmai 1929 – einige Vorarbeit geleistet hatte, wurde sie wenige Jahre später nahtlos in den Machtapparat der Nationalsozialisten eingegliedert. Recht und Gesetz des Dritten Reichs verlieh sie Wirkung. Auch die Polizei wurde nie „entnazifiziert“, zumindest nicht in Westdeutschland.
Seit vielen Jahrzehnten bemüht sich die Polizei in besonderem Maß, ihr Ansehen in der Bevölkerung zu verbessern, während sie gleichzeitig wieder stärker militärisch geprägt wird – unter anderem sichtbar am gesetzlich geregelten Einsatz von Handgranaten gegen Personen. Die Erzählung vom „Freund und Helfer“ funktioniert dennoch weiterhin bei vielen – vor allem bei denjenigen, die sowieso privilegiert sind. Tatsächlich stimmt es ja auch: Für Immobilienbesitzer:innen, ist die Polizei, die im Fall ausbleibender Mietzahlungen oder gar einer Besetzung die rechtmäßigen Besitzverhältnisse durch eine Zwangsräumung wiederherstellt, ein Freund und Helfer. Für Mieter:innen, für Arme, für Obdachlose, für alle an den Rand gedrängten und ausgebeuteten ist sie das nicht. Während die Polizei in sämtlichen sozialen Medien für sich wirbt, zeigen immer mehr dokumentierte Polizeimorde, dass Polizist:innen praktisch keine Konsequenzen für ihr Handeln fürchten müssen.
Klassenbewusster Antifaschismus
In Diskussionen über die Polizei wird oft am Kern vorbeigeredet. Als klassenbewusste Antifaschist:innen können wir uns nicht mit moralischen und individuellen Fragen aufhalten, ob „Polizist:in xy nicht eigentlich doch ganz nett und progressiv sei“, sondern müssen aufzeigen, welche Funktion die Polizei in diesem System ausfüllt: Die Polizei ist das wichtigste Instrument der Herrschenden, um die eigene Bevölkerung in Schach zu halten, um die Unterdrückung und Ausbeutung abzusichern. Diese Funktion wird im kommenden Kriegskurs noch wichtiger, wenn es darum gehen wird, die „Heimatfront“ unter Kontrolle zu halten. Gerade der Kampf gegen rechte Strukturen innerhalb der sogenannten Sicherheitsbehörden zeigt immer wieder auf, dass diese schlichtweg nicht reformierbar sind und Forderungen nach „unabhängigen Beobachtungsstellen“ vergeblich sind.
Wir kämpfen gegen ein System, das mit Ausbeutung und Konkurrenz die Grundlage für immer neue rechte Strukturen und Bewegungen aufrechterhält. Unser Problem mit diesen ist nicht, dass sie die bürgerliche Demokratie gefährden. Wir bekämpfen die Rechten, weil sie die Spaltung und Unterdrückung der Arbeiter:innen voranbringen und die Klassengegensätze verschleiern wollen, weil sie alle Errungenschaften der Arbeiter:innen und marginalisierter Gruppen vernichten wollen. Damit behindern und bekämpfen sie – so wie der Staat auch – den Aufbau einer revolutionären Arbeiter:innenbewegung. Die Polizei – und im „Notfall“ auch das Militär – sind beauftragt, die Interessen der herrschenden Klasse mit Knüppeln, Pfefferspray und Schusswaffen gegen die Interessen unserer Klasse zu verteidigen. Antifaschist:innen, die die Grundlage von rechtem Gedankengut nicht anerkennen, sind dazu verdammt, ohne jede Strategie ein Symptom nach dem nächsten zu bekämpfen.
Antifaschismus, der die Systemfrage nicht stellt, ist den Herrschenden daher kein Dorn im Auge: Solange für den Staat in einem Protest kein Interesse an der Beseitigung der Ursachen von rechtem Gedankengut zu erkennen ist, stört ihn dieser Protest nicht wirklich – im Gegenteil: Mit einer zahmen Opposition kann man das Bild einer progressiven Demokratie besonders schön ausmalen. Zahnlose Demos gegen Rechts, auf denen sich genau diejenigen Politiker:innen ablichten lassen, deren Politik lediglich schönere Wörter für dieselbe rechte Politik benutzt, zeigen das sehr deutlich.
Dagegen werden diejenigen, die sich nicht einfügen und stattdessen organisiert und offensiv anprangern, dass das Grundproblem unsere Ausbeutung ist, auf kurz oder lang Bekanntschaft mit Polizei und Justiz machen. Die Prügelorgien der Polizei bei palästinasolidarischen Demonstrationen zeigen unterdessen den bevorzugten Umgang mit unbequemen Massenprotesten: Hier wird im Durchschnitt weniger darauf gesetzt, einzelne Menschen zu isolieren und juristisch zu verfolgen, sondern insgesamt möglichst viel physischen Schaden anzurichten. Dass es neben unzähligen Schwerverletzten bisher keine Toten gegeben hat, liegt sicher nicht am umsichtigen Handeln der Polizei. Inwieweit wir fähig sind, diese Angriffe gemeinsam und solidarisch abzuwehren, wird ein entscheidender Faktor im Aufbau einer Gegenmacht von unten bleiben.
Fazit
Die Polizei schützt das System und damit nicht zuletzt sich selbst. Wenn wir als Klasse organisiert kämpfen, um den Kapitalismus irgendwann zu überwinden, ist klar, dass die Polizei uns dabei nicht nur im Weg stehen wird, sondern als Gewaltmonopol des Staates versuchen alles daran setzen wird, das um jeden Preis und mit allen Mitteln zu verhindern.
Die Sorge, aus der die Polizei heraus entstanden ist und aus der sie immer weiter bestehen muss, zeigt doch eigentlich die potentielle Macht unserer Klasse auf.
Bis dahin bleibt die Polizei ein Hindernis, mit dem wir rechnen müssen. Ein Hindernis, das schwer bewaffnet ist – aber alles andere als unbesiegbar.
