Vielfältige Aktionen im Gedenken an die Pogromnacht 1938

Anlässlich der Pogromnacht am 9. November 1938 fanden auch dieses Jahr vielfältige Gedenkaktionen statt. Hier sollen in gekürzter Form Gedenkaktionen, die in Süddeutschland dieses Jahr stattgefunden haben (ohne Anspruch auf Vollständigkeit), zusammengefasst werden.

In Villingen versammelten sich um 18 Uhr einige Antifaschist:innen zu einer Kundgebung auf dem Latschariplatz in Villingen. Das Offene Antifaschistische Treffen (OAT) Villingen-Schhwenningen schreibt in seinem Nachbericht zu der Gedenkkundgebung:

„Wir als OAT zeigten in einem ersten Redebeitrag und mit zwei Aufstellern auf, dass die Pogrome nicht vom Himmel gefallen sind. Mit der Pogromnacht einher ging auch eine Enteignung der jüdischen Bevölkerung und die Arisierung ihres Vermögens. Sehr große Teile des deutschen Kapitals profitierten kräftig, sie nahmen die Pogromnacht dafür billigend in Kauf.“

Das OAT Villingen-Schwenningen betonte in seiner Rede auch die aktuellen politischen Entwicklungen in der BRD:

„Derzeit schlittern wir in die schärfste Krise des Kapitalismus seit Jahrzehnten. Händeringend suchen die Großkonzerne nach Möglichkeiten ihre Profite wieder gewinnbringend investieren zu können. Die Regierung legt “Rettungsprogramme” auf, die schlussendlich nichts anderes als Geschenke für die Wirtschaft sind. Finanziert werden diese aus unseren Steuergeldern. Im selben Atemzug werden Soziallleistungen zusammengkürzt oder eingefroren. Was passiert ist eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben – die lohnabhängige Bevölkerung soll den Gürtel enger schnallen.

Wir dürfen nicht die Augen verschließen vor dem neuen Selbstbewusstsein Deutschlands. Deutschland müsse wieder Verantwortung übernehmen in der Welt, tönt es offensiv aus der Grün-Rot-Gelben Regierung. Es wird seit einiger Zeit wieder massiv aufgerüstet in diesem Land. Die Pläne dazu sind nicht erst mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine entstanden. Bereits 2014 stimmte der damalige Bundespräsident Gauck darauf ein. Doch ein Deutschland, das behauptet Verantwortung zu übernehmen und sich als Großmacht sieht, hat vor nicht einmal hundert Jahren Europa in Schutt und Asche gelegt. Wir dürfen uns von diesem Gerede nicht blenden lassen!“

 

 

 

 

 

 

 

 

Den vollständigen Nachbericht und die ganze Rede des OAT Villingen-Schwenningen finder ihr hier.

In München fand neben einer Gedenkkundgebung zum 9. November, die auch Georg Elser gedachte, der ein Jahr nach der Pogromnacht versuchte Hitler mit einer Bombe zu töten, ein rechter Aufmarsch aus dem Querdenken-Spektrum statt. Der Antifa Stammtisch München schreibt in seinem Nachbericht dazu:

„Die geplante Veranstaltung in Gedenken der Opfer der Reichsprogromnacht und des Attentat Georg Elsers verschob sich, nachdem sich am Abend des 09.11 kurzerhand eine Demo aus den Kreisen des Querdenken-Spektrums angekündigt hatte. Diese mobilisierte unter übler Instrumentalisierung der sich jährenden Reichspogromnacht, mit dem Claim „Demonstration gegen politische Verfolgung“.  Zahlreiche Kanäle und Akteur:innen der Szene, u. a. Markus Haintz, bewarben den Marsch, bei dem unter anderem die Freilassung von Oliver Janich und Michael Ballweg gefordert werden soll. Der Neonazi Nikolai Nehrling adaptiert die Werbung auf Twitter seinerseits mit einer eigenen Mobilisierung zu dem Marsch, nachdem dort auch die Freilassung der Schoah-Leugnerin Marianne Wilfert gefordert werden soll. Entsprechend diffus war das Feld der Demonstrierenden. Durch einen stabilen Gegenprotest zu dem unter anderem auch die Autonome Antifa München und München ist Bunt mobilisierte, konnten wir eine breit aufgestellte antifaschistische Gegenwehr organisieren. Exemplarisch war hier auch wieder die Sympathie der Bullen mit den rechten Kräften zu erkennen, nachdem das USK angreifende Querdenker:innen schützte, indem es unseren linken Gegenprotest angriff. Wir blieben allerdings stabil und konnten unter Skandierung zahlreicher Parolen die widerwärtige Agitation der rechten Kräfte unterbinden und schlussendlich sogar die Demo am Laufen hindern. Wieder zeigt sich wie wichtig eine geschlossene Front gegen den Faschismus und reaktionäre Kräfte ist und wie erfolgreich eine organisierte Gegenwehr funktionieren kann.“

 

 

 

 

 

 

 

 

Über Georg Elser schreibt der Antifa Stammtisch: „Er war einer der Menschen die sich gegen den Nationalsozialismus und seine Verbrechen stellten. Aber er scheitert mit dem Attentat, wurde von der Gestapo verhaftet und gefoltert -bestand trotz allem auf seiner Einzeltäterschaft- und ins KZ Dachau eingesperrt, wo er kurz vor Kriegsende auf Hitlers Befehl hingerichtet wurde.“

Den vollständigen Nachbericht vom Antifa Stammtisch München findet ihr hier.

In Pforzheim ist das OAT Pforzheim dieses Jahr Stolpersteine putzen gegangen, in dem Nachbericht dazu heißt es: „Das Gedenken an Opfer von Faschismus, Krieg und rechter Hetze, gehört zu den wichtigsten Aufgaben für uns als Antifaschist:innen. Wir wollen dadurch immer wieder aufzeigen, weshalb wir gegen Faschismus, Krieg und Hetze kämpfen. Wir wollen auch, dass die Opfer nicht vergessen werden und ihre Schicksale immer wieder in Erinnerung gerufen werden.“

 

 

 

 

 

 

 

 

Den vollständigen Nachbericht des OAT Pforzheim findet ihr hier.

Auch in Karlsruhe hat das OAT Karlsruhe Stolpersteine geputzt und sich am 9. November an einer Gedenkkundgebung beteiligt. Im Nachbericht dazu heißt es: „Dort gab es eine Rede von der VVN, welche darlegte, was am 09.11.1938 in Deutschland und auch bei uns in Karlsruhe geschah. Anschließend gab es noch eine Rede vom OAT Karlsruhe, welche vor allem den Bezug zum Kampf gegen Faschisten heute darstellte. Als die Reden fertig waren haben wir zusammen noch Rote Nelken im Gedenken an die Opfer an der Gedenkstelle niedergelegt.“

 

 

 

 

 

Den vollständigen Nachbericht des OAT Karlsruhe findet ihr hier.

Im Rems-Murr-Kreis fand dieses Jahr zum fünften Mal in Folge eine Gedenkkundgebung vor dem ehemaligen KZ Welzheim. Das OAT Rems-Murr schreibt dazu: „Um auf unsere Gedenkkundgebung aufmerksam zu machen haben wir im Vorfeld neben einem Infostand auf dem Markt, einer Betriebsverteilung in Welzheim und einige ausgehängten Plakaten in Geschäften, auch viele Flyer in Briefkästen verteilt und eine Vielzahl von Plakaten in der Stadt und darüber hinaus aufgehangen. Dadurch konnten wir viele Welzheimerinnen und Welzheimer erreichen und haben mit etwa 60 Personen der Reichspogromnacht gedacht. […]

Wir als OAT haben in der Moderation auf die faschistische Kontinuität nach dem zweiten Weltkrieg aufmerksam gemacht und die nötige Vielfältigkeit von Antifaschismus betont. Die Kundgebung wurde mit andächtigen musikalischen Beiträgen von einem griechischen Genossen untermalt. Nach den Redebeiträgen sind wir gemeinsam mit der gesamten Kundgebung zum nahegelegenen alten Friedhof gezogen um dort würdevoll an der Gedenkstätte der Opfer des KZ Welzheim einen Blumenkranz und Kerzen niederzulegen und dort den Verfolgten, Ermordeten und Deportierten des deutschen Faschismus zu gedenken.“

 

 

 

 

 

Den vollständigen Nachbericht des OAT Rems-Murr findet ihr hier.

In Welzheim wurde außerdem eine Rede von der Antifaschistischen Aktion Rems-Murr gehalten.

Darin hieß es unter anderem:

„Dabei müssen die Ereignisse dieser Nacht in ihrer Kontinuität betrachtet werden. Schon im Kaiserreich waren Antisemitismus und Antijudaismus stark verbreitet. Sie äußerten sich durch Ausgrenzung, Hetze, gezielter Verfolgung, und waren dabei immer Teil des politischen Diskurses. Mit der Machtübertragung der Nazis bekam das ganze System. Was zuvor noch einer gewissen Spontanität unterlegen hatte, wurde von nun an geplant und organisiert ausgeführt.

So war der Antisemitismus der Straße, wie er sich in der Reichspogromnacht entlud, nie Ausdruck des Volkszorns, nie eine spontane Dynamik. Sondern eine gezielte Inszenierung der Staatsführung. Diese fand auch nicht direkt nach der Machtübertragung statt, sondern erst, als die Nazis ihre Macht nach innen und außen hin gefestigt hatten. D.h. das Volk wurde erst dann so richtig zornig, als es der NS-Führung auch genehm war. Doch auch die antisemitische Ideologieproduktion wurde fortan institutionalisiert.

Mit dieser wichtige Aufgabe betrauten die Nazis ihre fähigsten Köpfe, wie etwa Propagandaminister Josef Göbbels. Denn der Antisemitismus hat und hatte schon immer eine gesellschaftliche Funktion, deren sich die Nazis sehr wohl bewusst waren: die Probleme in der Gesellschaft – damals war das z.B. die Niederlage Deutsches Reich im 1. Weltkrieg, sowie die darauf folgende Wirtschaftkrise – zu erklären, ohne deren Ursachen zu benennen.

Der Antisemitismus war somit ideologische Voraussetzung für die Volksgemeinschaft. Die Volksgemeinschaft, die später Kriegsgemeinschaft wurde. Damit wurde nicht nur der Weg zum Holocaust, sondern auch zum gesamten zweiten Weltkrieg mit allen seinen Schrecken durch den Antisemitismus geebnet.

Doch was heißt das für uns heute?

Gelegentlich hört man, dass Antisemitismus für die Rechte heutzutage nicht mehr von Bedeutung sei, dass er abgelöst worden wäre durch andere Formen des Chauvinismus. Das verkennt das Wesen des Antisemitismus, der nicht nur eine beliebige Form der Ausgrenzung gegen diese oder jene Menschengruppe ist, sondern ein Grundstein der faschistischen Ideologie. Während der Corona-Pandemie erlebten antisemitische Theorien ein regelrechtes Revival.

Zu den verschiedensten Verschwörungstheorien, die die Pandemie mit all ihren Begleiterscheinungen erklären sollten, kam der Antisemitismus als verbindender Grundgedanke dazu. Dieses Potential wird heute wieder aufgegriffen. […] Der Kampf gegen Antisemitismus ist aktuell, und er ist auch heute noch bitter nötig. Dass wir uns auf den bürgerlichen Staat nicht verlassen können, sehen wir daran, wie Faschisten und Antisemiten sich ungehindert, ja sogar durch Sicherheitsapparat gegen Störungen geschützt, organisieren können. Das heißt für uns: Den Kampf gegen Faschismus und Antisemitismus müssen wir selber führen!“

In Tübingen hat das Offene Treffen gegen Faschismus und Rassismus Banner in der Innenstadt aufgehängt, im Nachbericht heißt es: „Auch in Tübingen griffen die Faschist*innen an. In der Nacht vom 09. auf den 10. November wurde die Synagoge in der Gartenstraße angegriffen und in Brand gesetzt. Fünf jüdische Menschen aus Tübingen wurden verhaftet und für mehrere Wochen nach Dachau verschleppt. Zwei starben später an den Folgen der Misshandlung. Um zu verhindern, dass so etwas nie wieder passiert, müssen wir uns zusammenschließen und Antisemit*innen aktiv bekämpfen!“

 

 

 

 

 

 

 

 

Den vollständigen Nachbericht des Offenen Treffen gegen Faschismus und Rassismus Tübingen findet ihr hier.

Auch in Freiburg wurden vom OAT Freiburg Banner in der Stadt aufgehangen, die auf die Pogromnacht aufmerksam machten. Im Nachbericht dazu heißt es: „ Wir haben heute in Freiburg ein großes Transparent über die vielbefahrene Wiwili-Brücke gehängt und in der Innenstadt Zitate von Überlebenden des Nationalsozialismus verteilt. So wollen wir heute allen Opfern des deutschen Faschismus gedenken und für die Zukunft mahnen. Denn erinnern heißt kämpfen!“

 

 

 

 

 

 

 

 

Den vollständigen Nachbericht des OAT Freiburg findet ihr hier.

In Augsburg ist das OAT Augsburg Stolpersteine putzen gegangen: „Bei einem Spaziergang durch die Augsburger Innenstadt kamen wir beim Befestigen unserer Laminate auch mit Interessierten ins Gespräch. Wenn du mehr über die Reichspogromnacht in Augsburg erfahren möchtest, dann schau doch mal auf unserer Themen-Seite vorbei: oat-augsburg.de/reichspogromnacht“

 

 

 

 

 

 

 

 

Den vollständigen Nachbericht des OAT Augsburg findet ihr hier.

In Stuttgart hat sich das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart an einer Gedenkkundgebung in Cannstatt beteiligt. Im Nachbericht dazu heißt es: „Wir thematisieren in unserer Rede die Notwendigkeit von Antifaschismus heute wie damals, ordneten die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse in unser konkretes Handeln auf der Straße ein und riefen zu den Protesten gegen die AfD Kundgebung am 12.11.2022 auf. Nach der Kundgebung auf dem Marktplatz zog die Veranstaltung gemeinsam an den „Platz der Alten Synagoge“ um dort Rote Nelken und einen Kranz niederzulegen.“

 

 

 

 

 

 

 

 

Den vollständigen Nachbericht des Antifaschistischen Aktionsbündnis Stuttgart findet ihr hier.

In Landau rief das OAT Landau zu mehreren Aktionen Erinnerung an die Opfer des Faschismus auf, im Nachbericht heißt es: „Bereits am Vorabend zogen mehrere Gruppen durch Landau um die Stolpersteine in Erinnerung an die Verfolgten, Entrechteten und Ermordeten zu putzen. Am 9. November beteiligten wir uns unter dem Motto „Gegen das Vergessen. Nie wieder Faschismus“ an der städtischen Gedenkveranstaltung am Synagogenmahnmal und legten dort Nelken ab. Da wir bereits im Vorfeld davon ausgingen, dass unsere Positionen dort auf keinen Fall zu hören sein werden, bereiteten wir einen eigenen Flyer vor, den wir an die Anwesenden verteilten. […] Zum Abschluss des Tages besuchten noch einige die Veranstaltung der Omas gegen Rechts mit der Gedenkstätte Neustadt, wo wir einem interessanten Vortrag über die verfolgte jüdische Familie Koch aus Rodalben beiwohnen konnten.“

 

 

 

 

 

 

 

 

Den vollständigen Nachbericht des OAT Landau findet ihr hier.

 

Erinnern heißt Kämpfen!

Nie wieder Faschismus!