„Blood & Honour“-Prozess in München: Nicht-Aufklärung mit Ansage

Nach nur acht Prozesstagen kam es am 3. August 2022 im Münchener Landesgericht zur Urteilsverkündung. Um die verhängten Bewährungs- bzw. Geldstrafen wurde vorher eifrig gefeilscht. Ein kurzer Prozess, der erneut zeigt, warum die Zerschlagung extrem rechter Netzwerke nicht dem Staat überlassen werden darf und warum der Umgang der Justiz Teil des Problems ist.

Wovor Antifaschist*innen schon lange warnten, war spätestens seit den Razzien im Dezember 2018 kein Geheimnis mehr. Das im Jahr 2000 verhängte Verbot gegen die neonazistische „Blood & Honour Division Deutschland“ hatte kaum Auswirkungen auf deren Aktivitäten. Vorangegangen waren Abhörmaßnahmen vom Bundesamt für Verfassungsschutz gegen die Angeklagten Sven Büschen und Ringo N., welche zu Hausdurchsuchungen in fünf Bundesländern bei insgesamt zwölf Verdächtigten führten, die unter anderem die verbotene Organisation fortgeführt oder dies unterstützt haben sollen. Ab spätestens Oktober 2016 soll demnach die „Blood & Honour Division Deutschland“ unter Leitung von Sven Büschen mit Sektionen in Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen und Mitteldeutschland fortgeführt worden sein.

Neun Angeklagte von zwölf Verdächtigen

Erst dreieinhalb Jahren nach den Hausdurchsuchungen begann der Prozess gegen die verbliebenen Angeklagten. Die Strategie der letzten neun Angeklagten11 Anmerkung AIB: B&H-Chef Sven Büschen aus Suhl, C18 Führungsfigur Stanley Röske aus Erfurt, B&H-Sektionsleiter Alexander Scholl aus Fellbach/Rems-Murr, B&H-Sektionsleiter Markus Rathgeb aus Bamberg, Ringo N. aus Geiselhöring, Ron H. aus Bad Reichenhall, Janosch P. aus Oberaudorf/Rosenheim, Sven M. aus Eisleben, Fabian F. aus Bingen/Sigmaringen und ihrer Verteidigung war geprägt von allerlei denkbaren Verharmlosungen, bis hin zum Lächerlichmachen  der Strafverfolgung an sich, dem vom Gericht nichts entgegensetzt wurde. Dies war auch nicht nötig, schon am ersten Prozesstag zeichnete sich ab, dass alle Beteiligten einen Weg suchten das Ganze abzukürzen, um sich eine mühsame und zeitaufwändige Beweisaufnahme zu ersparen. Der Vorsatz des Oberstaatsanwalts am ersten Tag zumindest die länderübergreifend organisierte CD-Produktion aufzuklären, war sehr schnell vergessen.

Mit der Befragung eines einziges Zeugen, ein paar wenigen Verlesungen und knappen Geständnissen wurde die Beweisaufnahme auf das Minimum reduziert, vom Aufklärungswillen war keine Spur. Am deutlichsten wurde dies am dritten Prozesstag, als der Vorsitzende Richter seine Erwartungen sehr deutlich äußerte: „Grundsätzlich reicht eine geständige Einlassung im Sinne der Anklage. Also ich würde jetzt nicht den ganzen Background hier aufklären wollen.“

Keine (internationalen) Hintergründe aufgeklärt

In den wenigen Worten der Angeklagten war man sehr darauf bedacht bloß nicht mehr zuzugeben als nötig. Die personellen Überschneidungen zu „Combat 18“-Kreisen wurden im Prozess eifrig übergangen, obwohl sich der neue B&H-Chef Sven Büschen mit der deutschen „Combat 18“ Führungsfigur Stanley Röske telefonisch absprach. Auch die offensichtliche internationale Dimension dieses Netzwerkes blieb unaufgeklärt. Offen blieb bis zuletzt, warum der in Ungarn lebende Daniel Reinheimer (geplanter Redner beim neonazistischen „Fest der Völker“ 2006) oder der ebenfalls mehrfach erwähnte angeblich frühere „B&H-Divisionsleiter“ Dawid („Dave“) M. nicht mit auf der Anklagebank saßen oder warum eine u.a. von Reinheimer produzierte RechtsRock-CDs ausgerechnet von Wien aus verschickt wurde. Diese CD war eine Art Gemeinschaftsprojekt von „Blood & Honour“ und „Combat 18“ und enthielt einen Song der RechtsRock-Band „KS3“ von Sven Büschen.

Sven Büschen unterhielt laut Anklage auch Kontakte zu international vernetzten Neonazis wie Andre S. in Österreich und Erika P. (mittlerweile Erika B.) in der Schweiz. Warum ausgerechnet der führende B&H-Aktivist Uwe Veljaca aus Österreich, entgegen den vorgesehenen Hierarchien, Alexander Scholl zum Sektionsleiter von „Blood & Honour Baden-Württemberg“ ernannte, bleibt eine weitere Frage die es zu beantworten gilt.

Milde Urteile für Deals

So kam es wie es kommen musste: Dank diverser „Deals“ zwischen Gericht und Rechtsanwälten folgten Bewährungs- bzw. Geldstrafen wegen Verstößen gegen das Vereinigungsverbot, teilweise wegen Volksverhetzung, dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, sowie unerlaubtem Besitz von Munition bzw. Sprengstoff. Mittlerweile legten zwei der Verurteilten Rechtsmittel gegen das Urteil ein. Am Ende verließen erneut organisierte Neonazis gut gelaunt den Saal A101, jener Gerichtssaal, in dem auch schon ein Teil des NSU verurteilt wurde. Man fühlte sich teilweise in diese Zeit zurückversetzt, doch während wir Antifaschist*innen versuchen aus unseren eigenen Fehlern beim Nicht-Erkennen der Zusammenhänge der Taten des NSU zu lernen, zeigte die zweite Strafkammer am Münchner Landesgericht keine wirklichen Fortschritte.

Man war zu sehr darauf bedacht die Arbeit der Ermittlungsbehörden und dem vermeintlichen Erfolg der zahnlosen Verbotsverfügung zu honorieren, anstatt anzuerkennen, dass die Trennung von „Blood & Honour“ und „Combat 18“ längst überholt ist. Der Prozess in München kann nur als Fortsetzung der jahrzehntelangen Nichtverfolgung rechter Untergrundnetzwerke begriffen werden.


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    1 Anmerkung AIB: B&H-Chef Sven Büschen aus Suhl, C18 Führungsfigur Stanley Röske aus Erfurt, B&H-Sektionsleiter Alexander Scholl aus Fellbach/Rems-Murr, B&H-Sektionsleiter Markus Rathgeb aus Bamberg, Ringo N. aus Geiselhöring, Ron H. aus Bad Reichenhall, Janosch P. aus Oberaudorf/Rosenheim, Sven M. aus Eisleben, Fabian F. aus Bingen/Sigmaringen