Zweite Bürgerversammlung in Grevesmühlen zu Geflüchtetenunterkunft ohne Störung. Landrat und Anwohner fühlen sich überrumpelt
Für reaktionäre Revolverblätter kamen die Proteste gegen die Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft im mecklenburgischen Upahl offenbar wie gerufen. So hetzt Bild seit Tagen gegen das Vorhaben und behauptete am Wochenende, Upahl sei Symbol einer »versagenden Migrationspolitik«. Und sogar von Österreich aus schlug das der ÖVP nahestehende Boulevardportal exxpress.at dieselben Töne an: Das »Versagen in der Flüchtlingspolitik in Deutschland« habe einen »neuen Namen: Upahl«. Anders als von diesen Medien vermutlich erhofft, kam es am Freitag abend aber zu keiner neuerlichen Eskalation. Bei der Bürgerversammlung in einer Sporthalle in Grevesmühlen blieb es eher ruhig.
Anders verlief es beim ersten Anlauf: Ende Januar hatten rund 700 Personen, darunter zahlreiche Neonazis, in Grevesmühlen gegen die Unterkunft gehetzt und schließlich versucht, den Kreistag von Nordwestmecklenburg zu stürmen. Mit Blick auf diese Tumulte bot die Polizei in Upahl dieses Mal nach eigenen Angaben rund 120 Beamte auf, um die Bürgerversammlung zu schützen. Zur Sporthalle erhielten am Freitag abend nur Personen Zutritt, die sich als Einwohner von Upahl ausweisen konnten. Vor der Tür versammelten sich zeitgleich nach Polizeiangaben rund 100 Personen mit Trillerpfeifen, Tröten und Sprechchören gegen die geplante Unterkunft. Laut der Nachrichtenagentur dpa waren auch »Lügenpresse«-Rufe zu hören.
Drinnen ließen sich rund 400 Einwohner und Gewerbetreibende des nördlich von Grevesmühlen gelegenen Ortes von Politik und Verwaltung über die geplante Containersiedlung für etwa 400 Geflüchtete informieren. Dem dpa-Bericht zufolge herrschte unter den Zuhörern Skepsis gegenüber den Plänen des Kreises. So wurde darauf verwiesen, dass die Kapazität der Unterkunft für einen Ort mit nur rund 500 Einwohnern viel zu hoch sei. Auch Ängste vor sinkenden Grundstückspreisen und wachsender Kriminalität wurden geäußert.
Landrat Tino Schomann (CDU) rechtfertigte die Errichtung der Unterkunft. »Ich kann Sie zutiefst verstehen, dass Sie sauer sind, dass Sie enttäuscht sind«, erklärte er den Anwesenden. Der Kreis habe keine andere Möglichkeit gehabt. Er sei unter großen Handlungsdruck geraten, weil ihm seit November 2022 deutlich mehr Flüchtlinge zugewiesen worden seien, so der Landrat. Diese könnten aber, im Gegensatz zu Geflüchteten aus der Ukraine, nur in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Im Landkreis Nordwestmecklenburg gibt es bislang nur in Wismar eine weitere Gemeinschaftsunterkunft für ebenfalls 400 Menschen.
Schomann bemühte sich aber auch um Beschwichtigung. Er versprach, dass nicht mehr Menschen nach Upahl kommen sollen als bisher vorgesehen und dass die Einrichtung nur eine »Überbrückung« sein solle. Wie Vertreter des Landkreises deutlich machten, soll weiterhin nach Alternativen gesucht werden. Gesucht werde ein Grundstück mit 5.000 Quadratmetern, um Unterkünfte für mindestens 200 Menschen zu errichten. Die geplante Unterkunft in Upahl könnte also gekippt werden, sollten sich kurzfristig noch andere Flächen finden lassen, wie der NDR am Freitag berichtete. Am kommenden Donnerstag solle es erneut ein Treffen der Verantwortlichen geben. Auch eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge sei noch im Gespräch.
Der wohl vor allem von Ressentiments gegenüber Geflüchteten geschuldeten Befürchtung, die Kriminalität könne im Umfeld der neuen Einrichtung zunehmen, widersprach Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD). Von vergleichbaren Einrichtungen wisse man, dass die Kriminalität in der Umgebung nicht zunehme. Zudem würden vor Ort Sicherheitsvorkehrungen getroffen, so der Minister. In der Unterkunft werde es einen Wachdienst geben. Upahls Bürgermeister, Steve Springer, kritisierte nach der Versammlung die mangelhafte Kommunikation in der Sache. »Das ist das beste Beispiel, wie man es nicht machen soll«, sagte er. Die Bürger des Ortes hätten erst gut eine Woche zuvor von den Plänen des Landkreises erfahren.
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