„Tag der Ehre“ – Wenn Faschisten wandern

Ungarn: Treffen von Neonazis in Budapest. Offizieller Anlass ist »Gedenken« an Wehrmachtssoldaten und ungarische Nazikollaborateure

Sie marschieren wieder: Trotz eines behördlichen Verbots haben sich etwa 2.000 Faschisten am Wochenende in der ungarischen Hauptstadt eingefunden, um an die 1945 in der Schlacht um Budapest getöteten deutschen und ungarischen Soldaten zu erinnern. Der »Tag der Ehre« gilt als eines der wichtigsten Vernetzungstreffen der europäischen extremen Rechten. In diesem Jahr stellten sich rund 150 Antifaschisten den Rechten entgegen.

Anlass war der 78. Jahrestag der Schlacht um Budapest. Im Dezember 1944 hatten Verbände der Roten Armee die seit März 1944 von deutschen Truppen und ungarischen Kollaborateuren besetzte Stadt eingeschlossen. In blutigen Straßen- und Häuserkämpfen starben Zehntausende Soldaten und Zivilisten. Ungarische Faschisten ermordeten 15.000 Jüdinnen und Juden. In der Nacht zum 12. Februar 1945 versuchten die restlichen rund 17.000 Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS den Ausbruch aus dem »Budapester Kessel«, der weniger als 1.000 von ihnen tatsächlich gelang. Im »Gedenken« an die faschistischen Truppen wanderten auch in diesem Jahr Tausende Neonazis jenen Weg durch die Wälder um Budapest ab, über den die aus dem Kessel ausgebrochenen Nazis damals flohen. Bis vor wenigen Jahren wurde dieser Marsch noch vom ungarischen Wanderverein beworben.

Das »Gedenken« an deutsche und ungarische Faschisten nimmt Europas extreme Rechte heutzutage zum Anlass, »ihrem Geschichtsrevisionismus und ihrer Verehrung des Nationalsozialismus freien Lauf zu lassen«, heißt es in einer Mitteilung der Kampagne »NS-Verherrlichung stoppen« von vergangener Woche. Die Kampagne mobilisierte für das Wochenende zu Gegenprotesten.

Seit 1997 werden in Budapest die faschistischen »Gedenkveranstaltungen« organisiert. 2003 übernahmen dies der ungarische Ableger des internationalen Neonazinetzwerks »Blood and Honour« und die paramilitärische Neonazivereinigung »Legio Hungaria«. Deren Aufrufen waren in den vergangenen Jahren teils mehr als 3.000 Faschisten gefolgt, darunter organisierte Neonazis aus Deutschland. Auch in diesem Jahr waren bekannte Mitglieder etwa der Kleinpartei »Der III. Weg« bei dem Marsch in Budapest vor Ort, erklärte Philip Schmidt, Sprecher von »NS-Verherrlichung stoppen«, am Dienstag gegenüber jW.

Antifaschistischen Widerstand gegen den »Tag der Ehre« gibt es so lange wie das Großtreffen selbst. Dabei konnten sich die Nazigegner international vernetzen und einige Erfolge erzielen. So mussten in diesem Jahr die Faschisten ihre Gedenkveranstaltung von der Burg in Budapest in ein Waldstück außerhalb der Stadt verschieben, was auch auf die Präsenz der Antifaschisten an zentralen Orten der Stadt zurückzuführen ist. Laut einem auf Youtube veröffentlichten Video des Vereins Democ, das Aufnahmen aus Budapest zeigen soll, wurden zwei Journalisten angegriffen und verletzt, mehrere weitere bedroht sowie Kameraequipment zerstört. Ein Hitlergruß und Personen in Wehrmachts- und SS-Uniformen sind dort zu sehen.

Am Samstag abend »durchstreiften Neonazigruppen die Stadt und versuchten, die Gegendemonstration anzugreifen«, heißt es im Video weiter. Dies bestätigte Kampagnensprecher Schmidt gegenüber jW. Doch auch die Repression der Staatsmacht gegen die Antifaschisten habe »im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich zugenommen«, so Schmidt. Demnach hatte die Polizei eine Gruppe Antifaschisten nach deren Kundgebung »eingekesselt«, wodurch es in der Folge »zu einem Angriff durch Mitglieder der faschistischen Legio Hungaria« gekommen sei.

Zuvor seien bei vier Angriffen auf Neonazis am Donnerstag und Freitag wiederum insgesamt acht Personen verletzt worden, hieß es auf einer Pressekonferenz der ungarischen Polizei am Montag, von der ein anwesender Aktivist gegenüber jW berichtete. Von 15 mutmaßlichen Angreifern seien demnach vier festgenommen worden. Ihnen drohen mehrjährige Haftstrafen. »Wir sind uneingeschränkt solidarisch mit den von Repression betroffenen Genossinnen und werden auch im nächsten Jahr international mobilisieren«, so Schmidt, »bis dieser Spuk Geschichte ist.«


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