Es bleibt an Antifagruppen hängen

Bayern: Nach zehn Jahren AfD Diskursverschiebung nach rechts bei wenig Widerstand. Ein Gespräch mit der antifaschistischen Gruppe »Null Acht 51«

Die AfD Bayern gibt es seit zehn Jahren. 2018 zog sie mit 10,2 Prozent erstmalig in den Landtag ein und ist dort viertstärkste Kraft. Dennoch ist die AfD in der Landespolitik stark isoliert. Besteht die Aussicht, dass sich das auf parlamentarischer Ebene ändern könnte?

Sie fällt im Landtag seit Anbeginn vor allem durch Skandale, interne Streitigkeiten und Intrigen, dilettantische Landtags- und schlechte Oppositionsarbeit auf sowie durch Austritte und einen Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. Zu Beginn dachte man, dass die Fraktion nach einiger Eingewöhnung in die parlamentarischen Abläufe zahmer würde. Der Ton in den Gremien ist seit dem Einzug der AfD in den Landtag deutlich rauher geworden, die AfD-Abgeordneten kassieren im Plenum Rügen, starke Gegenreden und rufen immer wieder Entsetzen hervor. Seit dem Einzug der AfD ist aber zu beobachten, dass extrem rechte Positionen in der Landespolitik und dem parlamentarischen Diskurs normaler erscheinen. Die Grenzen dessen, was an Äußerungen noch akzeptiert wird, haben sich deutlich verschoben: Die Schmerzgrenze für rassistische, sexistische, antisemitische Aussagen liegt mittlerweile deutlich höher.

Sechs der 22 Abgeordneten der AfD haben Fraktion oder Partei seit der Landtagswahl von 2018 verlassen. Was waren die Gründe?

Offiziell gaben sie teils gesundheitliche Gründe an oder den Rechtsruck der Partei bzw. in ihr vertretene extrem rechte Positionen, die man nicht mittragen wolle. Allerdings ist das sicherlich mit Vorsicht zu genießen. Einerseits ist bei den inzwischen fraktionslosen Abgeordneten kaum eine Abweichung von der AfD-Linie in der politischen Arbeit zu beobachten. Zum anderen waren einige der ausgetretenen Abgeordneten vorher klar dem extrem rechten Flügel der Partei zuzurechnen und dürften sich kaum völlig naiv im Charakter der Partei getäuscht haben.

Medial wird die AfD-Fraktion gerne in ein extrem rechtes »Flügellager« und ein gemäßigteres eingeteilt, welche jeweils um die Deutungshoheit ringen. In der Praxis jedoch unterscheiden sie sich mehr in ihrem Auftreten als in ihren politischen Positionen – von einem »gemäßigten Lager« zu sprechen wird daher der Realität kaum gerecht. Vielmehr besteht eine Wechselwirkung zwischen dem radikal auftretenden Lager, das rhetorisch vorprescht und dem vermittelnden Teil, der Schaden für die Fraktion durch als doch zu hart wahrgenommene Äußerungen verkleinern soll. Es kann wohl vermutet werden, dass tatsächlich interne Streitigkeiten und Machtkämpfe, Postengeschachere, persönliche Antipathien und Uneinigkeiten über das strategische Auftreten die Arbeit in der Fraktion für einige AfD-Abgeordnete unattraktiv machten.

Wer sind gerade die Einflussreichen innerhalb der bayrischen AfD?

Innerhalb der Fraktion scheinen sich beide Lager primär gegenseitig zu blockieren. Es zeichnet sich seit Jahren ab, dass die extrem rechts und verschwörungsideologisch auftretenden Teile der Partei an Stärke gewinnen und sich durchsetzen. Mit der Wahl von Stephan Protschka zum Landesvorsitzenden hat sich das extrem rechte Profil des Landesverbands wohl endgültig manifestiert.

Trotz ausbleibender parlamentarischer Erfolge konnte die AfD dennoch Einfluss im Freistaat gewinnen. Im ländlichen Raum ist eine zunehmende Akzeptanz erkennbar. Ist das ein bayernweiter Trend?

Die Wahrnehmung steigender Akzeptanz der AfD im ländlichen Raum hat vielleicht damit zu tun, dass weite Teile der bürgerlichen, demokratisch engagierten Zivilgesellschaft es inzwischen scheinbar aufgegeben haben, sich gegen die etablierte AfD zu engagieren oder zu organisieren.

Wir erkennen das auch in Passau: Hier gibt es zwei Landtagsabgeordnete, die klar der extremen Rechten zuzuordnen sind. Oskar Atzinger ist Mitglied in der extrem rechten Verbindung »Normannia Winterberg zu Passau«, die quasi ausschließlich aus – ehemaligen – NPD-Kadern besteht. Ralf Stadler fällt in regelmäßigen Abständen mit Aussagen und Aktionen auf, die nur noch als faschistisch bezeichnet werden können. Widerspruch aus der Zivilgesellschaft gibt es kaum – Atzinger konnte ohne Probleme am letzten Passauer Ostermarsch teilnehmen, und Stadler wurde gerade erst wieder von einem bürgerlichen Verein zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Es bleibt also wie so oft alles an Antifagruppen hängen.

Die Partei hat im 13,2 Millionen Einwohner zählenden Freistaat derzeit etwas mehr als 4.600 Mitglieder. Das sind gerade einmal 1.500 mehr als bei Die Linke. Kann die AfD dennoch über ihre Basis hinaus Menschen mobilisieren?

Nach einer gewissen Euphorie der Anfangsjahre scheint die Mobilisierungsfähigkeit der AfD auf der Straße deutlich nachgelassen zu haben. Die Teilnehmerzahl bei Demos und Veranstaltungen der Partei ist mäßig bis schlecht, eine Jugendorganisation besteht im Grunde nur formal. Und Versuche der AfD, in der verschwörungsideologischen Massenbewegung der »Coronaproteste« Stimmen zu sammeln, fruchten kaum.

Die Partei begreift sich als parlamentarische Vertretung der sogenannten Coronaprotestbewegung – allerdings ist diese in großen Teilen zu politikverdrossen, um überhaupt noch an das parlamentarische System zu glauben. Was die AfD hingegen sehr gut schafft, ist die Präsenz im digitalen Bereich, das Arbeiten mit Skandalisierung und so weiter – das macht ihre Sichtbarkeit in der digitalen Sphäre enorm und überträgt sich auch in den medialen und analogen politischen Diskurs. Auf der Straße spiegelt sich das nicht entsprechend wider.