Todestag von Clément Méric – kämpferische Erinnerungskultur

Am 5. Juni 2013, vor genau zehn Jahren, wurde der damals 18-jährige Clément Méric in Paris bei einer körperlichen Auseinandersetzung mit Faschist:innen von diesen getötet. Nach einer spontanen Begegnung und einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Aktivist:innen der „Action Antifasciste Paris-Banlieue“ (Antifaschistische Aktion, Pariser Vororte1Die als „Banlieue“ bezeichneten Vororte sind die ärmeren, proletarischen Teile französischer Großstädte) und Faschist:innen der „jungen revolutionären Nationalisten“, hatten die Faschist:innen Verstärkung gerufen. Diesem Ruf folgte unter anderem der Faschist, der Clément mit einem Schlagring tötete. Seither ist Clément in Frankreich ein Symbol des militanten Antifaschismus und ein Mahnmal dafür, dass der Faschismus – nicht erst an der Macht sondern auch als Bewegung – tötet.

Die „Action Antifasciste Paris-Banlieue“ lud zum zehnten Jahrestag zu einem „Wochenende des Kampfes, der Erinnerung und der Konzerte“.

Hier einige übersetzte Zitate aus einem Artikel auf France Info und einige Bilder und Videos aus den sozialen Medien, um sich eine Vorstellung von der Demonstration am Sonntag zu machen:

Mehrere tausend Personen sind in Paris aufgelaufen um Clément Méric zu gedenken, der vor zehn Jahren getötet wurde, bei einer Schlägerei mit Neonazis. Die Demonstration wurde von der Familie von Clément Méric und antifaschistischen Assoziationen organisiert.

Für diese Militanten ist Clément Méric zu einem Symbol des Kampfes gegen die Ultrarechte geworden. Diesen Sonntag sind mehrere tausend Personen in Paris aufgelaufen um des jungen Studenten und militanten Antifaschisten zu gedenken. Vor zehn Jahren ist Clément Méric gestorben, Opfer einer Schlägerei mit Skinheads. 2021 wurden zwei Neonazis deswegen zu fünf und acht Jahren Haft verurteilt.

Mit Rufen wie „Clément, Clément, Antifa“ und „Siamo tutti antifascisti“, ist die Demonstration, etwa 5000 Personen laut Veranstalter:innen, los gelaufen (…), hinter einem Banner mit den Worten von Louis Aragon2Louis Aragon (1897-1982) war französischer Poet und Kommunist. Er kämpfte im zweiten Weltkrieg erst als Soldat, später als Widerstandskämpfer gegen die Invasion der Nazis. «der Tod blendet nicht die Augen der Partisanen».

Video auf Twitter: Die Gedenkdemo am Sonntag

Wir vergessen nicht, dass der Faschismus tötet, dass die extreme Rechte nicht harmlos ist und dass ihre Ideen sowie ihre Absichten eine Gefahr für unsere Gesellschaft sind.

erklärte inmitten der Menge Aude, die damalige Partnerin von Clément.

Die Ultrarechten sind der sichtbare Teil einer Verharmlosung der extremen Rechten (…), die zu Angriffen auf der Straße gegen Demonstranten und sogar Bürgermeister3Mitte Mai ist ein französischer Bürgermeister zurückgetreten, nachdem Anhänger:innen der extremen Rechten sein Haus und sein Auto in Brand gesteckt hatten. führt.

urteilte Mathieu, 43 jähriger Eisenbahner, Mitglied der Gewerkschaft „Sud-Rail“ 4Gewerkschaft „Solidarität, Einheit und Demokratie“-Schiene, der seinen Nachnamen lieber für sich behielt.

Tweet mit Bildergalerie der „Union syndicale Solidaires“ (solidarische Gewerkschaftsunion)

Zehn Jahre nach der Ermordung unseres Genossen Clément Méric durch die extreme Rechte. Wir vergessen nicht, wir vergeben nicht. Siamo tutti antifascisti!

Was wichtig ist, ist eine Machtdemonstration. Wir wollen die Straße besetzen, uns mit den angereisten Genoss:innen versammeln und unsere Kämpfe sichtbar machen.

kommentierte Nargesse Bibimoune, Mitglied der Gruppe „Action antifasciste Paris-banlieue“.

Video auf Twitter: Bannerdrop mit der Parole „Clément, für immer einer von uns!“


Artikel von Hansgeorg Hermann für die junge Welt:

Antifaschistische Woche

Kampf gegen rechts: Tausende erinnern in Paris an ermordeten Antifaschisten Clément Méric

Unvergessen: Demonstration zum Gedenken an den ermordeten Antifaschisten Clément Méric in Paris (4.6.2023)

Die Menschen in Frankreich haben ihn nicht vergessen. Zehn Jahre nach dem Tod des von rechten Skinheads erschlagenen Antifaaktivisten Clément Méric im Zentrum von Paris gedachten am Sonntag Tausende des damals 18jährigen. Zugleich beklagten sie ein Verbrechen, das nicht nur den Aufstieg der äußersten politischen Rechten in Frankreich markiert, sondern auch die von einem Großteil der bürgerlichen Eliten des Landes weitgehend gleichgültig geduldete Rückkehr eines mittlerweile offen zur Schau getragenen Faschismus. Méric sei, wie Organisatoren der Kundgebung am Sonntag warnten, ein erstes Opfer dieser politischen Talfahrt gewesen.

Familie und Freunde des Ermordeten hatten seit vergangenem Donnerstag eine von Konferenzen sowie kulturellen und sportlichen Veranstaltungen getragene »antifaschistische Woche« organisiert, die diesen Dienstag im Rahmen der landesweiten gewerkschaftlichen Kundgebungen gegen das Rentendiktat der rechten Regierung des Staatschefs Emmanuel Macron zu Ende gehen soll. Gleichzeitig mit dem als »antifaschistisch und international« bezeichneten Straßenprotest erschien am Montag ein von einem Kollektiv von Antifaschisten veröffentlichter Text mit dem Titel »Clément Méric, une vie, des luttes« (Ein Leben im Kampf, Éditions Libertalia).

Untrennbar verbunden ist der Tod Mérics mit dem unversöhnlichen Hass der bürgerlich-katholischen Rechten auf die Befürworter von gleichgeschlechtlicher Ehe und von Schwangerschaftsabbrüchen in den Jahren seit 2012. Im Fahrwasser seien organisierten Gegnern von Abbrüchen sowie bis dahin nahezu unsichtbaren faschistischen Grüppchen »Muskeln gewachsen«, erklärte der auf die Geschichte der französischen Faschisten spezialisierte Historiker Nicolas Lebourg am Montag in der Pariser Tageszeitung Libération.

Als am 5. Juni 2013 der junge Aktivist Clément Méric unter den mit Schlagringen bewaffneten Fäusten einiger Skinheads der faschistischen Gruppe GUD (Groupe Union Défense) gestorben war, verausgabte sich die gesamte politische Klasse mit der üblichen »Betroffenheit« und »Verurteilung« des »schrecklichen Verbrechens«. Mit einer Ausnahme: Nicht in das traurige Konzert des politischen Führungspersonals stimmte Marine Le Pen ein, Chefin des Rassemblement National (RN), ehemals Front National (FN), einst gegründet von ihrem Vater, dem Faschistenfreund Jean-Marie Le Pen. Im Gegenteil: Journalisten dokumentierten nach dem Tod Mérics, wie sich Marine Le Pen in den Jahren seit 2010 immer mal wieder mit den Capos der »schlafenden« Faschistenorganisationen getroffen hatte – mal beim Mittagessen im Restaurant, mal am Rande diverser Parteiveranstaltungen des ­FN/RN.

»Wiederauferstanden« seien seither Gruppen wie die 1968 als Gegenbewegung zum linken Studentenaufstand in Paris gegründete GUD, die ihren Namen regelmäßig wechselte und deren Anhänger den Spitznamen »schwarze Ratten« trugen. Wie Le Pens Formation FN, später RN, versammelten sich die »Ratten« im Mai regelmäßig am Denkmal der französischen Nationalheiligen Jeanne d’Arc, schlugen unter dem neuen Namen »Troisième Voie« (Dritter Weg) gelegentlich zu und näherten sich 1993 während der Ägide des alten Le Pen dem Front National de la Jeunesse und dessen Mutterpartei FN an. Das änderte sich offenbar auch nach dem Wechsel der FN-Führung vom Vater zur Tochter nicht. Und auch nicht, als Marine Le Pen die Bewegung in Rassemblement National umtaufte und den Kampfbegriff »Front« abschaffte.

Le Pens heimliche Gefährten seien präsent wie nie zuvor seit den siebziger Jahren, als sie sich angeblich »schlafen legten«, warnte am Sonntag ein Sprecher der Gewerkschaft SUD (Union Syndicale Solidaires): »Gegenwärtig werden die Ideen des Faschismus neu aufgebrüht, bei der extremen Rechten ebenso wie bei den (bürgerlichen, jW) Les Républicains. Vor einiger Zeit noch gab niemand zu, dass er den FN wählte, heute kaschiert das niemand mehr.« In der Tat stehen die Chancen Marine Le Pens, 2027 Macron als Präsidentin nachzufolgen, so gut wie nie zuvor.


Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart & Region – Auch nach zehn Jahren sind wir traurig und wütend

Heute vor 10 Jahren wurde der Pariser Antifaschist Clément Méric in der französischen Hauptstadt von Faschisten ermordet. Auch nach zehn Jahren sind wir traurig und wütend, auch nach zehn Jahren ziehen wir aus faschistischen Morden die Konsequenz: Nazistrukturen und -kader:innen konsequent zu bekämpfen – BEVOR sie zu Messern, Ceska oder Brandsätzen greifen! „Clément ni oubli, Clément ni pardon!“ heißt: Den antifaschistischen Abwehrkampf stärken!

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    Die als „Banlieue“ bezeichneten Vororte sind die ärmeren, proletarischen Teile französischer Großstädte
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    Louis Aragon (1897-1982) war französischer Poet und Kommunist. Er kämpfte im zweiten Weltkrieg erst als Soldat, später als Widerstandskämpfer gegen die Invasion der Nazis.
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    Mitte Mai ist ein französischer Bürgermeister zurückgetreten, nachdem Anhänger:innen der extremen Rechten sein Haus und sein Auto in Brand gesteckt hatten.
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    Gewerkschaft „Solidarität, Einheit und Demokratie“-Schiene