Verschärfung des Asylrechts – Gegen die Festung Europa

Vergangenen Donnerstag einigten sich die verschiedenen EU-Innenminister*innen auf eine weitere Verschärfung des Asylrechts. Die Festung Europas rüstet also weiter auf und baut ihre Abschottungspolitik aus.

Deswegen haben wir uns entschieden unseren Protest vor das „Europabüro“ der SPD in Rosenheim zu bringen. Einige Aktivist*innen schütteten vor der Büro Tür ein Symbolisches Grab auf, denn die Festung Europa kostet unzähligen Menschen das Leben!

Die von der SPD mitgetragene „Reform“ des Asylrechts bedeutet eine drastische Verschlechterung der für Geflüchtete. Menschen die aus Ländern fliehen, für die die Asyl-Annerkennungsquote unter 20% liegt, oder welche als sogennante „sichere Herkunftsstaaten“ eingestuft sind, sollen nur noch im Schnellverfahren geprüft werden. Die Chance auf eine rechtliche Beratung vor der Anhörung wird dadurch noch schwieriger, wenn nicht unmöglich. Das soll auch für Kinder so gelten. Somit werden sie daran gehindert in die EU einzureisen und an der EU-Außengrenze in Knast-ähnlichen Lagern bis zu 6 Monaten festgehalten, wobei sie in der Zeit dort als „nicht eingereist“ gelten. Von dort aus kann FRONTEX nach den Schnellverfahren direkt Abschiebungen vollziehen.

Für Schutzsuchende, die über sogenannte „sichere Drittstaaten“ einreisen soll eine Abschiebung ganz ohne jegliche Asylprüfung möglich sein, somit auch gar keine Möglichkeit auf Asyl in EU-Staaten. Das ganze passiert unabhängig davon, was in diesem, für sicher erklärten Drittstaat, für eine wirtschaftliche oder menschenrechtliche Lage wirklich herrscht. Dies wird einen Großteil der flüchtenden Menschen betreffen, da Anreisen oft mit risikoreichen und langen Wegen über Meere und verschiedenste Länder erfolgen müssen.Außerdem sollen die Möglichkeiten zur Abschiebung in andere EU Staaten, in denen Geflüchtete vorerst registriert waren vereinfacht werden. Dies bezieht sich oft auf Länder, in welchen geflüchtete Menschen unter unwürdigen Bedingungen leben mussten. Auch eine simple nur vage definierte „Verbindung“ in andere nicht-EU Länder reicht um eine Abschiebung dorthin möglich zu machen.

Zusammenfassend heißt das, dass zukünftig sogenannte Grenzverfahren für Geflüchetete an den EU Außengrenzen zum neuen Standard werden, und durch Schnellverfahren ein Ausschluss vom Asyl. Diese Verschärfung des Asylrechts bedeutet nichts als eine weitere Aufrüstung der Festung Europas, eine Abschottung gegenüber flüchtender Menschen. Auch die deutsche Bundesregierung stimmte für diesen Ausverkauf von Menschenrechten.

Nancy Faeser (SPD), Innenministerin der BRD, bezeichnet dieses Abkommen als einen „Historischen Erfolg“. Die Ampelkoalition hatte sich seit ihrem Start schon mit diversen Maßnahmen vom Flüchtlingsschutz verabschiedet. SPD, Grüne und SPD legten Anfangs noch in ihrem Koalitionsvertrag fest,die Rechte Geflüchteter vermehrt schützen zu wollen. Durch die Zustimmung, dass sogenannte Grenzverfahren zum Standard werden und die Chance auf Asyl nur durch das erfüllen sehr hoher und fragwürdiger Kriterien möglich wird, trägt die aktuelle Bundesregierung selbst massiv dazu bei, die 1993 für Deutschland vereinbarten Ausschlüsse von geflüchteten Menschen aus den Asylverfahren nun auf europäischer Ebene dauerhaft zu verankern.

Diese oft als „Reform“ bezeichnete Verschärfung des Asylrechts ist kein „historischer Erfolg“ oder in irgendeiner Hinsicht eine Verbesserung für die Situation der Flüchtenden. Es ist ein Ausverkauf der Menschenrechte und schickt unzählige Schutzsuchende in weiteres Leid, Elend und den Tod.

Gemeinsam gegen die Festung Europas und diese Politik der Abschottung! Für sichere Fluchtwege und das Bleiberecht für alle Schutzsuchenden!


Asylkompromiss 2.0

Einigung der EU-Innenminister. Gastkommentar

(junge Welt)

Von Kerem Schamberger und Valeria Hänsel

Festung Europa: Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak an der polnischen Grenze (Bialowieza, Podlaskie, Polen, 28.5.2023)

Bereits im September 2020 legte die EU-Kommission unter Leitung von Ursula von der Leyen einen »Pakt für Migration und Asyl« vor. Dessen Quintessenz: die weitere Zementierung der Abschottung Europas und ein rechtlicher Rahmen dafür. Zum Kern gehören die nun von den EU-Innenministern vereinbarten sogenannten Grenzverfahren. Diese bedeuten, dass alle Geflüchteten, die es unter den sowieso schon schwierigen Bedingungen geschafft haben, an eine der EU-Außengrenzen zu gelangen, erst mal in Lagern festgesetzt werden. Dort soll überprüft werden, ob sie überhaupt ein reguläres Asylverfahren erhalten. Das ist nicht mit normalen Asylverfahren zu verwechseln, bei denen die Antragsteller ihre Fluchtgründe darlegen können. Die individuelle Anhörung, also das Recht, durch den Staat gehört zu werden, ist jedoch ein elementarer Grundsatz des Rechts auf Asyl.

Die Grenzverfahren sollen dazu dienen, Personen, die vermeintlich kein Recht auf Asyl haben, schon an der EU-Außengrenze in Schnellverfahren abzuweisen – beispielsweise, wenn sie aus Ländern kommen, die als »sicherer Herkunftsstaat« eingestuft werden, oder wenn sie durch Staaten gereist sind, die als »sicherer Drittstaat« gelten. Dabei werden keine individuellen Fluchtgründe evaluiert, beispielsweise ob jemand vor dem Taliban-Regime in Afghanistan, vor iranischer oder türkischer Folter geflohen ist. Statt dessen geht es nur um die Frage, ob die Person im Land der Durchreise sicher leben könnte. Die bereits jetzt sehr niedrigen Kriterien, welches Land als »sicherer Drittstaat« gilt, wurden nun noch weiter gesenkt.

Der übergroßen Mehrheit der ankommenden Menschen würde damit die Möglichkeit genommen, ein Asylverfahren zu durchlaufen. Was 1993 im sogenannten Asylkompromiss in Deutschland auf nationaler Ebene geschehen ist, soll nun europaweit passieren: die Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl.

Dabei zeigen sich bereits anhand des als Vorbild dienenden EU-Türkei-Deals die katastrophalen Konsequenzen dieser Politik. Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, Bangladesch und Somalia, die die griechischen Inseln erreichen, werden dort in gefängnisartigen Lagern interniert. Bereits jetzt können sie ohne Asylprüfung in die Türkei abgeschoben werden, obwohl das dortige AKP-Regime diese Menschen systematisch weiter in Kriegs- und Krisengebiete wie Syrien und Afghanistan abschiebt.

Wovon der frühere CSU-Innenminister Horst Seehofer – auf dessen Vorschlag die Grenzverfahren zurückgehen – nur träumen konnte, dem hat die Ampelkoalition beim EU-Ratstreffen am 8. Juni zugestimmt. Doch wer glaubt, Flucht und Migration stoppen oder stark verringern zu können, ohne die imperiale und neokoloniale Produktions- und Lebensweise in Europa zu verändern, irrt gewaltig. Den Preis dieses »Irrtums« werden noch viel mehr Flüchtende an den Außengrenzen mit ihrem Leben bezahlen.


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