Im Juni war der weltweit gefeierte Pridemonth und auch in den kommenden Wochen gibt es in einigen Städten Pride-Paraden. Eine Tradition der queeren Bewegung, die ihren Ursprung in den USA hat, wo ab 1970 der erste Pridemonth im Nachgang der Stonewall-Riots 1969 stattfand. Zu den Protesten in New-York kam es nach einer Razzia in den frühen Morgenstunden des 28. Juni 1969 in einer Schwulenbar in Manhatten, dem „Stonewall Inn“. In den 60ern waren Razzien in den USA gegen Bars, in denen sich die queere Community traf an der Tagesordnung. Homosexualität stand als „anstößiges Verhalten“ unter Strafe. Nach der Razzia im „Stonewall Inn“ kam es zu spontanen Protesten und Auseinandersetzungen mit der Polizei, bei denen das Recht unabhängig von der sexuellen Orientierung offen leben zu können gefordert wurde.
Auch in der DDR stand Homosexualität bis 1968 unter Strafe, in der BRD sogar bis 1994. Mittlerweile wird der Pridemonth weltweit gefeiert, auch in Deutschland finden an immer mehr Orten CSD-Veranstaltungen statt.
Die Rechten
Der aktuell von verschiedenen rechten Strukturen ausgetragene „Stolzmonat“ zeigt, dass Rechte das Thema der sexuellen Identität zunehmend für sich „entdecken“ und online, aber auch auf der Straße, zunehmend queerfeindliche Hetze verbreiten. Die von AfD, Identitären und anderen Rechten geschürte Stimmung befeuert dabei auch die zunehmenden queerfeindlichen Angriffe, die im schlimmsten Fall tödlich enden, wie die Ermordung des Transmanns Malte beim CSD letztes Jahr in Münster zeigt.
Queerfeindliche Hetze ist ein verbindendes Element verschiedener rechter Akteure, von der AfD und Jungen Alternative über Identitäre, rechte Medien, den Dritten Weg, aber auch religiöse Fundamentalist:innen und „gemäßigte“ Konservative oder unorganisierte Einzelpersonen. Queerfeindlichkeit ist dabei auch nochmal anders gesellschaftlich anschlussfähig als andere Formen rechter Hetze, wie z.B. Rassismus. Die Fokus auf queerfeindliche Hetze ist eine Entwicklung, die bereits früher bei verschiedensten Rechten in der USA stattgefunden hat und die jetzt auch in Deutschland verstärkt von Rechten forciert wird. Wie gesellschaftsfähig diese ist, lässt sich in den USA gut sehen, wo Republikaner mit queerfeindlicher Hetze Wahlkampf machen, oder zunehmend mehr Protest gegen Drag-Veranstaltungen stattfindet.
Rechte Hetze gegen Queere ist das Resultat daraus, dass Rechte „klassische“ Geschlechter- Familien-, und damit auch Ausbeutungs- & Spaltungsmechanismen verteidigen. Zum einen dient die „klassische“ Familie, insbesondere die Rolle der Frau darin, dem Kapitalismus zur Produktion und Reproduktion der Arbeitskraft und als „Ort der Geborgenheit“ für die in Arbeit und Gesellschaft entfremdeten Arbeiter:innen. Zum anderen bauen Faschist:innen besonders auf die mysthifizierte stereotypische Männlichkeit als Teil ihrer Romantisierung von Nation und Krieg.
Alles was das in Frage stellt wird angegriffen.
Systemkonforme Vereinnahmung
Die kämpferischen und widerständigen Wurzeln des Kampfes gegen Diskriminierung und für Selbstbestimmung der Stonewall-Riots scheinen dabei hierzulande lange zurück zu liegen. Auch wenn viele Menschen mit Politparaden auf die immer noch anhaltende Diskriminierung queerer Menschen aufmerksam machen und sich gegenseitig empowern, verschwindet der kämpferische Charakter bei vielen CSDs und das Feiern rückt in den Vordergrund.
Hier ist auch eine Kritik an der zunehmenden Kommerzialisierung und Entpolitisierung, gerade durch die organisierenden Strukturen angebracht. In vielen Städten bekommen Konzerne, bürgerliche Parteien und oft sogar die Cops die Möglichkeit für ihr „Pinkwashing“ auf dem CSD (während sie gleichzeitig queerfeindliche Politik machen!). So wird eine ursprünglich kämpferische Bewegung gegen Unterdrückung, die in der Klassengesellschaft ihre Wurzeln hat, systemkonform gemacht. Zumal im (Arbeits-)Alltag dann wenig von der Akzeptanz übrig bleibt, Anerkennung und Gleichbehandlung gesellschaftlich weiterhin ausgeschlagen werden.
Dass es falsch ist, sich mit Konzernen zu verbünden, die sich nur in den Ländern auf Social Media einmal im Jahr das Logo mit einer Pride-Flag hinterlegen, wo es sich rentiert, gleichzeitig aber Geschäfte mit Staaten in denen queere Menschen verfolgt werden machen, sollte auf der Hand liegen. Und wie schnell diese Konzerne damit aufhören werden, wenn sie davon wirtschaftlich nicht mehr profitieren ist absehbar. Die Unterdrückung von queeren Menschen und die Spaltung unserer Klasse anhand von Geschlecht oder Sexualität haben ihre Wurzeln in diesem System und lassen sich darin auch nicht komplett aufheben. Deshalb gilt es sich gegen das Einverleiben einer ursprünglich kämpferischen Bewegung in den Kapitalismus zu wehren.
Darüber hinaus verkennt eine „unpolitische Pride“ auch die Gefahr, in der sich die Community nach wie vor befindet, immer noch Angriffen ausgesetzt ist und erkämpfte Errungenschaften auch jederzeit wieder genommen werden können, wenn sie nicht verteidigt werden. Das zeigt sich auch darin, dass Diskriminierung, Anfeindungen und Angriffe selten gesellschaftliche Relevanz, Solidarität mit den Betroffenen oder gar Gegenwehr auslösen.
Wie unterschiedlich das Verhältnis zu diesen Fragen auch innerhalb der queeren Community und Organisationen ist, zeigt auch die jüngste Diskussion um den CSD-Freiburg, der in seinem Aufruf antifaschistische Symbolik verwendet hat und deshalb vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Baden-Württemberg und IG CSD Stuttgart (CSD-Orga) kritisiert wurde. Eine Demo mit rund 17.000 Menschen zeigt, dass die Teilnehmer:innen des CSD-Freiburg darin kein großes Problem sahen.
Für einen CSD von unten
Der CSD ist nach einem Aufstand benannt, der in einem anderen Land stattfand, als Homosexuelle dort stärker kriminallisiert waren als sie es hier und heute sind. Diese internationale und kämpferische Perspektive brauchen wir auch heute.
In Gambia, Tschad oder Uganda werden queere Menschen noch heute vom Staat mit lebenslanger Haft oder dem Tod bedroht. Das hat den gleichen Ursprung wie die staatliche Verfolgung, die wir hier noch gar nicht so lange los sind, und den gleichen Ursprung wie die Diskriminierung, die Queere heute noch auch hier durch die Rechten erfahren. Noch heute Profitieren wir, vor allem aber „unsere“ Kapitalist:innen, wirtschaftlich von der Ausbeutung solcher Länder, und damit auch von der Verfolgung von Queeren, die nicht in die Familien- und damit Wirtschaftslogik passen, die für die Ausbeutung die praktischste ist.
Wenn wir Staat und Kapital erlauben, sich mit den Fahnen unserer Bewegung, einer Bewegung von unten zu schmücken, ist das ein Verrat an der internationalen queeren Community und es bedroht unsere eigenen Errungenschaften. Stattdessen gilt es abseits vom „Pinkwashing“ großer Konzerne den Kampf gegen Diskriminierung und für Selbstbestimmung zu führen. Mit all jenen, die ein wirkliches Interesse daran haben, dafür ehrlich zu kämpfen und das nicht aus einem (temporären) wirtschaftlichem Interesse heraus.
Schutz und Selbstschutz
Der gemeinsame Schutz vor rechten Angriffen ist die Aufgabe von uns als Antifaschist:innen – ohne Diskussion. Genauso wie die Solidarität mit allen betroffenen rechter Gewalt. Wenn Rechte also einen CSD oder sonstwo queere Menschen angreifen wollen, ist es unsere Aufgabe sie davon abzuhalten.
Soweit, so klar. Und wir drängen Rechte auf verschiedenen Ebenen zurück. Wenn Rechte also Aktionen zum CSD machen, die Öffentlichkeit dieser Tage nutzen, dann ist es unsere Aufgabe, CSDs antifaschistisch zu begleiten und natürlich gegen Rechte Angriffe und Störversuche zu intervenieren – nicht mehr und nicht weniger.
Wir halten die Kritik an der Entpolitisierung vieler CSDs für notwendig, aber Kritik heißt eben nicht Entsolidarisierung. Im Gegenteil! Diese Kämpfe sind zu wichtig, um zuzulassen, dass sie verkauft und entzahnt werden, oder ihre Errungenschaften von Reaktionären in Frage gestellt werden. Auch abseits von CSDs und dem Pridemonth heißt es für uns als Antifas: 365 Tage im Jahr queerfeindlicher Hetze und rechten Angriffen entgegentreten!
Stonewall was a Riot – Antifaschistischen Selbtschutz aufbauen!