Arbeitszwang für Geflüchtete

„Teil der Integrationsleistung“? CSU-Landesgruppenchef Dobrindt macht einen Vorstoß, um eine Arbeitspflicht für Geflüchtete einzuführen. Was steckt dahinter?

Ein Kommentar von Phillipp Nazarenko

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt fordert neuerdings verpflichtende Arbeit für Geflüchtete. Gemeint sei sowohl Lohnarbeit als auch sogenannte „gemeinnützige“ Arbeit, was wohl als unbezahlte Arbeit verstanden werden muss. Als Konsequenz bei Zuwiderhandlung soll es, wenn es nach der CSU geht, Kürzungen der ohnehin schon mickrigen Sozialleistungen geben. Bedeutet diese Arbeitspflicht nun einen echten Fortschritt für die Integration von Geflüchteten, oder steckt dahinter ein ganz anderes Kalkül?

Aktuell wird der Umgang des deutschen Staates bzw. der EU mit Geflüchteten zunehmend härter. So wurde erst auf dem „Flüchtlingsgipfel“ der Europäischen Union Anfang Juni beschlossen, es Menschen die nach Europa flüchten wollen, noch schwerer zu machen.

So wurden beispielsweise Staaten wie Tunesien dafür gewonnen, Geflüchtete im Ausstausch für Geld bereits an ihren Grenzen abzufangen. Was dann weiter mit ihnen passiert, ist nicht das Problem der BRD oder der EU.

Ein Modell, was aber auch schon vorher längere Zeit mit der Unterstützung libyscher Warlords oder der faschistischen Diktatur in der Türkei erprobt wurde. Doch selbst wenn es die Menschen, die vor den von der NATO geführten oder finanzierten Kriegen wie z.B. im Jemen, Afghanistan oder Somalia über die mörderischen Balkan- oder Mittelmeerrouten schaffen, und dabei nicht von polnischen oder ungarischen Grenzschützer:innen gequält und in den Tod geschickt werden, dann erwartet sie bei uns alles andere als das Paradies.

Auch wenn es faschistische Demagog:innen gerne bestreiten: Als Flüchtling oder als Migrant:in bekommt man in Deutschland nichts auf dem Silbertablett serviert. Die staatlichen Leistungen reichen kaum zum Überleben, an jeder Ecke wartet jemand der sich deine verletzliche Situation zu Nutze machen will (z.B. Zuhälter welche in geflüchteten Frauen leichte Beute sehen), sowie die ständige Gefahr durch neonazistische Banden oder die von Faschist:innen zersetzen Polizei. Exemplarisch für den alltäglichen Terror in weiten Teilen (Ost-)Deutschlands, den Migrant:innen und Geflüchtete ertragen müssen, kann der neuerliche Anschlag im sächsischen Seydnitz herhalten, bei dem bewaffnete Nazis eine Geflüchtetenunterkunft stürmten und eine Person krankenhausreif schlugen.

„Die klauen unsere Jobs!“ vs. „Die faulen Flüchtlinge wollen doch gar nicht arbeiten!“

Seit jeher müssen sich Migrant:innen bzw. Geflüchtete mit widersprüchlichen Anforderungen herumschlagen. Eine der wohl am offensichtlichsten ist der Widerspruch zwischen Migrant:innen, die angeblich nicht arbeiten wollen/können/müssen einerseits, und Migrant:innen, die eine existenzielle Bedrohung für deutsche Arbeiter:innen darstellen, da sie angeblich die rechtmäßig ihnen zustehenden Arbeitsplätze „stehlen“ würden.

Zugegebenermaßen: Arbeit ist wichtig. Wer keine hat bleibt weitestgehend ausgeschlossen aus dem sozialen Leben der Gesellschaft, kann nicht selbstbestimmt über Sachen wie den eigenen Wohnort oder die Lebensqualität entscheiden und ist grundsätzlich gefährdet, in Armut und Obdachlosigkeit abzurutschen. Auch das deutsche „Sozialsystem“ fungiert hier mehr als staatliche Jobvermittlung mit Zwangsmitteln für den Billiglohnbereich statt als echte Unterstützung für die Arbeitssuchenden.

Doch inwieweit gilt dies für Geflüchtete? Wollen die einfach nicht arbeiten, wie AfD und Konsorten uns immerzu weismachen wollen? Ganz im Gegenteil, so herrscht ein regelrechtes staatliches Arbeitsverbot für Geflüchtete. Mindestens drei Monate nach Ankunft in Deutschland. Selbst danach erwerben sie für die nächsten vier Jahre einen nachrangigen Arbeitsmarktzugang.

Das bedeutet, dass sie nur mit Erlaubnis des Ausländeramtes einen Job annehmen dürfen. Diese bekommt man aber nur, wenn es keinen „geeigneten“ deutschen oder EU-Bürger gibt, der diese Stelle ausüben könnte oder wollte. Kurz gesagt: Job wegnehmen geht schon mal von Gesetztes Wegen nicht. Zusätzlich sind Geflüchtete somit auf Gedeih und Verderb dem guten Willen des Ausländeramtes überlassen.

Arbeitspflicht als Mittel der Integration?

Wenn nun eine rechte Partei wie die CSU eine Arbeitspflicht für Geflüchtete als vermeintliches Mittel der Integration ins Rennen bringt, sollte man schon stutzig werden. So sind die Konservativen nicht gerade für ihre freudige Unterstützung von Geflüchteten bekannt. Viel eher muss dieser Vorschlag als Teil der wirtschafts- und militärpolitischen Umbauten verstanden werden, die der deutsche Staat gerade anstrebt.

Soziale Pflichtdienste werden von allen bürgerlichen Parteien, von manchen offen von anderen verdeckt, sowohl als Weg, billige Arbeitskräfte zu rekrutieren, als auch die Wehrpflicht über Umwege wieder einzuführen, debattiert.

Nicht nur bedient die CSU hiermit das rassistische Narrativ von den „faulen Geflüchteten“, welche sich vermeintlich auf Staatskosten ein leichtes Leben machen würden. Der Vorschlag beinhaltet wohl kalkuliert die Option Geflüchtete auch in „gemeinnützige“ Arbeit zu zwingen, was wohl wenig anderes sein kann als unbezahlte Arbeit und somit die krasseste Form der Ausbeutung. Ähnlich wie bei Arbeitslosen soll die Kürzung der Leistungen, sollten die Betroffenen nicht mitspielen, als handfeste Drohung fungieren.

Eine echte Unterstützung für Geflüchtete würde anders aussehen. Der Mythos der „Meritokratie“, wonach nur die Leistung eines Menschen für den sozialen Status verantwortlich sei, wird hier wiedermal entlarvt. Ein uneingeschränktes und nicht an Sanktionen gebundenes Arbeitsrecht wäre, wenn auch eine begrenzte und kleine, so doch eine echte Hilfe für Geflüchtete. Was hier aber sichergestellt werden soll, ist dass der Staat noch mehr Handhabe gegen Geflüchtete hat und diese bequem in Billiglohnjobs zwingen kann. Die Konzerne werden sich sicher drüber freuen. Die rassistische Hetze bleibt bestehen.

 


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