Der anarchistische Skinhead Thomas Meyer-Falk ist aus der Sicherungsverwahrung freigekommen
Eine »Welt ohne Käfige und Gefängnisse« hatte sich Thomas Meyer-Falk in seinem Grußwort zur internationalen Solidaritätswoche für anarchistische Gefangene gewünscht. Und pünktlich während dieser von libertären Gruppen in vielen Ländern begangenen Aktionstage öffneten sich für den langjährigen politischen Gefangenen am Dienstag in Freiburg die Knasttore. 27 Jahre hatte der heute 52jährige hinter Gittern verbracht – in Justizvollzugsanstalten in Stuttgart-Stammheim, Straubing und Bruchsaal, bis 2007 in Isolationshaft, und die letzten zehn Jahre in sogenannter Sicherungsverwahrung (SV) in Freiburg.
Meyer-Falk zählt sich zur RASH-Bewegung – das Kürzel steht für Red and Anarchist Skinheads, die in Gegnerschaft zu kahlgeschorenen Nazis stehen. Im Oktober 1996 hatte der damals 25jährige eine Sparkasse im schwäbischen Neuenstein überfallen, sechs Geiseln genommen und fünf Millionen Mark Lösegeld gefordert, sich aber nach 14stündiger Belagerung der Polizei ergeben. Das Geld wollte der vom Spiegel zum »linken Robin Hood« ernannte Skinhead, der zu einer Freiheitsstrafe von fast 17 Jahren verurteilt wurde, nach eigenen Angaben an »legale und illegale politische Projekte« spenden.
Er sehe keinen Anlass, »das, was ich getan habe, zu bereuen, so schockierend das Erlebnis für die Geiseln in der Bank auch war«, bekannte Meyer-Falk auf seiner mit Hilfe solidarischer Genossen angelegten Website. Im Knast kämpfte Meyer-Falk nicht nur mit unzähligen Klagen für seine und die Rechte anderer Gefangener. Bundesweit für Schlagzeilen sorgte er 2010, als er unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz auf Offenlegung von Rechnungen bezüglich eines Grillfestes von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit US-Präsident George W. Bush vier Jahre zuvor klagte, das den Steuerzahler 8,7 Millionen Euro gekostet hatte.
Die fehlende Reue des daher als »gefährlich« eingestuften Gefangenen diente dem Landgericht Karlsruhe 2013 zur Begründung der im Anschluss an die Verbüßung der Strafe verhängten SV. Ein im Herbst 2022 in Auftrag gegebenes Gutachten sah zwar keine Gefahr mehr, dass Meyer-Falk erhebliche Straftaten begehen würde. Doch erst nachdem zwei weitere Gutachter zum gleichen Ergebnis kamen, erklärte das Landgericht Freiburg am 5. Juli 2023 eine Unterbringung in der SV nicht mehr für notwendig. Die Freilassung zog sich aufgrund eines Widerspruchs der Staatsanwaltschaft noch fast zwei Monate hin.
Er sei »noch völlig geflasht«, so Meyer-Falk am Mittwoch gegenüber dieser Zeitung. Kurz vor der Entlassung habe ihm ein JVA-Bereichsleiter noch im Auftrag des Inlandsgeheimdienstes ein Merkblatt des Verfassungsschutzes zum »Ausstieg« aus dem »Linksextremismus« in die Hand gedrückt, zeigte er sich empört. »Ich bin frei, doch Millionen sitzen noch in den Knästen«, so der Anarchist, der sich in Zukunft auch für Geflüchtete einsetzen will und dafür seine während seiner Haftzeit bei der Unterstützung von Mitgefangenen erworbenen rechtlichen Kenntnisse nutzen will.
Beeindruckend sei, dass Meyer-Falk »sich in all der Zeit weder brechen noch entpolitisieren ließ und die herrschenden Verhältnisse vor allem in den Gefängnissen in unseren und weiteren Publikationen beschrieben und scharf kritisiert hat«, erklärte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe am Mittwoch gegenüber jW. Hier werde deutlich, »wie äußerst kritisch die Sicherungsverwahrung zu bewerten ist«, die in diesem Fall eindeutig als politisches Mittel genutzt wurde, um Meyer-Falk über eine so lange Zeit zu inhaftieren. Die SV als Haft nach der Haft geht auf das 1933 von den Nazis eingeführte »Gewohnheitsverbrechergesetz« zurück.
Während seiner Zeit im Knast hat sich Thomas unter anderem über einen eigenen Blog kontinuierlich ins politische Geschehen eingemischt. Vorbeischauen lohnt sich!