Zweite Anklage im Fall Yeboah

Den Täter beeinflusst

Nach über drei Jahrzehnten: Zweite Anklage wegen Angriff auf Asylbewerberunterkunft im Saarland

Die Bundesanwaltschaft hat wegen eines rassistischen Brandanschlags auf eine Asylbewerberunterkunft im saarländischen Saarlouis vor über 30 Jahren Anklage gegen einen zweiten Mann erhoben. Gegen ihn bestehe der Verdacht der Beihilfe zu Mord und Beihilfe zu versuchtem Mord an 20 Menschen, wie die Bundesanwaltschaft am Montag in Karlsruhe mitteilte. Der Verdächtige vertrete eine »von nationalsozialistischen und rassistischen Überzeugungen geprägte Ideologie«.

Im Prozess gegen Peter S. vor dem Oberlandesgericht Koblenz, der mit seiner Verurteilung im Oktober 2023 vorerst endete, war der nun aktuell als mutmaßlicher Mittäter beschuldigte Mann von mehreren Zeugen als Anführer der damaligen neonazistischen Skinheadszene bezeichnet worden. Er sitzt bereits seit Anfang Juni dieses Jahres in Untersuchungshaft. Bei dem Brand des Asylbewerberheims 1991 in Saarlouis starb der 27jährige Geflüchtete Samuel Yeboah aus dem westafrikanischen Ghana. Zwei andere Hausbewohner konnten sich retten, indem sie aus einem Fenster sprangen, wobei sie sich mehrere Knochen brachen. Die 18 weiteren Mitbewohnerinnen und Mitbewohner konnten sich unverletzt in Sicherheit bringen.

Laut Mitteilung vom Montag soll der Angeklagte in der Nacht vom 18. auf den 19. September 1991 unter anderem mit dem bereits Verurteilten eine Gaststätte in Saarlouis besucht haben. Der Verdächtige soll sich damals laut Mitteilung der Anklagebehörde kurz vor dem Anschlag in der Kneipenrunde positiv über rassistische Anschläge geäußert und so den späteren Brandstifter beeinflusst haben. Der Mann habe deutlich gemacht, dass er solche Anschläge auch in Saarlouis gut fände, heißt es weiter. Er soll gesagt haben: »Hier müsste auch mal so was brennen oder passieren.« Der bereits verurteilte Brandstifter soll durch diese Aussage beeinflusst und bestärkt worden sein. Das Gericht muss nun über die Zulassung der Anklage entscheiden.

Anfang der 90er Jahre hatte es bundesweit eine Vielzahl von faschistischen Angriffen auf Geflüchtetenunterkünfte gegeben, bei denen zahlreiche Menschen ums Leben kamen. Viele dieser Anschläge wurden bis heute nicht aufgeklärt. Antifaschistische Initiativen kritisieren, dass die Behörden nachlässig oder gar nicht ermittelt hätten. Der heute 52jährige S. war für den tödlichen Anschlag vom Oberlandesgericht Koblenz unter anderem wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt worden, da er zum Tatzeitpunkt noch Jugendlicher war. Er muss außerdem die Kosten des Verfahrens inklusive die der Nebenkläger tragen und blieb direkt in Haft. S. hatte das Feuer nach Ansicht des Gerichts aus rassistischen Motiven gelegt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Antifa Saar kritisierte in einer Stellungnahme nach dem Urteil gegen S., dass der Senat in seinem Urteil besonders hervorgehoben hätte, dass er keinen Vorwurf gegen die damalige Polizeiarbeit erhebe. Dabei sei im Prozessverlauf sehr deutlich geworden, dass die Polizei in den neunziger Jahren nicht nur kein Interesse an einer Aufklärung hatte, sondern Zeuginnen und Zeugen nicht gehört beziehungsweise ihre Aussagen verfälscht hatte.

Für die Richtigkeit dieser Einschätzung spricht die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Juni dieses Jahres durch den saarländischen Landtag. Es soll eine parlamentarische Aufarbeitung der »Fehler und Missstände« stattfinden, die damals dazu geführt hätten, dass die Ermittlungen im Sande verliefen. Der Untersuchungsausschuss soll den »Umgang der saarländischen Behörden« mit den Anschlägen bis hinauf zur Regierungsebene untersuchen. Im Einsetzungsbeschluss heißt es, die mittlerweile bekanntgewordenen Defizite der früheren Ermittlungen machten »eine Untersuchung der Vorgänge innerhalb der saarländischen Landesregierung und ihrer nachgeordneten Behörden notwendig«.

Nach dem damaligen Anschlag hatten Polizei und Staatsanwaltschaft keinen Täter ermitteln können und das Verfahren nach elf Monaten sang- und klanglos eingestellt. Erst im Frühjahr 2020 hatte die Generalbundesanwaltschaft die Ermittlungen aufgrund neuer Erkenntnisse wieder aufgenommen.


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