Rechte PVV schiebt sich vor Wahl nach vorn. Parteichef Wilders gibt sich gemäßigt, Islamfeindlichkeit bleibt
An diesem Mittwoch ist Wahltag in den Niederlanden, und es sieht nach einem echten Krimi aus. Laut den Umfragen von Sonntag hat der rechte Kandidat Geert Wilders im Endspurt stark zugelegt. Seine Partij voor de Vrijheid (PVV) liegt nun fast gleichauf mit der rechtsliberalen VVD von Dilan Yeşilgöz und der gemeinsamen Liste von Groenlinks und der sozialdemokratischen PvdA mit Frans Timmermans als Spitzenkandidaten, die sich ebenfalls weiter nach vorn geschoben hat. Die junge Partei Nieuw Sociaal Contract (NSC) von Pieter Omtzigt sackt indes auf Platz 4.
Das heißeste Eisen im Wahlkampf war die Asylpolitik, und das kam Wilders sehr zupass. Er will der Migration einen dicken Riegel vorschieben, besonders der von Muslimen. Eine beachtliche Anzahl von Wählerinnen und Wählern in den Niederlanden stimmt ihm offenbar zu. Wohl kaum zufällig wurde am Montag ein Brandbrief öffentlich, den Ladenbesitzer und andere Unternehmer aus Ter Apel verfasst haben sollen. In dem Dorf dicht an der deutschen Grenze in der Provinz Groningen befindet sich das größte niederländische Anmeldezentrum für Flüchtlinge. In der Regel erhalten dort rund 2.000 Menschen ihre erste Unterkunft in den Niederlanden.
Was die Ladenbesitzer besonders aufregt: In letzter Zeit haben die Ladendiebstähle in Ter Apel stark zugenommen. In den ersten drei Monaten 2023 waren es nach Angaben der Polizei 96. Im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor nur 62. Zu 85 Prozent seien dafür Asylsuchende verantwortlich, oft kämen sie aus Nordafrika. Ihre Chance, in den Niederlanden als Flüchtlinge anerkannt zu werden, ist sehr gering. Es gehe nur um 200 von 2.000 Personen, aber die würden den Einwohnern von Ter Apel auch mit Drohungen und einschüchterndem Verhalten das Leben schwer machen. Viele Kunden würden schon lange in andere Dörfer fahren, um dort in Ruhe einzukaufen, ohne belästigt zu werden. In Ter Apel sinke der Umsatz hingegen. »Wir wollen einfach wie alle anderen Geschäfte in den Niederlanden sein.«
Der linksliberale Bürgermeister Jaap Velema sei ein netter »Golden Retriever«, aber Ter Apel brauche einen »Löwen«, wird gefordert. Unterzeichnet ist der Brandbrief nur mit »Sehr besorgte Unternehmer aus Ter Apel«. Wer genau dahintersteckt und wie viele es sind, ist unklar. Sie hätten lange den Mund gehalten, aber das Schweigen habe nichts gebracht, niemand setze sich für sie ein, erklären die Verfasser. Nun haben sie ihr Schweigen gebrochen – zwei Tage vor der Wahl. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Der Brandbrief dürfte für einige auch außerhalb von Ter Apel der letzte Anstoß sein, ihr Kreuz bei Wilders zu machen, ganz egal, ob die subjektive Erfahrung der angeblichen Krämer nun richtig ist oder übertrieben.
Man kann von Wilders halten, was man will, aber politischen Instinkt besitzt er zweifelsohne. In den vergangenen Tagen ist sein Ton gemäßigter geworden, seine harten Spitzen gegen den Islam hat er vorerst eingestellt. Sogar mit kleinen Kätzchen hat er gekuschelt. In seinem Programm ist das Verbot des Koran und der Moscheen in den Niederlanden aber natürlich immer noch vorhanden und wird es auch bleiben.
Dilan Yeşilgöz, die angebliche Favoritin für den Wahlsieg, betonte am Dienstag im öffentlich-rechtlichen Radio 1, sie werde Wilders nicht in den Sattel helfen, sollte dessen PVV tatsächlich stärkste Kraft werden. »Ich denke, dieses Land verdient einen Anführer, der für alle da ist«, sagte sie. Wilders verfüge nicht über die Führungsqualitäten, die sie sich für das Land wünsche. Sie glaube beispielsweise nicht, dass er die Niederlande auf der internationalen Bühne gut vertreten würde. Sollten allerdings ihre Rechtsliberalen die Wahl gewinnen, schloss Yeşilgöz eine Zusammenarbeit mit Wilders nicht aus. »Letztendlich sind wir ein Koalitionsland und müssen gemeinsam schauen: Was hat der Wähler gesagt, und welche Kompromisse kann man machen.« Am liebsten würde sie jedoch mit Pieter Omtzigts NSC, der Boer Burger Beweging (BBB, Bauer-Bürger-Bewegung) und dem christdemokratischen CDA regieren. Der Haken: Legt man die letzten Umfragen zugrunde, ist diese Koalition von einer Mehrheit weit entfernt.