Seit Wochen demonstrieren Tausende Faschisten gegen die neue Regierung und gegen eine Amnestie für katalanische Separatisten
Vor den Büros der sozialdemokratischen Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) versammeln sich seit zwei Wochen regelmäßig ungehindert allerlei Faschisten. Der Anlass ist das »Amnestiegesetz« für katalanische Separatisten, das der PSOE mit der katalanischen Partei Junts ausgehandelt hat. Die Vereinbarung ermöglichte die Koaliton mit dem Linksbündnis Sumar und damit den Machterhalt des PSOE. Junts unterstützt im Gegenzug für die Amnestie die Vorhaben der Minderheitsregierung für die neue Legislaturperiode. Die Vereinbarung hat viele Menschen in Spanien verärgert. Mehr als tausend Juristen haben die vorgesehene Amnestie in einer Erklärung aber als verfassungsmäßig gewertet.
Es ist offensichtlich, dass es bei den Protesten um weit mehr als die Amnestie geht. Die Regierung soll als illegitim dargestellt werden. Die Ministerinnen von Präsidenten Sánchez werden als »Huren« bezeichnet; er selbst als »Hurensohn« und »Verräter«. Ebenfalls wandte man sich mit der Parole »Katalonien ist Spanien« gegen den katalanischen Separatismus. Demonstranten sangen die Parteihymne der faschistischen Falange, »Cara al Sol« (»Gesicht zur Sonne«), ein Symbol des Franquismus, und zeigten den Hitlergruß. Das alles widerspricht einem neuen Gesetz, dem Ley de Memoria Democrática. Fast jeden Abend versuchte der Mob, die PSOE-Zentrale im Barrio Argüelles im Nordwesten Madrids zu stürmen.
Dass es sich dabei um eine gemeinsame Bewegung der ultrarechten Kräfte handelt, zeigt ein Blick auf die Zusammensetzung der Versammlungen. Neben der nationalistischen Partei Vox ruft zum Beispiel auch die ehemalige Regierungspartei, der konservative Partido Popular (PP) zu den Demonstrationen auf. In der postfranquistischen Partei, übrigens eine Schwesterpartei der CDU, tummeln sich nach wie vor viele Faschisten, wie die PP-Chefin in Madrid, Isabel Dìaz Ayuso, die ähnlich wie Donald Trump eine Destabilisierungsstrategie verfolgt. Andere streben einen klassischen Staatsstreich an, wie etwa die rund 50 Exmilitärs, die ein Manifest für einen Militärputsch unterschrieben haben.
Weitere üble Gestalten sind bei den Protesten präsent. So Daniel Esteve, Eigentümer der Firma »Desokupa«, einem privaten Sicherheitsdienst, der sie sich darauf spezialisiert hat, Arme, die ihre Miete nicht zahlen können, mit Erpressung und Gewalt aus ihren Wohnungen zu werfen. Auch der faschistische Influencer Alvise Perez, bekannt als personifizierte »Fake News-Fabrik«, hat zu den Protesten aufgerufen. Wie die Tageszeitung El Mundo berichtete, hatten die beiden am vergangenen Wochenende versucht, einen Marsch zu organisieren, um den Palacio de las Cortes zu stürmen, den Sitz des Abgeordnetenkongresses.
An den Demonstrationen beteiligt sind auch die Falangisten, deren Organisation durch das neue Gesetz eigentlich verboten ist. Andere Gruppen, wie die neonazistische Hogar Social Madrid, die zuletzt kaum in Erscheinung traten, haben sich zu diesem Anlass wieder auf der Straße gezeigt. Die Anhänger von España 2000, einer Gruppe, die im Manifest des Faschisten und Massenmörders Anders Breivik erwähnt wird, fehlen ebenfalls nicht. Andere kleine Nazigruppen wie Hacer Nación, die während der Coronapandemie entstanden ist, oder Democracia Nacional beteiligen sich an den Protesten. Dazu gesellen sich ultrarechte Schlägerbanden wie Bastión Frontal und Juventudes Canillejas oder die Hooligans von Real Madrids »Ultras Sur«.
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