EU-Klimapolitik: Rechte Parteien in Belgien und in den Niederlanden werben bei Landwirten um Unterstützung
In mehreren europäischen Ländern protestieren Landwirte heftig gegen die Agrar- und Klimapolitik der EU – und setzen dabei anscheinend immer häufiger auf rechte Parteien, die sich den Kampf gegen die EU auf die Fahnen geschrieben haben. Im belgischen Teilstaat Flandern buhlt die aufstrebende, extrem rechte Separatistenpartei »Vlaams Belang« (dt.: Flämische Interessen) um die Gunst der Bauern. Meinungsumfragen weisen sie aktuell als stärkste flämische Partei aus. In einer Erhebung durch »De Stemming« kommt sie auf einen Zustimmungswert von 27,8 Prozent, wie der öffentlich-rechtliche Sender VRT am Montag berichtete.
In den benachbarten Niederlanden setzen viele Landwirte auf den Islamhasser Geert Wilders. Er hatte im vergangenen November die Parlamentswahlen mit deutlichem Vorsprung gewonnen, die absolute Mehrheit aber verfehlt. Um Ministerpräsident zu werden, benötigt er einen Koalitionspartner. Bisher ist es ihm nicht gelungen, genügend andere Parteien für eine politische Zusammenarbeit zu begeistern. Mit einer Ausnahme: Die »Boer Burger Beweging« (dt.: Bauer-Bürger-Bewegung, BBB) will mitregieren. Deren sieben Sitze sind für Wilders aber nicht ausreichend, um eine sichere Mehrheit im Parlament hinter sich zu wissen.
»Wir wollen eine neue Koalition bilden, vorzugsweise mit (Mitte-)Rechtsparteien«, sagte die BBB-Vorsitzende Caroline van der Plas gegenüber dem europäischen Ableger der US-amerikanischen Tageszeitung Politico, einem Blatt, das seit 2021 zum Verlagshaus Axel Springer gehört. Die BBB hat sich seit ihrer Gründung 2019 das Prädikat »Sprachrohr der niederländischen Landwirte« erarbeitet. Nun rührt sie die Trommel für eine Koalition mit Wilders. »In der Branche herrscht große Verzweiflung«, so van der Plas. »In den landwirtschaftlichen Betrieben gibt es fast keinen finanziellen Spielraum mehr.« Wilders und van der Plas sind sich einig: Die Agrarpolitik der EU darf in den Niederlanden nicht umgesetzt werden.
»Die meisten Landwirte blicken jetzt auf die rechte Seite des politischen Spektrums«, freut sich der stellvertretende Sprecher der militanten und rechtslastigen »Farmers Defence Force« (FDF), Jos Ubels laut Politico. Der FDF-Chef Mark van den Oever hatte 2022 in einem Interview mit der Tageszeitung De Volkskrant die Regeln, die den Bauern von der Regierung auferlegt werden, mit der Judenverfolgung unter den Nazis verglichen. Eine üble Verharmlosung, auch wenn van den Oever einschränkte, die Landwirte würden im Gegensatz zu den Juden nicht umgebracht.
»Wer Schach spielt, weiß: Am Anfang bewegen sich die Bauern, und am Ende fällt der König«, fasste der ehemalige Autor der Neuen Zürcher Zeitung, Milosz Matuschek, am 7. Januar in seinem Blog »Freischwebende Intelligenz« die Hoffnungen vieler Landwirte in Europa zusammen. Die Aussicht, mit Hilfe des Bauernprotests die Regierung »mattzusetzen«, lässt rechte Parteien auf den Konvoi der Traktoren aufspringen, der gerade durch Europa walzt.
In den Niederlanden ist bei Demonstrationen der Landwirte meistens auch die ultrarechte Kleinstpartei »Samen voor Nederland« (dt.: Zusammen für die Niederlande, Svnl) anwesend. Sie hatte an der Wahl im November zwar teilgenommen, konnte aber keinen Sitz erobern. Die neue Hoffnung der Bauern heißt nun Geert Wilders.
Im Wahlkampf hatte er behauptet, für Geflüchtetenunterkünfte würde wertvolles Ackerland geopfert. Ein Beweis dafür, dass die Regierung des Ministerpräsidenten Mark Rutte die Bauern hasse und die Landwirte »kaputt machen« wolle. Die scharfen Töne kamen gut an. Es ist zu vermuten, dass Wilders einen erheblichen Teil seines Wahlerfolgs den Stimmen der Bauern zu verdanken hat. Die BBB schnitt bei der Wahl deutlich schlechter als erwartet ab.
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