Kostenpflichtige Kamingespräche und völkische Feriencamps
Am 10. Januar 2024 veröffentlichte »Correctiv« einen Bericht über das von Gernot Mörig organisierte rechtsextreme Vernetzungstreffen des „Düsseldorfer Forums“ in Potsdam am 25. November 2023. Antifaschistische Recherchen zeigten auf, dass solche von Gernot und Astrid Mörig (Prien am Chiemsee) organisierten Treffen mit teils finanzkräftigen Unternehmern und hochrangigen Vertretern der konservativen und extremen Rechten unter dem Namen „Düsseldorfer Forum“ bereits in den Vorjahren stattfanden.
Doch an jenem Novemberabend Ende 2023 in Potsdam wirkte Gernot Mörig unruhig. Verständlich, denn die eine Hälfte seiner völkischen „Sippe“ wurde vier Tage davor durch antifaschistische Recherchen geoutet und auch wenn er und Sohn Arne in dem Artikel noch keine Hauptrolle spielten, war Teil 2 der Recherche, mit Schwerpunkt auf dem Mörig-Clan bereits mit Vorschau angekündigt.
Im »Correctiv«-Theaterstück im »Berliner Ensemble« erklärt er: „Ich selbst bin – in Teilen – der Antifa bereits bekannt. Das ist sehr unangenehm. Wirklich. Weil die machen einem schon Probleme. Und deswegen war es mir so wichtig, dass heute hier alles sicher ist. Ich bitte euch da wirklich sehr drum: Benutzt nicht eure Handys! Wenn ich das schon sehe! Wie da vorne jemand auf seinem Handy tippt! Da sind überall tausend Mikros dran! Ehrlich. Da ist die Antifa quasi vorprogrammiert. Deswegen lief bei uns auch alles postalisch.“
Der Mörig-Clan rundum Gernot und seine Kinder wurde vier Tage später durch Teil 2 der antifaschistischen Recherchen geoutet. Nun legen wir in Kooperation mit der Autonomen Antifa Freiburg gerne noch einmal mit etwas Exklusivmaterial zu Mörigs rechtsextremen Netzwerken und Vernetzungsaktivitäten nach!
Interne Mails belegen, dass Gernot Mörig bereits in den 2010er Jahren kostenpflichtige Seminarwochenenden als „Kaminrunden“ in seiner Villa in Düsseldorf anbot. Das Ziel: Eine Bildungs- & Vernetzungsplattform, eine Projekt- und Kaderschmiede für die rechtsextreme Szene.
Brisant ist, dass Gernot Mörig nach dem HDJ-Verbot 2009 und dem medialen Wirbel um das „Sturmvogel-Winterlager“ zur Jahreswende 2009/10 spätestens im Jahr 2011 beginnt, solche rechtsextremen Vernetzungs- und Fortbildungswochenenden speziell für Jugendliche in seinem Zuhause in Düsseldorf auszurichten.
Mit kostenpflichtigen Kamingesprächen und völkischen Ferienlagern für „Schüler- und Studenten“ ab 13 Jahren in der Region Düsseldorf, führt der ehemalige BHJ-Bundesführer sein Engagement für die neonazistische Rechte über Jahrzehnte völlig ungestört weiter und sozialisierte in dem Kontext auch seine Kinder in der Parallelwelt völkischer Neonazis.
Diese Recherche entstand in Kooperation mit der Autonomen Antifa Freiburg
Disclaimer: Es freut uns, wenn die Arbeit und Rechercheergebnisse von „Völkische Verbindungen Kappen“ Verbreitung finden und auch von anderen antifaschistischen Rechercheprojekten und Medien aufgegriffen werden und in deren Arbeit Eingang finden. Nicht so glücklich sind wir darüber, wo unsere Inhalte absatzweise oder im Ganzen schlicht kopiert und übernommen und ohne Quellenverweis bzw. als eigene Recherche ausgegeben wird – dies ärgert uns insbesondere dort, wo kommerzielle Medienhäuser unsere Arbeit ungefragt übernehmen. [siehe Fußnote1Aufgrund dieses offensiven Disclaimers möchten wir explizit auf die gute Recherchearbeit von Völkische Verbindungen Kappen und der Autonomen Antifa Freiburg hinweisen. Viieles auf Antifa-Info ist gespiegelt. Wir hoffen damit sowohl der Bewegung selbst als auch einem breiteren Publikum antifaschistische Inhalte einfacher zugänglich zu machen. Den oben bereits erwähnten Doppel-Artikel „Niederbayern: Wo sich die Sprösslinge völkischer Sippen sammeln“ hatten wir ebenfalls geteilt (I und II) und dabei, wie immer, die Quelle mit vollständigem Link angegeben. Wir denken dass wir durch das Teilen auf dieser Plattform solchen wichtigen Beiträgen eine größere Reichweite und letztlich auch mehr Interesse für die generelle Arbeit der Urheber:innen hervorrufen.]
Zitierhinweis: Völkische Verbindungen Kappen, „Mörigs rechtsextreme Kaderschmiede: Kostenpflichtige Kamingespräche und völkische Feriencamps“, Recherche in Kooperation mit der Autonomen Antifa Freiburg, Februar 2024, URL: https://verbindungenkappen.wordpress.com/2024/03/15/morigs-rechtsextreme-kaderschmiede-kostenpflichtige-kamingesprache-und-volkische-feriencamps/
Rechtsextreme Vortragswochenenden: Mörigs „Kamingespräche“ in Düsseldorf
Die Einladung zur Gernot und Astrid Mörigs „Kaminrunde“ im Januar 2011 soll nur einen handverlesenen Kreis von Gästen erreichen. Die traditionellen „Kaminrunden“ haben einen exklusiven Charakter, finden im Haus der Familie Mörig in Düsseldorf-Niederkassel statt und stehen lediglich Angehörigen eines bestimmen Milieus offen – denn hier soll es nicht um einen freundschaftlichen Austausch im privaten Kreis gehen. 500€ kostet der Zutritt zum konspirativen Zirkel, der als Bildungs- & Vernetzungsplattform, aber auch als Projekt- und Kaderschmiede für die rechtsextreme Szene dienen soll.
In die Organisation der Treffen eingebunden sind neben Gernot Mörig auch dessen Frau Astrid, der insbesondere die Verpflegung der Gäste obliegt. Dazu die Kinder der Mörigs, Inka, Wiebke, Svenja und Arne, welche selber an den Bildungsangeboten teilnehmen, aber auch Vorschläge zu den einzuladenden Persönlichkeiten der extremen Rechten beisteuern dürfen. Und Gernots Schwester Ute und ihr Mann Thomas Grebien, über welche finanzielle und logistische Fragen abgewickelt werden. Seine rechtsextremen Vernetzungstreffen organisiert Gernot Mörig über die offizielle Info-E-Mail-Adresse seiner damaligen Zahnarztpraxis »ZahnGesundheit Oberkassel« in Düsseldorf.
Das traditionelle Kamingespräch sollte am 15.01.2011, das im Folgejahr am 14.01.2012 stattfinden. Tochter Inka Mörig (heute Zeilinger)erklärte gar, dass solcherlei Seminarwochenenden im Hause Mörig seit knapp zehn Jahren, also seit Beginn der 2000er Jahre, stattfänden.Während die traditionellen Treffen im Januar um 2010 scheinbar unter dem Titel „Kaminrunde“ oder „Kamingespräche“ liefen, wurden Mörigs Vernetzungstreffen rund zehn Jahre später teils als „Düsseldorfer Runden“ bzw. „Düsseldorfer Forum“ bezeichnet.
Im Januar 2011 (zwei Jahre nach dem Verbot der HDJ und ihrer Lager am 31.03.2009) berichtet Gernot Mörig bei den Anmeldungen zu seiner „Kaminrunde“ davon, eine „Rekordzahl“ an Gästen zu verzeichnen. Wie viele Personen dies umfasst, wird nicht genannt, es soll jedoch ausreichen, um das „Wohn- und Esszimmer“ der Mörigschen Villa in Düsseldorf-Niederkassel komplett mit Zuhörer:innen füllen und das Haus bzgl. der Schlafplatzkapazitäten für das gesamte Wochenende auszulasten – die Teilnehmenden werden deshalb gebeten, sich ein Zimmer in einem der nahegelegenen Hotels zu reservieren.
Kostenpflichtige Seminarwochenenden
In der Einladung zur „Kaminrunde“ für das Folgejahr (2012) mahnt Gernot Mörig: „Denkt bitte daran, dass nur einige wenige – wie z.B. Freunde, die schon einmal als ‚Spezialgast des Abends‘ eingeladen gewesen sind – ‚zahlungsfrei‘ am Abend eingeladen sind. Ansonsten bleibt es dabei, dass pro Person (Paare gelten als ‚Einzelperson‘) ein Unkostenbeitrag von 500 € möglichst direkt am Abend zu entrichten ist – eine gute Investition!“. Für die Teilnahme an den zweitägigen „Kaminrunden“ bzw. Seminarwochenenden sollten demnach 500€ pro Gast/Paar als „Investition“ getätigt werden – jedenfalls durch alle, die nicht selber bereits als Referent:innen in der Runde aufgetreten waren. Rund ein Jahrzehnt später erhebt Mörig für sein „Düsseldorfer Forum“ im »Landhaus Adlon« in Potsdam immerhin eine Teilnahmegebühr von 5000€ – angeblich auch hier wieder als Investition in Projekte der extremen Rechten.
Kaderschmiede der extremen Rechten
In der Einladung zur Kaminrunde 2012 schreibt Gernot, die „Kaminrunden“ seien „…immer wieder der Beginn der Umsetzung von guten neuen Ideen, immer wieder die Basis verschiedener Projekte“. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass es sich bei den kostenpflichtigen Vortragswochenenden mitnichten um private Treffen unter Freunden handelte, sondern um Vernetzungstreffen, die dem Vorankommen der rechtsextremen völkischen Szene, ihren Projekten, Themen und strukturprägenden Akteur:innen dienen sollen.
Einladungsmail & Infomail
Kaminrunden mit Kulturprogramm
Neben dem Austausch untereinander und den Referaten einiger „Spezialgäste“ prägten scheinbar auch kulturelle Programmpunkte das Wochenende. So kündigt Gernot Mörig 2011 an, die „Kaminrunde“ sei am Sonntag des Seminarwochenendes „im Hause Breker eingeladen“. Dabei handelt es sich vermutlich um das denkmalgeschützte Haus Jägerhofstraße 21–22 im Düsseldorfer Stadtteil Pempelfort, welches von 1957 bis 1958 nach Entwürfen des Architekten Arno Breker für den Gerling-Konzern erbaut wurde. Bei dem Künstler und Architekten Arno Breker handelt es sich um Hitlers Lieblingsbildhauer. Arno Breker (* 19. Juli 1900 in Elberfeld; † 13. Februar 1991 in Düsseldorf) entwickelte sich ab 1936 in Deutschland zu einem der prominentesten Künstler des nationalsozialistischen Staats, protegiert unmittelbar von Adolf Hitler. In dessen Auftrag wirkte Breker vor allem am Skulpturenwerk für die geplante Welthauptstadt Germania. Sein markanter Stil wurde prägend für die Ästhetik des NS-Systems. Hitler veranlasste 1944 die Aufnahme von Brekers Namen in die „Gottbegnadeten-Liste“. Trotz des großen Stellenwerts seines Werks und seiner Person für das NS-Regime wurde Breker nach Kriegsende (1948) nur als Mitläufer eingestuft. Noch lebenslang hochumstritten, blieb ihm besonders der Vorwurf fehlender Reue anhaften.
Kuriose Gästewahl
Über die Auswahl der Gäste, bei der es sich vor allem um handverlesene Gäste des völkisch-nationalistischen Milieus, Mitglieder des Mörig-Clans, ideologische Wegbegleiter, Kameraden und extrem rechte Akteur:innen gehandelt haben dürfte, ist zum Zeitpunkt der Einladung zum Kamingespräch 2011 noch nicht viel bekannt.
Kurios mutet jedoch die in den Einladungs- und Informationsschreiben angesprochene Stellung von Frauen bzw. weiblichen Gästen bei den extrem rechten Treffen an: Alleinstehende Teilnehmer zahlen 500€, Paare gelten dabei als „Einzelperson“. Außerdem werde darum gebeten, die genaue Anzahl der teilnehmenden Frauen bei der Anmeldung mitzuteilen, da dies für die Tischreservierung (und die Verpflegung, die im Verantwortungsbereich von Astrid Mörig liegen) relevant sei. Es scheint, als seien Frauen lediglich als Partnerinnen bzw. Begleiterinnen männlicher Teilnehmer bei dem Treffen zu erwarten. Dennoch fanden sich unter den Teilnehmenden und Eingeladenen der Kaminrunde scheinbar auch alleinstehende Frauen.
Kamingespräche und Rechtsrap
Bei der Kaminrunde 2011 war eine davon anwesend und möglicherweise sogar als „Spezialgast“ geladen: Die rechtsextreme Rapperin „Dee Ex“. Ausgesprochen wird „Dee Ex“ wie „Die Ex“, wie: „Die Ex-Freundin“. Mit bürgerlichem Namen heißt sie Mia Herm (* 1982 in Berlin). Sie war zu jenem Zeitpunkt gerade auf dem Hoch ihrer Rechtsrap-Karriere und galt als Rapperin, die in der offen rechtsextremistischen Musikszene positioniert ist. Beziehungsweise war, denn inzwischen scheinen sämtliche ihrer Webauftritte verwaist, die Karriere im Sand verlaufen.
Musikalisch orientierten sich die Stücke an gängigen Hip-Hop-Produktionen. Ins Zentrum ihrer Texte stellte Herm Themen wie den Verlust deutscher Identität, mangelnden Nationalstolz, drohende „Überfremdung“ durch „Multikulti“ sowie den Verlust deutscher Souveränität im Rahmen der EU. Typisch für ihre Texte ist darüber hinaus eine Anti-Establishment-Haltung, wie sie damals auch in Teilen der NPD sowie bei den „Autonomen Nationalisten“ gepflegt wurde.
Im Herbst 2010 trat Mia Herm kurzzeitig der rechtspopulistisch-antiislamischen Berliner Kleinpartei »Die Freiheit« bei, arbeitete am Parteiprogramm mit und sollte die Jugendorganisation der Partei aufbauen. Unterschiedliche, nicht zu vereinbarende Positionen zum Thema Israel führten jedoch bereits im November 2010 zum Bruch Herms mit der Partei. Der Vorsitzende der FREIHEIT, René Stadtkewitz, erklärte dazu gegenüber der rechten Plattform PI News: „Nach einem klärenden Gespräch haben wir gemeinsam festgestellt, dass DeeEx und die FREIHEIT in Bezug auf Israel unterschiedliche Positionen haben, die nicht miteinander vereinbar sind und man deshalb besser getrennte Wege geht. Für uns steht das Existenzrecht Israels nicht zur Debatte und wir betrachten Israel als unverzichtbaren Partner in der Auseinandersetzung mit dem Islam.“
Als Deutschrapperin „Dee-Ex“ beteiligte sich Mia Herm schließlich im Dezember 2010 an der Präsentationsveranstaltung des neuen Magazins »Compact« im Ratskeller Schmargendorf im Südwesten Berlins. Im Sommer 2011 trat „Dee-Ex“ zusammen mit der Rechtsrock-Band »Kategorie C« in Schönow bei Berlin auf. Musikalisch absolvierte sie – zusammen mit »Kategorie-C«-Sänger Hannes Ostendorf – einen Gesangs-Gastpart auf dem Album Deutsche Jungs von »Kategorie C«. Zusammen mit dem Rapper „villain051“ spielte sie eine Cover-Version des Titels „Frei geboren” ein – eines Stücks der von »Landser«-Sänger Michael Regener gegründeten Nachfolgeformation »Die Lunikoff Verschwörung«, das auch auf der von der NPD vertriebenen „Schulhof-CD“ 2009 mit enthalten war.
Feedbackmails zwischen Gernot Mörig und Mia Herm (Dee Ex)
Kaum ein halbes Jahr zuvor war Mia Herm noch ein Einblick in den „alten Adel“ der völkisch-neonazistischen Szene im Hause der Mörigs gewährt worden. Voller Begeisterung schreibt sie Gernot Mörig im Nachgang per Mail: „Tausend Dank, Gernot. „Richtig schön“ ist aber richtig schön untertrieben. Das Wochenende war einfach unglaublich! Mein Kopf arbeitet immernoch, um das Gefühlte zu verstehen. (…) Nochmals vielen Dank für die mir ermöglichten Einblicke in eine etwas andere Welt. Ich habe mich bei Euch sehr wohl gefühlt und bin froh, dass ich so viele klardenkende Menschen kennenlernen durfte.“
Außerdem, führt sie aus, hätte die Resonanz auf Fotos des Treffens bzw. Fotos, die sie bei den Mörigs zeigen auf ihrer Facebookseite bereits Rekorde gebrochen. Mit anderen Gästen des Treffens, darunter einem „Michael“, möchte Mia Herm offensichtlich weiter in Kontakt bleiben.
Die von der NS-Rapperin Mia Herm alias „Dee Ex“ beschriebenen Fotos von jenem Treffen im Januar 2011 finden sich auf ihrer Facebookseite nicht mehr. Andere Fotos aus dem Jahr 2012 zeigen sie jedoch bei einem Besuch in der neonazistischen Münchner »Burschenschaft Danubia«. Dazu schreibt Mia Herm als „Dee Ex“: „Da war ich in München als Referentin bei den Bogenhausener Gesprächen… Werde mich gerne daran zurückerinnern 🙂“ (08.02.2012). Auf dem Foto posiert Mia Herm mit einem Burschenschafter in Danuben-Couleur. Obwohl das Gesicht des Danuben in Teilen unkenntlich gemacht ist, liegt der Verdachte nahe, dass es sich dabei um Ralf Küttelwesch (* 22. September 1962; † 7. November 2023) gehandelt haben dürfte. Der Alter Herr der Burschenschaft Danubia München und rechtsextremer Akteur war u.a. Anfang der 1990er stellvertretende Bundesführer des Sturmvogels („Deutscher Jugendbund Sturmvogel“). Bei Ralf Küttelwelschs Beerdigung am 20. Januar 2024 auf dem Ostfriedhof in Köln-Dellbrück war neben Völkischen und „Danuben“ in „Vollcouleur“ auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré vom »Corps Berlin« anwesend.
Bilder: 08.02.2012: Dee Ex bei der B! Danubia München Bogenhausen | 18.06.2011 Auftritt von Dee Ex mit Kategorie C in Schönow
Offensichtlich hat die Teilnahme an der elitären Mörigschen „Kaminrunde“ der NS-Rapperin den Zugang zu Milieus eröffnet, die ganz unabhängig vom Freizeitangebot subkulturellen Rechtsrocks versuchen, gerade junge Menschen für ihre völkisch-nationalistischen Strukturen zu gewinnen. Die Rolle von „Burschenschaften“ und des Jugendbundes »Sturmvogel« darin werden im weiteren Verlauf noch beleuchtet.
Völkische Ferien: Mörigs rechtsextreme „Studenten- bzw. Schülertreffen“
Gernot Mörig zeigte schon immer Bestrebungen gerade den Nachwuchs der extremen Rechten zu schulen und in die Lebenswelt der völkischen Rechten hinein zu sozialisieren. Als Bundesführer der »Bund Heimattreuer Jugend« (BHJ) zeigte er sich schon in den 1970er Jahren aktiv. Später gründete er das rechtsextreme Schulungsprojekt „Arbeitskreis für Politik und Kultur“ (1985) mit, welches der Heranziehung von neofaschistischen Führungskadern dienen sollte. Auch die Kinder der Mörigs besuchten Lager der »Heimattreuen Deutschen Jugend« (HDJ), bis diese 2009 verboten wurde.
Sowohl der rechtsextreme »Bund Heimattreuer Jugend« (BHJ) als auch die Nachfolgeorganisation »Heimattreue Deutsche Jugend e. V.« (HDJ) organisierten vor allem Zeltlager für Kinder und Jugendliche, die dort militärisch gedrillt und ideologisch geschult wurden. Eine deutliche personelle Kontinuität soll auch zur 1994 verbotenen »Wiking-Jugend« (WJ) bestanden haben.
Kenner:innen und Beobachter:innen der extrem rechten bündischen Szene befürchteten damals, die Strukturen hätten aus den Verboten gelernt und führten ihre Arbeit wenn auch wesentlich konspirativer und in der Außendarstellung bedachter im »Sturmvogel« als Nachfolgeorganisation weiter. Trotz weitreichender personeller Überschneidungen Verstrickungen wurde die Jugendorganisation »Sturmvogel Deutscher Jugendbund« jedoch von behördlicher Seite lange verharmlost. Einen Dämpfer erfuhren die extrem rechten Nachfolgestrukturen bündischer Organisierung durch die Recherchen und medialen Berichte der Journalist:innen Andrea Röpke und Andreas Speit zum »Sturmvogel Winterlager« zur Jahreswende 2009/2010. Nach Berichten über das organisierte Zeltlager mit Uniformzwang, Drill und Frühsport im Schnee sowie der Einordnung des »Sturmvogel« als radikale Abspaltung der 1994 verbotenen »Wiking-Jugend«, bemühten sich die leitenden Akteur:innen der Struktur darum, noch weniger aufzufallen.
Mörigs Schülertreffen als Lager-Nachfolge?
Doch Gernot Mörig wäre nicht ein prägender Akteur ebenjener Szene, wenn er nicht bereits ein Angebot in petto gehabt hätte, um die Versorgungslücke in der Heranziehung rechtsextremer Kader zu füllen!
Im April 2011 sendet Gernot Mörig erneut Einladungen an handverlesene potentielle Teilnehmer:innen eines „hochinformativen Wochenendes“ aus. Der Clou: Diesmal handelt es sich um ein Studenten- bzw. Schülertreffen von 13-30 Jahren. Vom 2. bis 5. Juni 2011 sollen junge Menschen aus dem Milieu von „hoch interessanten Referenten“ in Düsseldorf geschult werden.
Einladungsmail zum Schüler- und Studententreffen 2011
Interessant ist dabei, dass die 19-30-jährigen Teilnehmenden im Haus der Mörigs in Düsseldorf-Niederkassel untergebracht sein sollten (die Mörig-Kinder sind zu dem Zeitpunkt zwischen 19 und 32 Jahre alt), wohingegen die Teilnehmenden der Altersgruppe 13-19 Jahre sich in Lank-Latum träfen. Lank-Latum ist einer von acht Stadtteilen der Stadt Meerbusch und nahe Düsseldorf am Niederrhein gelegen. Ob die Teenager dabei in einem Zeltlager oder einer Jugendherberge/Pfadfinderunterkunft o. ä. untergebracht werden sollten, ist nicht ersichtlich.
Die Anreise solle am Mittwochabend, den 1. Juni, und die Abreise am Sonntag, den 5. Juni 2011, stattfinden, erläutert die Einladung zu dem „Schüler- und Studententreffen“, die von „Michael und Gernot“ unterzeichnet ist.
Programm und Referent:innen der rechtsextremen Jugendschulung
Damit sich die Teilnehmenden bereits vor dem Wochenende in die Inhalte und Materie der Referate einarbeiten können, nennt Gernot Mörig in der Einladung bereits einige der Themenkomplexe und einige Referent:innen. Er bietet außerdem an, die Publikationen einiger der Referenten im Vorfeld als Geschenk an die teilnehmenden Jugendlichen zu versenden. Die Bücherlogistik liege dabei bei seiner Schwester, Ute Grebien.
Unter den vorab beworbenen Programmpunkten des Schulungswochenendes nennen Michael und Gernot:
1. Thema Gentechnik (Politik, Monsanto) – Referent: Klaus Faißner (Wien/Österreich)
Für das Thema Gentechnik (Stichworte: „Politik, Monsanto“) kündigt die Einladung den Referenten Klaus Faißner aus Wien an. Faißner (* 1970; † 29. Dezember 2018) war ein österreichischer Journalist & Chefredakteur des Monatsmagazins „Alles Roger?“ und spezialisiert auf Umwelt- und Landwirtschaftsthemen. Seit 2003 war die Gentechnik eines seiner Hauptthemen, 2005 war er Redakteur und Hauptautor des Buches „Gefahr Gentechnik“. Unter dem Motto: „Journalisten haben die Aufgabe, der Wachhund der Bürger zu sein, und nicht der Schoßhund der Mächtigen“, publizierte er zahlreiche Artikel, die in der Presse weite Verbreitung fanden. 2010 wurde er sowohl mit dem Österreichischen Solarpreis (für erneuerbare Energien) als auch mit dem internationalen „Salus-Journalisten-Sonderpreis“ für gentechnikkritische Berichterstattung ausgezeichnet. Faißner dürfte tatsächlich keinen extrem rechten Hintergrund gehabt haben, bespielte mit seinen Themen jedoch ein, für die völkische extreme Rechte zu jener Zeit, spannendes Themenfeld. So hatte beispielsweise Michael Zeilinger in der Ausgabe 2/2009 des neonazistischen Öko-Magazins „Umwelt& Aktiv“ (Traunstein) den Artikel „Monsanto, gib uns unser tägliches Brot“ publiziert.
2. Thema: „Heuschrecken und Wirtschaftskriege“, Referent: Alfred Mechtersheimer (Bayern)
Zum Thema „Heuschrecken + Wirtschaftskriese“ (Fehler im Original, unklar deshalb, ob „Wirtschaftskrise“ oder „Wirtschaftskriege“ gemeint sein sollen) kündigt die E-Mail den Referenten Alfred Mechtersheimer aus Bayern an. Mechtersheimer (* 13. August 1939 in Neustadt an der Weinstraße; † 22. Dezember 2018) war ein deutscher Offizier, Politologe, Politiker, politischer Aktivist und Publizist. Nach seiner aktiven Bundeswehrzeit war er zunächst am Max-Planck-Institut für Sozialwissenschaften tätig, wurde dann in den 1980er Jahren im Rahmen seines Engagements in der Friedensbewegung und für seine Friedensforschung in Starnberg bekannt. Der Militärkritiker vertrat nationalistische und neutralistisch-pazifistische Positionen. Die sozialwissenschaftliche Forschung und Fachpublizistik rechnet ihn seit den ausgehenden 1990er Jahren dem neurechten bzw. rechtsextremen Spektrum zu. 1996 wurde Mechtersheimer im Zwischenbericht der bayerischen Verfassungsschutzbehörde erwähnt. 1997 kam die Behörde zu dem Ergebnis, dass er und seine „Deutschland-Bewegung“ sich im „Laufe des Jahres 1997 zu einem der wichtigsten Protagonisten rechtsextremistischer Bestrebungen“ entwickelt habe.
3. und 4. Thema: HIV und Geburtenrückgang – Angst vor dem Volkstod?
Als drittes Thema kündigt die Einladung den Komplex „Kontroverseses zum Thema: AIDS-HIV“ an, sowie als vierten Themenpunkt eine Auseinandersetzung mit „medizinisch-wissenschaftlichen Gesichtspunkten zum Thema Geburtenrückgang“. In beiden Fällen komm die Ankündigung ohne Nennung von Referent:innen aus. Ob sich im Kontext der beiden Themen mit rassischer Ideologie, der Angst vor dem Volkstod, dem Aussterben der „weißen/germanischen Rasse“ bzw. des „völkischen Deutschen“ beschäftigt wurde, oder ob zum Thema HIV einfach nur rassistisches oder homophobes Bashing als „Kontroverse“ verkauft wurde, bleibt ungeklärt. Seine Einstellung zum Thema Volkserhalt hatte Gernot Mörig bereits früher in der neonazistischen Zeitschrift „Nation Europa“ ausgeführt: „Jedes Lebewesen auf dieser Welt führt von Geburt an in mehr oder weniger harter Form einen Kampf ums Dasein (…) so braucht z.B. jedes Volk Raum zum Leben, dieser Raum muss jedoch erkämpft werden. (…) Angehörige eines Volkes sind zumeist durch ein mehr oder weniger gemeinsames Generbe geprägt (…)“.
5. Thema „Freimaurer: Mythos und Realität“
Das Thema „Freimaurer: Mythos und Realität“ kündigt die Einladung zum Schülertreffen freudig mit einem „hochrangigen aktuellen Aussteiger“ an, welcher von seinen Erlebnissen bei den Freimaurern berichten werde. Wer der Referent ist, der über Mythos und Realität der Logen des Geheimbundes berichtet bleibt offen. Denkbar ist, dass es sich dabei um den französischen Arzt Maurice Caillet handelte, der zu jener Zeit als vormals hochrangiges Mitglied der Freimaurer ein Buch über seinen Ausstieg geschrieben hatte.
Caillet war einst für über 15 Jahre lang „Ehrwürdiger“ einer französischen Freimaurer-Loge gewesen bevor er ausstieg und um 2009 im Buch „Ich war ein Freimaurer“ die Geheimnisse des Bundes ausgeplaudert haben will. Caillet warb damit, in dem Werk Riten, Regeln und Schwüre ans Licht zu bringen, sowie den Einfluss, den die Geheimorganisation auf die Politik ausüben soll, indem beispielsweise die Freimaurer große Macht bei der Ausarbeitung und Erlassung neuer Gesetze in Frankreich haben sollen.
6. Referentin Eva Klotz (Südtirol) zum (vermuteten) Thema „Freiheitskämpfer für die Einheit Tirols“
Zuletzt kündigt die Einladung des Schülertreffens als Referentin Eva Klotz aus Südtirol an. Eva Klotz (*1951 in Walten, Gemeinde St. Leonhard in Passeier, Südtirol, Italien) ist eine Politikerin der Süd-Tiroler Freiheit. Sie lebt in Bozen und ihr politisches Ziel besteht in der Abhaltung eines Referendums über die Zugehörigkeit Südtirols zu Italien, welche Klotz entschieden ablehnt. Sie ist Verfasserin des Buches „Georg Klotz: Freiheitskämpfer für die Einheit Tirols.“, eine Biographie über ihren Vater, den Südtirol-Attentäter Georg Klotz.
Georg „Jörg“ Klotz (* 11. September 1919 im Südtiroler Bergdorf Walten der Gemeinde St. Leonhard in Passeier; † 24. Januar 1976 in Telfes im Stubai) war in den 1960er Jahren ein führendes Mitglied des »Befreiungsausschusses Südtirol« (BAS). Als Jugendlicher erlebte er die Italianisierungsversuche des faschistischen Italiens in Südtirol. Im Zweiten Weltkrieg diente Klotz als Unteroffizier bei den Gebirgspionieren der Wehrmacht in Norwegen, am Eismeer und in der Nähe von Stalingrad. Für seine „Tapferkeit“ wurde er mit dem Eisernen Kreuz erster und zweiter Klasse ausgezeichnet. Als Italien nach dem Krieg den Südtirolern das Selbstbestimmungsrecht verweigerte und die Umsetzung der im Pariser Vertrags vorgesehenen Autonomie Südtirols immer wieder hinauszögerte, schloss Klotz sich Sepp Kerschbaumers »Befreiungsausschuss Südtirol« (BAS) an. Der radikalere Teil, um Georg Klotz, strebte einen Guerillakrieg ähnlich dem Algerienkrieg an, während für den gemäßigteren Teil um den Gründer Sepp Kerschbaumer die Schonung von Menschenleben an oberster Stelle stand. Klotz war expliziter Befürworter des „bewaffneten Aufstandes“, des „Partisanenkampfes“ und der Forderung nach der „Vertreibung der Italiener“. Nach Angaben des BAS-Mitglieds Rigolf Hennig hatte Klotz den bundesdeutschen Unterstützern des BAS versichert, nach dem Sieg über die Italiener auch einen Guerillakrieg in der DDR zur „Vertreibung der Russen“ zu beginnen.
Klotz war als BAS-Kommandeur von Passeier Mitwisser der „Feuernacht“ und entzog sich der drohenden Verhaftung durch Flucht nach Österreich. Als „Feuernacht“ wird die Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1961 bezeichnet, in der in Südtirol 37 Strommasten gesprengt wurden. Die „Feuernacht“ bildete den Höhepunkt der Anschläge des »Befreiungsausschusses Südtirol«.
Bei den Mailänder Anti-Terror Prozessen wurde Klotz dreimal in Abwesenheit zu 52 Jahren 1 Monat und 10 Tagen Gefängnis verurteilt. Klotz lebte seit der „Feuernacht“ im österreichischen Exil und versuchte, mit wenigen Helfern weiterhin einen Guerillakrieg gegen den italienischen Staat zu organisieren. Seine Familie, darunter die Ehefrau Rosa Klotz und die Tochter Eva Klotz lebten weiterhin in Südtirol, unterstützten ihren Mann/Vater im Exil und führ(t)en seinen Kampf vor Ort bis heute weiter.
Ende der 1960er Jahre soll der Südtiroler Terrorismus und dessen Unterstützer:innenumfeld bereits ein Tummelplatz rechtsradikaler, pangermanischer und vor allem neonazistischer Kreise aus Deutschland und Österreich gewesen sein. So verwundert es kaum, dass auch Gernot Mörig und sein Milieu dort aktiv wurden. Um 1977 engagierte sich Gernot Mörig für die „Hermann-Niermann-Stiftung“, ebenso sowie der Düsseldorfer Anästhesist Erhard Hartung, der 1970 in Italien wegen der Beteiligung an Sprengstoffanschlägen in Abwesenheit ebenfalls zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden war. Aus Fördermitteln der Stiftung abgezweigte Gelder flossen mitunter verdeckt nach Südtirol.
Obwohl der Lebensmittelpunkt der Familie lange Zeit in Düsseldorf lag und inzwischen in einem Vorort von Prien am Chiemsee, verfügt die Familie bereits seit über einem Jahrzehnt über eine Residenz in Kitzbühel. Bereits in seiner Einladungsmail zur „Kaminrunde“ 2011 verabschiedet sich Gernot Mörig mit verschneiten Grüßen aus Tirol. Inzwischen gehört die Wohnung im Obergeschoss des Ferienhauses im Chalet-Stil in Kitzbühel scheinbar seinen Kindern. Diesen wurde die Wohnung als Sitz der »Mörig Liegenschaftsverwaltung OG« im Jahr 2016 überschrieben. Alle vier Kinder sind als vertretungsberechtigt eingetragen (Inka Zeilinger, Svenja Stein, Wiebke Mörig (jetzt Novak) und Arne Friedrich Mörig). Dabei dürfte nicht nur die Liebe zum Wintersport, sondern viel mehr auch Gernot Mörigs politischer Bezug zur Region eine Rolle bei der Wahl der Ferienresidenz gespielt haben.
Organisatorischer Kreis des Schülertreffens 2011
Neben den geladenen Gästen, Referent:innen und Themen ist es interessant zu betrachten, wer alles in die Organisation des Schüler- und Studententreffens eingebunden schien. Organisiert und Koordiniert wurden Einladung und Anmeldungen zum Treffen auch dieses Mal von Gernot Mörig. Zu der Zeit war Gernot außerdem noch Lehrbeauftragter der Universität Düsseldorf.
Beteiligt, beispielsweise im Kontext der kostenlosen Bücheraussendung im Vorhinein, war außerdem Ute Grebien, die Schwester Gernot Mörigs und Ehefrau von Thomas Grebien. Bei den späteren rechtsextremen Vernetzungstreffen der Mörigs, den „Düsseldorfer Runden“, verwaltete Schwager Thomas Grebien das Konto aus welches Spenden und Eintrittsgelder zu den Treffen verwaltet wurden. Sowohl die E-Mailadresse als auch das Konto liefen jeweils auf die Namen „Ute und Thomas Grebien“. Ute und Thomas Grebien saßen außerdem beide noch 2023 im Vorstand des AfD-Kreisverbands Plön. Ute Grebien war weiterhin bis zu ihrem Tod im Dezember 2023 Kreistagsabgeordnete für die AfD im Kreis Plön. Sie war in dieser Zeit Mitglied im Aufsichtsrat der »Abfallwirtschaftsgesellschaft Kreis Plön GmbH« sowie im Stiftungsrat der »Natur- und Umweltstiftung« und stellvertretendes Mitglied in den Ausschüssen des Kreistags und im »Frauenpolitischen Beirat«. Über ihr jahrzehntelanges Engagement für die neonazistische Szene will man in Plön vermutlich wieder nichts gewusst haben – ebenso wie bei Thomas Grebien. Gernot Mörigs Schwager gründete 1990 die „Heimattreue Jugend” in Plön, eine Vorgängerorganisation der „Heimattreuen Deutschen Jugend”, die 2009 aufgrund ihrer neonazistischen Ideologie verboten wurde. Den Vorläufer der „Heimattreuen Deutschen Jugend – Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e. V“ (HDJ) gründete Thomas Grebien gemeinsam mit dem Kieler Heilpraktiker Henning Pless – der ebenfalls Teilnehmer des von Correctiv aufgedeckten rechtsextremen Geheimtreffens Ende November 2023 in Potsdam war. Bilder belegen, dass auch die Mörig-Kinder noch bis 2007 HDJ-Zeltlager besuchten.
Bilder: Wiebke Mörig und Tante Ute Grebien | Ute (geb. Mörig) und Thomas Grebien mit Wiebke (geb. Mörig) und Ehemann Arndt Novak.
Zum extrem rechten „Schüler- und Studententreffen“ lädt Gernot Mörig damals jedoch nicht allein. „Wir freuen uns drauf – herzliche Grüße Michael und Gernot“, zeichnen damals Gernot Mörig und ein „Michael“ die Einladung. Jenen Michael erwähnte auch die NS-Rapperin „Dee Ex“ als Gast oder Beteiligten der „Kaminrunde“ im Januar 2011, wenige Monate vor dem „Schüler- und Studententreffen“.
Die Vermutung liegt nahe, dass es sich bei jenem Michael um Michael Zeilinger aus Oberbayern handeln dürfte. Michael Zeilinger (*1987), der Bruder des heutigen Schwiegersohns Gernot Mörigs, Sebastian Zeilinger, wuchs in Stein an der Traun im Landkreis Trauntein (Bayern) auf und startete schon in seiner Jugend eine Karriere in der extremen Rechten, die ihn später zu einem prägenden Akteur der rechtsextremen, bündischen Szene machte.
Personenverzeichnis
Vereinigung zweier Familien, 2012: Die Familie Mörig links auf Seiten der Braut Inka und die Familie Zeilinger rechts, auf Seiten des Bräutigams Sebastian Zeilinger.
Personenverzeichnis:
- Sebastian Zeilinger: Volkswirt aus Stein a. d. Traun (*1979), Leiter der IB Bayern und um 2016. stellv. Bundesvorsitzender der IB Deutschland, Bruder von Michael (2) und Anna Zeilinger (9), lebt mit Ehefrau Inka (geborene Mörig) und den Kindern in Seeon am Chiemsee.
- Michael Zeilinger: Gymnasiallehrer für Sport und Deutsch in Oberfranken (*1987), ehem. „Bundesführer“ des Jugendbundes »Sturmvogel« und Mitglied der Neonaziburschenschaft »Alte Breslauer Burschenschaft Raczeks zu Bonn« sowie seit der Jugend aktiv in der Neonaziszene Oberbayerns. Bruder von Sebastian (1) und Anna Zeilinger (9)
- Inka Mörig: Ältester Sproß des Mörig-Clans, wurde angeblich gut fünfzehn Jahre lang in HDJ-Lagern sozialisiert, seit 2012 verheiratet mit Sebastian Zeilinger (1) und vierfache Mutter.
- Wiebke Mörig (und Arndt Novak): Jüngste Tochter des Mörig-Clans (*1989), IB-Aktivistin mit HDJ-Erfahrung und inzwischen verheiratet mit dem IB-Aktivisten, rechtsextremen Publizisten und Mitglied der Münchner Neonaziburschenschaft Danubia sowie Jurastudent Arndt Novak (nicht im Bild) aus dem Novak-Clan. Das Paar lebt derzeit in Passau, Niederbayern.
- Svenja Mörig (und Thore Stein): Die zweitälteste Mörig-Tochter Svenja ist, wie ihre Schwestern Wiebke und Inka, mit einem bekannten Rechtsextremisten verheiratet. Dabei handelt es sich um Thore Stein (nicht im Bild), einen »Burschenschafter der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn« und AfD-Landtagsabgeordneten in Mecklenburg-Vorpommern und dem Schriftführer im Vorstand der AfD-nahen »Desiderisus Erasmus Stiftung«. Das Paar Svenja und Thore Stein hat heute vier Kinder und lebt in Mecklenburg-Vorpommern.
- Dr. Gernot Mörig: Patriarch der völkischen Mörig-Sippe, Zahnarzt aus Braunschweig (*1954), heute verrentet und wohnhaft in Vachendorf bei Prien am Chiemsee. Gernot trat schon früh in die ideologischen Fußstapfen seines Vaters Wilhelm (SA Truppführer) und wurde in jungen Jahren „Bundesführer“ des »Bund Heimattreuer Jugend« (BHJ), aus der später »Die Heimattreue Jugend« (DHJ) und schließlich die »Heimattreue Deutsche Jugend« (HDJ) hervorgingen. Doch Gernot Mörigs Betätigungen als Akteur der neonazistischen Rechten sind vielfältiger und erstrecken sich über Jahrzehnte. Einer breiteren medialen Öffentlichkeit bekannt wurde er im Januar 2024 als Organisator des rechtsextremen Potsdamer Vernetzungstreffens mit Martin Sellner im November 2023.
- Astrid Mörig: Ehefrau von Gernot Mörig und Mutter von Inka, Svenja, Wiebke und Arne. War in die rechtsextremen Vernetzungstreffen ihres Mannes seit jeher eingebunden. Die Düsseldorfer Zahnarztgattin interessiert sich für Esoterik und energetisches Heilen, lebt inzwischen mit ihrem Mann in einem historischen Bauernhaus in einem Vorort von Prien am Chiemsee in Oberbayern.
- Arne Friedrich Mörig: Jüngster Bruder der Mörig-Geschwister (*1992), unverheiratet, stellte beim rechtsextremen Vernetzungstreffen in Potsdam 2023 seine Pläne für eine Social Media Agentur für die rechtsextreme Szene vor, arbeitete zeitweise für den AfD Bundesvorstand und engagierte sich im Milieu der Corona-Leugner:innen-Bewegung bei »Studenten stehen auf« in Berlin.
- Anna Zeilinger (und Baby Lorenz): Schwester von Sebastian (1) und Michael (2) Zeilinger, schon Anfang der 2000er Jahre im Milieu des »Sturmvogel« unterwegs und auf Lagern.
- Dietlind Brachat: Heute verheiratete „Berg“, wohnhaft nahe Uelzen, damals Freundin/Partnerin von Michael Zeilinger (2). Um 2012-2016 bildeten die beiden als rechtsextremes Powercouple die Bundesspitze des »Sturmvogel«
- Nicht im Bild: Die Grebiens: Ute Grebien (*1960-1923) und Thomas Grebien, Schwester und Schwager von Gernot Mörig, waren mindestens in logistischen Angelegenheiten in Mörigs rechtsextreme Vernetzungstreffen eingebunden (Konto, Bücheraussendungen…) und bekleideten beide Posten im Vorstand der AfD Plön. Ute Grebien war bis zu ihrem Tod im Dezember 2023 sogar Kreisrätin für die AfD im Landkreis Plön. Ende der 70er Jahre war auch sie als Leiterin von BHJ-Zeltlagern in Bayern aktiv.
- Nicht im Bild: Die Mörig-Brüder: Ute Grebien scheint die jüngste Tochter der älteren Mörig-Generation gewesen zu sein. Bei ihren vier älteren Brüdern handelt es sich – in chronologischer Reihenfolge – um Hagen, Volker, Rüdiger und Gernot Mörig. Als ältester Sohn übernahm der gelernte Zahntechniker Hagen (*1943) den elterlichen Betrieb in Braunschweig. Der passionierte Jäger engagierte sich lange Zeit intensiv für „Ostpreußen“, konkret für Trakehnen, die Bewohner einer Siedlung in der russischen Oblast Kaliningrad (heutiges Jasnaja Poljana). Bis 2016 war er Vorsitzender des Vereins „Hilfe für Trakehnen e.V.“ und verfasste außerdem ein Buch über seine Hilfstätigkeiten in „Ostpreußen“. Der zweitälteste Mörig-Bruder jener Generation ist Volker Mörig. Dieser betätigte sich ebenso wie der jüngste Bruder, Gernot, für den »Bund Heimattreuer Jugend«, beispielsweise um 1981 als Pressereferent des BHJ. Im Jahr 1997 wurde der Braunschweiger Volker Mörig als Großspender der rechtsextremen Kleinpartei »Die Republikaner« (REP) aufgeführt. Volker Mörig war langjähriger Chefredakteur der BHJ-Verbandspublikation „Der Trommler“ (Vorgänger der „Na klar!“) und sagt, er habe diese „zur Welt gebracht“. „Der Trommler“ erschien seit 1978 und wurde 1981 in „Na klar!“ umbenannt. Die „Na klar! Jugendzeitschrift für Umwelt, Mitwelt, Heimat“ erscheint seit 1983 vierteljährlich und enthält Fahrtenberichte, Interviews und ideologische Grundsatzartikel. Wesentliche Elemente der bündischen Jugendorganisationen sind die Durchführung von Zeltlagern und Wanderfahrten, regelmäßige Gruppenstunden, Sonnwendfeiern, Vortragsveranstaltungen und die „Brauchtumspflege“, insbesondere die Pflege von Volksliedgut und Volkstanz. Während Volker Mörig sich als BHJ-Pressereferent betätigte, leiteten einige seiner Geschwister zeitgleich BHJ-Jugendlager, so beispielsweise Ute Mörig das BHJ-Sommerlager in Oberbayern (21.08.-03.09.1978) und Gernot Mörig im selben Zeitraum das Sommerlager in der Lüneburger Heide. Zwei Jahre später zog sich Gernot Mörig aus der aktiven Jugendarbeit des BHJ zurück und wurde Vorsitzender des Ehrenrates. Noch im Vorjahr 1979 hatte Gernot Mörig zu Veranstaltungen des Bundes Heimattreuer Jugend unter anderem den Holocaustleugner David Irving eingeladen. Während über Rüdiger Mörig (*1951) weit weniger öffentlich bekannt ist, sind die rechtsextremen Aktivitäten von Gernot Mörig (*1954) und dessen Kindern wiederum inzwischen weitreichend bekannt.
- Nicht im Bild: Die Brachats: Ulrich und Gudrun Brachat und deren Kinder Irmlind Brachat, Dietlind Brachat und Diethelm Brachat sowie Irmlinds Ehemann Loïc Schönenberger: Schweizer Zimmermann, mit seiner Familie wohnhaft in der Lüneburger Heide bei Uelzen, waren alle in die Organisation der »Sturmvogel«-Aktivitäten eingebunden.
Michael Zeilinger: Neonazi, Bundesführer einer rechtsextremen Jugendorganisation und heute Gymnasiallehrer in Bayern
Jugend im Umfeld von NPD und Rechtsrock
Bereits ab dem Jahr 2004 war Michael Zeilinger in der Neonaziszene Oberbayerns aktiv – da war er gerade einmal siebzehn. Jahre lang fällt Michael Zeilinger regelmäßig in neonazistischen Umtrieben in Oberbayern, im Umfeld der NPD, von rechtsextremen Demos oder Rechtsrockkonzerten auf. Nach seinem Schulabschluss und dem Wehrdienst verschlägt es den jungen Neonazi zum Studium nach Bonn.
In jener Zeit hatte Michael, möglicherweise auch über seine Geschwister, die ebenfalls mit der extremen Rechten sympathisierten, bereits Kontakte in die völkische und bündische Szene geknüpft. Er betätigte sich als Autor für das neonazistische Ökomagazin „Umwelt & Aktiv“ in dessen Herausgeberverein »Midgard e.V.« (Traunstein) diverse Rechtsextreme mit NPD- und HDJ-Historie aktiv waren. Sein Bruder Sebastian hatte, nach eigenen Angaben, um 2007 bereits über die neonazistische »Münchner Burschenschaft Danubia« im Studium zur bündischen „Wandervogelbewegung“ gefunden und auch die Zeilinger-Schwester Anna (Hotelfachfrau) schien damals mit dem rechtsextremen Milieu vertraut.
Mitglied einer neonazistischen Burschenschaft und aktiv in der DB
In Bonn schließt sich Michael Zeilinger, als Lehramtsstudent für Deutsch und Sport, um 2009/2010 der neonazistischen Studentenverbindung »Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks« an, in deren Verbindungshaus er außerdem einzog. (Ein weiteres Mitglied der Raczeks ist Gernot Mörigs Schwiegersohn, der AfD-Abgeordnete Thore Stein, der 2014 Svenja Mörig ehelichte.) Der Verbindung gehört Michael Zeilinger vermutlich auch an, als diese beim Burschentag des Dachverbands »Deutsche Burschenschaft« im Jahr 2011 für einen Skandal sorgt, als die Bonner »Raczeks« einen „Ariernachweis” für DB-Mitglieder forderten.
In den Tagungsunterlagen zum deutschen Burschentag 2011 in Eisenach findet sich der Antrag der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn in welchem sie den Ausschluss der Burschenschaft Hansea Mannheim fordert. Der Grund dafür ist die Mitgliedschaft eines chinesischstämmigen Studenten in der Hansea Mannheim. Die Bonner Raczeks sehen in seiner Mitgliedschaft einen Verstoß gegen die burschenschaftliche Verfassung. In der Begründung heißt es: „Es ist nicht ausreichend, dass der genannte Verbandsbruder sich subjektiv dem deutschen Volke zugehörig fühlt. Besonders in Zeiten fortschreitender Überfremdung ist es nicht hinnehmbar, dass Menschen, welche nicht von deutschem Stamme sind, in die deutsche Burschenschaft aufgenommen werden.“
Weitere DB-Unterlagen aus dem Jahr 2010 berichten von einem Arbeitstreffen des „Projekts Strategieprogramm“ der »Deutschen Burschenschaft« unter der Leitung des damaligen VW-Managers Rudolf Schwarz. Unter den dort gebildeten Arbeitsgruppen findet sich die AG „Geschichte Tradition Kultur“, dafür eingetragen ist: „M. Zeilinger ABB! Racz. BN“ (Anm: Michael Zeilinger, Alte Breslauer Burschenschaft Raczeks Bonn).
In jener Zeit besucht Sebastian Zeilinger seinen Bruder Michael immer wieder im „Raczek-Haus“ in Bonn. Alle drei Geschwister Zeilinger, Sebastian, Anna (mit Baby Lorenz) und Michael Zeilinger nehmen zu dieser Zeit, teils bereits seit längerem, an Lagern des »Sturmvogels« teil.
Der »Sturmvogel«-Jugendbund als Nachfolgeorganisation verbotener rechtsextremer Strukturen
Der »Deutsche Jugendbund Sturmvogel«, so berichtet das APABIZ, ist eine extrem rechte Jugendorganisation und entstand 1987 als Abspaltung von der neonazistischen »Wiking Jugend« (WJ) unter deren ehemaligen „Bundesfahrtenführer“. Sie vermittelt Jugendlichen völkische und antidemokratisch-elitäre Elemente der deutschen Jugendbewegung und anderer Organisationen aus den 1920er-Jahren. Ihr Rückgriff auf die historischen Jugendbünde sowie eines weitgehend unbekannten eigenen Vorläufers erscheinen nicht authentisch. Bündische und Pfadfinder-Gruppen grenzen sich vom »Sturmvogel« teils öffentlich ab. Kontakte zur verbotenen HDJ haben Befürchtungen geweckt, die Gruppierung könne sich zumindest in Norddeutschland zu einem Sammelbecken deren (ehemaliger) Mitglieder entwickeln. In den Anfangsjahren waren Mitglieder des Verbandes intensiv in anderen Organisationen im rechtsextremen Lager eingebunden. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Reiner Schmitz, Wolfgang Dünkel, Gerd Rothe, Ralf Küttelwesch, Christel Littauer und Rudi Wittig.
Ralf Küttelwesch, der zeitweise stellvertretende „Bundesführer“ des »Sturmvogels« war, war auch „Alter Herr“ der »Burschenschaft Danubia München«. Küttelwesch war Anfang der 1990er Jahre einer der verantwortlichen Studenten eines von Hans-Helmuth Knütter eingerichteten „Ost-West-Arbeitskreises“, der Veranstaltungen mit Hans-Dietrich Sander, David Irving und Frank Rennicke in Räumen der Universität Bonn organisiert hatte. In den »Burschenschaftlichen Blättern«, der Verbandspublikation der »Deutschen Burschenschaft« (Ausgabe 2011/1) findet sich eine Rezension von Ralf Küttelweschs Buch „Afrika. Auf dem Weg nach Tinga Tinga. Verlag: Factum Coloniae, Köln, 2009“. Verfasst wurde die Rezension von „Michael Zeilinger, Raczeks Breslau zu Bonn 2009“.
Der »Deutsche Jugendbund Sturmvogel« als Sammelbecken von HDJ & WJ-Aktiven
Die Anhänger des Jugendbundes »Sturmvogel« verharmlosen ihre rechtsextremen Wurzeln, man gebe dort vor, sich nur auf die Pflege deutscher Traditionen zu berufen, berichtet Andreas Speit im Artikel „Rechtsextremistische „Traditionspflege“: Fahrt ins Braune“ (2016). Die personelle Verflechtung in die extreme Rechte offenbarten jedoch das Gegenteil. „Der Sturmvogel ist bewusst von Rechtsextremen gegründet worden, um Kinder und Jugendliche in ihrem Geiste zu erziehen“, erklärt damals auch Gideon Botsch vom Moses Mendelssohn Zentrum. „Das Jugendliche sich auch bei der IB einbringen, dürfte ganz im Sinne ihrer Eltern sein. Sie wollten ihre Kinder gegen den politischen Zeitgeist erziehen.“ Unter den Eltern, die ihre Kinder zu den Treffen des »Sturmvogel« bringen, sind NPD-Anhänger und auch ein bekannter Holocaustleugner.
Insbesondere nach dem Verbot der »Wiking Jugend« (1994) und der »Heimattreuen Deutschen Jugend« (2009) schien die extreme Rechte bemüht, den »Sturmvogel« als Nachfolgeorganisation zu nutzen und ein weiteres Vereinsverbot zu verhindern. Auffallend sei, so Rechtsextremismus-Experte Andreas Speit, dass diese Gruppe sehr bemüht sei, möglichst wenig von ihrer Tätigkeit und politischen Positionen nach außen dringen zu lassen. Es gäbe in der Geschichte des »Sturmvogel« personelle Überschneidungen zum gesamten rechtsextremen Spektrum, so Speit. Szenebeobachter:innen befürchteten nach 2009, dass der »Sturmvogel« nach dem Vereinsverbot zum Auffangbecken für ehemalige HDJ-Mitglieder werden könnte, denn die Jugendorganisationen galten als unverzichtbare Kaderschmiede für die rechtsextreme Szene.
Tatsächlich scheinen sich diverse Mitglieder und Sprösslinge rechtsextremer Sippen, die zuvor jahrelang in der HDJ aktiv gewesen waren, nach deren Verbot in der »Sturmvogel«-Organisation zu engagieren und deren Zeltlager zu besuchen. So beispielsweise das »Sturmvogel«-Winterlager zum Jahreswechsel 2009/2010, welches dank antifaschistischer und journalistischer Recherchen ungewollte mediale Aufmerksamkeit erhielt. Nur im Geheimen habe man den Jahreswechsel schließlich feiern können, monierten Besucher:innen des Lagers anschließend. Teilgenommen hatten am »Sturmvogel-Winterlager« auch Anna Zeilinger und ihr Bruder Michael Zeilinger.
Im März des Jahres 2010 findet die jährliche Hauptversammlung des »Deutschen Jugendbund Sturmvogel« statt. Mutmaßlich dort lernen sich Sebastian Zeilinger, der bis kurz zuvor noch auf Wanderreise im Nahen Osten gewesen war, und Inka Mörig, älteste Tochter der Mörig-„Sippe“ mit angeblich gut fünfzehn Jahren HDJ-Erfahrung, kennen – und lieben. Als bei einem der kostenpflichtigen Mörigschen „Seminarwochenenden“ im Frühsommer 2010 noch Plätze frei sind, lädt Inka den in Bonn studierenden Bruder ihres Schwarms, Michael Zeilinger, ein. Wegen konkurrierender Termine muss Michael Zeilinger absagen. Augenscheinlich kann er die Einladung zur Mörigschen „Kaminrunde“ im Januar 2011 jedoch annehmen und überzeugt Gernot Mörig insoweit, als dass nur wenige Monate später die gemeinsame Organisation des „Schüler- und Studententreffens“ in Düsseldorf ansteht.
Bundesführer des rechtsextremen „Deutschen Jugendbund Sturmvogel“
Ein gutes Jahr später leben Sebastian Zeilinger und Inka Mörig bereits gemeinsam in Gollenshausen am Chiemsee und planen ihre Hochzeit. Michael Zeilinger hingegen, hat sich innerhalb der Strukturen des »Deutschen Jugendbund Sturmvogel« weiter hochgearbeitet. Das »Sturmvogel«-Winterlager zum Jahreswechsel 2011/2012 soll Michael Zeilinger (damals Mitte zwanzig) bereits angeleitet haben. Im Juni 2014 berichtet die Journalistin Andrea Röpke, dass der »Sturmvogel«-Bund inzwischen von dem Pädagogikstudenten Michael Zeilinger und seiner Partnerin, der Lehrerin Dietlind Brachat, aus Bayern angeführt werde. Auch im Jahr darauf, beim »Sturmvogel – Deutscher Jugendbund«-Sommerlager 2015 in Grabow stehen Michael Zeilinger und Dietlind Brachat dem Lager vor. Unter den Teilnehmenden des Lagers befinden sich die Kinder ehemaliger HDJ Mitglieder sowie die des in Mecklenburg lebenden Schweizer Holocaust-Leugners Bernhard Schaub.
Laut Andrea Röpke (Unter dem Banner des „Sturmvogels“, Blick nach Rechts, 25.11.2015) waren die Lager geprägt von Frühsport, Drill und Disziplin: „Am frühen Morgen werden die Kinder und Jugendlichen zusammengetrommelt und zum Fahnenappell nach der Größe in einem Kreis aufgestellt. Sie rühren sich kaum. Die weiblichen und männlichen Anführer blicken streng. Derzeitige Bundesführerin ist Dietlind B., eine junge Pädagogin aus der Nähe von München. Die Mädchen tragen alle altmodische, schwarze Röcke, grüne Uniformhemden und Zöpfe oder geflochtene Frisuren. Die Anstrengung ist den Kleineren anzusehen. Die Zeremonie mit Reden und Gesang dauert an diesem Tag annähernd eine Stunde.“
»Deutscher Jugendbund Sturmvogel« als Erziehungslager neonazistischer Sprößlinge
Die meisten teilnehmenden Kinder und Jugendlichen sollen aus so genannten „Sippen“, in denen bereits die Großeltern dem Nationalsozialismus anhingen, sowie Familien von „Artamanen“, „Artgemeinschafts“-Anhängern und Siedlern stammen. Diesen werde, so Röpke, üblicherweise früh eingetrichtert, zu einer deutschen Elite zu gehören, Demokratie, Liberalismus und moderne Gesellschaft abzulehnen. Häufig heiraten die jungen, in der völkischen rechten Parallelwelt Sozialisierten untereinander, führen die Clantraditionen und siedeln sich in der Nähe zueinander an. Beobachtungen, die auch bei den Sprößlingen völkischer Sippen der Novaks, Mörigs und Zeilingers in Ober- und Niederbayern derzeit verfolgt werden können.
In den Lagern des »Sturmvogels« galt die Bundesspitze, bestehend aus Michael Zeilinger und seiner Freundin Dietlind Brachat um 2012-2016 als verlängerter Arm der Eltern. Dietlind Brachat entstammt einer Familie von Musikern aus der Nähe von München. Ihre Eltern Ulrich und Gudrun sowie ihre Geschwister mit den klangvollen Namen Irmlind und Diethelm schienen ebenfalls über Jahre im »Sturmvogelbund« aktiv und organisatorisch eingebunden. Irmlind Brachat (jetzt verheiratete Schönenberger, wohnhaft in der Lüneburger Heide) ist mit einem Schweizer Zimmermann verheiratet, der sich ebenfalls im Bund, beispielsweise als Anmelder des »Sturmvogel«-Winterlagers 2015 in Hessen, engagierte.
Doch die Mitglieder der „Sippen“ und das Führungspersonal der völkischen Bünde bleibt nicht nur gerne unter sich, sondern meidet auch jede öffentliche Präsenz oder mediale Aufmerksamkeit. Social Media-Auftritte, Bilder oder Statements sucht man meist vergeblich. Die völkische Gemeinschaft ist eingeschworen und auf die Sicherheit ihrer Parallelwelt bedacht. Laut ihres Gründungsflugblatts wollen sie mit ihrer Jugendarbeit ein „Vorleben“ vermitteln, das gegen den „Ungeist“ aufbegehrt, „der unser Volk derzeit jeden Atemzug verpestet“. Sie positionieren sich darin als „volkstreu eingestellte Deutsche“.
Michael Zeilingers kurzer Ausflug zur »Identitären Bewegung«
Eine Ausnahme stellt der Juni 2016 dar, als Michael Zeilinger in Wien mit einem Megaphon am Rand des Aufmarsches der IB Österreich unter dem Motto „Europa verteidigen“ die ohnehin schon aggressive Stimmung aufpeitschte. Unter den Rednern der Demo der neofaschistischen »Identitären Bewegung« befindet sich damals Michaels Bruder Sebastian Zeilinger. Sebastian Zeilinger hatte sich inzwischen zum Anführer der »Identitären Bewegung Bayern« gemausert und bekleidetet ab 2016 zeitweise den Posten des stellv. Bundesvorsitzenden der »Identitären Bewegung Deutschland«.
Es sollte jedoch wohl Michael Zeilingers letzter öffentlicher Auftritt für die extreme Rechte gewesen sein. Ein Amt bekleidet der Neonazi, Burschenschafter und angehende Pädagoge, der mittlerweile in Würzburg Deutsch und Sport auf Lehramt studierte, bei der IB Deutschland jedenfalls nicht. Diese Entscheidung dürfte Michael Zeilinger mit Bedacht getroffen haben, immerhin plante der Lehramtsstudent nach Abschluss seines Studiums als Gymnasiallehrer zu arbeiten. Öffentliches Wissen über seine langjährige Karriere als Neonazi und prägender Akteur in rechtsextremen Jugendorganisationen dürfte er als nicht förderlich eingeschätzt haben. (Mehr in: Andrea Röpke: „Alte Netzwerke für junge Kader. Die Verbindungen völkischer Familien zur Identitären Bewegung“, In: Andreas Speit „Das Netzwerk der Identitären“)
Die »Sturmvogel«-Bundesspitze: Angehende Pädagogen und Fans der „Schetinin“-Pädagogik
Im Fach „Neue Deutsche Literaturgeschichte“ im Studiengang Lehramt Gymnasium Deutsch und Sport an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg verfasste Michael Zeilinger noch 2015 eine Seminararbeit zu Ernst Jünger („Ernst Jünger und sein Werdegang zum Abenteurer, Anarchen und Désinvolture“). Ernst Jünger (* 1895; † 1998) war ein deutscher Schriftsteller und ist vor allem durch Kriegserlebnisbücher wie „In Stahlgewittern“, phantastische Romane und Erzählungen sowie verschiedene Essays bekannt. In seinem elitären, antibürgerlichen und nationalistischen Frühwerk, das der sogenannten „Konservativen Revolution“ zugerechnet wird, bekämpfte Jünger die Weimarer Republik entschieden. Nach 1945 galt er als intellektueller Wegbereiter des Nationalsozialismus und gehört zu den umstrittensten Autoren Deutschlands. Man hätte also draufkommen können.
Auch Michael Zeilingers damalige Lebensgefährtin und Kameradin Dietlind Brachat hatte sich bereits für eine pädagogische Laufbahn entschieden. Nachdem sie Anfang 2012 die Fachoberschule Wasserburg (Wasserburg am Inn im oberbayerischen Landkreis Rosenheim) abgeschlossen und einige Jahre Erfahrungen als Bundesspitze der bündischen Jugendorganisation sammeln konnte, engagierte sie sich scheinbar um 2015/2016 als ehrenamtliche Lehrerin für die LAIS-Schule in Salzburg. Die LAIS-Methode ist eine von der Schetinin-Pädagogik inspirierte Lernmethode, die 2004 von dem Kärntner Dieter Graf-Neureiter entwickelt wurde. Die Schetinin-Pädagogik wiederum, beruht auf Michail Petrowitsch Schetinin und ging aus dem Umkreis der „Anastasia“-Bewegung hervor. Die „Anastasia“-Bewegung beschreibt eine neureligiöse Siedlungsbewegung, in der rechtsesoterische, verschwörungsideologische, rassistische und antisemitische Inhalte transportiert werden.
Online und in Zeitungen wurde damals das Gründungsprojekt einer LAIS-Schule in Salzburg beworben. Der offiziell Start sollte im Herbst 2016 von statten gehen, bis dahin wollte man die (zukünftigen) Schüler:innen in kostenpflichtigen Seminaren in Salzburg schulen. Im ehrenamtlichen Kernteam der »LAIS-Schule Salzburg-Stadt« ist unter den neun Mitwirkenden auch Dietlind Brachat benannt. Etwa zwei Jahre später berichtet der österreichische »Standard« über Kritik an den esoterischen Lerngruppen in Salzburg und erklärt, die LAIS-Bewegung propagiere Wissensosmose und „natürliches Lernen“ und habe enge Beziehungen zu „Reichsbürgern“. Inzwischen waren auch Behörden auf die Schulprojekte aufmerksam geworden und wollten diese prüfen. Wie es heute um die Salzburger LAIS-Schule steht, ist nicht bekannt.
Michael Zeilingers Werdegang als Gymnasiallehrer in Bayern
Der langjährige Neonazi und »Sturmvogel«-Bundesführer Michael Zeilinger hingegen ist seit inzwischen gut drei Jahren Gymnasiallehrer für Sport und Deutsch in Franken. Auf der Website des »Hochfranken-Gymnasiums Naila« (Naila in Oberfranken nahe der kreisfreien Stadt Hof im Frankenwald) wird Michael Zeilinger im Herbst 2021 als neuer Kollege im Schuljahr 2021/2022 vorgestellt.
„Ich bin überwältigt von der verträumten Gegend rund um Naila und freue mich auf einen hoffentlich guten Start am Hochfranken-Gymnasium, das ebenso einen sehr guten ersten Eindruck auf mich macht.“, schreibt Zeilinger. Auf ein Bild verzichtet er als einziger im neuen Kollegium. Fotos des Gesamtkollegiums für das Schuljahr 2023/24 zeigen ihn jedoch auf der Schulwebsite – in einem Hemd mit Logo der Schule.
Der letzte Eintrag der Zeilinger auf der Schulwebsite zeigt ist erst wenige Wochen alt. Ausgerechnet eine Probewanderung für eine Alpenüberquerung soll er Ende Januar begleitet haben. Auf dem Gruppenbild mit den Schülern schaut Zeilinger aus, wie in bündischen Tagen. „Den Abend ließen wir dann mit einer zünftigen, mit der Gitarre begleiteten Singerunde (u.a. ,,Wenn wir erklimmen schwindelnde Höhen..“) und ein paar Gesellschaftsspielen ausklingen„, heißt es im Bericht auf der Schulwebsite. Zeilinger scheint in seiner aktuellen Anstellung aus seinem bündischen Erfahrungsschatz schöpfen zu können.
Die Frage drängt sich auf, ob die Behörden und Verwaltungen die neonazistische Karriere des Michael Zeilinger schlicht verpennt haben, ob sie ihnen egal war oder ob sie gar einen Nutzen aus seiner Rolle in der extremen Rechten ziehen. Uns ist der Grund letztlich egal!
Unsere Solidarität und Sorge gilt all jenen Schüler:innen und Kolleg:innen, die nicht in das abstruse Weltbild des neonazistischen Gymnasiallehrers passen: Emanzipierte Frauen, Queers, People of Colour, Antifaschist:innen und Linke sowie Menschen mit Migrationsgeschichte!
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Gernot Mörig und sein Umfeld schon lange vor dem Potsdamer Vernetzungstreffen daran gearbeitet haben, verschiedene neonazistische, extrem rechte und rechtskonservative Kreise zusammenzuführen. Neben dem Kennenlernen und Austausch haben dabei immer Bildung und die Sozialisation in die extreme Rechte eine Rolle gespielt. Nicht nur für Erwachsene mit bereits gefestigtem Weltbild, sondern auch für Kinder und Jugendliche, die besonders empfänglich für die Indoktrination extrem rechter Komplexitätsreduktion sind. Beispielhaft dafür stehen die Mörig-Kinder und auch die Zeilinger-Geschwister. Michael Zeilinger ist dabei außerdem ein Beispiel für das Drängen extrem rechter Akteur:innen in Bildungsinstitutionen jenseits der Szene. Die überwältigenden und einseitigen politischen Bildungs- und Sozialisationsangebote, wie sie von Akteuren wie Mörig und Zeilinger durchgeführt werden, ist bereits in klandestinen Zusammenhängen höchst problematisch. Das Erfüllen des staatlichen Bildungsauftrags hingegen Lehrer:innen wie Zeilinger zu überlassen, ist mindestens ein Armutszeugnis für die zuständigen Behörden. Es zeigt einmal mehr, dass man sich im Kampf gegen den Faschismus auf den Staat nicht verlassen kann.
- 1Aufgrund dieses offensiven Disclaimers möchten wir explizit auf die gute Recherchearbeit von Völkische Verbindungen Kappen und der Autonomen Antifa Freiburg hinweisen. Viieles auf Antifa-Info ist gespiegelt. Wir hoffen damit sowohl der Bewegung selbst als auch einem breiteren Publikum antifaschistische Inhalte einfacher zugänglich zu machen. Den oben bereits erwähnten Doppel-Artikel „Niederbayern: Wo sich die Sprösslinge völkischer Sippen sammeln“ hatten wir ebenfalls geteilt (I und II) und dabei, wie immer, die Quelle mit vollständigem Link angegeben. Wir denken dass wir durch das Teilen auf dieser Plattform solchen wichtigen Beiträgen eine größere Reichweite und letztlich auch mehr Interesse für die generelle Arbeit der Urheber:innen hervorrufen.