Burschentag: Wo AfD-Abgeordnete, Neonazis und IB-Aktivisten gemeinsam aufmarschieren
Am Wochenende 07. Juni – 09. Juni 2024 trafen sich im oberösterreichischen Schärding Burschenschafter des Österreichischen Pennäler Rings (ÖPR). Die im Landesdelegiertenconvent Oberösterreich (LDC OÖ) organisierte pflichtschlagende Schülerschaft p.B! Scardonia Schärding hatte zum 40. Burschentag geladen und feierte damit zugleich ihr 60-jähriges Bestehen.
Unter den Scardonen sind neben zahlreichen FPÖ-Politikern unter anderem illustre Persönlichkeiten korporiert, wie der Antisemit und Wehrmachtsfan Manfred „Odin“ Wiesinger der für seine „besonderen Verdienste im ÖPR“ in diesem Jahr einen goldenen Bierzipf vom Vorsitzenden Udo Guggenbichler verliehen bekam.Zur Nazischülerschaft p.B! Normannia Winterberg zu Passau besteht neben dem geographischen auch ein ideologisches Näheverhältnis, das deren rege Teilnahme beim Burschentag erklärt.
Der ÖPR versteht sich selbst als „national-liberal“ und behauptet, „allen militaristischen, rassistischen, sexistischen, nationalistischen, faschistischen und totalitären Tendenzen mit allen demokratischen Mitteln entschieden entgegen“ zu treten. Dennoch standen in den letzten Jahren sowohl einzelne Schülerschaften, der Burschentag selbst, aber auch die Finanzierung dessen durch öffentliche Stellen im Rahmen der Brauchtumspflege und der Bundesjugendförderung in der Kritik. Während es 2022 in Wels noch Proteste gegen den 38. Burschentag gab, übergab die Gemeinde Schärding den Rechten diesmal anstandslos den Stadtplatz und das Bundeskanzleramt förderte den Aufmarsch sogar.
Der staatlich gestützte Privatsender RTV bringt regelmäßig (hier und hier) den Burschentag der Öffentlichkeit näher. Dies ist nicht die einzige extrem rechte Organisation, der er eine Bühne gibt: Auch AUF1 erhielt dort bis zur Untersagung durch die KommAustria ein Programmfenster und die Identitäre Bewegung wird dort ebenfalls gefeatured – trotzdem erhält er voraussichtlich auch 2024 wieder Mittel aus dem Privatrundfunkfonds.
Der Burschentag 2024: Ein Stelldichein der rechten bis rechtsextremen Szene
So ist es nicht verwunderlich, dass der Burschentag 2024 erneut zu einem großen Stelldichein der rechten bis rechtsextremen Szene wurde – mit den üblichen Begleiterscheinungen wie Propagandadelikten sowie Bedrohungen und Angriffen gegen – offenbar unliebsame – Pressevertreter*innen.
Vor Ort waren mehrere Aktivisten der Identitären Bewegung (IB): Arndt Novak und Ludwig Zeddies für die pB! Saxonia-Czernowitz in München sowie Paul Zeddies und Tobias Benecke (geb. Lipski) für die pB! Normannia Winterberg zu Passau. Von letzterer war ebenfalls Thomas Girzick mit von der Partie, dessen Umtriebe in der internationalen Holocaustleugner*innenbereinigung „Europäischen Aktion“ erst kürzlich öffentlich wurden.
Aus diesen Reihen wurden während des Aufzuges Pressevertreter*innen als Feinde markiert, woraufhin ein sichtlich erregter Fux der Wiener p.B! Germania Fotograf*innen und deren Begleitungen mehrfach bedrohte und verfolgte. Schließlich nahm Arndt Novak grinsend Couleur des Fuxen an sich [Video] als dieser einen Fotografen mit den Worten „gib mir zehn Minuten!“ verprügeln wollte.
Mehrmals wurde aus der Aktivitas der p.B! Vandalia das White-Power-Symbol gezeigt, ein Burschenschafter betätigte sich mit seiner Kompaktkamera als eine Art „Gegenfotograf“, zudem war er gegen Blitzlicht mit Alufolie in der Mütze vorbereitet.
Schaulaufen Bayerischer Neonazis und ihrer Korporationen
Zu spät für den Aufmarsch kamen Udo Guggenbichler (Mitglied der SV! Gothia zu Meran und Organisator des „Wiener Akademikerballs“ in der Wiener Hofburg) sowie der bayerische AfD-Landtagsabgeordnete Oskar Atzinger (p.B! Normannia Winterberg zu Passau); letzterer irrte einige Minuten ziel- und planlos durch die Stadt, bis er seine Kameraden fand – darunter: Der Passauer AfD-Stadtrat Kurt Haimerl, Tobias Benecke (Lipski), Paul Zeddies, Thomas Girzick (alle p.B! Normannia Winterberg zu Passau) sowie die Korporierten der befreundeten Münchner Nazischülerschaft p.B! Saxonia Czernowitz (Arndt Novak, Ludwig Zeddies, Martin Silbermann, usw.).
Da es sich um den Burschentag des Österreichischen Pennälerrings, also Schülerschafterverbands handelte, erschienen die Korporierten jeweils im Couleur der Schülerschaften (pennalen Burschenschaften), in denen sie Mitglied sind. Darüber hinaus sind viele der Schülerschafter in akademischen Burschenschaften (Studentenverbindungen) korporiert. So teilen sich beispielsweise Arndt Novak, Tobias Benecke (Lipski), Paul und Ludwig Zeddies die Mitgliedschaft der in der Münchner Naziburschenschaft Danubia, sind jedoch in teils unterschiedlichen Schülerverbindungen aktiv. Doch auch die Doppelmitgliedschaft (der Erwerb eines Zweitbands) in der p.B! Normannia Winterberg zu Passau sowie ihrer Partnerverbindung, der Münchner p.B! Saxonia Czernowitz, ist nicht ungewöhnlich.
Während der Burschentag mit Festkommers nur einmal jährlich begangen wird, vernetzen sich die extrem rechten Burschenschafter folglich auch bei sonstigen Stiftungsfesten, verschiedenen Kneipen und ähnlichen Anlässen ihrer Korporationen teils mehrfach im Monat. Deutlich wird das z.B. bei der p.B! Normannia Winterberg, deren Mitglieder teils auch in der p.B! Saxonia Czernowitz (Mühlberger, Resch, Zeddies, Girzick), teils in der akad. B! Danubia (Zeddies, Benecke/Lipski), teils in anderen rechtsextremen Organisationen wie Die Heimat (ehem. NPD) (Pätzold, Resch, Mühlberger), der IB (Novak, Lipski, Zeddies) oder der AfD/JA (Atzinger, Haimerl, Benecke, Zeddies) aktiv sind oder waren. Die Liste lässt sich fortsetzen.
Pennale Burschenschaften als Brutstätten von Neonazinetzwerken
Und so entstehen – von der Öffentlichkeit ausgeblendet – extrem rechte Netzwerke quer durch ein imaginiertes „Großdeutschland“ bis hin nach Südtirol. Dort sitzt Udo Guggenbichlers SV! Gothia Meran, die in einem Facebookbeitrag die Freie Presse vom 13.06.1915 wie folgt zitieren „Es gibt nur ein einiges, österreichisches Tirol! Welschtirol wird nicht aufgegeben.“ In eben dieser Denktradition sprengten rechtsextreme südtiroler Separatisten 1961 Strommasten, um den Zusammenschluss der beiden Tirols zu erkämpfen. Den nötigen Sprengstoff will Rigolf Hennig (NPD-Politiker und Führungsperson der Europäischen Aktion) den Terroristen um den – 1971 zu lebenslanger Haft verurteilten – Südtiroler Norbert Burger angeblich geliefert haben. Burger wiederum nutzte gemeinsam mit seinem Vertrauten Gernot Mörig (Arndt Novaks Schwiegervater) die Hermann-Niermann-Stiftung als Vehikel um Rechtsextremisten im deutschsprachigen Raum zu finanzieren. Man fühlt sich glatt an das Düsseldorfer Forum und das Treffen in Potsdam erinnert, denn auch hier ging es darum Gelder einzuwerben und an Rechtsextremisten zu vergeben.
Aber nun zurück zur p.B! Normannia, denn deren Mitglied Thomas Girzick wurde noch vor wenigen Jahren als Erstangeklagter im Prozess gegen die Europäische Aktion (EA) wegen Unterstützung einer nationalsozialistischen Vereinigung in Österreich zuletzt milde mit 5 Jahren Freiheitsstrafe (davon 4 zur Bewährung) bestraft. Der weitere Anklagepunkt „Vorbereitung des Hochverrates“ wurde im Verfahren vom Gericht nicht ausreichend aufgeklärt. Die EA war 2017 ihrem Verbot mit Selbstauflösung zuvor gekommen und die lange Verfahrensdauer tat ihr übriges, denn so konnte das Gericht die milden Strafen mit den länger zurückliegenden Taten der Mitglieder erklären. Für die Staatsanwaltschaft Wien war die EA eine neonazistische Verbindung, die mit Hilfe einer bewaffneten Befreiungsarmee die Demokratie gewaltsam abschaffen und Österreich in ein „Großdeutsches Reich” eingliedern wollte. Dazu vernetzten sich die Aktiven breit, nahmen an paramilitärischen Trainings – das macht zum Beispiel Martin Silbermann (p.B! Saxonia-Czernowitz, hier im Bild mit Tobias Benecke und den Brüdern Paul und Ludwig Zeddies) heute noch – teil und warben über verschiedenste Publikationen und eine Website mit Tagesbezug um weitere Mitglieder.
Und so schließt sich der Kreis in der – ach so harmlosen – Passauer Schülerverbindung: Ein verhinderter mutmaßlicher Rechtsterrorist der heiratet, um fortan unter neuem Nachnamen auftreten zu können, ein – wegen NS-Wiederbetätigung – zu fünf Jahren Haft verurteiltes Mitglied einer rechtsextremen Holocaustleugner-Vereinigung, Aktivisten der rechtsextremen Identitären Bewegung und potente – zuletzt im Rahmen von Corona-Protesten aktive – Alt-Neonazis, die zusammen Bierchen trinken und – vermutlich – den Umsturz planen.
Das Remigrations-Treffen von Potsdam war für viele ein Weckruf, das „Frühwarnsystem“ Verfassungsschutz jedoch sieht weiterhin keinen Grund für eine Beobachtung der pennalen Burschenschaft in Passau. Man möchte fast dankbar sein, dass der Freistaat die Rechtsextremen nicht auch noch fördert (hier, hier und hier) wie das südliche Nachbarland.
Bildergalerie: Der ÖPR Burschentag 2024 in Schärding
Auf der Seite der Kampagne „Völkische Verbindungen Kappen“ findet ihr ausführlichen Rechercheartikeln bis hin zu Dossiers über Burschenschaften und andere „elitäre“extreme Rechte.