Die Erfolge der NSDAP verdanken sich einer ausgefeilten Propagandastrategie. Dabei bedienten sich die Nazis vielfach bei ihren Gegnern
Der deutsche Faschismus hat mit seiner Propaganda und durch die massenhafte Verbreitung und Wiederholung immer gleicher Bildtypen und Parolen das Bildgedächtnis des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt. Im Gegensatz zu heute, wo die sozialen Medien zum hauptsächlichen Ort der Meinungsäußerungen geworden sind, beherrschten zwischen 1933 und 1945 vornehmlich Plakate und Anschläge die politische Medienlandschaft. Das gesprochene Wort auf Veranstaltungen und Kundgebungen kam hinzu. Das Radio steckte in den Kinderschuhen, das Fernsehen war noch nicht entwickelt.
Anhand zahlreich vorhandener Quellen in Archiven und Sammlungen kann ein fast lückenloses Bild der Propagandastrategien des »Dritten Reiches« nachvollzogen werden. Die maßgeblichen Protagonisten waren Adolf Hitler und Reichspropagandaminister Joseph Goebbels. Thesenhaft darf behauptet werden, dass sich sowohl Hitler als auch Goebbels sehr intensiv mit Reklame, ihrer Verbreitung und den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Zeit zu deren Wirkungsmechanismen auseinandergesetzt haben. Beide nutzten in ihren Schriften die Begriffe Reklame und Propaganda beinahe synonym. Die Bemerkungen in »Mein Kampf« lassen erahnen, dass Hitler nicht nur während seiner Festungshaft nach dem gescheiterten Putsch 1923 Literatur über Reklame und Propaganda gelesen hat. So schrieb Hitler: »Bei meinem aufmerksamen Verfolgen aller politischen Vorgänge hatte mich schon immer die Tätigkeit der Propaganda außerordentlich interessiert. Ich sah in ihr ein Instrument, das gerade die sozialistisch-marxistischen Organisationen mit meisterhafter Geschicklichkeit beherrschten und zur Anwendung zu bringen verstanden. Ich lernte dabei schon frühzeitig verstehen, dass die richtige Verwendung der Propaganda eine wirkliche Kunst darstellt«.1Adolf Hitler: Mein Kampf. Eine kritische Edition, Bd. 1, München/Berlin 2016, S. 489
Kunst der Inszenierung
Goebbels stellte in einer Rede fest: »Es ist uns vielfach der Vorwurf gemacht worden, dass wir die deutsche Kunst zu einer bloßen Propagandaangelegenheit herabwürdigten. Herabwürdigten – wieso? (…) Ist die Propaganda, wie wir sie verstehen, nicht auch eine Art von Kunst? (…) Ist die nationalsozialistische Bewegung vielleicht durch die Theoretiker oder durch die Propagandisten an die Macht gekommen?«2Joseph Goebbels, zit. n. ebd, S. 488 Tatsächlich verstanden die Faschisten auf grafischem Gebiet den Einsatz der Propaganda meisterhaft für ihre Ziele zu nutzen. Sie analysierten Plakate und Werbeschriften der politischen Gegner genau, wandten die damals neuen Methoden der Werbepsychologie an und gaben, wenn auch zum internen Gebrauch, sogar eine psychologische Betrachtung zum politischen Plakat heraus. Im Vorwort heißt es: »Dem politischen Plakat aber haben wir es auf jeden Fall mit zu verdanken, dass die liberalistische und eine marxistische Weltanschauung zu Boden gezwungen wurde, und dass der Nationalsozialismus für sich das Reich erobert hat.«3Erwin Schockel: Das politische Plakat, München 1938, S. 5
Die Nazipropaganda setzte jedoch nicht erst 1933 mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler ein. Die NSDAP nutzte sie schon früh zur Massenbeeinflussung: ab 1923 mit der Tageszeitung Völkischer Beobachter und ab Mitte der 1920er Jahre mit Goebbels Kampfblatt Der Angriff. Man setzte auf Diffamierungen des Parlamentarismus und demokratischer Politiker, auf öffentliche Aktionen und Inszenierungen, Saal- und Straßenschlachten, die in Berlin durch Goebbels organisiert und koordiniert wurden – immer mit dem Ziel, Schlagzeilen zu machen.
Die Propaganda zu den Wahlen und anderen Ereignissen richtete sich in erster Linie an die Bevölkerung, die Masse, welche nach Hitlers Auffassung weniger gebildet sei. Das Ziel war es, sie mit schlichten Schlagworten und stetiger Wiederholung der Parolen zu überzeugen. Ziel war natürlich auch, weite Teile der Arbeiterschaft, organisiert in KPD oder SPD, auf die Seite der NSDAP zu ziehen. Dies sollte vornehmlich mit der öffentlichen freien Rede, also dem gesprochenen Wort, auf Kundgebungen und Versammlungen erreicht werden. In der Weimarer Republik und dann im »Dritten Reich« waren diese Überzeugungsmethoden wahrscheinlich das wichtigste Mittel überhaupt. Hinzu kam die politische Überzeugungswerbung durch Zeitungen und Zeitschriften sowie auf Straßen und Plätzen mit Plakaten oder Flugblättern. Ab 1933 kam der »Volksempfänger« hinzu.
Das potentiell schnelle Erfassen eines Plakates im großen Format an der Litfaßsäule oder Anschlagtafel, die billige Herstellung und mögliche massenhafte Verbreitung rückten, ähnlich wie bei der Produktwerbung, das Plakat in den Fokus. Allerdings sah Hitler den künstlerischen Anspruch im Sinne von Viktor Mataja hintangestellt: »Man darf aber auch die Sache nicht gar zu geistig auffassen, im Plakate zu sehr die künstlerische Seite und zu wenig das Geschäftliche beachten. Der Kaufmann will mit seinen Ankündigungen die Menschen anziehen, aber nicht erziehen, er will für sein Geschäft werben und nicht für neue Stilarten.«4Viktor Mataja: Die Reklame, München/Leipzig 1926, S. 137 Dennoch, die Wirksamkeit eines Plakates lässt sich mit der künstlerischen Gestaltung und Einheit von Wort, Bild und Schrift erheblich steigern.
Diese Erkenntnis führte wohl auch dazu, dass für wichtige Ereignisse bekannte Grafiker wie Eugène Max Cordier, Wilhelm Jakob Engelhardt, Max Eschle, Ludwig Hohlwein, Richard Klein, Engelbert Schoner, Siegmund von Suchodolski oder Jupp Wiertz beauftragt wurden. Allerdings hatten die besten Werbegrafiker Deutschland Mitte der 1930er Jahre längst verlassen, waren ihrer Ämter enthoben oder mit Berufsverbot belegt worden: zum Beispiel Lucian Bernhard, Ernst Deutsch, Julius Gipkens, Thomas Theodor Heine, Max Keilson, César Klein oder Hans Richter.
Kraft des Symbols
Die genaue Beobachtung und Analyse der Plakate des Gegners hatte in den 1920er Jahren für die Strategen der NSDAP Priorität. Die kommunistische Bewegung hatte Hammer und Sichel, den Stern, die rote Fahne. Dem sollte etwas entgegengesetzt werden. Hitler erkannte früh, dass ein Symbol Identität stiftet. Das Hakenkreuz, die SS-Rune oder auch der Adler sind in verschiedenen Ausführungen untrennbar mit dem »Dritten Reich« verbunden. Das Hakenkreuz ist als Zeichen überaus prägnant, wurde aber von den Nazis nicht erfunden. Es kommt auf der ganzen Welt in verschiedenen Kulturen und Zusammenhängen vor. Im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert fand das Hakenkreuz Eingang in die Heraldik. Es wurde von der esoterischen und okkulten deutschen »Völkischen Bewegung« und der »Thule-Gesellschaft«, der ab 1920 auch Hitler, Heinrich Himmler und Hermann Göring angehörten, als Symbol benutzt und als Kennzeichen der Arier verstanden. Das Symbol des Glückes und des Heils richtete sich fast ausschließlich nach links. Das nach rechts gedrehte Sonnenrad bedeutete Untergang. Interessanterweise entschied sich Hitler für das nach rechts gerichtete Hakenkreuz. Bis heute ist nicht genau geklärt, was ihn dazu bewegte. Hitler selbst beanspruchte für sich, diese Gestaltung entwickelt zu haben.5Hitler: Mein Kampf (Anm. 1), S. 140f. Es existierten sowohl gerade stehende als auch um 45 Grad gedrehte, dynamischere Varianten. Das Hakenkreuz wurde 1935 im Rahmen der Nürnberger Gesetze zum Hoheitszeichen des Deutschen Reiches erhoben und die Hakenkreuzfahne als Nationalflagge festgelegt.
Alle Propaganda diente dem Ziel, Ideologie zu verbreiten, kritische Stimmen zu verbieten, Hitler als »Führer«-Figur zu installieren und seine Macht zu festigen. Die Machtsymbole waren eingebettet in eine umfangreiche Fest- und Veranstaltungskultur mit Aufmärschen, Fackelzügen, inszenierten Sportveranstaltungen, Parteitagen, Paraden, Lichtinstallationen. Die Bilder davon verbreitete man in Form von Postkarten, in Tageszeitungen und Zeitschriften. Filme, abendfüllend oder als Wochenschau im Kino, berichteten bildgewaltig mit Hilfe modernster Schnitt- und Kameratechnik von den Ereignissen mit begeisternden Kommentatoren.
Neben dem Hakenkreuz als Hoheitszeichen, der gezackten Sigrune – in ihrer Doppelung als SS-Abzeichen der Schutzstaffel – oder dem Reichsadler spielten die Farbigkeit Schwarz-Weiß-Rot und natürlich die Bilder eine Rolle: häufig extra angefertigte Propagandafotografien oder realistische Zeichnungen. Abstraktion oder Verfremdung von bildlichen Darstellungen wurden als »entartet« diffamiert und gehörten nicht zum gängigen Abbildungsstil des »Dritten Reiches«.
Plakat und Schrift
Da kein Plakat ohne Text in Form von Information oder Parolen auskommt, erhält die Schrift besondere Bedeutung. Im deutschen Schrifttum dominierte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Fraktur, eine in ihren Konturen gebrochene Schrift. Sie war in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum entstanden und hat ihre Vorläufer in der gotischen Textur, der Rundgotisch und regionalen Ausprägungen der Bastarda.6Die Bastarda bezeichnet eine Schrift, die eine gut lesbare Type darstellt, vermittelnd zwischen Buchschrift und Handschrift. Vgl. Albert Kapr: Fraktur. Form und Geschichte der gebrochenen Schriften, Mainz 1993, S. 14ff. Gebrochene Schriften entstanden über die nachfolgenden Jahrhunderte in immer wieder anderen Ausprägungen und prägten deutsche Lesegewohnheiten. Populäre Texte, Märchen und konfessionelle Veröffentlichungen wurden in gebrochenen Schriften gedruckt. Mit der Gründung des Deutschen Reiches wurde die Fraktur Amtsschrift. Otto von Bismarck lehnte sogar ab, Texte in deutscher Sprache aber lateinischer Schrift zu lesen.7Ebd., S. 68 Den vorläufigen Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung um die Wahl der Buchstabenform in einer Sitzung des Deutschen Reichtags vom 4. Mai 1911. Eine abschließende Abstimmung zugunsten einer der beiden Schriftarten erfolgte nicht. Schrifthistorisch ist interessant, dass sich die Politik überhaupt mit der Wahl von Schrifttypen beschäftigte und es Stimmen gab, die Fraktur als nationales Erbe zu bewahren.
Fast alle Drucksachen der NSDAP – Zeitungen, Zeitschriften, Flugblätter, Plakate und Bücher, wie Hitlers »Mein Kampf« – wurden in Fraktur gedruckt. Nach der Machtübernahme im Januar 1933 wurde diese Schrifttype auch für amtliche Drucksachen gefordert. Die serifenlosen Groteskschriften, welche von Jan Tschichold und der um ihn entstandenen Bewegung um eine moderne Typographie favorisiert und neue entwickelt wurden, brandmarkte man schnell als »bolschewistisch« und bekämpfte sie. Ihre Schöpfer mussten alsbald emigrieren. Gleichzeitig hielten sich humanistisch gesinnte Schriftentwerfer in den 1930er Jahren mit neuen Entwürfen zurück. Das Interesse am gut gestalteten Buch ging auch durch öffentliche Bücherverbrennungen sowie die Abschaffung der Auszeichnungen der schönsten deutschen Bücher zurück. Weniger talentierte Stempelschneider füllten die Lücken und entwarfen nicht aus dem Schreiben heraus, sondern mit Lineal gezogene, strenge und teilweise leblos wirkende gebrochene Schriften wie die »Deutschland«, »Tannenberg«, »Element«, »National« oder »Standarte«. Denen gaben die Schriftsetzer gern den Spottnamen »Schaftstiefelfraktur«. Tatsächlich spiegelten die Schriftbilder den Gleichschritt der Massen, Disziplin und Gleichschaltung wider.
Nach Kriegsbeginn schwenkte Hitler in seiner Argumentation zu Beginn des Jahres 1941 um und erließ ein von Martin Bormann unterzeichnetes Rundschreiben gegen die Benutzung gebrochener Schriften. Der Erlass ordnet an, nur noch die sogenannte Normalschrift, gemeint ist die Antiqua, zu verwenden. Der Hintergrund ist leicht nachvollziehbar: Die Bevölkerung in den besetzten Gebieten in Polen, Frankreich, den Niederlanden, Belgien sowie den zur Eroberung vorgesehenen Ländern Jugoslawien, Griechenland und Sowjetunion konnte die gebrochenen Typen schlecht bis gar nicht lesen. Sie hätte so ein Argument gehabt, ausgestellte Befehle nicht zu befolgen. Zugleich wurde angewiesen, dass in der Schule nicht mehr in Sütterlin geschrieben wird, sondern in lateinischen Buchstaben, die leichter zu erlernen seien.
Bemerkenswert ist der Schrifterlass vor allem deshalb, weil er mit den »Schwabacher Judenlettern« argumentierte. Hitler nahm damit Bezug auf die Schwabacher Schrift, die Ende des 15. Jahrhunderts vorherrschend war (viele Ausgaben der Lutherbibel wurden in der Schwabacher Schrift gesetzt) und auch im 20. Jahrhundert noch Verwendung fand. Es findet sich jedoch laut ausgewiesener Schriftexperten keinerlei Hinweis, dass die Verbindung der Schwabacher mit dem Judentum schlüssig sei. Paradox ist in diesem Zusammenhang auch, dass es Juden ab 1937 verboten war, sich »deutscher« Schriften zu bedienen.
Dem Schriftenerlass wurde nur bedingt gefolgt. Es herrschte Krieg, der Rohstoff Blei für neue Schriften war knapp und wurde in der Rüstung gebraucht. Allerdings erschienen in grafischen Fachzeitschriften vermehrt Anzeigen mit Antiquaschriften, die natürlich in den Setzereien schon vorhanden waren. Drucksachen, welche im Ausland für Deutschland warben, wie Plakate für Ausstellungen oder für touristische Zwecke sowie international vertriebene Zeitschriften, waren schon vor 1941 häufig in Antiqua-Typen gesetzt worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden sich Fraktur-Typen meist nun noch in der Titelei von Zeitungen oder bei Werbetafeln, vornehmlich für Bier, wieder. Allerdings haben sich renommierte Schriftgestalter und Typographen in beiden deutschen Staaten, aber besonders in der DDR, mit dem Erbe der gebrochenen Schriften traditionsbewusst auseinandergesetzt und den schönen Formen der Fraktur, der Schwabacher oder der Gotischen Typen eine neue Renaissance beschert.
Braune Reklame
Im März 1933, zur Reichspräsidentenwahl, war der Wahlkampf der NSDAP ganz auf Hitler ausgerichtet. Unter Verwendung der Aufnahmen von Hitlers Leibfotografen Heinrich Hoffmann, ab 1920 NSDAP-Mitglied, erschienen Plakate in Schwarzweiß. Hoffmanns Bilder trugen maßgeblich zum Personenkult um den »Führer« bei.
Der Grafiker Hans Schweitzer bediente sich der Formensprache der proletarisch-revolutionären Kunst mit kräftigen Pinselstrichen und klarer Farbe. Schweitzer signierte seine Plakate mit »Mjölnir«, in Anspielung auf den Hammer des germanischen Donnergottes Thor. Er war bereits seit 1926 NSDAP-Mitglied und lernte in dem Jahr Goebbels persönlich kennen. Beide verband bis 1930 eine enge Männerfreundschaft mit fast täglichen Begegnungen. Goebbels lobte Schweitzer in seinem Tagebuch: »Schweitzer ist ein fabelhafter Zeichner. Er hat die große Gabe, in wenigen Strichen das Wesentliche zu sagen. Das kann nur der Meister.«8Joseph Goebbels: Tagebücher, Bd, 1: 1924-1929, hg. v. Ralf Georg Reuth, München/Zürich 2008, S. 295 Folgerichtig wurde Schweitzer zum Zeichner der »Kampfzeit« stilisiert und im Völkischen Beobachter 1934 überschwänglich gelobt.9Gunter D’Alquen: Mjölnir, der Zeichner des Nationalsozialismus, Völkischer Beobachter, 7.3.1934, o. S., zit. n. Birgit Witamwas: Geklebte NS-Propaganda. Verführung und Manipulation durch das Plakat. Berlin/Boston 2016, S. 57 Er bildete den Typus des »arischen Volksgenossen«, den »Kämpfer für den Nationalsozialismus« ab, als unerschrockenen und unbarmherzigen SA-Mann nach den Vorgaben der Rosenbergschen Rassenideologie.
Schweitzer nahm eindeutig nachweisbar Bezüge zur linken Kunstszene auf. Erklärtes Ziel war das Gewinnen der Arbeiterschaft als NSDAP-Wähler – mit vergleichbaren Bildern, wie sie im Umkreis der Assoziation revolutionärer bildender Künstler (Asso), zum Beispiel bei Alfred Frank, zu finden waren. Bilder von heranströmenden Menschenmassen erschienen in den 1920er Jahren wiederholt in linken Zeitungen zum Beispiel von Karl Völker, waren gängige Bildmotive bei Frans Masereel, Käthe Kollwitz oder Otto Griebel. Die Vergleiche zur kommunistischen bzw. sowjetischen Plakatgestaltung der 1920er sind ebenso ersichtlich.
Der Münchner Ludwig Hohlwein gehörte zu den wichtigsten Werbegrafikern Deutschlands schon vor dem Ersten Weltkrieg. Er wurde ob seiner trefflichen Bilderfindungen und wirksamen Produktreklame hoch gelobt. So erstaunt es nicht, dass sich die Nazipropagandisten schon vor 1933 an die Reklameikone wandten. Hohlwein unterhielt enge Kontakte zu den späteren Machthabern, war Mitglied der NSDAP, der Reichskulturkammer der bildenden Künste, der NS-Volkswohlfahrt und der Kameradschaft der Künstler. Auch war er einzelnen Nazipolitikern freundschaftlich verbunden.10Volker Duvigneau; Norbert Götz (Hg.): Ludwig Hohlwein 1874–1949. Kunstgewerbe und Reklamekunst, Katalog Münchener Stadtmuseum, München 1996, S. 25f. Ob für den Stahlhelm, zur Reichstagswahl am 6. November 1932, Reichsjugendtagen, für den Bund Deutscher Mädel (BDM), das Winterhilfswerk, die Olympischen Spiele 1936, den Autobahnbau, Ausstellungen, Festen, Veranstaltungen – die Plakate Hohlweins warben farbig mit eindrücklicher Wirksamkeit für die faschistische Ideologie.
Fotografierte, diagonal in die Plakatfläche ausgestreckte Arme oder Hände finden sich seit Mitte der 1920er Jahre in sowjetischer Plakat- und Buchgestaltung, aber auch bei John Heartfield. Die diagonal ausgerichtete Bildästhetik hat ihre Ursprünge in der sowjetischen Revolutionsgrafik ebenso wie in frühen Filmen Sergej Eisensteins. Die Fotografin Lucia Moholy, die am Staatlichen Bauhaus in Weimar tätig war, spielte ebenso mit dem Schräghalten der Kamera wie die sowjetischen Fotografen Alexander Rodtschenko oder Gustav Klucis. Die kurze und prägnante Losung »Arbeit und Brot« war eine zentrale Forderung des Wahlkampfes. KPD und SPD hatten diese wiederholt in ihrer Propaganda benutzt. Die NSDAP übernahm die positiv besetzte Forderung in Krisenzeiten, um das Versagen anderer Parteien zu verdeutlichen.
Auf den »Führer« ausgerichtet
Der Personenkult um Hitler als Reichskanzler und damit alleinige Führungsperson wurde mit Blättern gesteigert, die Hitler heroisierend in Untersicht, denkmalartig darstellten. Fotografierte Massenszenen waren Ende der 1920er Jahre in den Sowjetunion bei Buchumschlägen oder Plakaten häufig zu finden. Die gesamte Plakatwerbung bis zur letzten Reichstagswahl 1938 war auf den »Führer« ausgerichtet. In Schwarzweiß oder farbig, gern versehen mit den Parolen »Ein Volk, ein Reich, ein Führer!«, »Führer, wir folgen Dir!« oder »Adolf Hitler ist der Sieg!«. Messianisch gesteigert erschien Hitler als Lichtgestalt vor dunklen Hintergründen, den Arm in Herrscherpose oder auf einer Stuhllehne liegend vor fotografierten Menschenmassen. Fotografische Personenplakate nehmen eine Sonderstellung in der Nazizeit ein. Die Fotomontage bzw. das Fotoplakat galt in den 1920er Jahren als Errungenschaft der linken Kunstszene um die russischen, niederländischen und deutschen Avantgarden am Bauhaus oder bei De Stijl sowie um John Heartfield. Schnell waren Fotoplakate in der Kultur-, Produkt- und Tourismuswerbung in Deutschland oder der Schweiz zu finden.
Mit den deutschen Eroberungsfeldzügen ab 1939 begann auch ein neuer Propagandafeldzug. Nun ging es nicht mehr darum, die Masse der Bevölkerung für die Politik empfänglich zu machen und Zustimmung zu erlangen. Nun ging es um die bedingungslose Bereitschaft zu kämpfen, sich mit Leib und Leben dem Krieg zu widmen. Bei diesen Plakaten dominieren Zeichnung und Malerei. In diesem Zusammenhang fallen Rekrutierungsplakate für die SA und SS auf, die Wehrmacht hatte aufgrund der existierenden Wehrpflicht kaum Werbung nötig. Allen ist gemeinsam, dass sie den Kriegsdienst verherrlichen, Männer in Uniform, vielfach in heroisierender Untersicht, bewaffnet und mit entschlossenem Blick zeigen. Ab 1943 wurde in der Hitlerjugend zum freiwilligen Eintritt in die SS geworben. Ottomar Anton ahmte den flotten Zeichenstil von Hohlwein nach und verbildlichte das Ziel der Indoktrination junger Menschen mitttels glorifizierender Darstellung. Den Untergang aber konnten die letzten propagandistischen Zuckungen des Naziregimes nicht mehr aufhalten.
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- 1Adolf Hitler: Mein Kampf. Eine kritische Edition, Bd. 1, München/Berlin 2016, S. 489
- 2Joseph Goebbels, zit. n. ebd, S. 488
- 3Erwin Schockel: Das politische Plakat, München 1938, S. 5
- 4Viktor Mataja: Die Reklame, München/Leipzig 1926, S. 137
- 5Hitler: Mein Kampf (Anm. 1), S. 140f.
- 6Die Bastarda bezeichnet eine Schrift, die eine gut lesbare Type darstellt, vermittelnd zwischen Buchschrift und Handschrift. Vgl. Albert Kapr: Fraktur. Form und Geschichte der gebrochenen Schriften, Mainz 1993, S. 14ff.
- 7Ebd., S. 68
- 8Joseph Goebbels: Tagebücher, Bd, 1: 1924-1929, hg. v. Ralf Georg Reuth, München/Zürich 2008, S. 295
- 9Gunter D’Alquen: Mjölnir, der Zeichner des Nationalsozialismus, Völkischer Beobachter, 7.3.1934, o. S., zit. n. Birgit Witamwas: Geklebte NS-Propaganda. Verführung und Manipulation durch das Plakat. Berlin/Boston 2016, S. 57
- 10Volker Duvigneau; Norbert Götz (Hg.): Ludwig Hohlwein 1874–1949. Kunstgewerbe und Reklamekunst, Katalog Münchener Stadtmuseum, München 1996, S. 25f.