AfD-nahe Stiftung als wichtiges Organ der Parteiarbeit

In den jüngsten Debatten um die „Desiderius-Erasmus-Stiftung“ (DES) ging es in erster Linie darum, welche Möglichkeiten zum Ausbau von Ressourcen sie mit einer Teilhabe an der staatlichen Stiftungsfinanzierung erhalten würde. Übersehen wird dabei allzu oft, dass die AfD-nahe Stiftung schon jetzt wichtiger Bestandteil eines arbeitsteilig agierenden, (extrem) rechten Netzwerks ist.

Die erste Zusammenkunft – Ganz links unten Angelika Barbe, daneben Susanne Dagen und Max Otte, im gelben Blazer Erika Steinbach, davor Jacklin Chatschadorian, David Berger und Imad Karim ganz rechts. Hinter Barbe im dunkelblauen Hemd Ulrich Kutschera, schräg darüber Henning Zoz.

Etwa 50 Personen waren Teilnehmende eines Wochenendseminars der DES, das vom 26. bis 28. Januar 2024 im Star G Hotel in der Dresdner Altstadt abgehalten wurde. Bei Veranstaltungen wie dieser geht es nicht nur um Wissensvermittlung und inhaltlichen Austausch, sondern auch um die Netzwerkpflege. Beim gemeinsamen Frühstück oder dem Getränk am Abend ergeben sich immer wieder Möglichkeiten, sowohl mit bekannten Gesichtern der Stiftung, als auch mit Parlamentarier*innen, wie in diesem Fall u.a. den Mitgliedern der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Hugh Bronson und Harald Laatsch, ins Gespräch zu kommen.

Formal wurde die DES auf dem 9. Bundesparteitag der AfD im Juni 2018 in Augsburg als eigene parteinahe Stiftung anerkannt. Innerhalb weniger Jahre hat sich mit ihr eine Organisation etabliert, die im Sinne einer rechten, metapolitischen Strategie darum bemüht ist, diskursive Deutungshoheit zu erlangen und gesellschaftliche Wirkmächtigkeit zu erzielen.

Aktuell sind die Möglichkeiten aufgrund fehlender eigener Räume und finanzieller Mittel noch begrenzt. Dennoch spielt die DES bereits jetzt eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Vermittlung völkisch-nationalistischer sowie geschichtsrevisionistischer Positionen – und das nicht nur innerhalb der AfD.

(Neu)rechte Netzwerke

Wie bei fast allen parteinahen Stiftungen auch, handelt es sich bei der DES rechtlich gesehen um einen eingetragenen Verein. Der auf zwei Jahre gewählte Vorstand besteht aktuell aus zehn Personen. Bekanntestes Gesicht und Vorsitzende der Stiftung ist Erika Steinbach. Steinbach ist seit Jahrzehnten im (rechts-)konservativen Milieu beheimatet, war von 1974 bis 2017 Mitglied der CDU, für die sie von 1990 bis zu ihrem Parteiaustritt im Bundestag saß. Darüber hinaus war Steinbach von 1998 bis 2014 Präsidentin des revanchistischen „Bund der Vertriebenen“ (BdV). Im März 2018 übernahm sie den Vorsitz der DES und trat letztlich im Februar 2022 in die AfD ein.

Unterstützt und beraten wird der Vorstand durch ein Kuratorium. Hierin waren und sind auch relevante Personen aus der (extremen) Rechten vertreten, die die DES von Beginn an in ein vorzugsweise publizistisch tätiges Netzwerk eingebunden haben. Einzelne Mitglieder zeichnen sich selbst durch Vortrags- und Publikationstätigkeiten für die DES aus und tragen damit in einem nicht unerheblichen Maße zur strategischen und ideologischen Ausrichtung bei.

Zu diesen Personen gehören u.a. Karlheinz Weißmann und Ulrich Vosgerau. Das CDU-Mitglied Vosgerau sucht bereits seit Jahren die Nähe zur AfD. Größere Aufmerksamkeit erlangte er zuletzt durch seine vom Recherchenetzwerk „correctiv“ veröffentlichte Teilnahme an einem Treffen von Neonazis, (extrem) Rechten und Konservativen1correctiv Recherche zum Treffen in Potsdam, dass Ende November 2023 im Potsdamer „Landhaus Adlon“ stattgefunden hat.1  Karlheinz Weißmann sitzt seit 2018 im Vorstand des Kuratoriums und hat im Oktober 2021 dessen Vorsitz übernommen. Der langjährige Autor der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ gilt als „eine der prägenden Figuren neurechter Publizistik2Antifaschistisches Infoblatt: Das rechte Magazin „Cato“, 2017 und ist beständig darum bemüht, eine Diskursverschiebung nach rechts voranzutreiben. Hierzu kann auch sein Engagement bei der in Berlin ansässigen „Bibliothek des Konservatismus“ (BdK) gezählt werden.

Und insbesondere Weißmann dürfte darüber hinaus für die bestehende Kooperation zwischen DES und BdK verantwortlich sein, die offensichtlich nicht ganz uneigennützig geblieben ist. So wurde auf der DES-Mitgliederversammlung im September 2023 in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) beschlossen, dass im Falle einer Auflösung der DES das gesamte Vereinsvermögen an die „Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung“, die als Trägerorganisation der BdK fungiert, übergehen würde.3Protokoll der Mitgliederversammlung vom 23.09.2023

Finanzierung

Ende 2023 wurde das sogenannte Stiftungsfinanzierungsgesetz rechtskräftig. Mit diesem Gesetz werden erstmals Kriterien für die Finanzierung parteinaher Stiftungen festgeschrieben. Zu den Voraussetzungen gehört u.a., dass die jeweils nahestehende Partei in der mindestens dritten Legislatur in Folge in Fraktionsstärke in den Bundestag eingezogen ist.  Damit würde die DES frühestens nach einem nächsten Bundestagseinzug der AfD in den Genuss von entsprechenden Zuschüssen kommen können. Bis dahin ist sie auf Teilnahmebeiträge im Rahmen ihrer Veranstaltungen, Spenden und die Beiträge des „Freundeskreises der Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V.“ angewiesen.

Während die DES in Deutschland also auf finanzielle Mittel aus dem Bundeshaushalt warten muss, kann sie seit letztem Jahr auf einen europäischen Topf zugreifen. Seit März 2023 ist sie Mitglied in der europäischen „Stiftung Identität und Demokratie (ID-Foundation)“, die der extrem rechten „Identität & Demokratie“-Partei im EU-Parlament nahesteht. Aktuell gehören dieser Fraktion 59 Parlamentarier*innen aus neun europäischen Ländern an. Die AfD wirkt innerhalb der Fraktion bereits mit und hat auf ihrem Parteitag im Juli 2023 in Magdeburg den Beitritt zur Partei offiziell beschlossen. Die jeweils größten Gruppen neben der AfD bilden die extrem rechten Parteien „Lega“ (Italien) und „Rassemblement National“ (Frankreich).

Professionalisierung von Mandatsträger*innen und AfD-Mitglieder

Für eine Systematisierung der bisherigen Aktivitäten der DES wurde von uns eine Auswertung aller von Dezember 2017 bis Juli 2023 öffentlich angekündigten Veranstaltungen vorgenommen. Diesem Zeitraum lassen sich demnach mindestens 225 solcher Veranstaltungen zuordnen. Hierunter fallen auch fünf größere Kongresse, die meist zu historischen Jahrestagen organisiert werden, ein größeres Publikum mobilisieren und stark der Netzwerkpflege dienen. In der Mehrzahl jedoch wenden sich die Veranstaltungen und Seminare weniger an eine breite Öffentlichkeit, als vielmehr an Mandatsträger*innen und Mitglieder der AfD.

Rund ein Drittel der Seminare richtete sich gezielt an diesen Personenkreis, wobei der inhaltliche Fokus auf kommunalpolitischen Themen, wie der Einführung in die Haushaltspolitik, Gemeindeordnungen oder Baurecht lag. Ebenfalls beschäftigt wird sich mit Fragen zu verwaltungsrechtlichen Vorschriften aber auch mit Schulungen in Rhetorik.

Seminare die sich explizit an aktive Parteimitglieder richten, vermitteln Grundlagen zum Verhalten am Infotisch, zur Öffentlichkeitsarbeit oder zu den Aufgaben von Schatzmeister*innen.

Veranstaltungen ohne diesen praxisnahen Seminarcharakter betonen mehrheitlich die eigene Opferrolle und thematisieren eine angebliche Benachteiligung der AfD bzw. DES durch das „politische Establishment“ sowie die Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes für den Kampf gegen die AfD.

Dem ideologischen Hintergrund der relevanten Stiftungsakteur*innen entsprechend stellen darüber hinaus Veranstaltungen aus dem Themenfeld Volk und Nation einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt dar. Das damit verbundene Ziel besteht in einer positiven Neuinterpretation deutscher Geschichte sowie der Überbetonung eines sichtbar zu machenden kulturellen Erbes, das es zu bewahren gelte.

Fazit

Die DES erfüllt aktuell also mindestens zwei wichtige Funktionen: Mit ihren Seminarangeboten trägt sie zur Professionalisierung der Arbeit von AfD-Mandatsträger*innen und aktiven Parteimitgliedern bei.

Darüber hinaus nimmt sie eine Vermittlungsfunktion ein, die sich einerseits in die AfD richtet und dort verschiedene Strömungen aber auch die Parteibasis mit Parlamentar*innen zusammenbringt, während sie andererseits über die personelle und ideologische Einbindung wichtiger Stichwortgeber*innen ihren festen Platz im außerhalb der AfD agierenden Netzwerk der sogenannten „Neuen Rechten“ hat.

Dieser Artikel stammt vom Antifaschistischen Info-Blatt. Schaut gerne mal dort vorbei! Dort gibt es immer wieder gute Rechercheartikel über die rechte Szene, aber auch politische Analysen und Berichte rund um das Thema Anitfa und darüber hinaus.

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    correctiv Recherche zum Treffen in Potsdam
  • 2
    Antifaschistisches Infoblatt: Das rechte Magazin „Cato“, 2017
  • 3
    Protokoll der Mitgliederversammlung vom 23.09.2023