Traditionserlass: Nazi-Generäle als Vorbilder der Bundeswehr
Zukünftig sollen Nazi-Generäle und weitere Kriegsverbrecher als offizielle Vorbilder geehrt werden und zum Traditionsverständnis der Bundeswehr beitragen.
Am 12. Juli wurde das Papier „Ergänzende Hinweise zum Traditionserlass – Tradition der Bundeswehr. Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege“ von der Bundeswehr verabschiedet. Laut diesem soll auch überzeugten Faschisten des Nationalsozialismus gedacht werden.
Was ist der Traditionserlass?
Die erste Fassung des Traditionserlasses der Bundeswehr wurde bereits 1965 veröffentlicht. Damals sollte sie vor allem dazu dienen, der aus der Wehrmacht entsprungenen Bundeswehr einen einheitlichen „moralischen Kompass“ zu verleihen. Viele ehemalige hochrangige Generäle der Wehrmacht wurden nach der scheinheiligen „Entnazifizierung“ in die 1955 neu gegründete Bundeswehr aufgenommen und halfen maßgeblich bei ihrem Aufbau.
Nun stand man vor der Aufgabe zahlreichen Soldat:innen, die noch vor wenigen Jahren für Hitlerdeutschland in den Krieg gezogen waren und überzeugt von der Überlegenheit der deutschen Rasse ganze Völker unterworfen hatten, von der Idee eines „geeinten Europas“ und der „Vereinigung der Völker“ zu überzeugen.
Dazu sollte ein gemeinsames Verständnis von Tradition und Kultur dienen. Der Traditionserlass soll also als Teil der soldatischen Erziehung den „Zugang zu geschichtlichen Vorbildern, Erfahrungen und Symbolen“ ermöglichen, um somit den in “Gegenwart und Zukunft gestellten Auftrag besser zu verstehen und zu erfüllen“. Sie soll als „Kern der Erinnerungskultur“ dem „werteorientierten Selbstverständnis“ der Bundeswehr dienen.
Passend zu der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und seiner auf der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ basierenden Verfassung nahm zum Beispiel die „Bereitschaft zum Opfer für Freiheit und Recht“ als besondere Tugend der „ersten Wehrpflicht-Streitmacht in einem deutschen demokratischen Staat“ in der ersten Verfassung eine zentrale Rolle ein.
Neuer Traditionserlass im Zeitalter der „Kriegstüchtigkeit“
Der Grund für eine neue Fassung des Papiers wird mit der durch den „Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ausgelösten Zeitenwende“ und der steigenden Bedeutung von “Kriegstüchtigkeit” argumentiert. In einer Zeit, in der eine Werbekampagne nach der anderen losgetreten wird, um dem Personenmangel der Bundeswehr nachzukommen, müsse in der Traditionskultur der deutschen Armee wieder ein „größeres Augenmerkt auf militärische Exzellenz“ gelegt werden. Als „traditionsstiftende, identifikationsschaffende und stärkende“ Beispiele werden hier jedoch kurzerhand Nazigeneräle aus dem Dritten Reich herangezogen.
Diese Auswahl wird auch direkt gerechtfertigt. Entscheidend für die Traditionswürdigkeit von Soldaten sei das „Ergebnis eines sorgfältigen Abwägens zwischen etwaiger persönlicher Schuld und individueller Leistung“. Heißt im Klartext: Wenn man im Töten für das deutsche Reich besonders gut war, dann schaut der deutsche Staat über „persönliche“ Fehltritte hinweg. Immerhin erhebe das Traditionsverständnis der Bundeswehr auch keinen „Anspruch des makellosen Ideals“ und akzeptiere „menschliche Fehlbarkeit“.
Was hier in einem Nebensatz als „menschliche Fehlbarkeit“ abgetan wird, beinhaltet das Aushungern von einer Million Menschen infolge der Belagerung von Leningrad, die Ermordung Zehntausender beim Überfall auf Polen 1939, dem Massaker von Borova an der albanischen Bevölkerung und noch unzählige mehr. Daran waren u.a. Teile der im Traditionserlass genannten “Vorbilder” beteiligt.
Nazi-Generäle als Beispiel-Soldaten
Im Traditionserlass wird etwa Erich Topp als vorbildlich genannt. Erich Topp trat 1933 der NSDAP bei und 1934 der Allgemeine-SS, der „Freiwilligendienst“ der SS. Er war Kapitänleutnant der deutschen Kriegsmarine und galt als vierterfolgreichster U-Boot-Kommandant des Zweiten Weltkrieges. Er wurde unter anderem mit dem nationalsozialistischen Ritterkreuz und dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet.
Bis zum letzten Atemzug des Hitlerfaschismus verpflichtete sich Topp den Kriegsinteressen der Nazis. Noch vier Tage vor der bedingungslosen Kapitulation Hitlerdeutschlands wollte Topp seine U-Boot-Einheit so schnell wie möglich einsatzbereit bekommen. Nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 vernichtete er alle Geheimdokumente an Bord und schaffte einen reibungslosen Karrierewechsel in den Führungsstab der deutschen Marine ab 1958. In seiner Wehrmachtszeit war er für zahlreiche Schiffsversenkungen und unzählige Tote verantwortlich.
Unter anderem wird aber auch Günther Rall gedacht. Rall war Leutnant des Jagdgeschwaders 52 der deutschen Luftwaffe, welches für den Abschuss von fast 9.000 Flugzeugen verantwortlich war. 1941 nahm er als Teil der JG 52 an der Belagerung der griechischen Insel Kreta teil, an deren Nordküste in Kondomari Massenerschießungen an der griechischen Zivilbevölkerung stattfanden. Ebenfalls beteiligte er sich an der Operation Barbarossa, dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion.
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