AfD-Stadträte zu Besuch bei Götz Kubitschek

Auch wenn die AfD im Heidelberger Gemeinderat nach den Kommunalwahlen weiterhin in der Minderheitenposition bleibt, darf ihre Funktion als parlamentarischer Arm der Rechten auch hier nicht unterschätzt werden. Timethy Bartesch, Sven Geschinski und der neu eingezogene Albert Maul werden mit Blick auf die Bundestagswahlen im nächsten Jahr viel daransetzen, ihre Partei vor Ort als Alternative zum Bestehenden zu inszenieren. Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg werden ihnen mit großer Sicherheit weiteren Aufwind geben.

Im folgenden Text geht es um die Heidelberger AfD-Gemeinderäte Timethy Bartesch und Albert Maul, die die Nähe zu faschistischen Netzwerken suchen, wie sich exemplarisch an ihren Besuchen in Schnellroda zeigt. Ob sie dort ernst genommen werden, ist eine andere Frage – es zeigt jedoch, auf welche politischen Positionen sie innerhalb der AfD Wert legen und an welchen Inhalten sie sich orientieren.

Der kleine Ortsteil Schnellroda in Sachsen-Anhalt ist seit vielen Jahren ein rechter Knotenpunkt, der eng mit dem Aufstieg der AfD verbunden ist. Das liegt vor allem an der jahrzehntelangen Arbeit von Götz Kubitschek, der unter anderem mit dem Antaios-Verlag und dem „Institut für Staatspolitik“ (IfS) Infrastruktur und Austauschplattformen für strategisch denkende Faschist:innen etabliert hat.

Im Mai 2024 war es ein offensichtlich taktisch begründeter Schritt, das „Institut für Staatspolitik“ nach fast 25 Jahren formal aufzulösen. Das Risiko eines Verbots des strukturgebenden „Vereins für Staatspolitik“ war für Götz Kubitschek und Erik Lehnert zu groß geworden – die berechtigte Sorge vor Durchsuchungen und Beschlagnahmungen machte eine Umstrukturierung notwendig.

Der rechte Thinktank um Götz Kubitschek, die Schulungsangebote für junge Nazi-Kader, der lukrative Vertrieb rechter Literatur durch den Antaios-Verlag – all das ist keineswegs Geschichte, sondern wird in den nächsten Jahren möglicherweise noch stärker aufblühen. Denn an der Stelle von Vereinen stehen nun Unternehmen, die noch besser verzahnt sein dürften. Das Gasthaus „Zum Schäfchen“ und das „Rittergut“ in Schnellroda werden weiterhin Vernetzungsort für Identitäre, Neonazis, Burschenschafter und AfD-Funktionär:innen, für rassistische, antisemitische, völkische, sexistische, queerfeindliche und NS-verherrlichende Propaganda sein.

Albert Maul, der mit der Kommunalwahl 2024 anstelle von Jens Riedel in den Heidelberger Gemeinderat einzog, war am 08.07.2023 zu Gast beim „Sommerfest“ des Instituts für Staatspolitik. Eine Hauptattraktion war damals eine Buchvorstellung von Martin Sellner: „Regime Change von rechts“ erschien – wie auch das sehr ähnlich klingende Buch „Politik von rechts“ von Maximilian Krah – über Götz Kubitscheks Antaios-Verlag.

Die AfD erhielt wie üblich eine eigene Podiumsveranstaltung, bei der Maximilian Krah, Matthias Helferich und Andreas Lichert über Zukunftsstrategien der parlamentarischen Rechten diskutierten. Matthias Helferich ist zwar weiterhin Parteimitglied, wurde jedoch aus der AfD-Bundestagsfraktion ausgeschlossen, nachdem er sich selbst als „das freundliche Gesicht des Nationalsozialismus“ bezeichnet hatte.

Auch die „Identitäre Bewegung“ und ihre Nachfolgeorganisationen sind fester Bestandteil des Netzwerks in Schnellroda. Die Überschneidungen zwischen Identitären und der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ sind trotz formalem Unvereinbarkeitsbeschluss sehr deutlich. Beispiele dafür sind Anna Leisten und Reinhild Boßdorf. Anna Leisten pflegt als Vorsitzende der Jungen Alternativen Brandenburg nach wie vor gute Kontakte zum „Vorfeld“ in der Identitären Bewegung, während Reinhild Boßdorf das rassistische und queerfeindliche „Lukreta“-Projekt prägt.

Albert Maul fiel in Heidelberg vor allem im Kontext des Stadtteilvereins Neuenheim auf. Im September 2023 ging er einen AfD-kritischen Stadtrat vor dessen Geschäft verbal an und beleidigte ihn. In der Folge wurde Albert Maul, der bis dahin einige Jahre Beirat des Neuenheimer Stadtteilvereins gewesen war, aus dem Verein ausgeschlossen. Gegen den Ausschluss klagte er erfolgreich und bleibt Mitglied im Stadtteilverein, während er in der Zwischenzeit durch den Zugewinn eines Sitzes durch die Heidelberger AfD in den Gemeinderat einzog.

Timethy Bartesch veröffentlichte nach der Gerichtsverhandlung gemeinsam mit Albert Maul ein Video, in dem sie den „Sieg über den woken Mob“ feierten. Das Video filmten sie nicht vor dem Amtsgericht, sodern vor der Lokalredaktion der Rhein-Neckar-Zeitung, der sie eine gezielte Kampagne gegen die AfD vorwarfen.

Ein paar Wochen später, am 13.07.24, veröffentlichte Timethy Bartesch ein Video, in dem er sich vor dem Ortsschild von Schnellroda filmte und seine Teilnahme am Sommerfest von Kubitscheks Zeitschrift „Sezession“ aufzeichnete. Er wurde unter anderem von Albert Maul und Jens Riedel begleitet. Albert Maul, der wie oben erwähnt nicht zum ersten Mal in Schnellroda war, trug auf seinem T-Shirt einen Aufkleber: „döp dödö döp“ ist als rechter Szene-Code eine Anspielung auf die Melodie von Gigi D’Agostinos „L’Amour toujours“, zu dem seit letztem Jahr immer wieder die Nazi-Parole „Ausländer raus – Deutschland den Deutschen“ skandiert wird.

Timethy Bartesch war passend dazu im Deutschland-Trikot angereist und berichtete, sein Highlight wäre Martin Sellners Vortrag zum Thema „Remigration“ gewesen. Jens Riedel, der eigentlich auf Platz 3 der AfD-Liste für die Kommunalwahl gestanden hatte, hat sein Mandat im Heidelberger Gemeinderat nicht angetreten, wodurch Albert Maul nachgerückt war.

Riedel ist laut städtischen Informationen aus der AfD ausgetreten – der gemeinsame Besuch in Schnellroda legt jedoch nahe, dass das dem Verhältnis zu den anderen AfD-Stadträten wohl nicht geschadet hat.

Neben den üblichen Teilnehmer:innen aus dem rechten bis faschistischen Lager war eine Besonderheit in diesem Jahr ein Podium der drei Spitzenkandidaten der AfD für die im Osten anstehenden Landtagswahlen: Björn Höcke für Thüringen, Jörg Urban für Sachsen und Christoph Berndt für Brandenburg. Albert Maul präsentierte im Nachgang auf TikTok stolz eine von Höcke signierte Ausgabe des neofaschistischen Manifestes „Nie zweimal in denselben Fluss“ und bezeichnet sich selbst als „Höcke-Fanboy“. Dass Timethy Bartesch sich dem „patriotischen Lager“

zurechnet, ist ebenfalls keine Überraschung: Nach dem Vorbild von Maximilian Krah versucht Bartesch seit einiger Zeit, seine social media-Arbeit zu diversifizieren und zu professionalisieren.

Zuletzt zeigten sich Bartesch und Maul auf TikTok gemeinsam mit dem „Junge Alternative“-Funktionär Kilian Steinmann, der auch Mitglied der im August 2020 aufgelösten Aktivitas der Burschenschaft Normannia war. Im Prozess gegen ehemalige Burschenschafter der Normannia wurde gegen Steinmann, der als Zeuge gegen seine Bundesbrüder aussagen sollte, ein Verfahren wegen Falschaussage eingeleitet. Die drei Rechten hatten als AfD-Team „Gesichert stabil“ am diesjährigen Heidelberger Triathlon teilgenommen.

Fazit

Timethy Bartesch beklagt nicht selten die Umstände, unter denen er arbeitet: Die „woke Universitätsstadt“, die „Hetzjagden“ der Lokalpresse und nicht zuletzt die „Verharmlosung von Linksextremismus“ machten der AfD in Heidelberg das Leben schwer. Albert Maul kostete die negative Presse und sein Kampf gegen den Ausschluss aus dem Stadtteilverein nach seinem Einschüchterungsversuch viele Ressourcen. Dass sie in Schnellroda inmitten der genannten rechten Szenegrößen überhaupt wahrgenommen werden, darf also bezweifelt werden. Das Erstarken der AfD wirkt sich jedoch auch jetzt schon hier aus und wird in den nächsten Jahren noch deutlicher zu spüren sein.

Die Besuche von Timethy Bartesch und Albert Maul in Schnellroda geben daher vor allem Aufschluss darüber, welche politische Strömung die Heidelberger Gemeinderäte vertreten und an welchen Inhalten sie sich orientieren. Aus ihrer völkischen Ideologie machen die Heidelberger Stadträte Timethy Bartesch und Albert Maul zumindest online keinen Hehl mehr.

Bildquellen: Objektiv Ost, Dokunetzwerk Rhein-Main, Recherche Nord

Danke an alle antifaschistischen Fotograf:innen!