Von AfD-Bürgermeistern und Neonazis

Sommer 2023: In der Kleinstadt Raguhn-­Jeßnitz haben sich einige Dutzend Menschen vor dem Wahlkreisbüro der AfD versammelt. Sie sind gekommen, um dem Ergebnis der Stichwahl für das Bürgermeisteramt entgegenzufiebern. In der Menge auch Jürgen Elsässer, Chefredakteur des extrem rechten „Compact-Magazin“ und der verurteilte Holocaustleugner Reza Begi. Bevor das offizielle Endergebnis bekanntgegeben wird, wünscht Begi im Interview den „Doppel-Wumms“, nachdem kurz zuvor im thüringischen Sonneberg bereits die Landratswahl durch die AfD gewonnen werden konnte. Sein Wunsch soll erhört werden, wenige Minuten später ist Hannes Loth der erste gewählte AfD-Bürgermeister Deutschlands.

Milieus im Harz verschmelzen

Als Wahlkampfhelfer von Hannes Loth unterwegs war Silvio Lechte vom AfD-­Kreisverband Harz. Er steht sinnbildlich für das enge Zusammenspiel der verschiedenen (extrem) rechten Milieus im Nordharz. Erste sichtbare politische Erfahrungen sammelte er in Neonazi-Kreisen. So war er im Umfeld von „Die Rechte“, dem „Kollektiv Nordharz“ und der „Europäischen Aktion“ unterwegs. Nach Beginn der Coronapandemie tauchte Lechte dann verstärkt auf Demonstrationen der Pandemieleugner:innen-Szene auf, bevor er sich offen der AfD zuwandte.

Am 19. Juli 2023 lud der neu gegründete Verein „Schöne Harzer Heimat“ zu einem „Informationsabend“ mit etwa 150 Zuhörer:innen im Alten Schützenhaus (Catering Harz) in Blankenburg ein. Der Verein stellt sich selbst als Bürgerini­tiative dar und mobilisiert mit Scheinargumenten und Verschwörungstheorien gegen den Bau von Windkraft- und Photo­voltaikanlagen im Harz. Beim „Informationsabend“ vertraten Akteure der regionalen AfD und verschiedene AnhängerInnen der völkischen Gruppe „Weda Elysia“ aus Wienrode (Vgl. AIB Nr. 134) den Verein. Als Referenten traten in Blankenburg u.a. der eng mit „Weda Elysia“ verbundene André Koppelin aus Hüttenrode, der Stapelburger AfD-Politiker Merten Wittig-Brandt und der „die Basis“-Kandidat Volker Eyssen aus Salzgitter auf.

Männerbünde

Schon früh bildete sich in Magdeburg und Umland ein Klüngel aus AfD-Politikern, die sich männerbündisch gegenseitig unterstützten und mit Posten versorgten. Im Zentrum der Gruppe standen Frank Pasemann, Ronny Kumpf, Jan Wenzel Schmidt, Stefan Träger und Oliver Kirchner. In einem umfangreichen „Verbündeten-Chat“ von 2017, der „LSA-rechtsaussen“ als Protokoll vorliegt, werden innerparteiliche Machtkämpfe deutlich. In der Öffentlichkeit wurden diese parteiinternen Grabenkämpfe in Sachsen-Anhalt oft auch als Streit um die Abgrenzung nach Rechtsaußen dargestellt. Tatsächlich ging es dabei maximal um die Außenwirkung – hintergründig viel mehr um persönliche Abneigungen und Postengeschacher. So nutzten beide Seiten Vorwürfe zu neonazistischen Kontakten der jeweils anderen Seite, um diese zu diskreditieren. Im Auftrag Pasemanns erstellte gar der ehemalige NPD-Kandidat Stefan Träger aus der Börde ein Dossier, das wiederum Umtriebe von Neonazis im Kreisverband Börde unter Steffen Schröder beweisen sollte und in einem (erfolglosen) Antrag zu dessen Auflösung mündete.

Ausschluß ohne Folgen

Obwohl Pasemann bereits 2020 nach langen Querelen aus der Partei ausgeschlossen wurde, ist er weiterhin für den Kreisverband Magdeburg in verschiedenen Rollen tätig gewesen. Das mittlerweile offiziell aufgelösten AfD-Netzwerk „Flügel“ um Björn Höcke hatte direkte Verbindungen zu Pasemann. Ein „Flügel“-Spendenkonto hat Pasemann von 2018 bis 2019 auf so dubiose Weise verwaltet, dass dadurch Geldwäsche-Ermittlungen ausgelöst wurden. Um Mitgliedsbeiträge und Spenden für den „Flügel“ über den dazugehörigen „Konservativ! e.V.“ einzusammeln, hatte Pasemann ein Konto für Mietkautionen seiner Hausverwaltungsfirma „OPM – Verwaltungs UG“ genutzt. Nach Bekanntwerden des Kontos und im Angesicht möglicher Verstöße gegen das Parteiengesetz hatte Pasemann öffentlich bestritten, Spenden für den Flügel gesammelt zu haben. Kontoauszüge legen jedoch Zahlungen nahe, darunter sind auch solche mit Mitgliedsnummern, die sich explizit auf den „Flügel“ beziehen. Beglichen wurden über das Konto etwa vom Thüringer Landesverband der AfD oder dem hessischen Landtagsabgeordneten Heiko Scholz ausgestellte Rechnungen, sowie Auslagen für die „Flügel“-Feste. Letztlich waren auch diese Vorgänge Teil des erfolgreichen Parteiausschlussverfahrens gegen Pasemann, welches große Teile der Landespartei dennoch nicht davon abhält, mit ihm zu kooperieren.

Abgeordnete, Mitarbeiter:innen und Kooperationen

Beim Sommerfest des „Compact-Magazins“ am 27. August 2022 forderte der AfD-Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider, die AfD solle zukünftig mit den „Freien Sachsen“ kooperieren. Auch deren Chef Martin Kohlmann nahm an der Veranstaltung teil, er reiste mit dem ehemaligen Dortmunder „Die Rechte“-­Kader Michael Brück an.

Wenig später, im Oktober 2022, fingen sich Tillschneider und sein Landtags-Kollege Daniel Wald eine Rüge des AfD-Bundesvorstands ein: Gemeinsam mit Christian Blex aus NRW waren sie in den russisch besetzten Teil der Ostukraine gereist, finanziert offenbar aus Mitteln der Landtagsfraktion. Im Juni 2023 reiste Tillschneider schließlich auf das „Internationale Wirtschaftsforum“ in St. Petersburg und gab russischen Sendern fleißig Interviews.

Seit 2022 als Referent für Bildung, Kultur und Wissenschaft tätig ist der Neonazi Eric Kaden. Als ehemaliges Mitglied der „Wiking-Jugend“ und Anhänger der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) fügt sich Kaden bestens neben den Ex-Aktivisten der HDJ ein, die ebenfalls langjährig bei der Fraktion beschäftigt sind: Patrick Harr und Laurens Nothdurft. Parlamentarische Erfahrung konnte er schon zuvor Sammeln, nämlich als Mitarbeiter der NPD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern.

Als Assistent der Fraktionsgeschäftsführung und des Fraktionsvorstands ist Joel Bußmann angestellt. Bußmann ist Burschenschafter bei der „Gothia Berlin“ und nahm an Demonstrationen der „Identitären Bewegung“ (IB) teil. In der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion arbeitet der „neu-rechte“ Publizist Sebastian Hennig. Bekanntheit im Bezug zur AfD erlangte Hennig vor allem durch seinen Interviewband „Nie zweimal in denselben Fluss“, in dem Björn Höcke seine politischen Ansichten und Positionen erläutert.

Seit 2020 ebenfalls für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist Isabell Bernsee. Die ehemalige Kandidatin der TV-Sendung „Bachelor in Paradise“ stammt aus Burg, wo ihr Vater die Kampfsportschule „Fighting Spirit“ betreibt. Im selben Gebäude befinden sich auch das Wahlkreisbüro des AfD-Abgeordneten Jan Scharfenorth. In Burg ist „Fighting Spirit“ fest verankert, richtet etwa Schulmeisterschaften und Projekttage für Schulklassen aus. Am 1. Oktober 2022 fand ein Kampfsporttraining der AfD-Jugend unter Leitung von Dirk Bernsee in Burg statt.

Für den Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt arbeitet der Neonazi Mario Müller. Er war einer der Köpfe der „Identitären Bewegung“ in Halle/Saale gewesen und betrieb „Anti-Antifa“-Recherchen.

Dokumente, die „LSA-rechtsaussen“ vorliegen, verstärken den Verdacht, dass es eine Art Zusammenarbeit der AfD-Fraktion mit der extrem rechten Initiative „Ein Prozent“ gab. 2018 fiel auf, dass eine Kampagne gegen den zivilgesellschaftlichen Verein „Miteinander“ offensichtlich gemeinsam koordiniert wurde. Während die Partei parlamentarische Anfragen stellte und einen Untersuchungsausschuss zum „Linksextremismus“ einsetzen wollte, lieferte „Ein Prozent“ mit eigenen „Recherchen“ scheinbaren Zündstoff. Es gab aber vermutlich nicht nur eine Abstimmung zwischen den Akteuren, sondern „Ein Prozent“ übernahm mutmaßlich teilweise die parlamentarische Arbeit der Fraktion. So soll etwa eine Große Anfrage im Landtag weitgehend durch „Ein Prozent“ formuliert worden sein.


Dieser Artikel stammt vom Antifaschistischen Info-Blatt. Schaut gerne mal dort vorbei! Dort gibt es immer wieder gute Rechercheartikel über die rechte Szene, aber auch politische Analysen und Berichte rund um das Thema Anitfa und darüber hinaus.