Vollversammlung bezieht Stellung zur Diskussion im Gemeinderat
Mannheim. Eigentlich ging es in der Gemeinderatssitzung am 1. Oktober 2024 um die Neuregelung von Energiekostenzuschüssen für verschiedene Einrichtungen, doch die AfD nutzte die Gelegenheit, um gegen das JUZ in Selbstverwaltung Friedrich Dürr auszuteilen. Den Beschluss wolle man nur mittragen, wenn das JUZ davon ausgeschlossen sei.

CDU Fraktionschef Claudius Kranz nutzte die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass seine Fraktion bereits 2017 einen Antrag zur Streichung der Zuschüsse des JUZ gestellt hatte. Der Antrag fand damals keine Mehrheit. Selbst die CDU war sich nicht einig. Der Rechtsanwalt Kranz nutzte jedoch die Gelegenheit für eine kleine rechtliche Beratung der AfD, wie man bei den kommenden Haushaltsberatungen einen entsprechenden Antrag korrekt stellen müsse.
Tags darauf ruderte Kranz zurück und ließ im Mannheimer Morgen verlauten, einem solchen AfD Antrag nicht zuzustimmen, gegebenenfalls aber einen eigenen stellen zu wollen. Man wolle aber davor das Gespräch mit dem JUZ suchen. Mit den neuen Mehrheitsverhältnissen im Gemeinderat, insbesondere aufgrund der zusätzlichen Sitze der AfD, hätte ein solcher Antrag bessere Chancen, als noch im Jahr 2017.
Die Vollversammlung des JUZ reagierte mit einer Stellungnahme, in der die Geschehnisse zusammengefasst werden und die dazu aufruft, demokratische Werte durch selbstverwaltete Jugendarbeit zu stärken.
(red kim)
Stellungnahme der Vollversammlung des Jugendzentrums in Selbstverwaltung Friedrich Dürr
zu den Aussagen des CDU-Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats Claudius Kranz über das JUZ während der Gemeinderatssitzung am 01.10.2024.
Bei einer Debatte über die neu geregelten Energiekostenzuschüsse für alle Mannheimer Jugendeinrichtungen mit Gebäuden über 200qm kam es zu einer kurzen, von der AfD angestoßenen Debatte über die finanziellen Zuschüsse des Jugendzentrums in Selbstverwaltung Friedrich Dürr (JUZ). Hierzu meldete sich Claudius Kranz zu Wort und stellte klar, dass die CDU nur aus rechtlichen Gründen für die Neuordnung des Zuschusses stimme und riet der AfD-Fraktion, einen Antrag zu den Etatberatungen der Stadt für das kommende Haushaltsjahr einzubringen: auf diesem Wege könne dem JUZ rechtlich sicher der Zuschuss entzogen werden. „Tags drauf stellt Kranz auf ‚MM‘-Anfrage klar, dass die CDU einem entsprechenden Antrag der AfD nicht zustimmen, sondern gegebenenfalls einen eigenen stellen werde.“ (Mannheimer Morgen vom 04.10.2024)

Von der fehlenden Abgrenzung der Mannheimer CDU zur extremen Rechten sind wir entsetzt, wenn auch nicht überrascht, weil wir diese inhaltliche Annäherung schon beobachten konnten. Bereits 2017 unterschrieb Herr Kranz einen Antrag, die Förderung des JUZ zu streichen. Die Zusammenarbeit mit der AfD hatte er schon direkt nach der Gemeinderatswahl 2024 mit der Aussage “Ich habe damit überhaupt kein Problem, wie sich die Mehrheiten am Ende des Tages bilden“ 2 vorbereitet. Eine Zusammenarbeit und Absprachen mit der AfD hatte er in einem Interview mit dem Mannheimer Morgen damals noch ausgeschlossen. Erschrocken sind wir jedoch, wie schnell und offen der CDU-Fraktionsvorsitzende diesen Weg geht. Kein halbes Jahr später berät er die AfD öffentlich juristisch im Gemeinderat und stellt die Zusammenarbeit mit der CDU in Aussicht. Schockierend ist, dass der Werteverlust der lokalen CDU so schnell kommt und Herr Kranz anscheinend keinerlei Respekt vor der bundesweit öffentlich propagierten Nichtzusammenarbeit mit der AfD hat. Wir hoffen, dass Herr Kranz hier nicht in Absprache mit seiner Fraktion gehandelt hat und andere Stadträtinnen der CDU eine andere Haltung zur AfD und deren menschenverachtenden Politik haben.
Leider wird uns damit wieder eine Debatte aufgezwungen, die komplett an unseren aktuellen Herausforderungen vorbei geht. Herr Kranz zeigt in seiner Wortmeldung in der Gemeinderatssitzung nämlich zugleich auf, wie wenig Ahnung er von der eigentlichen Jugendarbeit im JUZ hat. Bei der Bitte um Unterstützung, die seine Fraktion erreicht hat und die er als Aufhänger seines Beitrags wählt, fordern wir nicht „die Förderung nochmalig weiter“ 3 zu erhöhen, sondern eine langfristige Finanzierung für ein Projekt des JUZ, das auf den akuten Raumbedarf von nicht privilegierten Jugendlichen in der Neckarstadt reagiert. Hierzu gab es schon länger Projektmittel aus verschiedenen, auch städtischen Töpfen, die wegen ihrer Förderrichtlinien aber nicht passgenau und als Projektmittel eben zeitlich begrenzt sind, weswegen wir zur Aufrechterhaltung des Angebotes dringend eine institutionelle Förderung brauchen. Die ehrenamtlichen JUZis haben bei diesem Projekt ein offenes Café in unseren Räumlichkeiten selbst initiiert, das von einer Klientel frequentiert wird, die von der städtischen Sozialarbeit selbst nicht erreicht wird. Das 2024 von sozialpädagogischen Fachkräften auf Midijobbasis umgesetzte Jugendcafé ist ein Paradebeispiel von Selbstorganisation und innovativen Strukturen, die es aus ehrenamtlicher Initiative geschafft haben, das JUZ für eine Zielgruppe zu öffnen, die sonst nicht zu den üblichen Besucherinnen des JUZ gehört. Die Unwissenheit von Herrn Kranz über unsere Arbeit zeigt sich auch darin, dass keinerlei Bezug zur konkreten Jugendarbeit im JUZ hergestellt wurde. Stattdessen setzte er (ohne für uns erkennbare Grundlage) öffentliche Aussagen im Gemeinderat und auf Social Media über das JUZ in die Welt. In der Gemeinderatssitzung vom 01.10.2024 stellte er beispielsweise eine Verbindung des JUZ zu den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg (!) im Jahr 2017 (!) her, ohne irgendeinen konkreten Bezug zu nennen. Auf Facebook postet er haltlose Behauptungen über die Zerstörung von CDU-Wahlplakaten aus dem JUZ heraus.

Es verärgert uns auch, dass er erst öffentlich die Streichung der Mittel ins Spiel bringt, bevor es zu einem Gespräch mit uns kam. Wir sind basisdemokratisch organisiert und offen für Kritik. Herr Kranz kann, wie jeder andere auch, Bedenken über unsere Arbeit in unsere partizipative Strukturen tragen. Die ins Spiel gebrachte Streichung der Fördermittel vor einem Gespräch können wir nur als Drohung verstehen, was ein Gespräch auf Augenhöhe extrem schwierig macht.
Wir sind zuversichtlich, dass wir anderen Stadträtinnen (vielleicht und hoffentlich auch manchen in der CDU) und vor allem der Mannheimer Zivilgesellschaft deutlich machen können, welche wichtige Jugend- und Bildungsarbeit im JUZ gemacht wird. Wir leisten hier sehr unterschiedliche ehrenamtliche Arbeit von politischen Bildungsangeboten, über den kostenlosen Sprachkurs für Geflüchtete, das pädagogische Gärtnern, die offene Fahrradwerkstatt oder eben das angesprochene Jugendcafé. Wir zeigen unsere Arbeit gerne und sind auch immer offen darüber zu diskutieren. Genauso sind wir hier nicht alle einer Meinung. Wir halten inhaltlichen Streit für wichtig, weil unsere Freiraum-Pädagogik von Aushandlungsprozessen abhängig ist. Diese ganze Arbeit machen wir als Ehrenamtliche in unserer Freizeit.
Wir sind uns allerdings einig, dass zu unseren Grundwerten das Eintreten gegen Faschismus, Rassismus, Antisemitismus und Sexismus gehören. Die offen dargestellte Nähe von Herrn Kranz zur AfD verstehen wir als Angriff auf diese Werte. Wir hoffen und glauben weiter daran, dass wir bei einem Antrag von CDU oder AfD gegen das JUZ genug Stimmen im Gemeinderat gewinnen können. Die 2017 an uns gesendeten über 50 verschiedenen Stellungnahmen aus den verschiedensten Teilen der (Mannheimer) Zivilgesellschaft liegen uns noch vor und machen uns Hoffnung, dass wir wieder auf viel Solidarität bauen können. Auch wenn die gesellschaftliche Stimmung – nicht nur in Mannheim – und das offene Zusammenbrechen des demokratischen Lagers uns ernsthaft Sorgen machen, glauben wir noch an eine solidarische Welt, für die es sich zu kämpfen lohnt!
Wir bleiben, heute wie damals und auch in Zukunft bei antifaschistischen Grüßen!
Die Vollversammlung des Jugendzentrums in Selbstverwaltung Friedrich Dürr am 10.10.2024
Das Jugendzentrum in Selbstverwaltung „Friedrich Dürr“ in der Mannheimer Neckarstadt entstand aus dem Bedürfnis nach einem Ort, an dem Menschen jenseits kapitalistischer Verwertungslogik ihr Leben selbst gestalten können – durch politische Veranstaltungen, Partys, Konzerte und ganz einfach durch die Möglichkeit, sich ohne Konsumzwang zu treffen, auszutauschen und zu organisieren.
Das JUZ ist ein Ort, der von der Beteiligung vieler Menschen lebt.
Das OAT Mannheim trifft sich dort regelmäßig. Das nächste Treffen findet am 6. November statt.