Besuche werden verhindert – Zeitungen verweigert
Seit August 2024 sitzt der Stuttgarter Antifaschist Nico eine 3 jährige Haftstrafe ab, zu der er aufgrund der Beteiligung an der sogenannten Krawallnacht verurteilt wurde.
Die ersten sechs Monate der Haft waren geprägt von Repression und Schikanen seitens der JVA. Bereits wenige Stunden nach Haftantritt wurde Nico von der JVA Ulm – mit der Begründung, er bzw. seine politische Haltung gefährde die „Sicherheit und Ordnung der JVA“ nach Heimsheim verlegt. Seine Verlegung noch vor der ersten Nacht in Haft haben wir bereits öffentlich gemacht und bewertet. Mittlerweile ist klar, die Schikanen gegen Nico als politischen Gefangenen werden auch in der JVA Heimsheim fortgesetzt. Die Repressalien finden auf unterschiedlichen Ebenen statt:
Einschränkung von Besuchen: Ein zentrales Mittel der Repression gegen Nico ist die systematische Einschränkung von Besuchen. Sämtliche Besuchsanträge – mit Ausnahme der Anträge seiner Familie – wurden pauschal abgelehnt. Und das nun seit Monaten. Dies wurde zunächst mit der allgemeinen „Gefährdung der Ordnung“ begründet, später jedoch wurde offen erklärt, dass die Ablehnung aufgrund der politischen Zugehörigkeit der Antragsteller erfolgt. Die JVA Heimsheim hat sich dabei nicht einmal die Mühe gemacht, die potenziellen Besucher individuell zu überprüfen. Trotz juristischer Schritte und öffentlichem Druck wurden bislang nur sehr wenige Besucher:innen zugelassen und die Anstaltsleitung macht keinen Hehl daraus, dass die Ablehnung alleine auf die politische Haltung Nicos und den Kontakt zu Personen aus der Solidaritätsbewegung zurückzuführen ist.
Vorenthaltung von Zeitungen: Nico wird die Zustellung der Tageszeitung „Junge Welt“ verweigert. Diese Maßnahme wurde mit der Erwähnung der Zeitung im Verfassungsschutzbericht begründet.
Eingriffe in das persönliche Umfeld: Die Anstaltsleitung informierte den Arbeitgeber von Nicos Partnerin, die als Sozialarbeiterin bei einer sozialpräventiven Stelle für ehemalige Inhaftierte tätig war, über seine Haft. Dies führte zu ihrer Kündigung.
Solche repressiven Maßnahmen sind nicht neu. Bereits andere politische Gefangene aus der Stuttgarter Linken wie Jo, Dy und Findus machten ähnliche Erfahrungen, Im Fall von Nico kann die Anstaltsleitung der JVA Heimsheim zusätzlich auf ihre Erfahrungen mit Findus zurückgreifen, der dort ebenfalls inhaftiert war, die Maßnahmen entsprechend anpassen und verschärfen.
Die Repression ist Ausdruck des generellen Charakters des Gefängnissystems. Gefängnisse basieren auf Prinzipien wie Willkür, Zwang, Unterordnung und Strafe. Sie folgen klaren Abläufen, Hierarchien und einer ständigen Überwachung, die darauf abzielen, den Gefangenen ihre Eigenständigkeit und Selbstbestimmung zu nehmen.
Entsprechend sind alle Gefangene dieser Wirkung und Macht des Knastes ausgesetzt und von den Schikanen (wie willkürlichen Zellenkontrollen, Verbote, Launen der Wärter, Zensuren ….) ausgesetzt.
Im Sinne einer vermeintlichen „Resozialisierung“ sollen Gefangene angepasst und in die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse eingegliedert werden. Dieses System möchte die Gefangenen „verwertbar“ machen, indem es sie in einen Zustand der Passivität und Unterwerfung versetzt. Eine menschenwürdige Behandlung oder die Willensbildung und Selbstbestimmung einzelner Gefangen sind nicht vorgesehen und werden von der JVA ihrerseits als Angriff gewertet. Wer sich trotzdem versucht, dem zu entziehen, kleinen Widerstand zu leisten, Kollektivität aufbaut oder nicht mitspielt, wird benachteiligt oder bestraft.
Der Knast macht immer wieder deutlich, dass die Entscheidung was der Resozialisierung dienlich ist und was nicht, hochpolitisch ist: während Kontakte in das bürgerliche soziale Umfeld vor der Haft und entsprechende Kommunikation/Besuche als förderlich für die Resozialisierung gelten, werden die Besuche von Nico systematisch mit der Begründung der „politischen Bezugnahme“ abgelehnt. An dieser Stelle wird offensichtlich, dass es nicht um die Verwirklichung der Interessen der Gefangenen geht, sondern im Falle von Nico um Isolierung durch das Erschweren von Kontakt, Austausch, Entwicklung und letztlich auch um das Verhindern von Solidaritätsarbeit.
Die Erfahrungen von Nico in den vergangenen Monaten sind ein Beispiel dafür, dass politische Gefangene auf besondere Weise von Repression betroffen sind. Formal ist es zwar kein offizielles Ziel der bürgerlichen Justiz Ideologie auszutreiben, de facto soll das aber erreicht werden. In dem das Verhältnis zur Bewegung justiert, Aktionen bewertet und die Maßstäbe des politischen Handels durch „Aufarbeitung“ geprägt werden. Letztlich geht es darum, die Gefangenen als handelnde Subjekte und politische Akteure zu brechen und sie in ein isoliertes, passives, entpolitisiertes Individuum zu verwandeln.
Solidarität und Kollektivität innerhalb der Bewegung widersprechen der Logik des Knastsystems, widersprechen dem Ziel der Vereinzelung und beziehen die Gefangenen als eigenständige politische Akteure und als handlungsfähige Individuen ein in eine widerständige, politische Praxis. Entlang dieser Konfrontationslinie lassen sich die Repressalien, die Nico in den vergangenen Monaten erleben musste, einordnen.
Im Fall der Besuche und der Zeitungen sind wir als Betroffene und Nico selbst gegen die Maßnahmen gerichtlich und anstaltsintern vorgegangen. Gleichzeitig können wir uns in der Auseinandersetzung nicht auf bürgerliche Gerichte verlassen, die Maßnahmen sind politisch motiviert und zielen auf die politische Identität unseres Gefangenen. Es muss also darum gehen, die Repression politisch zu begreifen, als Angriff auf uns und als Teil des Systems und die eigene Beziehung zu den Gefangenen all den Hindernissen zum Trotz zu entwickeln(ihre Situation zu diskutieren), Öffentlichkeit herzustellen und Druck aufzubauen..
Ein wichtiger Teil davon ist weiterhin der Briefaustausch mit den Gefangenen. Den Genossen hinter Gittern unsere Solidarität zu zeigen und die Gefangenen vor der JVA zu grüßen.