Der rechte Terror nimmt zu – eine Entwicklung die nicht nur in Deutschland sondern europaweit zu beobachten ist.
Wenn wir an rechten Terror denken, verbinden wir damit meist Ereignisse wie die Morde des NSU oder Anschläge wie das Attentat in Halle oder Hanau. Aber auch die Baseballschlägerjahre, sowie die flächendeckenden Pogrome in der BRD Ende der 80er und 90ern, bleiben uns im Gedächtnis.Doch gerade in den letzten zwei Jahre erleben die rechten und faschistischen Kräfte einen Aufschwung, insbesondere die sich zuspitzende Rechtsentwicklung sowie das konsequente Wegschauen der Herrschenden befeuert diese Entwicklung. In den letzten vier Monaten ist kaum eine Woche vergangen in der es nicht zu rechter Gewalt kam.
Eine Bestandsaufnahme
Bereits kurz vor Weihnachten im vergangenen Jahr wurden zwei Frauen und ein Mann, welche allesamt in der Partei Die Linke aktiv sind, in Görlitz von dem rechtsextremen Finley Pügner brutal zusammengeschlagen. Der 18-jährige Finley Pügner ist in mehreren rechten bzw. Neonazi-Gruppierungen aktiv, unter anderem in der „Elblandrevolte“, eine Gruppe der „Jungen Nationalisten“. Finley Pügner sitzt seit dem Angriff in der JVA Görlitz in U-Haft. Neben dem Angriff in Görlitz wurde fast zeitgleich das Libertäre Zentrum in Magdeburg mit einem Molotow-Cocktail angegriffen. Rund eineinhalb Monate später folgte der nächste Angriff auf ein Linkes Zentrum. Dieses Mal versuchte eine kleine Gruppe von militanten Rechten in das Autonome Zentrum in Salzwedel einzudringen; dabei wurden vereinzelt Steine auf die Räumlichkeit geworfen. Nur durch das konsequente eingreifen von Antifaschist:innen konnte schlimmeres verhindert werden.1https://instagram.com/p/DD6n7nAscEh/
Anfang März folgte dann der nächste Angriff auf eine alternative Räumlichkeit.2https://www.tagesspiegel.de/potsdam/brandenburg/willkommen-in-den-90ern-vermummte-greifen-senftenberger-jugendclub-an-13305190.html Dieses mal war der Jugendclub „Jamm“ in Senfenberg – eine Mittelstadt in Brandburg betroffen. Eine 40-köpfige Gruppe junger Rechter hatte den Jugendclub mit Steinen attackiert – verletzt wurde niemand, weil Mitarbeiter:innen schnell eingriffen und den Angriff abwehren konnten.Ebenfalls Anfang März wurde ein Schüler in Hohenschönhausen aufgrund seines Engagement gegen Rassismus an Schulen von einer ca. 15-köpfigen Gruppe Neonazis gejagt.
In Bochum hingehen hat es am 15.03. einen bewaffneten Angriff auf einen Fotografen gegeben, welcher gerade dabei war, das geheime Gründungstreffen der NPD-Bochum zu dokumentieren. Nachdem der Fotograf aufgeflogen war, griffen ihn rund fünf Personen direkt an. Der Neonazi Christian Schemm führte dabei einen Schlosserhammer mit sich und versuchte, mit diesem auf die Person einzuschlagen und diese zu jagen. Seine Freundin Shauna Charis Seidel führte einen Teleskopschlagstock und ging ebenfalls auf den Fotografen los. Der Fotograf blieb unverletzt und konnte sich dem Angriff glücklicherweise entziehen.Neben den gezielten Attacken gegen linke Infrastruktur und Personen gab es in den Monaten Februar und März eine Reihe von Angriffen auf marginalisierte Personen, wie beispielsweise queere und geflüchtete Menschen.3https://instagram.com/p/DHEHzgJNi9y/
Am 25.02. ereignete sich in Magdeburg in der Nähe des Neustädter Bahnhofs erneut ein rassistischer Angriff.4https://instagram.com/p/DGf9nRnMu7U/ Dabei wurden zwei junge Syrer auf ihrem Heimweg nach der Arbeit von fünf Faschisten mit einem Messer angegriffen. Nach Beleidigungen und Drohungen zog einer der Faschisten ein Messer und stach auf die beiden ein.Das eine Opfer erlitt schwere Stichwunden am Bauch und musste im Krankenhaus notoperiert werden; das zweite Opfer wurde am Hals verletzt.Eine Woche später gab es den nächsten Vorfall. In der Nacht vom 7. auf den 8. März wurde in Stahnsdorf, nähe Berlin, eine Geflüchtetenunterkunft angegriffen.5https://instagram.com/p/DHD966CNTHZ/ Eine etwa 7-köpfige Gruppe versuchte durch eine verriegelte Hintertür in das Haus einzudringen. Nachdem dieser Versuch scheiterte, wurden die Fenster allesamt mit Steinen eingeworfen. In diesem Zuge wurde auch ein Sicherheitsmann durch die Gruppe verletzt, der im Anschluss in ein Krankenhaus gebracht werden musste.
Im Nachgang wurde die Gruppe kontrolliert, wobei unter anderem Baseballschläger und Messer gefunden wurden. Vor dem Angriff soll die Gruppe lautstark mit faschistischen Parolen wie „Heil Hitler“ durch die Stadt gezogen sein.In fast allen Vorfällen haben die öffentlich rechtlichen Sender von sogenannten „Einzelfällen“ gesprochen, wenn die Angriffe überhaupt in den Medien platz fanden. Das ist weiter nicht verwunderlich. Mehrere Studien zum Beispiel die von Charlie Beckett (2016)6https://mediendienst-integration.de/de/artikel/wie-ueber-rechtsextremismus-berichten.html oder Signal AI (2019)7https://www.aa.com.tr/en/europe/media-reluctant-to-label-far-right-as-terrorist-report/1448150 belegten, dass in den Berichterstattungen häufig rechtsextremistische Taten und Terror nicht als solche dargestellt werden. Eine weitere Studie der Signal AI zeigte, dass Anschläge, die aus einem vermeintlichen „islamistischen Hintergrund begangen werden, die Täter:innen prozentual dreimal häufiger als Terroristen betitelt werden, als Rechtsextremisten.
Die Studie des Journalismusprofessor Thomas Hestermann8https://katapult-magazin.de/de/artikel/so-berichten-medien-ueber-gewalttaten aus dem Jahr 2023 zeigte deutlich, dass die Medien überproportional häufig über Gewaltverbrechen von „nichtdeutschen“ Tatverdächtigen berichten. In der Summe werden diese 2,5 Mal häufiger gespiegelt. Diese Verzerrung vermittelt ein falsches Bild in Bezug auf Kriminalität in Deutschland und befeuert die rassistische Stimmungsmache der bürgerlichen und rechten Parteien.Im direkten Vergleich dazu werden faschistische Angriffe teilweise heruntergespielt oder die politischen Motive unter den Tisch gekehrt. Mal wird von „randalierenden Jugendlichen“ gesprochen und mal waren es harmlose Raufereien auf dem Schulhof.In der Berichterstattung werden die Täter allzu oft mit Aussagen wie: „einsamer Wolf, böse, Verbrecher oder psychisch krank“ gelabelt. Ohne eine psychische Erkrankung herunterspielen zu wollen, muss in diesem Kontext betrachtet werden, dass diese Erklärung herangezogen wird, um rechsextreme Hintergrundprofile unter den Tisch fallen zu lassen und diese Spur nicht weiter verfolgen zu müssen.
Besonderes die jüngste Tat in Mannheim zeigte dies deutlich. Nach der Tat gab es verschiedene Spekulationen über die Herkunft sowie die damit verbunden Motive des Täters. Von einigen Medienvertretern wurde relativ schnell ein islamistisches Motiv prognostiziert. Als jedoch heraus kam, dass der Täter die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, sowie jahrelang teil einer rechten Gruppierung war, verstummte die mediale Berichterstattung und der Fall Mannheim war nach zwei Tagen aus der öffentlichen Debatte verschwunden. Auch die Forderungen von Politiker:innen nach einem effektiveren Kampf gegen Rechts blieben aus. Dafür schreien sie aber nach jeder Tat, bei der der Täter einen Migrationshintergrund hat, nach mehr Abschiebungen, härteren Migrationsbestimmungen und und und.
Die Kehrseite
Im Gegensatz dazu wird konsequentes antifaschistisches Engagement seit Jahren kriminalisiert. Gerade in den letzten Jahren versuchen die Behörden entschlossen Antifaschismus mit allen Mitteln zu verhindern. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Form sich der Widerstand oder die Proteste äußern.
Egal ob Kundegebungen, Demonstrationen oder die direkte Konfrontation mit Faschist:innen, der bürgerliche Staat nutzt jede Gelegenheit um Aktivist:innen zu kriminalisieren.
Seit einigen Jahren häufen sich Haftstrafen gegen Antifaschist:innen. Aktuell sitzen so viele wie schon lange nicht mehr in Haft. Viele davon wegen einer vermeintlichen Beteiligung bei organisierten Angriffen auf Nazis, wie zum Beispiel in Ostdeutschland, wo im Kontext des sogenannten Antifa-Ost-Verfahren9https://www.soli-antifa-ost.org/ etliche Antifaschist:innen in Haft sitzen. Viele weitere Antifaschist:innen sitzen im Rahmen des Budapest-Komplexes10https://www.basc.news/basc_de/ hinter Gittern. Ihnen wird die Beteiligung an Angriffen auf Faschisten welche sich am „Tag der Ehre 2023“ an dem jährlich in Budapest staffindenem NS verherrlichenden Aufmarsch beteiligten.
Insbesondere die nicht endende Hetzjagd auf untergetauchte Antifaschist:innen, sowie die widerrechtliche Auslieferungen von Maja zeigen, dass die Repressionsorgane mit allen Mitteln versuchen konsequenten Antifaschismus zu verhindern und zu delegitimieren, auch wenn dies bedeutet, eigenmächtige Entscheidungen vorbei am Bundesverfassungsgericht zu treffen.
Die Rolle des bürgerlichen Staates
Im Kampf gegen Nazis können wir uns auf den bürgerlichen Staat nicht verlassen. Eine Phrase, welche wir zu oft predigen und die mittlerweile hinlänglich bekannt ist. Die Skandale von Halle, Hanau, die Verstrickungen des Verfassungsschutz im NSU-Komplex, die rechten Chatgruppen in den Polizei und Bundeswehr und die alltäglichen rassistischen Polizeikontrollen zeigen dies nur zu deutlich.
Nazis und rechte Akteure fahren nicht mehr nur im Windschatten des aktuellen parlamentischen parlamentarischem Kurs, sondern konnten den gewonnen Aufschwung nutzen um neue Menschen für ihre Zwecke zu gewinnen und fühlen sich durch diesen bestärkt. Es braucht schon lange keine AfD oder CDU mehr, um rechte Narrative zu legitimieren und umzusetzen. SPD, Grüne und Co. hetzen seit Jahren freudig mit und verstecken sich immer wieder hinter dem Deckmantel der sogenannten „bürgerlichen Demokratie“. Insbesondere die GESAS-Reform, sowie das von Olaf Scholz geforderte „Rückführungsverbesserungsgesetz“, bestätigen die rassistischen Abschiebefantasien und befeuern gleichzeitig die sich immer zuspitzende Rechtsentwicklung in Deutschland.
Eine gewisse Doppelmoral lässt sich besonders in Zeiten des Wahlkampfes, sowie bei den „Massenprotesten gegen Rechts“ erkennen; so inszenieren sich die bürgerlichen Parteien teilweise als vermeintliche „Antifaschist:innen“ mit dem Bild, sich aktiv „gegen Rechte und gegen Nazis“ einzusetzen, um auch hier nach potenziellen Wähler:innen zu fischen. Ihre Politik hat nichts im entferntesten Sinne mit Antifaschismus zu tun. Das diese Worte nur heiße Luft sind, wissen wir schon lange. Sobald aktiv und konsequent gegen militante Rechte oder Nazis vorgegangen wird, bröckelt die Fassade des angeblichen antifaschistischen Charakters. Die bürgerlichen Parteien versuchen sich in diesem Zuge so schnell wie möglich davon zu distanzieren und möchten mit dem Begriff „Antifa“ oder „Antifaschismus“ auf einmal nichts mehr zu tun haben.
Fazit
Aber was ist unsere Alternative? Im Kampf gegen den rechten Terror braucht es mehr als nur leere Worte, es braucht eine entschlossene antifaschistische Praxis.
Rechte Gewalt auf den Straßen nimmt zu und Rechte gewinnen mehr und mehr an Oberwasser. Der Spruch „Hochmut kommt vor dem Fall“ wird in dieser Situation nur Realität, wenn wir den Fall aktiv herbeiführen. Militanter Antifaschismus ist und bleibt legitim. Der antifaschistische Kampf muss mit allen Mitteln und auf allen Ebenen geführt werden. Wir müssen es jedoch selbst in die Hand nehmen und uns dafür organisieren und vernetzen. Ein Aufbau von antifaschistischen Selbstschutzstrukturen ist hierbei ein wichtiges Element, um rechten Angriffen zu begegnen und um unsere Strukturen zu verteidigen und zu schützen.
Auf ein Eingreifen des Staates können wir nicht zählen. Im Gegenteil, die Realität zeigt, dass unser Kampf kriminalisiert wird. Dies macht ihn jedoch nicht weniger Notwendig und Kämpfenswert.
Die gesellschaftliche Stimmung kippt immer weiter, die Krisen spitzen sich zu und die Auswirkungen bekommen wir alle zu spüren. Wir müssen Lösungen anbieten können und den Menschen Perspektiven aufzeigen, um sie nicht an die Lügen der Rechten zu verlieren. Ihre vermeintlichen Lösungen werden in keiner Phase zu einer Verbesserung der Umstände für die Meisten von uns führen.
Nur durch ein entschlossenes und organisiertes Handeln wird es uns möglich sein, rechte und faschistische Kräfte zurückzudrängen und ihren Erfolg zu verhindern.
Daher bleibt uns abschließend nur eines zu sagen: „Her zu uns! – Ob friedlich oder militant, wichtig ist der Widerstand!“
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